Protocol of the Session on March 23, 2007

li 2007 bestehenden Kreises bzw. der Stadt und zweitens die Bereitschaft des Rechtsnachfolgers, also des Landkreises Anhalt-Bitterfeld, zur Fortführung der Zulassung auch über seine Kreisgrenzen hinaus.

Für die von der Gebietsreform betroffenen Kommunen, die mit der zuständigen Agentur für Arbeit einen Vertrag über die Gründung einer Arbeitsgemeinschaft sowie über die Übertragung von Aufgaben auf die Arbeitsgemeinschaft geschlossen haben, gilt im Ergebnis nichts anderes als für die Optionskommunen. Das heißt, die einzelne Arbeitsgemeinschaft ist grundsätzlich weiterhin für die Hilfebedürftigen zuständig, die im bisherigen Kreisgebiet wohnhaft sind. Die künftigen Landräte bzw. Oberbürgermeister sind für die Zeit ab dem 1. Juli 2007 gehalten, so weit wie möglich auf eine Vereinheitlichung hinzuwirken.

Dem Ministerium für Wirtschaft und Arbeit ist bekannt, dass für verschiedene Arbeitsgemeinschaften Bestrebungen im Hinblick auf eine Vereinigung von Arbeitsgemeinschaften im Gange sind und eine Zusammenführung zum 1. Januar 2008 geplant ist. Die Landesregierung und das Ministerium für Wirtschaft und Arbeit unterstützen diese Bestrebungen. Einer Zusammenführung zu einem früheren Zeitpunkt, zum Beispiel zum 1. Juli 2007, stehen vor allem haushaltstechnische und personalwirtschaftliche Gründe entgegen.

Das Ministerium für Wirtschaft und Arbeit steht dabei auch im Kontakt mit der Regionaldirektion SachsenAnhalt-Thüringen der Bundesagentur für Arbeit, welche eine gewisse koordinierende Funktion seitens der Agenturen für Arbeit und insofern auf die Zusammenführung von Arbeitsgemeinschaften hat.

Die Landesregierung und das Ministerium für Wirtschaft und Arbeit appellieren an die von der Gebietsreform betroffenen Kommunen, erstens eine entsprechende Öffentlichkeitsarbeit zu betreiben, zweitens die Hilfebedürftigen konkret durch Hinweisblätter oder Ähnliches auf die sie betreffenden Folgen der Gebietsreform hinzuweisen und drittens die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Arbeitsgemeinschaften bzw. in den zugelassenen kommunalen Trägern eingehend über die Gebietsveränderungen und die sich daraus ergebenden Folgen für die Hilfebedürftigen zu informieren.

Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sollten danach insbesondere in der Lage sein, die verschiedenen Anliegen der Hilfebedürftigen zeitnah und korrekt an die jeweils zuständigen Stellen weiterzuleiten.

In diesem Zusammenhang ist nämlich auf die Regelung des § 16 des Ersten Buches des Sozialgesetzbuches hinzuweisen, wonach Anträge auf Sozialleistungen zwar prinzipiell beim zuständigen Leistungsträger zu stellen sind, diese Anträge aber auch von allen anderen Leistungsträgern entgegengenommen werden müssen und unverzüglich an den zuständigen Leistungsträger übermittelt werden müssen. Ist die Sozialleistung von einem Antrag abhängig, gilt der Antrag auch als zu dem Zeitpunkt gestellt, zu dem er bei dem unzuständigen Leistungsträger eingegangen ist. Dadurch soll sichergestellt werden, dass die Hilfebedürftigen keine Nachteile erleiden.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist sicherlich bedauerlich, dass einheitliche Organisationsformen in den neuen Kreisen ohne die Aufgabe des Optionsmodells in Sachsen-Anhalt zunächst nicht erreicht werden können. Aber diejenigen Bürger, die auf die Grund

sicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II angewiesen sind, werden auch nach dem 1. Juli 2007 ihre Anspruchspartner behalten.

Der Vorteil des Verbleibs der bestehenden Institutionen über den 1. Juli 2007 hinaus besteht gerade darin, dass sich für die Betroffenen im Frontoffice-Bereich nichts ändert. Wenn im Backoffice-Bereich Finanzmittel auf der Ebene von Kreisverwaltungen ausgeglichen werden, dann ist das für die Übergangsphase nach einer Kreisgebietsreform nicht ungewöhnlich und von den betroffenen Verwaltungen geräuschlos zu managen. Mittelfristig wird dann der Gesetzgeber ohnehin ab 2011 zwischen dem Optionsmodell und dem Arbeitsgemeinschaftsmodell entscheiden müssen.

Meine Damen und Herren! Gestatten Sie mir eine persönliche Nachbemerkung: Mein Gefühl sagt mir, dass es hierbei um eine sehr wichtige Angelegenheit geht - verstanden habe ich sie trotzdem nicht.

(Heiterkeit)

Deshalb bitte ich Sie, den Dialog mit dem Wirtschaftsminister fortzuführen. Dafür bietet sich natürlich der zuständige Ausschuss an. - Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Herzlichen Dank, Herr Minister. - Bevor wir in die Debatte eintreten, begrüße ich Damen und Herren der Regionalen Arbeitsgruppe Altenhilfe aus Magdeburg-Nord. Herzlich willkommen!

(Beifall)

Wir treten nun in die Fünfminutendebatte ein. Als erster Debattenredner erhält die Abgeordnete der SPD Frau Hampel das Wort. Bitte schön, Frau Hampel.

Sehr geehrter Herr Präsiden! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Herr Minister Olbertz, Ihr Gefühl täuscht Sie wahrlich nicht. In der Tat handelt es sich hierbei um eine wichtige Angelegenheit; denn mit der bevorstehenden Kreisgebietsreform wird es in vielen Bereichen weitreichende Veränderungen geben.

Aber gerade die Veränderungen in den Strukturen der Arbeitsförderung sind besonders sensibel, weil es hierbei konkret um Hilfestellungen für die Bürgerinnen und Bürger geht, die auf die Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II angewiesen sind. Daher ist es gut, dass wir die Anträge der PDS und der FDP haben und dass dieses Thema heute im Landtag behandelt wird.

Das grundsätzliche Anliegen der PDS zielt in die richtige Richtung, nämlich die Schaffung einheitlicher Betreuungsstrukturen im Rahmen der Grundsicherung für Arbeitsuchende. Diese Erkenntnis ist richtig, aber sie ist nicht neu; denn die Koalitionsparteien haben bereits im letzten Jahr in den Koalitionsvertrag aufgenommen, dass das Land gegenüber der Bundesregierung die Wahlfreiheit für eine einheitliche Organisation einfordern soll.

Wie wir gerade von Minister Herrn Olbertz gehört haben, wünscht sich auch die Landesregierung eine einheitliche Organisationsstruktur für das SGB II, ohne dass die fünf existierenden Optionsmodelle beendet werden.

In der Sache ist die Rechtslage klar: Mit der Verordnung zur Zulassung kommunaler Strukturen als Träger der Grundsicherung hat der Bund im September 2004 69 Landkreise namentlich definiert, die als so genannte Optionskommunen die Aufgaben im Zusammenhang mit der Betreuung der Hilfebedürftigen im Rahmen des SGB II wahrnehmen.

Danach gilt: Eine bestehende Optionskommune kann zwar aufgelöst werden, eine neue kann hingegen nicht beantragt werden. Eine Änderung der Rechtslage und damit eine weitergehende Aufgabenübertragung auf die Kommunen lehnt der Bund derzeit - auch aus verfassungsrechtlichen Erwägungen heraus - richtigerweise ab.

Das ist nicht in unserem Sinne - darin sind wir uns sicherlich einig -; denn es bedeutet auch, dass eine Vereinheitlichung der Strukturen in von der Kreisgebietsreform betroffenen Landkreisen - diese haben Sie namentlich erwähnt; das möchte ich mir deshalb an dieser Stelle sparen - nicht ohne die Aufgabe der Optionsmodelle erreicht werden kann.

Zur Situation der Hilfebedürftigen bleibt mir aber Folgendes zu sagen: Fakt ist, dass ab dem 1. Juli 2007 nicht sofort neue Betreuungsstrukturen greifen können. Die Zuständigkeiten für die Hilfebedürftigen bleiben daher zunächst unverändert bestehen; denn die Verträge zur Errichtung und Aufgabenübertragung auf die Arbeitsgemeinschaften und die kommunalen Eigenbetriebe gelten erst einmal fort.

Es ist dann die Aufgabe der neuen Kreistage, nach ihrer Konstituierung möglichst zeitnah neue Strukturen zu schaffen und dabei auch eine Vereinheitlichung anzustreben. Die Kreistage haben es am Schluss in der Hand, ob es in den neuen Landkreisen weiterhin Optionen geben wird.

Die ersten Kreistage - so ist auch meine Information - haben sich bereits auf ein gemeinsames Vorgehen nach dem Zusammenschluss der neuen Landkreise verständigt. Die Landesregierung wird - darin bin ich mir sicher - diesen Prozess aktiv begleiten, Hilfestellung geben und Kontakte zur Bundesagentur für Arbeit vertiefen.

Es sind alle Anstrengungen zu unternehmen, damit den Hilfeempfängern keine Nachteile entstehen. Es muss sichergestellt sein, dass alle Hilfeempfänger auch in Zukunft gut betreut werden und die ihnen zustehende Hilfe bekommen. Auf keinen Fall dürfen sie zu Leidtragenden der Reform werden.

Dies trifft selbstverständlich auch auf die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Arbeitsgemeinschaften und der kommunalen Träger zu. Auch sie sind eingehend über Veränderungen zu informieren, sodass es gar nicht erst zu erneutem Motivationsverlust und Frust kommt.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wie Sie sehen, wird auch zukünftig viel vom Engagement und der persönlichen Einstellung der handelnden Akteure vor Ort abhängen; Frau Dirlich betonte das bereits. Aus diesem Grund sollte die Landesregierung den Kommunen jegliche Unterstützung geben, damit diese in die Lage versetzt werden, einen möglichst reibungslosen Übergang in die neuen Strukturen zu finden.

Die SPD beantragt die Überweisung der Anträge in die Ausschüsse für Wirtschaft und Arbeit sowie für Inneres. Wir sollten uns dort über die Situation vor Ort informie

ren und über das weitere Vorgehen diskutieren. - Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Herzlichen Dank, Frau Hampel, für Ihren Beitrag. - Für die FDP erteile ich jetzt Herrn Professor Paqué das Wort. Bitte schön, Herr Professor.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist ein seltenes Ereignis, dass wir Liberalen und die Linkspartei.PDS in einer wirtschafts- und arbeitsmarktpolitischen Frage ganz nahe beieinander liegen. Heute ist es so weit.

Es ist nicht vermeidbar, dass es in der wichtigen Frage, die wir hier zu behandeln haben, zu einem kurzfristigen sachbezogenen Konsens zwischen dem Liberalismus und dem Sozialismus kommt. Nun gut, damit werden wir leben können.

(Unruhe bei der Linkspartei.PDS)

Meine Damen und Herren! Die PDS-Fraktion erkennt in ihrem Antrag zu Recht, dass mit dem In-Kraft-Treten der Kreisgebietsreform parallele Betreuungsstrukturen entstehen. In vier der künftig elf Landkreise werden, wenn nicht noch etwas Besonderes geschieht, beide Organisationsmodelle zur Umsetzung des SGB II nebeneinander bestehen: auf der einen Seite das Optionsmodell der kommunalen Beschäftigungsagenturen, auf der anderen Seite das Modell der Bundesagentur für Arbeit mit den Arbeitsgemeinschaften.

Die FDP-Fraktion teilt die Befürchtung, dass dies zu bürokratischen Effizienzverlusten in der Vermittlung führen und letztlich auch Arbeitsplätze kosten wird. Ich habe eben aus dem Beitrag der SPD-Fraktion herausgehört, dass auch dort durchaus gewisse Bedenken bestehen.

Wir sollten deswegen alles in die Wege leiten, damit nach der Kreisgebietsreform einheitliche Strukturen geschaffen werden können. Das heißt ganz konkret: Überall dort, wo es in einem der neuen größeren Kreise mindestens einen Altkreis gibt, der optiert hat, sollte das Optionsmodell auch auf der Ebene des neuen größeren Kreises angewendet werden können.

(Beifall bei der FDP und bei der Linkspartei.PDS)

Voraussetzung sollte sein, dass es eine demokratische Legitimation, also einen entsprechenden Kreistagsbeschluss gibt; das ist selbstverständlich. Die Anzahl der in Sachsen-Anhalt optierenden Kreise würde dadurch nicht erhöht, aber - das ist natürlich die Konsequenz - das Territorium der Anwendung der Option würde erweitert.

Meine Damen und Herren! Dies muss politisch hingenommen werden - und mehr als das: Wir Liberale halten es sogar für politisch erwünscht. Es liegen inzwischen doch sehr viele Belege und Erfahrungen vor, die darauf hindeuten, dass die kommunale Lösung vor Ort sehr gut funktioniert.

Ich habe mich selbst etwas intensiver mit der Sache beschäftigt. Ich sage hier ganz offen, dass ich, als das Optionsmodell eingeführt wurde, auch zu denjenigen gehörte, die sagten, das müssen wir uns sehr genau ansehen,

ob das auf kommunaler Ebene gut läuft. Aber es läuft gut.

Warum läuft es gut? - Weil die intensive Betreuung der Arbeitslosen durch Mitarbeiter, die sich ausschließlich auf die Vermittlung konzentrieren und von Verwaltungsaufgaben freigestellt sind, eine tatsächlich intensive Betreuung garantiert, weil enge Beziehungen zu den lokalen Unternehmen bestehen, die regelmäßig aufgesucht, befragt und über die vorhandenen Profile der Arbeitsuchenden informiert werden, weil es einen engen Informationsaustausch mit den kommunalen Jugend- und Sozialämtern gibt, der es erlaubt, die Gesamtsituation eines Arbeitslosen sehr genau zu beurteilen, und schließlich weil die Bereitschaft besteht, die vorhandenen Instrumente der Motivation und gelegentlich auch die Möglichkeiten, Druck auszuüben, nach eigenem Ermessen einzusetzen und so zu kombinieren, dass die Arbeitslosen sich selbst möglichst intensiv um die Vermittlung bemühen.

Meine Damen und Herren! Es ist wegen dieser Erfahrungen überhaupt nicht nachvollziehbar, dass sich die Bundesregierung bisher weigert, über eine territoriale Ausweitung des Optionsmodells

(Zustimmung bei der FDP und bei der Linkspar- tei.PDS)

im Rahmen der Sondersituation Sachsen-Anhalts überhaupt nachzudenken. Das ist ja ein kurioser Sonderfall, weil es terminlich mit der Kreisgebietsreform zusammenfällt.

Vorgeschoben werden dem Vernehmen nach Argumente der statistischen Evaluierung des laufenden Experiments. Meine Damen und Herren! Dass ist abwegig; denn die wissenschaftliche Auswertung wird ja wohl nicht daran scheitern, dass das Territorium von maximal vier der 69 Optionslandkreise erweitert wird.

Es ist auch - und das ist noch wichtiger - politisch inakzeptabel. Mit fadenscheinigen Argumenten wird ein Reformschritt verhindert, offenbar nur um die Bundesagentur für Arbeit vor unliebsamer Konkurrenz zu schützen.