Mehr als dafür zu werben, mehr als die Berechnung vorzulegen kann ich heute nicht. Ich denke, so wie ich alle Beteiligten hier kenne, werde ich regelmäßig darüber Bericht zu erstatten haben, was praktisch passiert.
Zu Quedlinburg. Ich habe ganz klar gesagt und will das gern noch einmal wiederholen: Wir werden an dieser Strukturveränderung festhalten. Wir werden sie umsetzen. Anders als Sie wollen wir bei der Klarstellung durch die Gesetzesänderung etwas anderes machen. Ich habe auch zugesagt, dass wir in den zwei, drei Monaten, die es braucht, um den Gesetzentwurf beim nächsten Mal einzubringen und in der zweiten Lesung zu verabschieden - wir werden also in dieser Zeit noch häufig über Finanzamtsstrukturen reden -, keine vertraglichen Bindungen eingehen wollen. Dazu war ich auch zu lange Parlamentarier und weiß, es ist gute Sitte, dass man das nicht macht, sondern erst auf der Grundlage des Beschlusses des Parlaments Verträge abschließt, die dann auch eine langfristige Wirkung entfalten.
Das Grundsätzliche werden wir aber vorantreiben. Ich denke, wenn das alles gemacht ist, dann wird sich die Debatte über die Steuerverwaltung legen und wieder dahin zurückkehren, wo sie in den letzten Jahren war, in denen sie kaum eine Rolle gespielt hat. - Ich danke Ihnen.
Vielen Dank, Herr Minister. Es gibt eine zweite Anfrage. Herr Dr. Eckert möchte noch eine Frage stellen.
Herr Minister, Sie haben eben ausgeführt, dass die PDS keine Vorschläge für Einsparungen macht. Das ist ein Vorwurf. Ich mache Ihnen den Vorwurf, dass das, was Sie umsetzen wollen, zu Mehrkosten in Größenordnungen führen wird, ganz sicher bei den Bürgern und ganz sicher bei den Beschäftigten.
Das, was Sie ausgerechnet haben, ist sehr fiktiv. Auf den Harz heruntergebrochen heißt das: 5,5 Millionen € in Quedlinburg mehr und rund 4 Millionen € an Investitionen, die an den anderen Standorten verloren gehen, sowie Einnahmen in einer fiktiven Höhe von, ich glaube, 2,3 Millionen €. Das macht für mich einen Verlust von mehr als 10 Millionen € allein im Harz-Bereich. Können Sie mir bei Ihrer Wirtschaftlichkeitsberechnung helfen? - Das ist die erste Frage.
Die zweite Frage: Stimmen Sie mir zu, dass erhebliche Mehrkosten auf die Bürgerinnen und Bürger zukommen und mindestens zwei Dritteln der Beschäftigten des neu strukturierten Finanzamtes in Quedlinburg Fahrtkosten und andere Kosten in Größenordnungen entstehen? Stimmen Sie mir darin zu?
Herr Eckert, ich werde hier, was die Wirtschaftlichkeitsberechnung angeht, keine Detaildiskussion führen. So weit ist es, Gott sei Dank, noch nicht und ich habe mehr zu tun, als nur das voranzutreiben, als dass ich diese Gutachten auswendig wüsste. Ich habe sie mir aber alle angeschaut. Wer mich kennt, der weiß, dass ich sie alle bis zum Schluss lese und so lange, bis es raus ist. Mich haben diese ganzen Vorschläge überzeugt.
Ich habe übrigens diese Fragen schon im Finanzausschuss beantworten müssen. Dort waren auch die Vertreter mit dabei, die das erstellt haben. Insgesamt wird es sich durch die Aufgabe anderer Liegenschaften für die Landesfinanzverwaltung rechnen.
Das kann und will ich hier nicht detailliert ausführen. Ich denke, das werden Sie von mir auch nicht erwarten kön
nen. Ich habe auch nicht vor, sozusagen den Haushalt auswendig zu lernen, damit Sie bei einer Nachfrage zu einem einzelnen Titel von mir, wie aus der Pistole geschossen, eine Antwort bekommen können.
Jetzt einmal zu den Bürgern und zu den Beschäftigten. Das wird eine Debatte sein, die uns in den nächsten Monaten noch lange umtreiben wird.
Ich glaube, dass ich vorhin schon versucht habe, einen Teil der Antwort zu geben: Wer den Leuten suggeriert, dass es in jeder Stadt des Landes Sachsen-Anhalt möglich sei, öffentliche Daseinsvorsorge bis vor die Haustür zu bringen, wer den Leuten suggeriert, der Rückgang der Einwohnerzahl von, sagen wir einmal, drei Millionen auf zwei Millionen habe überhaupt keine Auswirkungen auf Strukturen und finanzielle Ausstattungen, wer den Leuten suggeriert, man müsse eigentlich nichts von den Dingen machen, die wir hier vorschlagen und von denen wir wissen, dass sie Kritik hervorrufen, der muss sich die Frage gefallen lassen - diese werde ich immer wieder stellen -, wie er es anstellen würde, alles wie bisher vorzuhalten. Das würde ich mir auch wünschen, aber ich kann es nicht finanzieren.
Wir haben diesen Spagat zu machen. Ich denke, selbst nach einer solchen Strukturreform ist das für die Bürger noch angemessen und kann man die Wege noch verantworten, wenn man sich zum Beispiel einmal anschaut, was in westdeutschen Ländern Standard ist.
Ich werbe ehrlich dafür, dass ich - ich sage das einmal genauso wie Sie - verdammt noch einmal das Geld brauche, um in den nächsten Jahren Wirtschaftsförderung betreiben, Bildung finanzieren und in Köpfe investieren zu können. Ich nehme es dafür in Kauf, Finanzamtstandorte zu schließen. Ich bitte wirklich auch unter uns darum, den Gang zum Finanzamt nicht als etwas Alltägliches darzustellen.
Diesen Widerspruch werde ich - noch dazu in den nächsten Wochen, in denen viele Vorschläge von mir kommen müssen - aushalten, aber immer darauf hinweisen, warum wir das eigentlich anstellen. Diese Diskussion nicht zu führen, halte ich für unverantwortlich.
Herzlichen Dank. - Wir kommen zu den verspäteten Debattenbeiträgen der Fraktionen. Als erstem Debattenredner erteile ich dem Abgeordneten Herrn Schatz von der CDU-Fraktion das Wort. Bitte schön.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Es ist noch gar nicht so lange her, als ich in einem Büro in einem der größten Finanzämter unseres Landes saß und dort rechtliche Probleme bearbeitete. Als ich in den ersten Tagen meines Abgeordnetenlebens durch die Gänge dieses Hohen Hauses ging, kam mir das eine oder andere Namensschild bekannt vor. Mit dem einen oder anderen Namen verband ich berufliche Erlebnisse vor dem Finanzgericht oder umfassenden langwierigen Schriftverkehr.
Es liegt schon eine gewisse Ironie darin, dass diese Bürgerinnen und Bürger, die den Mitarbeitern der Finanzämter mitunter die Pest an den Hals gewünscht oder Na
turkatastrophen herbeigesehnt haben, die die Finanzämter verschwinden lassen würden, plötzlich zu den glühendsten Verfechtern dieser Standorte wurden.
Oder sollte man sich in der Weihnachtszeit - sie ist noch gar nicht so lange her -, die im Allgemeinen zur Besinnung beiträgt, an den Spruch „Schon in der Bibel steht geschrieben, du sollst auch deine Feinde lieben!“ erinnert haben?
Apropos Feinde: Selbst Unternehmer und deren Verbände, die nach allgemeinem Bekunden in Finanzbeamten ihre ureigensten Feinde sehen, entdeckten plötzlich die ungeheure Kaufkraft, die in Form der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen den Finanzämtern innewohnte. Aus den so genannten Raubritterburgen der Neuzeit mit Namen Finanzamt wurden über Nacht die wichtigsten Standortfaktoren für das Überleben der ortsansässigen Wirtschaft.
Unter diesen Gesichtspunkten, sehr geehrter Herr Finanzminister Bullerjahn, ist wohl zu erwarten, dass Sie sich demnächst zumindest von zehn, elf Standorten mit Anträgen auf Annahme der Ehrenbürgerschaft beschäftigen müssen. - So weit zu meiner nicht ganz ernst gemeinten Einführung, die aber dennoch den Kern trifft.
Werte Abgeordnete! Bereits seit Monaten führte ich, wie meine Kollegen, mit den Bürgerinnen und Bürgern in den Wahlkreisen zum Teil hitzige Debatten über die künftigen Standorte der Finanzämter. Die heutige Landtagssitzung und das anschließende parlamentarische Beratungsverfahren geben uns Gelegenheit, noch einmal über die Strukturen zu debattieren. Es ist bereits darauf hingewiesen worden, dass die vorliegende Strukturreform unter die Überschrift „Zukunftsfähige Gestaltung der Finanzverwaltung in Sachsen-Anhalt“ gestellt worden ist.
Sehr geehrte Damen und Herren! Das Wort „Reform“ kommt von „reformieren“ und „reformieren“ wird im Duden mit „erneuern, verbessern“ umschrieben.
Mit dem Ziel einer Verbesserung, insbesondere einer Effizienzsteigerung und einer Anpassung der bestehenden Strukturen an veränderte funktionelle, räumliche und demografische Rahmenbedingungen ist seitens der Landesregierung das vorliegende Konzept beschlossen worden. Danach soll - das ist hinreichend bekannt - unter Berücksichtigung der geplanten Gebietsverschiebungen infolge der Kreisgebietsneuregelung eine Reduzierung der Zahl der derzeit im Land existierenden Finanzämter von 21 auf 14 und die Anpassung der jeweiligen Zuständigkeitsbezirke erfolgen.
Ich gebe zu, dass mir die Intention hinsichtlich der Strukturreform der Finanzverwaltung durchaus einleuchtet - manch einem hier vielleicht noch nicht.
Insbesondere die mit Blick auf die sich ändernden Rahmenbedingungen verfolgten Ziele einer Verschlankung der Verwaltung, der Bündelung und der stärkeren Betonung von Wirtschaftlichkeitsaspekten sind zu begrüßen; denn die Landesregierung bzw. die Landesverwaltung ist bereits mit dem Verwaltungsmodernisierungsgrundsätzegesetz vom 27. Februar 2003 beauftragt worden, die Zahl der oberen und der unteren Landesbehörden auf eine unbedingt notwendige Zahl zu reduzieren.
Dass hieran grundsätzlich kein Weg vorbeiführt, wird nicht nur angesichts der angespannten Situation des Landeshaushalts und nahezu aller öffentlichen Kassen deutlich. Es muss eindeutig gegengesteuert werden, auch in der öffentlichen Verwaltung. Die bestehende Ebbe in den öffentlichen Kassen unterstreicht die Notwendigkeit einer Reform.
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Dass dabei die Diskussion darüber, wo das jeweilige Finanzamt seinen Sitz haben soll, manchmal emotional geführt worden sein mag, verwundert nicht; denn eine Veränderung birgt neben Chancen auch immer ein Risiko.
Die Verlagerung des Standortes eines Finanzamts stellt für die Betroffenen vor Ort stets eine Zäsur dar. Finanzämter sind lokal immer Bindeglied zwischen der Staatsverwaltung und den Kommunen. Dort begegnet der Bürger, anders als im wirklichen Leben, manchmal direkt dem Staat und findet gegebenenfalls auch kompetenten Rat in finanzrechtlichen Fragen.
Allerdings kann man es Außenstehenden kaum verständlich machen, warum gerade Sachsen-Anhalt trotz rückläufiger Bevölkerungs- und Fallzahlen keine Verschlankung der Finanzverwaltung vornehmen soll. Die demografische Entwicklung wird den Kostendruck in der gesamten öffentlichen Verwaltung in den nächsten Jahren verstärken. Es ist eine Tatsache: Die Bevölkerungszahlen sind seit Jahren rückläufig. Weniger Bürger benötigen zwangsläufig auch weniger Bedienstete zur Erfüllung der staatlichen Dienstleistungen und Aufgaben. Die Neustrukturierung der Finanzverwaltung ist insbesondere vor dem Hintergrund rückläufiger Fallzahlen nur folgerichtig.
Dennoch sind im Zusammenhang mit der Festlegung der zukünftigen Standorte auch Einwände zu berücksichtigen, die teilweise auf eine nicht hinreichende Transparenz beim Treffen dieser Entscheidungen hindeuten. Zum einen muss dem Bürger vor Ort die Notwendigkeit der Schließung und Verlagerung von Standorten von Finanzämtern hinreichend erläutert werden; zum anderen muss neben reinen betriebswirtschaftlichen Erwägungen natürlich auch auf standortpolitische Erwägungen Rücksicht genommen werden.
Ich sage aber auch, dass das mit der Strukturreform verfolgte Prinzip der Einräumigkeit, das heißt, dass es in den künftig elf Landkreisen und den drei kreisfreien Städten jeweils nur eine Behörde geben soll, den sich ändernden Rahmenbedingungen Rechnung trägt. In diesem Zusammenhang muss man jedoch darauf hinweisen, dass bei der vorgenommenen Standortwahl das Prinzip der Einräumigkeit der Verwaltung nicht durchgängig eingehalten worden ist. Dies hat unter Umständen dazu beigetragen, dass Standortentscheidungen von den Betroffenen vor Ort nicht immer nachvollzogen werden können.
Im Hinblick auf die oft geforderten Zweistufigkeit der Verwaltung - wir haben dies auch heute wieder gehört - ist anzumerken, dass diese nicht immer sinnvoll ist und dass diesbezüglich undifferenzierte Forderungen wenig hilfreich sind.
Insbesondere im Bereich der Finanzverwaltung, wo Massengeschäfte abgewickelt werden, ist eine Mittelinstanz als operative Kontroll- und Bündelungsinstanz sinnvoll. Darüber hinaus nimmt die Oberfinanzdirektion als Mittelbehörde Aufgaben eines Finanzdienstleisters innerhalb
Weiterhin wurden neben den bisherigen Aufgaben der Dienst- und Fachaufsicht über die Finanzämter, dem Betrieb des Finanzrechenzentrums sowie der Landesleitstelle für Bezügezahlung der Oberfinanzdirektion die Bezügeverwaltung, die Aufgaben der Landeszentralkasse sowie die Zuständigkeit für Aufgaben der EU-Bescheinigenden Stelle übertragen.
Werte Abgeordnete! Neben diesen Erwägungen ist mir und meiner Fraktion bewusst, dass im Zusammenhang mit der technischen Frage, ob und inwieweit eine Neugliederung der Finanzverwaltung einer besonderen Regelung durch den Gesetzgeber bedarf, und der Diskussion darüber durchaus unterschiedliche Auffassungen vertreten werden. Doch die Diskussion über Steuern und deren Beitreibung ist fast so alt wie die zivilisierte Welt; denn wie schrieb schon Paulus in einem Brief an die Römer - ich zitiere -:
„Deshalb ist es notwendig, Gehorsam zu leisten, nicht allein aus Furcht vor Strafe, sondern vor allem um des Gewissens willen. Das ist auch der Grund, weshalb ihr Steuern zahlt; denn in Gottes Auftrag handeln jene, die Steuern einzuziehen haben. Gebt allen, was ihr ihnen schuldig seid, sei es Steuer oder Zoll, sei es Furcht oder Ehre.“