Protocol of the Session on February 23, 2007

(Herr Tullner, CDU, lacht)

All das, was bisher geschehen ist, ist auch immer der Öffentlichkeit bekannt geworden. Trotzdem halte ich es für notwendig, dass sich künftig alle Landtage und auch wir in Sachsen-Anhalt damit beschäftigen.

Sie haben in die Begründung des Antrags hineingeschrieben, das Ziel der Kommission sei es, Empfehlungen zu erarbeiten, die zur Erhöhung der Eigenverantwortung der Gebietskörperschaften beitragen können. Das betrifft vor allen Dingen auch die Eigenverantwortung der Landtage. Das heißt im Klartext: Mit den Schulden in Höhe von knapp 20 Milliarden €, die wir in den letzten 16 Jahren angehäuft haben, müssen wir selbst fertig werden - das ist Eigenverantwortung. Das sind die Probleme, über die wir uns hier nicht genug Gedanken machen können.

Sie haben auch geschrieben: „und deren Finanzausstattung zu stärken“. Dabei haben Sie schlicht ein kleines Adjektiv unterschlagen. In dem Beschluss heißt es nämlich: „deren aufgabenadäquate Finanzausstattung zu stärken“. Das wird eines der spannendsten Themen sein, mit denen wir uns in diesem Reformabschnitt beschäftigen müssen.

Sie haben Recht damit, dass man bei der Zusammensetzung dieser Kommission auch zu einer anderen Mei

nung kommen könnte. Bundestag und Bundesrat haben beschlossen, dass der Kommission von jeder Seite 16 Mitglieder angehören sollen. Auf der Bundesseite sind es zwölf Vertreter des Bundestages und vier Vertreter der Bundesregierung. Auf der Länderseite sind es 16 Vertreter der Länder.

Wir haben nachträglich beantragt, dass auf der Länderseite zumindest Vertreter der Landtage dabei sein sollen. Es gab dann eine Einigung auf vier Vertreter der Landtage und vier Stellvertreter, sodass von den 16 Landtagen - wenn man die Städteversammlungen dazu rechnet - zumindest acht Vertreter dabei sein können. Man hätte auch zu einem anderen Ergebnis kommen können. Das war der Bundesseite nicht vermittelbar.

Dass diese Kollegen nur mit Antragsrecht und Rederecht, aber nicht mit Stimmrecht vertreten sind, entspricht schlicht der Verfassungslage. Die Verfassung sieht vor, dass die Landtage Gesetzgeber auf der Landesebene sind, und nicht Bundesgesetzgeber. Bundesgesetzgeber sind nur der Bundestag und der Bundesrat. Das heißt, nur Mitglieder des Bundestages und des Bundesrates können formal auf dieser Ebene stimmberechtigt sein. Aber alle haben gesagt: Das ist eigentlich kein Problem, mit dem wir uns aufhalten sollten; denn wir werden keine Ergebnisse mit Kampfabstimmungen herbeiführen.

Herr Ministerpräsident, möchten Sie Fragen beantworten? - Jetzt oder hinterher?

Herr Präsident, am Ende.

Wir werden versuchen, möglichst Konsenslinien herauszuarbeiten; wir werden nicht versuchen, das, was wir durchsetzen wollen und wozu wir sowohl im Bundestag als auch im Bundesrat eine Zweidrittelmehrheit brauchen, gegeneinander zu erreichen. Das war auch ein Grundkonsens bei der letzten Föderalismusreform. Ich denke, das wird in diesem Fall wieder so werden.

Die Aufgaben dieser Kommission sind beschlossen. Frau Dr. Klein hat das schon ausgeführt. Beschlossen ist auch ihre Zusammensetzung, und beschlossen ist, dass eine Geschäftsordnung erarbeitet werden muss, die die ganzen Probleme und die Diskussion strukturieren soll. Beschlossen wurde übrigens auch, dass wieder Experten angehört werden sollen.

Dazu möchte ich in Auswertung dessen, was wir hinter uns haben, nur sagen: Ich und alle anderen, die der letzten Kommission angehörten, haben viele Stunden zugebracht, um Experten anzuhören. Hinterher war uns klar, dass es außerordentlich schwierig ist. Aber zur Findung einer Lösung hat es kaum beigetragen, zumal festzustellen ist: Je größer die Zahl der Experten ist, desto unterschiedlicher sind die Standpunkte, und am Ende ist man kaum klüger.

Deswegen haben wir diesmal gesagt: Es wird ohne Expertenbeiträge nicht gehen, aber wir wollen den Umfang

deutlich geringer halten; denn am Ende werden politische Entscheidungen stehen müssen, bei denen uns auch Finanzexperten nur hinsichtlich des technischen Anteils helfen können, nicht aber hinsichtlich der politischen Grundlage.

Eine politische Vorentscheidung haben die Ministerpräsidenten der neuen Bundesländer schon im November 2006 in Merseburg getroffen. Wir haben daran erinnert, dass der Solidarpakt, wie er bis 2019 beschlossen ist, unverändert weiter gelten muss. Wir haben dies nun auch mit der ersten Föderalismusreform im Grundgesetz verankert.

Dazu gehört, dass die Grundlagen, auf denen der Solidarpakt aufgebaut ist, das heißt die gegenwärtigen Strukturen des horizontalen Länderfinanzausgleichs, nicht wesentlich verändert werden können; denn dann wäre die ganze Grundlage, auf der die Architektur des Solidarpaktes aufgebaut ist, weg und die Sache würde ins Schwanken kommen.

Das heißt, grundsätzliche Entscheidungen über den horizontalen Länderfinanzausgleich sind für uns erst nach dem Ablauf des Solidarpaktes denkbar. Oder man müsste alles, einschließlich des Solidarpakts, wieder aufmachen. Dafür wird es kaum eine Mehrheit geben.

Des Weiteren ist vereinbart worden, dass im ersten Halbjahr 2007 die beiden Seiten, einerseits die Bundesseite, also Bundestag und Bundesregierung, und andererseits die Länderseite, also die Länder mit den Landtagen, ihre Positionen erst einmal intern abstimmen, die Themen markieren, die dort besprochen werden sollen, bestimmte Aufgaben strukturieren und in Arbeitsgruppen vorbereiten, sodass diese Kommission frühestens im zweiten Halbjahr 2007 zusammentreten und mit den Beratungen beginnen soll.

Es gibt außerdem das politische Ziel, noch in dieser Legislaturperiode der Bundesregierung zu einem Ergebnis auch bei der Föderalismusreform II zu kommen. Ich halte das für ausgesprochen vernünftig; denn wenn es in der gegenwärtigen Situation mit den gegenwärtigen parlamentarischen Mehrheiten nicht machbar ist, dann kann niemand sicher sein, ob es danach zu einer Lösung kommen wird. Deswegen ist dieses Ziel zeitlich so formuliert worden.

Auf der Länderseite sind zur Vorbereitung der eigentlichen Kommissionsarbeit zunächst zwei Arbeitsgruppen vorgesehen. Eine Arbeitsgruppe wird sich mit den gesamten Haushaltsproblemen beschäftigen: mit der Vorbeugung gegen Haushaltskrisen und mit Instrumenten zur Beschränkung der Neuverschuldung - das ist eine ganz wichtige Diskussion -, mit der Früherkennung und Bewältigung von eventuellen Haushaltskrisen und mit einem Ausgaben-Benchmarking, das heißt mit vergleichenden Ausgabenpositionen.

Denn eines muss uns allen klar sein: Erst wenn man über Details spricht, wird es richtig spannend. Ich möchte Ihnen das zur Illustration einmal an der jetzt laufenden Diskussion zu den Kinderkrippen deutlich machen.

Die Situation in Deutschland kennen Sie. Es gibt Länder, die sind stolz darauf, dass 5 % der null bis drei Jahre alten Kinder in eine Kinderkrippe gehen. Wir in SachsenAnhalt liegen bei knapp über 50 %. Jetzt hat die Bundesfamilienministerin gesagt: Es müssen mehr werden. Die Diskussion möchte ich jetzt nicht wiederholen. Sie ist sehr spannend, aber sie gehört jetzt nicht hierher.

Aber jetzt hören Sie - Sie können das in der Zeitung nachlesen -, dass Länder, die jetzt bei 5 % bis 6 % liegen, sagen: Das machen wir, aber wenn der Bund das möchte, dann muss er es bezahlen; wir können uns das nicht leisten.

Damit würde der Bund etwas tun, das wir in der letzten Föderalismusreform ausgeschlossen haben, nämlich in kommunale Aufgabenbereiche hineinregieren und Finanzen verteilen. Das heißt, wenn der Bund das möchte, dann muss er den Ländern das Geld dafür zur Verfügung stellen, damit die Länder ihrerseits die Kommunen in die Lage versetzen, das zu tun.

Bitte nehmen Sie es mir nicht übel, wenn ich dann sage: Wenn Länder, denen es besser geht als uns, zur Verbesserung der vorschulischen Kinderbetreuung vom Bund Geld bekommen, warum sollen wir dann dafür keine Mittel vom Bund bekommen? Das ist doch klar.

(Zustimmung bei allen Fraktionen - Herr Bischoff, SPD: Ja!)

Dann muss ich mir aber vorwerfen lassen: Wer das jetzt schon macht, der braucht das nicht. - So einfach ist das dann. Es wird gesagt: Wenn euch das so viel wert ist und ihr dafür Geld ausgebt, dann jammert uns bitte nicht die Ohren voll, wenn es woanders nicht ausreicht. Es ist euer Problem, was ihr in eigener Zuständigkeit entschieden habt. - So laufen die Diskussionen dann tatsächlich ab.

(Frau Feußner, CDU: Genau so ist es!)

Wenn man da zu einem vernünftigen Ergebnis kommen möchte, dann muss man versuchen, alle mit ins Boot zu nehmen und Konstruktionen dafür zu finden, die auch verfassungskonform sind, die das Haushaltsrecht der Landtage nicht aushebeln und die trotzdem nicht diejenigen begünstigen, die es am wenigsten nötig hätten.

Oder ein anderes Beispiel - nur um Ihnen die Sache deutlich zu machen -: Jetzt geht es darum, die Neuverschuldung zu erschweren. Ich halte das für sachlich geboten. Aber die Instrumente, über die in diesem Zusammenhang diskutiert wird, halte ich für beschwerlich. Ein Vorschlag ist zum Beispiel, dass man den Kreditgeber mit in die Haftung nimmt, wenn eine Gebietskörperschaft zahlungsunfähig würde. Das wäre so eine Art Insolvenzrecht für öffentliche Gebietskörperschaften. Diesen Gedanken hat niemand zu Ende gedacht, aber darüber wird diskutiert.

Ein anderer Vorschlag ist, dass diejenigen, die eine hohe Verschuldung haben, schlechter geratet werden und - ähnlich wie bei Basel II in der Wirtschaft - mehr Zinsen für Kredite zahlen müssen. Das heißt im Klartext: Wer das Geld am nötigsten hat, der muss die höchsten Zinsen dafür bezahlen. Das ist auch ein wenig beschwerlich.

Trotzdem müssen wir zu Lösungen kommen; denn dass in Deutschland alle - Bund, Länder und Kommunen - nicht so weiter wirtschaften können, wie das in den letzten 15 Jahren der Fall war, das ist uns allen klar. Dafür müssen Lösungen ausdiskutiert werden. Diese werden einschließlich der notwendigen Instrumentarien und eines Ausgaben-Benchmarkings zurzeit vorbereitet und sollen dann im zweiten Halbjahr 2007 auf der Bundesebene besprochen werden. Dabei geht es dann um solche schönen Probleme wie die Neuverteilung des Aufkommens.

Herr Präsident, ich bitte um Entschuldigung. Ich gebe mir Mühe, meine Redezeit einzuhalten, aber ich möchte wenigstens noch ein paar spannende Beispiele nennen.

Das hat keine Auswirkungen für Sie, sondern nur für die nachfolgenden Redner. Die dürfen dann ebenfalls etwas länger reden.

Danke. - Ein schönes Beispiel ist die gegenwärtig diskutierte Umverteilung von Steueraufkommen. Der Bundesgesetzgeber kann sich über die Neuformulierung des Erbschaftsteuerrechtes wunderschön Gedanken machen, die Erbschaftsteuer ist aber eine Ländersteuer. Je großzügiger das geregelt wird, desto weniger Einnahmen haben die Länder.

(Herr Tullner, CDU: Ja!)

Das finden wir irgendwann auch nicht mehr lustig. Deswegen ist das ein Thema, über das wir uns werden unterhalten müssen. Die Finanzminister machen das jetzt schon.

Ein anderes Thema - ich sage das, weil das ganz aktuell ist - ist die Kfz-Steuer. Die Kfz-Steuer ist eine Ländersteuer, sie beschert den Ländern Einnahmen. Der Bund möchte sie jetzt umstrukturieren. Das ist aus ökologischer Sicht sogar recht vernünftig. Aber wenn dann bei den Ländern weniger ankommt, dann haben diese ein Problem.

Dazu gibt es jetzt den schönen Vorschlag: Wir müssen Steuern tauschen. Der Bund bekommt die Kfz-Steuer. Er kann sie so modifizieren, wie er will. Die Länder bekommen dafür eine andere Steuer, zum Beispiel die Versicherungsteuer. Das ist numerisch, was die Bilanz betrifft, sehr ähnlich. Darüber könnte man reden.

Aber das Verteilungsmuster des Aufkommens aus der Versicherungsteuer ist in den einzelnen Ländern anders als bei der Kfz-Steuer. Dabei sind diejenigen, die wenig Einnahmen aus der Versicherungsteuer haben, die Gelackmeierten. Die Länder, in denen viele Versicherungen sitzen, haben einen Vorteil. Dann sagen diejenigen: Das stört doch nicht; wir haben doch den horizontalen Finanzausgleich, durch den bis zu 95 % adaptiert wird. - 5 % bleiben aber auf alle Fälle übrig und auch der Vorwurf: Ihr lebt von unserem Geld, mit dem wir auch leben müssen.

Also, das werden richtig spannende Probleme, die dort abzuarbeiten sind. Aber ich halte diese Diskussion für notwendig.

Wenn ich mehr Zeit hätte, Herr Präsident, würde ich noch ein paar andere Fragen aufführen, die in diesem Zusammenhang thematisiert werden, zum Beispiel die Frage, ob man nicht in Deutschland eine Regelung finden könnte, die einen Bürger, wenn er den Wohnort wechselt und in ein anderes Land zieht, verpflichtet, die auf ihn entfallenden Schulden mitzunehmen.

(Zustimmung bei der FDP)

Dann darf niemand mehr aus Sachsen-Anhalt raus.

(Heiterkeit)

- Das ist doch klar. - Die Probleme, die wir dann bekämen, sind nicht zu Ende gedacht.

Meine Damen und Herren! Ich erzähle das jetzt weniger, um Sie zu amüsieren, als vielmehr aus ganz pragmatischen Gründen. Wir haben natürlich - das werden Sie auch beschließen - die Aufgabe, Sie zeitnah über die entscheidenden Phasen dieses Reformprozesses zu informieren. Ich bitte nur herzlich um Verständnis, dass wir Sie nicht informieren können über jeden - so sage ich es mal sehr unfreundlich - Gedanken, der nicht zu Ende gedacht wird, oder jede Sau, die durchs Dorf getrieben wird, um das anders zu formulieren. Das gehört einfach zu diesem Geschäft. Dabei weiß ich, dass wir uns dabei gegenseitig Vorwürfe ersparen sollten.

Selbstverständlich werden wir Sie über Beschlussvorlagen informieren. Ich habe ein großes Interesse daran, das auch unser Land dann über grundsätzliche Probleme diskutiert. Diese Diskussionen werden uns nämlich selbst in die Pflicht nehmen und das nächste Haushaltsaufstellungsverfahren, wie ich hoffe, erleichtern. Das ist der eigentliche Sinn dieser Diskussionen. Aber ich möchte mir nicht vorhalten lassen, dass wir lückenhaft informiert hätten, wenn wir nicht jede unausgereifte Vorstellung hier vortragen und darüber informieren. Das wollte ich eigentlich in diesem Zusammenhang los werden.

Ich kriege ja gelegentlich aufgeregte Anrufe, was diese Landesregierung wieder an Unfug beschlossen habe. Meistens weiß ich das noch gar nicht, weil es sich um irgendwelche Referentenentwürfe handelt, die in einem Vorbereitungsstadium sind und die - wie auch immer - zu dem einen oder anderen Abgeordneten durchgedrungen sind und die dann als Beschluss der Landesregierung interpretiert und uns vorgeworfen werden. Weil die Gefahr groß ist, dass so etwas bei diesem sehr heiklen Thema öfter einmal vorkommt, wollte ich wenigstens darauf hingewiesen haben.