Protocol of the Session on January 25, 2007

Ich will am Ende noch darauf hinweisen, dass uns in der vergangenen Woche der Vorschlag aus Bayern, die Konvergenzklausel maßgeblich zu verändern, außerordentlich beunruhigt hat, weil die Verwirklichung der bayerischen Vorschläge eine massive Beschneidung der Finanzströme aus dem Gesundheitsfonds heraus in Richtung ostdeutsche Länder bedeutet hätte. Wir wären die Leidtragenden par excellence des bayerischen Vorschlages geworden. Das darf so nicht kommen und das wird auch nicht so kommen. Dafür gibt es eindeutige Signale.

(Zustimmung bei der SPD und bei der CDU)

Meine Damen und Herren! Ich konnte Ihnen heute nur einen Zwischenbericht geben. Sie wissen, es gibt parlamentarische Verfahren, die wir natürlich akzeptieren. Der Gesundheitsausschuss des Deutschen Bundestages berät noch. Wir werden heute einen Stapel von Änderungsanträgen für den Gesundheitsausschuss zur Kenntnis bekommen.

Die zweite und die dritte Lesung zu diesem Gesetzeswerk sind für den 2. Februar 2007 vorgesehen. Der Bun

desrat wird sich aller Voraussicht nach am 16. Februar 2007 mit dieser Thematik befassen. Vor Abschluss dieser verschiedenen Beratungsstufen kann ich dem Landtag keinen abschließenden Bericht über die Wirkungen des Gesetzes auf Sachsen-Anhalt erstatten. Deshalb wollte ich Ihnen diesen Zwischenbericht geben.

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Vielen Dank, Frau Ministerin. Es gibt Nachfragen von dem Abgeordneten Herrn Kosmehl und von dem Abgeordneten Herrn Gallert. Sind Sie bereit, diese zu beantworten?

Ja.

Bitte, Herr Kosmehl, Sie haben das Wort.

Frau Ministerin, ich habe zwei Fragen. Die erste Frage: Können Sie noch etwas näher ausführen, was Sie sich im Hinblick auf die von Ihnen präferierte steuerfinanzierte Säule vorstellen, etwa ob Sie eine neue Steuer einführen oder andere Steuerarten dafür verwenden wollen?

Die zweite Frage. Sie haben in Ihrer Rede nichts zum parlamentarischen Verfahren im Rechtsausschuss des Deutschen Bundestages gesagt, wo der Abgeordnete Friedrich Merz, CDU, Bedenken im Hinblick auf die Verfassungsgemäßheit der Gesundheitsreform angemeldet hat. Können Sie dazu vielleicht noch einmal kurz Stellung nehmen?

Ich fange beim Letzteren an. Die Verfassungsgemäßheit der Gesundheitsreform ist von verschiedenen Fachleuten geprüft worden. Nach meiner Einschätzung spricht alles dafür, dass die Verfassungsgemäßheit gewahrt ist. Ich stimme dem Herrn Kollegen Merz im Bundestag in dieser Frage nicht zu.

Zum Thema Steuerfinanzierung sind im vergangenen Dreivierteljahr im Laufe der unterschiedlichen Beratungen auf Bundesebene verschiedene Modelle diskutiert worden. Es gibt dazu noch keine Festlegung und es müssen sicherlich noch weitere Untersuchungen angestellt werden. Es lassen sich verschiedene Möglichkeiten denken. Natürlich ist die Heranziehung der Einkommensteuer eine Variante. Die Möglichkeit, einen separaten Gesundheits-Soli zu schaffen, ist diskutiert worden.

Bei allen Varianten, die denkbar sind, gibt es Argumente pro und contra. Eine zusätzliche Steuererhöhung ist in jedem Fall nicht komfortabel. Aber wenn wir die Lohnnebenkosten tatsächlich irgendwann einmal signifikant senken wollen, dann ist eine stärkere Steuermitfinanzierung unabweisbar; davon bin ich überzeugt. Deswegen müssen alle Varianten noch einmal geprüft werden. Ich hoffe, dass auch ein Ergebnis erzielt werden wird.

Vielen Dank. - Herr Gallert, bitte.

Frau Dr. Kuppe, ich mache eine Vorbemerkung zu meiner Frage. Möglicherweise habe ich es einfach nicht verstanden. Damit repräsentiere ich aber wahrscheinlich 99 % der Bevölkerung und müsste mich dafür nicht schämen.

Mir geht es um einen Begriff, den Sie verwendet haben, und zwar die „risikoorientierte Zusatzpauschale“. Diese sei insbesondere für den Osten wichtig, weil sie den Krankenkassen im Osten helfe, die - das ist leider so - besonders hohe Risiken zu tragen und deren Versicherte einen höheren Altersdurchschnitt hätten. So in etwa habe ich Sie verstanden.

Das bedeutet doch aber auf der anderen Seite, dass die Menschen im Osten durch die Einführung der risikoorientierten Zusatzpauschale von vornherein stärker belastet werden würden als diejenigen Menschen, die in Regionen leben, in denen der Altersdurchschnitt nicht so hoch ist. Oder ist dem nicht so, habe ich Sie falsch verstanden? Gibt es Ausgleiche, damit das nicht eintritt?

Ihre Schlussfolgerung kann ich nicht nachvollziehen. Die Vorgehensweise ist so gedacht, dass die Beitragsentrichtung an den Fonds nach dem bisherigen System, also einkommensabhängig bis zu einer Beitragsbemessungsgrenze, erfolgen wird. Das wird also weiterhin entsprechend der finanziellen Leistungsfähigkeit der Bürgerinnen und Bürger gestaltet. Die Arbeitgeber zahlen ihren Beitrag mit 0,9 Beitragssatzpunkten Differenz.

(Herr Gallert, Linkspartei.PDS: Ja, und dann gibt es die Möglichkeit der Zusatzpauschale?)

- Dazu kann ich dann auch noch etwas sagen. - Das ist also der Zufluss plus Steuermitfinanzierung in den Fonds. Aus dem Fonds heraus erhalten die Krankenkassen für jeden Versicherten und jede Versicherte unabhängig von der Krankenkassenzugehörigkeit eine gleiche Grundpauschale.

In Abhängigkeit von dem Krankheitszustand, also dem Morbiditätszustand erhalten die Krankenkassen darüber hinaus für einzelne Versicherte Zusatzpauschalen, diese so genannten risikoadjustierten Zusatzpauschalen. Die Krankenkassen, die mehr Kranke und mehr schwerwiegend Erkrankte versichert haben, bekommen natürlich mehr Zusatzpauschalen und die Krankenkassen, die mehr Jüngere und mehr Gesunde versichert haben, bekommen natürlich weniger von diesen Zusatzpauschalen. Das ist eine echte Umverteilung zugunsten der Versicherten im Osten, die diesen Risikoausgleich in der Tat bis jetzt noch nicht haben, aber dann bekommen werden.

(Zustimmung bei der SPD, von Herrn Scharf, CDU, und von Herrn Tullner, CDU)

Vielen Dank, Frau Ministerin. - Bevor ich den nächsten Debattenredner aufrufe, begrüße ich Schülerinnen und

Schüler des Gymnasiums Oschersleben. Herzlich willkommen!

(Beifall im ganzen Hause)

Als nächstem Debattenredner erteile ich für die CDUFraktion dem Abgeordneten Herrn Brumme das Wort. Bitte schön.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Um es am Anfang deutlich zu sagen: Das deutsche Gesundheitssystem gehört immer noch zu den besten der Welt.

(Zustimmung bei der CDU)

Nach den USA und der Schweiz geben wir pro Versicherten das meiste Geld aus. Die Krankenhäuser, insbesondere in unserem Bundesland, sind hervorragend ausgestattet. Die Praxen im ambulanten Sektor bieten ein hohes medizinisches Niveau. Die Wartezeiten auf einen Arzttermin sind im internationalen Vergleich relativ kurz. Wir, die Frau Ministerin und der gesamte Ausschuss, konnten uns in Schweden davon überzeugen.

Auch haben wir statistisch gesehen - wohlgemerkt, statistisch gesehen - noch genügend Ärzte, die die notwendigen medizinischen Leistungen anbieten können. Allerdings bahnen sich gerade in diesem Bereich Veränderungen an, die, so meine ich, alle Alarmglocken schrillen lassen sollten. Ich komme später darauf zurück.

Die Klagen und Diskussionen über das GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz bewegen sich also auf einem sehr hohen Niveau. Den Weltuntergang - so möchte ich das einmal nennen -, den die Sprecherin der Fraktion der Linkspartei.PDS Frau Penndorf hier heraufzubeschwören versucht hat, werden wir, was unser Gesundheitssystem betrifft, noch lange nicht erleben.

(Zustimmung bei der CDU - Zurufe von Frau Bull, Linkspartei.PDS, und von Frau Dr. Klein, Links- partei.PDS)

Gleichwohl gibt es Probleme, über die gesprochen und, wenn nötig, auch gestritten werden muss; denn das Gesundheitssystem - so hat es die Ministerin bereits ausgeführt - wird immer eine Baustelle bleiben.

Noch verfügt Deutschland über das leistungsfähigste Gesundheitssystem, das allen Versicherten - das möchte ich hervorheben - unabhängig von ihrem Einkommen und unabhängig von der Schwere der Erkrankung Zugang zu allen notwendigen medizinischen Leistungen auf der Höhe des wissenschaftlichen Fortschritts bietet.

Aber durch die demografische Entwicklung und den damit verbundenen wachsenden Anteil älterer Versicherter, durch den medizinisch-technischen Fortschritt, der die Behandlung früher unheilbarer Erkrankungen ermöglicht, und durch den Rückgang der Zahl der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisse unter RotGrün sind die Finanzierungsgrundlagen zurzeit - und das wird in der Zukunft noch lange anhalten - unter Druck geraten.

Heute beträgt der durchschnittliche Beitragssatz in der gesetzlichen Krankenversicherung 14,3 %, die voll als Lohnnebenkosten durchschlagen. Ohne eine Reform würde der durchschnittliche Beitragssatz in den kommenden Jahren auf 16 % ansteigen. Um zu verhindern, dass der Zugang zu qualitativ hochwertiger medizini

scher Versorgung künftig eine Frage des Einkommens wird, war eine grundlegende Reform des Gesundheitswesens überfällig.

Sehr geehrte Damen und Herren! Nun trafen in der großen Koalition in Berlin in dieser Frage der Gesundheitspolitik sehr unterschiedliche Partner mit zum Teil sehr stark divergierenden Konzepten aufeinander. Dennoch ist es der Koalition in Berlin gelungen, eine Reform auf den Weg zu bringen, die sehr viel besser ist, als die Proteste der Lobbyisten glauben machen wollen.

Die Vorteile auf einen Blick: mehr Wettbewerb zwischen den Krankenkassen, mehr Wahl- und Gestaltungsmöglichkeiten im Versicherungsschutz, mehr Transparenz bei den Kosten, wirtschaftlichere Verwendung von Beitrags- und Steuermitteln, mehr Wettbewerb zwischen den Leistungserbringern, zum Beispiel Ärzten, Krankenhäusern und Arzneimittelherstellern, Versicherungsschutz für alle, Belohnung gesundheitsbewussten Verhaltens - das ist ganz wichtig -, statt Leistungskürzungen Schließung von Leistungslücken, bessere Wechsel- und Rückkehrmöglichkeiten in die PKV, insbesondere für die hier eben angesprochenen nicht mehr Versicherten.

Die Ministerin hat diese Punkte im Einzelnen erläutert. Ich möchte hierauf nicht weiter eingehen.

Sicherlich gibt es in dem einen oder anderen Punkt Korrekturbedarf. Gerade die ostdeutschen Bundesländer müssen aufpassen, dass ihnen wegen der besonderen Bedingungen, die bei uns nun einmal immer noch bestehen, die von den westlichen Ländern oft so gar nicht gesehen werden oder die die westlichen Länder manchmal auch gar nicht sehen wollen, nicht nachhaltige strukturelle Schäden entstehen.

Von den Ministerpräsidenten der neuen Bundesländer und insbesondere der mitteldeutschen Länder wurden in den Bundesrat mehr als 100 Änderungsanträge eingebracht, die zurzeit in den Gremien des Bundestages beraten werden. Das Gesetz ist noch nicht verabschiedet worden. Das eine oder andere lässt sich noch korrigieren bzw. feinjustieren. Wir Landespolitiker sollten uns dabei mit einbringen, obwohl wir, wie schon festgestellt worden ist, nicht unmittelbar für die Gesundheitspolitik zuständig sind. Das liegt in den Händen der Bundespolitik.

Alle Beteiligten sind aufgerufen, zum Gelingen der absolut notwendigen Gesundheitsreform beizutragen. Ansonsten ist die Gesundheitsversorgung in Zukunft nicht mehr in dem bisherigen Umfang zu gewährleisten.

Wichtig ist, dass die Politik die Menschen, die es letztlich im Alltag erfahren und umsetzen müssen, mitnimmt und dass den Menschen ausführlich erklärt und klar gesagt wird, wo es hingehen wird. Wir sollten es verstehen, die Menschen anzusprechen, warum die eine oder andere Maßnahmen notwendig ist, die auch schmerzlich sein kann. Wir sollten auch darauf hinweisen, dass jeder Bürger das Seine dazu tun muss, zum Beispiel sich gesund ernähren, sich mehr bewegen, bewusster mit medizinischen Leistungen umgehen, regelmäßig zu Vorsorgeuntersuchungen gehen und dergleichen mehr.

Noch nie hatten wir zum Beispiel einen so hohen Anteil übergewichtiger Menschen in unserem Land - mit all den Begleiterscheinungen wie Diabetes und Kreislauferkrankungen, deren Behandlung sehr kostenintensiv ist. Diese Tendenz ist leider auch schon bei vielen Kindern in besorgniserregendem Maße festzustellen.

Der in Deutschland und insbesondere in den neuen Bundesländern jetzt zunehmende Ärztemangel - es wurde schon darauf hingewiesen; ich möchte das noch einmal als einen Schwerpunkt meiner Ausführungen hervorheben - insbesondere im Hausarztbereich ist ein weiteres gravierendes Problem, das leider noch zu viele zu negieren - das muss man wirklich feststellen - oder zu relativieren versuchen, was für mich aufgrund der Fakten und Zahlen, die uns vorliegen, völlig unverständlich ist. Wollen sie denn nicht sehen, dass ca. 30 % der Ärzte 60 Jahre und älter sind, im Durchschnitt mit 62 Jahren in den Ruhestand treten und dass für die frei werdenden Praxen insbesondere im ländlichen Bereich keine oder kaum Nachfolger gefunden werden können?

Fest steht: Wenn nicht sofort damit begonnen wird gegenzusteuern, dann werden wir in den nächsten drei oder fünf Jahren - das kann man sich leicht ausrechnen - zunächst in der ärztlichen Versorgung unserer Menschen auf dem flachen Land und dann auch flächendeckend unhaltbare Zustände haben. Dann wird es für die Krankenkassen richtig teuer, wie es zum Beispiel in Großbritannien bereits der Fall ist. Dort hat man das Problem ebenfalls unterschätzt und kauft heute sehr teure ärztliche Leistungen im Ausland ein, insbesondere in Deutschland. Zum Beispiel wird in der Fachpresse immer wieder für Wochenendeinsätze im ärztlichen Notdienst in England geworben. Geboten werden 3 000 € Honorar plus Spesen. Es gibt nicht wenige Ärzte, die das annehmen.

Auf zwei unserer wesentlichen Forderungen - es sind essenzielle Forderungen; unsere Ministerin hat dies schon angesprochen - möchte ich nochmals eingehen, um diese zu unterstreichen.

Im Bereich der stationären Behandlung ist der angedachte Sanierungsbeitrag in Höhe von 0,7 % - ein Beitrag in Höhe von 1 % war auch schon angedacht - für unsere Krankenhäuser nicht leistbar, weil wir wegen des fehlenden Anteils an Privatliquidationen einfach nicht die Voraussetzungen wie die Häuser in den alten Ländern haben. Hier ist der Solidarbeitrag auch schon mitfinanziert; denn wir wissen, dass dieser Anteil wesentlich höher honoriert wird als Leistungen für GKV-Versicherte. Das ist nicht leistbar.

Dazu kommt noch eine Vergütungskürzung in Höhe von 1 % für die Anschubfinanzierung der integrierten Versorgung, die auch noch einmal hinsichtlich der Effektivität hinterfragt werden muss. Man hört diesbezüglich, dass das auch noch nicht so ist, wie es sein sollte. Hinzu kommt eine Tariferhöhung für das ärztliche Personal. Insgesamt würde dies eine Reduzierung der Gesamtvergütung um 6 % zur Folge haben, die nicht zu verkraften ist.