Die meisten europäischen Länder zeigen uns seit Jahren, wie es gehen kann, dass Erzieherinnen eine Hochschulausbildung haben. Genau deshalb, weil wir weit hinter den anderen Ländern zurück sind, wollen wir mit diesem Antrag die Diskussion dazu in Sachsen-Anhalt
vorantreiben und Sie und Ihre Koalitionsvereinbarung beim Wort nehmen. Darüber hinaus wollen wir die Diskussion erweitern und schließlich Nägel mit Köpfen machen.
Es reicht dabei nicht aus, dass wir anstreben, dass die Akademisierung unbestimmt langfristig umgesetzt wird, so wie Sie es in Ihrem Änderungsantrag geschrieben haben. Eine solche Lücke können wir uns tatsächlich nicht leisten.
Denn Kinder sind gerade im Vorschulalter besonders lernfähig und auch lernwillig. Sie sind dann besonders neugierig auf die Welt, in der sie leben. Gerade dieser Wissensdurst sollte nicht unbefriedigt bleiben und die vorhandenen Kapazitäten sollten nicht ungenutzt gelassen werden. Das hat nichts mit Leistungsdenken zu tun, sondern mit einem Ansatz der bestmöglichen Förderung aufgrund vorhandener individueller Ressourcen. Die dafür erforderlichen Vorraussetzungen müssen eben wir schaffen.
Schon im Mai 2004 stellte die Jugendministerkonferenz fest: Kindertageseinrichtungen werden heute als unentbehrlicher Teil des öffentlichen Bildungswesens verstanden. Es geht nicht nur um Betreuung, damit Familie und Beruf besser miteinander vereinbart werden können. Es geht um viel mehr.
Wenn wir aber tatsächlich wollen, dass Kindertageseinrichtungen Bildungseinrichtungen sind, dann müssen wir auch etwas dafür tun. Meine Fraktion hat bewusst neben dem vorliegenden Gesetzentwurf diesen Antrag heute eingebracht, damit wir uns dieser Thematik darüber hinaus eben einmal im Besonderen widmen.
Lassen Sie uns ehrlich darüber reden, was sich in Sachsen-Anhalt verändern muss und wie wir dies umsetzen können. Wir brauchen veränderte Rahmenbedingungen. Die Hochschulausbildung von Erzieherinnen ist ein Teil davon.
Natürlich sind gerade beim Beruf der Erzieherin die persönlichen Voraussetzungen entscheidend. Dieser Satz gilt aber auch für jeden anderen Beruf. Auch einem Tischlermeister wird man eine Lehre abverlangen und nicht allein auf sein künstlerisches Talent abstellen.
So ist es eben nicht vorrangig eine Charakterfrage, ob man eine gute Erzieherin ist, sondern vielmehr eine Frage der Qualität der Ausbildung. Da stellt sich die Frage: Welche Qualität und damit welche Qualifikationen sollen Erzieherinnen für die Bildung, Erziehung und Betreuung von Kindern haben?
Momentan mangelt es der Ausbildung an einer Wissenschaftsorientierung. Der Praxisbezug ist gut. Im Zusammenhang mit dem Vorschlag der Akademisierung wird häufig die Sorge geäußert, dass die Praxis dabei zu kurz kommen könnte.
Wichtig ist aus unserer Sicht, Ausbildung, Praxis und Forschung an einem Ort zusammenzuführen. An dieser Stelle haben wir die Chance, das Problem der Praxisferne offensiv anzugehen und den Praxisbezug fest in der Hochschulausbildung zu verankern.
Hinzu kommt auch das ganz praktische Problem, dass deutsche Erzieherinnen im Ausland hinsichtlich ihrer Ausbildungsabschlüsse noch immer nicht als gleichwertig anerkannt werden. Selbst wenn ihr Abschluss anerkannt wird, ist eine geringere Vergütung zu verzeichnen. Durch die Ausbildung an einer Hochschule würde dieses
Problem beseitigt; denn auch in Deutschland ausgebildete Erzieherinnen müssen auf dem europäischen Arbeitsmarkt die gleichen Chancen haben, wie andere Berufe sie jetzt schon haben.
Im Übrigen ist die Hochschulausbildung auch eine Chance, mehr Männer für den Beruf des Erziehers zu gewinnen. Zum einen handelt es sich um eine Aufwertung dieses Berufes, zum anderen ist auch mit einer höheren Bezahlung zu rechnen. Eine höhere Bezahlung muss zwar nicht zwingende Folge einer solchen Reform sein, sie ist aber in jedem Fall möglich und wird von uns auch angestrebt.
Parallel dazu würde auch die Beseitigung der nach wie vor ungleichen und damit ungerechten Bezahlung von Frauen und Männern als Ziel näher rücken. Momentan zählt der Beruf der Erzieherin zu den typischen Frauenberufen und damit zu den schlecht vergüteten Berufen.
Die Frage ist natürlich berechtigt, ob sich tatsächlich Abiturienten finden, die sich für diesen Beruf entscheiden. In Berlin ist bereits seit dem Jahr 2004 für die Aufnahme in den Fachschulen das Abitur oder die Fachhochschulreife Voraussetzung.
Die Befürchtung, es würden sich kaum Abiturienten finden, die diesen schlecht bezahlten Job machen wollen, hat sich dort nicht bestätigt. Im Gegenteil: Ihr Interesse ist sehr groß. - Aus unserer Sicht ist das ein positives Zeichen.
Wir haben im Land mit dem Bildungsprogramm „Bildung elementar“ eine gute Grundlage. Bereits jetzt versuchen viele Erzieherinnen in den Kindertageseinrichtungen nach bestem Wissen, dieses Programm umzusetzen, aber sie stoßen dabei verständlicherweise an ihre Grenzen.
Aus unserer Sicht sollten sich die Inhalte des Studiums an dem Programm „Bildung elementar“ orientieren. Wichtig sind unter anderem die Naturwissenschaften, die Sprachen, die musische Bildung, die Bildungsbeobachtung und Dokumentation, aber eben auch die Elternarbeit.
Die Fähigkeit zur Bildungsbeobachtung und Dokumentation bedarf eines hohen intellektuellen Reflexionsvermögens. Das haben die Erzieherinnen in den Kindertageseinrichtungen bereits jetzt erkannt. Sie wollen die an sie gerichteten Erwartungen gern erfüllen und verlangen berechtigterweise nach dem erforderlichen Rüstzeug.
Die Elternarbeit ist aus meiner Sicht ein ganz wichtiger Bestandteil des Studiums. Eltern wollen gute Eltern sein. Doch was sind gute Eltern? Sie wollen vor allem mitgenommen werden, um ihre Kinder gut auf die wissensbasierte Gesellschaft vorzubereiten. Sie wollen ihren Kindern soziale Kompetenzen und mehr vermitteln.
Gerade weil Kindertageseinrichtungen nicht allein für die Erziehung von Kindern verantwortlich sind, sondern hierbei vor allem die Eltern in der Verantwortung stehen und diesbezüglich bestehende Defizite allseits bekannt sind, muss darauf auch ein Schwerpunkt liegen.
Auch der Übergang von der Kindertagesstätte in die Grundschule muss weiterhin in unserem Fokus stehen. Noch immer wird nur punktuell ein Dialog auf Augenhöhe geführt. Natürlich gibt es durchaus positive Beispiele im Land. Aber noch immer wird der Übergang der Kinder als Bruch wahrgenommen. Das muss nicht sein.
Konkret bedeutet dies natürlich auch, dass sich die Grundschulen verändern müssen. Es ist so, wie von der GEW seit Jahren gefordert, aber bisher nicht umgesetzt: Wir brauchen ein gemeinsames Bildungsverständnis, aufeinander bezogene Bildungspläne und eine kompatible Didaktik. Die Angleichung der Erzieherinnenausbildung an die Grundschullehrerausbildung kann dabei ein Zwischenschritt sein.
Wir müssen in diesem Zusammenhang aber auch darüber nachdenken, was sich an der Ausbildung der Grundschullehrer verändern muss, damit sich der von Kindern empfundene und objektiv bestehende Bruch beim Wechsel der Kinder aus der Kindertageseinrichtung in die Grundschule in einen fließenden Übergang verwandelt; denn auch im Bereich der Ausbildung von Grundschullehrerinnen wäre ein Umdenken zu einem neuen Kindheitsbild erforderlich.
Ich halte im Übrigen eine Unterscheidung zwischen Leiterinnen und Erzieherinnen bei den Studieninhalten - aber eben nicht bei der Frage, ob überhaupt ein Studium vorgesehen werden soll - für denkbar, aber - ehrlich gesagt - auch nicht für optimal. Aus der Sicht der Linkspartei.PDS geht es vor allem um eine Verbesserung der Qualität der Arbeit am Kind. Das betrifft Kita-Leiterinnen, vor allem aber die Erzieherinnen.
Lassen Sie uns darüber im Ausschuss diskutieren und das Für und Wider abwägen; denn inhaltlich hat sich mir die von der Koalition vorgeschlagene Beschränkung noch nicht erschlossen. In jedem Fall sollten wir also prüfen, welche Kapazitäten in Bezug auf die Ausbildung von Erzieherinnen bereits vorhanden sind und auch weiter genutzt werden können. Dies gilt unter anderem für Kapazitäten bei den Fachschulen, aber eben auch bei den Hochschulen des Landes.
Unabhängig von der Hochschulausbildung möchte ich in diesem Zusammenhang noch einmal die Vor- und Nachbereitungszeiten ansprechen. Ich weiß, dass Ihnen dieses Problem bekannt ist, und ich weiß auch, dass es ein wunder Punkt ist. Dennoch müssen wir eine Lösung finden. Denn natürlich können wir die Hochschulausbildung nicht flächendeckend für alle Erzieherinnen im Land von jetzt auf gleich umsetzen. Hierzu bedarf es noch vieler Jahre, wenn nicht sogar vieler Jahrzehnte.
Gerade weil wir nicht alle Erzieherinnen im Hauruckverfahren zu Akademikerinnen machen können, brauchen wir eine mittelfristige Lösung. Weiterbildungen sind dabei ein Baustein. Ein weiterer Baustein sind aus unserer Sicht eben die Vor- und Nachbereitungszeiten.
Eine Lösung zum Nulltarif wird es mit Sicherheit nicht geben. Aber ich denke, inzwischen handelt es sich um ein gesellschaftliches Problem, das keinen Aufschub duldet.
Es ist nicht übertrieben, wenn ich sage, dass die Zukunft unserer Gesellschaft in hohem Maße auch von der Qualität der frühkindlichen Förderung abhängen wird. Deshalb dürfen wir dieses Thema nicht vernachlässigen oder aus finanziellen Gründen immer wieder verschieben. Genau deshalb werbe ich auch für unseren Antrag in der vorliegenden Fassung.
Ich denke, die ersten Schritte können bereits im nächsten Jahr vom Sozialministerium mit erweiterten Weiterbildungsmöglichkeiten mithilfe von ESF-Mitteln gegangen werden. Dann müssen aber weitere Schritte folgen. Lassen Sie den Ausschuss für Soziales und den Aus
schuss für Bildung, Wissenschaft und Kultur daran teilhaben und dabei konstruktiv mitwirken. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Danke sehr, Frau von Angern, für die Einbringung. - Wir begrüßen nun Schülerinnen und Schüler der Berufsbildenden Schulen Zeitz. Seien Sie herzlich willkommen!
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Qualität der Arbeit der Kindergärten hat für die Landesregierung eine sehr hohe Bedeutung. Vor allem aus diesem Grund wurde im KiFöG vom März 2003 hervorgehoben, dass Kindertagesstätten Bildungseinrichtungen sind.
Diesem auch von mir hier zuletzt am 17. Dezember 2004 bekräftigten Anspruch misst die Landesregierung höchste Bedeutung bei. Sie hat daher die Umsetzung des im September 2004 vorgelegten Bildungsprogramms für Kindertagesstätten, das grundlegende Prinzipien für die Bildungspraxis beschreibt und die wesentlichen Bildungsbereiche benennt, in denen jedes Kind in einer Kindertageseinrichtung Erfahrungen sammeln soll, intensiviert.
Das Programm ist Arbeitsgrundlage für alle Kindertageseinrichtungen in Sachsen-Anhalt. Hierüber wurde zwischen der Landesregierung und den Trägern der Kindertagesstätten am 31. September 2004 auch eine Vereinbarung getroffen.
Schon in der vergangenen Legislaturperiode ist eine interministerielle Arbeitsgruppe aus Vertretern des Kultusministeriums und des Sozialministeriums gebildet worden, die sich mit Belangen der vorschulischen Bildung, der Gestaltung des Übergangs vom Vorschulbereich in die Schule, der Zusammenarbeit zwischen Kindergärten und Schulen sowie der Qualifizierung der Fachkräfte befasst.
Erstens. Um die Erzieherausbildung an dem Bildungsprogramm des Landes auszurichten, werden die Rahmenrichtlinien für die Fachschule Sozialpädagogik durch die Bereiche Sprachförderung, mathematisch-naturwissenschaftliche Bildung, Partizipation und Ästhetik ergänzt.
Mit dem Erlass „Ergänzende Hinweise zum Unterricht in der Fachschule Sozialpädagogik“ vom 7. April 2006 sind die Aspekte des Bildungsprogramms in die Ausbildung der Erzieherinnen und Erzieher bereits eingeflossen. Die Erfahrungen bei der Umsetzung sollen am Ende des Schuljahres 2006/2007 evaluiert und die Rahmenrichtlinien hierauf aufbauend novelliert werden.
Zweitens. Lehrkräfte, die in Fachschulen Sozialpädagogik unterrichten, sollen darüber hinaus umfassend fortgebildet werden. Die entsprechenden Fortbildungsprogramme bzw. -angebote sind bereits angelaufen.
Drittens. Auch für den erfolgreichen Übergang der Kinder vom Vorschulbereich in die Schule ist schon ein Rahmen für gemeinsame Fortbildungen von Erzieherinnen und Erziehern sowie Lehrkräften entwickelt worden. Entsprechende Veranstaltungen haben sich vor allem diesem Thema gewidmet.
Viertens. Es sollen Vorschläge zur künftigen Ausbildung von Erziehern unterbreitet werden, auf die ich nachfolgend kurz eingehen möchte.
In Bezug auf den Antrag der Fraktion der Linkspartei.PDS bin ich wie viele andere auch der Auffassung, dass wissenschaftliche Erkenntnisse, also Erkenntnisse über das Kind, über die Besonderheiten des kindlichen Lernens, über die Bedeutung der Lernumgebung insbesondere bei Kleinkindern usw., stärker in die vorschulische Betreuung, Bildung und Erziehung an den Kindergärten Eingang finden sollten.
Ich bin aber nicht der Ansicht, dass deswegen alle Erzieherinnen und Erzieher über eine Hochschulausbildung verfügen müssen. Zum einen ist keineswegs erwiesen, dass Hochschulabsolventinnen und -absolventen per se die besseren Erzieherinnen und Erzieher sind.
Die Berufsvorbereitung zielt ja auch nicht auf eine wissenschaftliche Tätigkeit - die fände ich in einem Kindergarten sogar schädlich -, sondern auf einen Anspruch, der von der Wissenschaft gespeist und getragen wird. Das ist ein Unterschied. Außerdem helfen uns internationale Vergleiche oft nicht weiter, weil Hochschulbildung und Hochschulbildung selbst in Europa etwas höchst Unterschiedliches ist.