Protocol of the Session on December 14, 2006

Danke sehr, Herr Rothe. - Von der Landesregierung wurde kein Redebedarf signalisiert. Jetzt wird für die FDP-Fraktion Frau Dr. Hüskens sprechen.

Zuvor haben wir die Freude, Seniorinnen und Senioren aus Schwemsal und von der Sudetendeutschen Landsmannschaft Bitterfeld bei uns begrüßen zu können. Seien Sie herzlich willkommen!

(Beifall im ganzen Hause)

Wir begrüßen gleichfalls Schülerinnen und Schüler der Clausewitz-Europaschule Burg. Herzlich willkommen!

(Beifall im ganzen Hause)

Frau Dr. Hüskens, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die öffentlichen Aufgaben, die vom Land Sachsen-Anhalt und seinen Kommunen erfüllt werden, sind gleichwertig und gleichermaßen den Bürgern verpflichtet. Dies macht eine Finanzpolitik erforderlich, die die Situation beider Ebenen gleichermaßen im Blick hat.

Jetzt müsste in der Mitte applaudiert werden, weil es so in der Koalitionsvereinbarung steht, die CDU und SPD im Frühjahr 2006 geschlossen haben. Das Kerninstrument zur Umsetzung dieser Formulierung ist das FAG, das mit der heutigen Novelle einmal mehr geändert werden soll.

Meine Damen und Herren! Die Änderungen in § 15 tragen wir mit, wie wir es auch schon bei der Beratung über den Sachverhalt im Innenausschuss signalisiert haben.

Die Änderung des § 11 lehnt die FDP-Fraktion jedoch ab. Sie schränkt die Handlungsfreiheit der Kommunen ein und fügt sich somit zwar nahtlos in Ihre derzeit praktizierte Politik im Bereich der Kommunalfinanzen ein; die Neuregelung entspricht aber nicht einmal ansatzweise unseren Vorstellungen und auch nicht Ihren eigenen Forderungen, die Sie in der Koalitionsvereinbarung niedergeschrieben haben. Dies hat vor allem drei Gründe.

Erstens. Sie greifen ohne Erfordernis in die kommunale Selbstverwaltung ein und suggerieren ohne einen einzigen Beweis, die Kommunen hätten die Gelder bisher fehlverwendet. Es gibt ein Schriftstück vom Landkreistag dazu, in dem diese Behauptung eindeutig zurückgewiesen wird.

Dies widerspricht diametral Ihrem Ziel, die Kommunen von Regelungen zu entlasten. Sie haben in Ihrem Koalitionspapier zwar verkündet, die Kommunen bei der Haushaltskonsolidierung unterstützen zu wollen, indem Sie überflüssige Regelungen und Standards abbauen sowie auf Aufgaben verzichten. Bisher ist davon aber nichts zu sehen, sieht man von der Regelung zur Tierkörperbeseitigung einmal ab.

Zweitens. Sie haben sich in Ihrem Koalitionsvertrag darauf verständigt, bei der Umsetzung des thüringischen Urteils eine objektive Ermittlung der tatsächlichen Kosten der Aufgabenerledigung als Grundlage für eine Neuausrichtung des FAG durchzuführen. Dies wird realistischerweise zum Doppelhaushalt 2010/2011 möglich sein, weil Sie die Erhebungen und alle anderen Verhandlungen mit den Kommunen wohl kaum im Jahr 2007 schaffen werden, es sei denn, Sie wollen das Seitz-IWHGutachten ohne weitere Diskussion dazu nutzen.

Spätestens zum Jahr 2011 müssen die Kommunen auf die Doppik umstellen, die eine Unterscheidung in investive und konsumtive Ausgaben nicht kennt. Auch die Länder und der Bund werden nicht mehr unendlich in der Kameralistik buchen können. Daraus ergibt sich, dass Sie eine Regelung in das Gesetz aufnehmen wollen, von der wir schon heute wissen, dass sie nur zwei oder drei Jahre Bestand haben wird.

Drittens. Der Betrag von 1 000 € an investiven Mitteln, den die Kommunen jährlich aufbringen müssen, ist von den Regierungsfraktionen nach einer Anhörung im Innen- und im Finanzausschuss festgesetzt worden. Die kommunalen Spitzenverbände haben damals versichert, dass diese Summe - unabhängig von den Geldern, die insgesamt für die Unterhaltung verwendet werden - von allen Kommunen jährlich allein für investive Zwecke aus

gegeben würde und dass sie das auch zukünftig so tun würden.

Das heißt, Sie regeln etwas, das Sie nicht regeln müssen, weil es auch ohne Regelung stattfindet. Sie greifen also völlig ohne Not, sozusagen als Placebo, in die kommunalen Zuständigkeiten ein, um noch einmal zu dokumentieren: Es handelt sich um investive Mittel in Höhe von 1 000 €. Zudem unterstellen Sie dabei, dass die Kommunen bisher eine Fehlverwendung vorgenommen haben.

Für uns ergibt sich daraus, dass diese Regelung nicht erforderlich ist. Wir werden deshalb die vorgeschlagene Änderung des § 11 ablehnen, einer Überweisung des Gesetzentwurfes in den Innenausschuss jedoch zustimmen.

Lassen Sie mich abschließend noch zwei weitere Bemerkungen machen. Der Ausschuss für Finanzen hat sich inhaltlich nicht damit befasst; vielmehr hat er den entsprechenden Antrag nach dem Bericht des GBD zurück in den Innenausschuss überwiesen.

Zu dem anderen Punkt, dem Zweilesungsprinzip. Dieses ist in unserer Verfassung verankert. Ich denke, Herr Rothe, dass eine Auslegung dieses Prinzips im Landtag immer üblich war. Es ist jedoch in diesem Bundesland stets abgelehnt worden, völlig neue Sachverhalte, die im Plenum überhaupt nicht diskutiert worden sind, im Ausschuss in einen Gesetzentwurf aufzunehmen.

Ich denke, wir sollten, selbst wenn Sie hier eine große Mehrheit haben, auch in Zukunft so verfahren; denn nur so wird es uns ermöglicht, im Plenum über die - ich sage es einmal so - Fachbruderschaften hinaus die Entscheidungen tatsächlich mitzuprägen. Anderenfalls werden zukünftig - diesbezüglich brauchen wir uns nichts vorzumachen - viele Änderungen nur noch im Fachausschuss erörtert werden, und wir werden uns anschließend im Plenum sehr über das wundern, was wir angeblich alles beschlossen haben.

(Beifall bei der FDP und bei der Linkspartei.PDS)

Deshalb denke ich, dass wir mit diesem Punkt sehr sorgsam umgehen sollten. Die Urteile, die dazu jüngst in Mecklenburg-Vorpommern ergangen sind, das eine ähnliche Regelung hat wie wir, bestärken uns in dieser Auffassung.

Ich denke, wir werden ein solches beschleunigtes Verfahren, das Herr Kosmehl im Innenausschuss angeboten hat und das wir heute wählen wollen, auch zukünftig mitmachen, um dafür zu sorgen, dass nichts liegen bleibt oder auf die lange Bank geschoben wird. Wir können mit dieser verfassungsgemäßen Auslegung sicherlich leben und etwas Gutes für das Land tun. - Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der FDP)

Danke sehr, Frau Dr. Hüskens. - Für die CDU-Fraktion spricht der Abgeordnete Herr Harms. Bitte sehr.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Sehr gern unterstütze ich den Kollegen Rothe in seinem Bemühen, etwas Zeit aufzuholen.

(Zustimmung bei der CDU)

Ich möchte deshalb meine Rede darauf verkürzen, dass ich die Überweisung des Gesetzentwurfes zur federführenden Beratung in den Ausschuss für Inneres und zur Mitberatung in die Ausschüsse für - ich muss überlegen -

(Herr Tullner, CDU: Finanzen und Landesentwick- lung!)

Landesentwicklung und Verkehr sowie für Finanzen beantrage. Ich bitte Sie, Frau Präsidentin, meine Rede zu Protokoll geben zu dürfen.

(Zustimmung bei der CDU)

Das können Sie tun, Herr Harms.

(Zu Protokoll:)

Kein Gesetz wird wohl so häufig geändert wie das Finanzausgleichsgesetz, und das aus gutem Grund. Die Ausgleichsbeziehungen, die Artikel 88 der Landesverfassung fordert, sind verzwickt und bedürfen der Anpassung an die finanziellen und die juristischen Gegebenheiten. Mal erfolgt eine Neujustierung, mal eine Nachjustierung - hier und heute eher eine Feinjustierung.

Warum ist dieser ständige Regelungsbedarf vorhanden? Weil es gerecht zugehen soll. Sie kennen alle den mit der Aufgabenwahrnehmung verbundenen Finanzbedarf der Kommunen, der kreisangehörigen Gemeinden, der Landkreise sowie der kreisfreien Städte im Land. Sie wissen alle, dass dieser Bedarf zuweilen größer ist als die Möglichkeit, die der Ausgleich und auch die Ausgleichsmasse hergibt. Es ist unbestritten, dass auf allen Ebenen unserer Verwaltung sparsamer gewirtschaftet werden muss, damit wir gemeinsam die Schuldenaufnahme so weit reduzieren können, dass eine Tilgung der riesigen Schuldenlasten beginnen kann.

Die unterschiedliche Finanzkraft der Kommunen ist nach Artikel 88 der Landesverfassung angemessen auszugleichen. Die unterschiedliche Finanzkraft, nicht der Bedarf der Kommunen ist vordergründig auszugleichen.

Dass § 12 FAG auch einen besonderen Ausgleich zur Milderung außergewöhnlicher Belastungen und Notlagen ermöglicht, darf von der Grundaussage des Ausgleichs unterschiedlicher Finanzkraft nicht ablenken.

Bei den beabsichtigten Änderungen in §§ 11 und 15a FAG geht es um Feinjustierungen. Diese sind sinnvoll und notwendig, um zum einen sicherzustellen, dass das Kreisstraßennetz auch in leistungsschwachen Kommunen zu unser aller Nutzen entsprechend unterhalten wird. Zum anderen bedingt die Übertragung von Aufgaben und Zuständigkeiten durch das Erste Investitionserleichterungsgesetz von den ehemals zuständigen Landkreisen auf Gemeinden und Verwaltungsgemeinschaften einen zusätzlichen Ausgleich zulasten der Landkreise. Da es sich um einen relativ geringen Betrag handelt, empfiehlt sich eine vereinfachte Regelung.

Im Einzelnen wird über die entsprechende Übertragung in den Ausschüssen für Inneres, für Landesentwicklung und Verkehr sowie für Finanzen zu reden sein.

Für die Fraktion der Linkspartei.PDS spricht der Abgeordnete Herr Grünert.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen zur Änderung des Finanzausgleichsgesetzes wird den Intentionen des Gesetzgebungs- und Beratungsdienstes des Landtages hinsichtlich der Einhaltung des Zweilesungsgebotes Rechnung getragen, da diese Regelungen in dem Gesetzentwurf der Landesregierung in der Drs. 5/285 nicht Gegenstand waren und folglich auch bei den Anhörungen nicht berücksichtigt werden konnten.

Der nunmehr durch die Koalitionsfraktionen vorgelegte Gesetzentwurf beinhaltet eine weitere Ausgestaltung von zwei Paragrafen.

In § 11 Abs. 1 sollen die Straßenbaulastzuweisungen an die Baulastträger für Kreisstraßen einer Zweckbindung unterworfen werden. Hierbei unterstellen die Koalitionsfraktionen, dass bisher nicht sichergestellt war, dass diese Mittel in jedem Fall für die Aufgaben der Landkreise als Träger der Straßenbaulast Verwendung fanden. Dies sei jedoch unumgänglich, da der Zustand der Kreisstraßen im Land Sachsen-Anhalt weiterhin einen hohen Mitteleinsatz sowohl für Investitionen in den Neu-, Um- und Ausbau von Kreisstraßen als auch für deren Unterhaltung erfordere.

Hierbei ist aus der Sicht der Fraktion der Linkspartei.PDS zu berücksichtigen, dass seit der Einführung des Finanzausgleiches im Jahr 1995 die Straßenbaulastzuweisungen konstant in gleicher Höhe veranschlagt wurden. Es gibt keinen anderen Bereich des Landeshaushaltes, der diese Zeitspanne ohne Kürzungen überlebt hat. Schaut man sich das Straßennetz im Land Sachsen-Anhalt an, dann ist sichtbar, dass diese Gelder entsprechend ihrer Zielsetzung verwendet wurden. Wir halten es daher für überflüssig, eine Zweckbindung gesetzlich zu normieren.

Nunmehr soll ein Betrag in Höhe von 1 000 € des Zuweisungsbetrages für investive Zwecke gebunden werden. Über diese Reduzierung der Straßenbaulastzuweisungen soll auf die Kreise Druck ausgeübt werden, eine möglichst effiziente Erledigung der Unterhaltungsaufgaben, insbesondere der technischen Verwaltung der Kreisstraßen einschließlich der Reinigung und des Winterdienstes, zu erzielen. Dies ist jedoch eine generelle Forderung an die öffentlichen Verwaltungen im Umgang mit Steuermitteln nach der Gemeindehaushaltsverordnung und dem Gemeindehaushaltsrecht.

Sollte diese Form des Versuchs der Eingrenzung kommunaler Selbstverwaltung Schule machen - ich teile nicht Ihre Hoffnung, Herr Rothe, dass das eine Eintagsfliege bleibt -, gäbe es in naher Zukunft keinen Bereich mehr, auf den das Land nicht durch restriktive Vorgaben Einfluss nehmen würde. Dies lehnen wir entschieden ab.

Die zweite Regelung bezieht sich auf § 15a - Kostenerstattung - des Finanzausgleichsgesetzes. Mit der vorgeschlagenen Regelung sollen die Mehrbelastungen von Gemeinden und Verwaltungsgemeinschaften mit weniger als 10 000 Einwohnern für Aufgabenübertragungen nach Artikel 4 des Ersten Investitionserleichterungsgesetzes bis 2010 ausgeglichen werden. Eine Überprüfung der Kostenregelung ist jedoch erst nach Ablauf des Zeitraumes von 2006 bis 2010 vorgesehen.

Die Linkspartei.PDS möchte in Anlehnung an das Thüringer Verfassungsgerichtsurteil vom 21. Juni 2005 ausdrücklich darauf hinweisen, dass es im Land Sachsen

Anhalt derzeit keine belastbaren Aussagen zur Definition einer finanziellen Mindestausstattung der Kommunen gibt. Der Zeitraum bis 2010 ist meines Erachtens viel zu lang.

Eine Auskömmlichkeit der Finanzierung der übertragenen Aufgaben wird bei Ihrem Gesetzesentwurf lediglich unterstellt. Zugleich wird in der Begründung zu dem Gesetzentwurf mit einem nichts darstellenden Pro-KopfBetrag hantiert. Wie und zu welchen Lasten die Kommunen mögliche Defizite finanzieren sollen, lässt die vorgeschlagene Regelung völlig offen; sie lässt die Kommunen im Regen stehen. Sie ignorieren damit sowohl die chronische kommunale Unterfinanzierung als auch die landesseitig auferlegten Haushaltskonsolidierungszwänge.