Protocol of the Session on November 17, 2006

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die demokratische Redefreiheit, von deren Wert und Bedeutung wir

in der gestrigen Feierstunde ja viel gehört haben, erlaubt es mir dann auch in diesem Hohen Hause, Karl Marx und Friedrich Engels zu zitieren.

(Oh! bei der CDU - Minister Herr Dr. Daehre: Ha- ben die auch einen Kompromiss geschlossen?)

- Hören Sie erst einmal zu, bevor Sie „oh“ sagen. - Da steht im kommunistischen Manifest:

„Wenn man die Verhältnisse zum Tanzen bringen will, muss man ihnen ihre eigene Melodie vorsingen.“

Ich weiß nicht, lieber Wulf Gallert, ob Sie diese Zeilen im Hinterkopf hatten, als Sie Ihren Antrag gestellt und eingebracht haben,

(Herr Gallert, Linkspartei.PDS: Nicht direkt! Da gibt es Herrn Hartung und Herrn Harms!)

jedenfalls ist er listenreich und hat ganz offensichtlich zum Ziel, die Verhältnisse in der Koalition zum Tanzen zu bringen,

(Herr Dr. Thiel, Linkspartei.PDS: Nur um Klarheit zu schaffen!)

indem man ihr ihre eigene Melodie vorsingt.

Ins Tanzen - das können wir nicht abstreiten - sind tatsächlich einige gekommen. Aber die Koalition hat ein ganz klares Ziel, und dieses klare Ziel heißt, das Land Sachsen-Anhalt zu konsolidieren.

Jetzt werde ich doch einiges in meiner Rede vortragen, was Herr Bullerjahn nicht vorgetragen hat, weil ich denke, dass es genau an diese Stelle gehört. Es ist auch mit eine Begründung dafür, warum wir so fest bei dem Thema Einheitsgemeinde bleiben.

Wir wollen das Land wappnen für die Herausforderungen der nächsten Jahre. Wir wollen es ab dem Jahr 2011 von der Schuldenlast der Vergangenheit befreien

(Herr Kosmehl, FDP: Neuverschuldung! Nicht Schuldenlast!)

und wir wollen es heute so gestalten, dass es ein lebenswertes Land bleibt.

Die Herausforderungen sind bekannt und ihre Dimension ist sicherlich unbestritten: Aufgrund der demografischen Entwicklung wird das Land bis zum Jahr 2020 noch einmal 15 % seiner Einwohner verlieren. Gleichzeitig wird der Anteil der Einwohner im Rentenalter steigen und der Anteil der erwerbsfähigen Bevölkerung wird sinken.

Das Volumen des Landeshaushalts wird bis zum Jahr 2019 auf 60 % des heutigen Niveaus sinken. Im Jahr 2011 wird der Schuldenstand des Landes 20 Milliarden € aufweisen. Hinzu kommt die Verschuldung der Kommunen, die heute in der Regel darum kämpfen müssen, ihre Pflichtaufgaben aus den laufenden Haushalten zu erfüllen. Von größeren Investitionen können die eh nur noch träumen.

Deshalb sagen wir: Funktionierende und vor allem handlungsfähige Kommunen sind der Kern eines intakten Gemeinwesens und wir müssen den Kommunen ihre Handlungsfähigkeit bewahren oder zurückgeben. Dazu gehört ein effektives Modell der kommunalen Selbstverwaltung. Dieses Modell ist die Einheitsgemeinde und ganz klar

und unmissverständlich für uns n u r die Einheitsgemeinde.

(Zustimmung bei der SPD)

Dass die Opposition das Thema Freiwilligkeit über die gesamte Legislaturperiode tragen kann, das ist völlig klar und normal. Aber als Regierungskoalition muss man irgendwann den Punkt setzen, an dem die Regeln ausgesprochen werden, an dem auch gesetzliche Eingemeindungen und Formen gefunden werden. Wir können nicht die ganze Legislaturperiode lang nur Freiwilligkeit predigen. Wir müssen an einer Stelle den Schlussstrich ziehen.

(Beifall bei der SPD)

Sie haben eines erreicht. Sie haben erreicht, dass wir das Thema, was sind die Ausnahmen, in welchen wenigen Ausnahmefällen wird es spezifische Regelungen für die Größe der Einheitsgemeinden und für die Form der gemeindlichen Zusammenarbeit geben, jetzt diskutieren. Das gebe ich Ihnen gegenüber gern zu, Herr Gallert; das haben Sie erreicht. Das ist jetzt und auch sehr kurzfristig angefangen worden zu diskutieren.

Wenn Sie mich nach den Arbeitsgemeinschaften fragen wollen, dann sage ich Ihnen heute und hier gleich: Ich werde die Frage jetzt nicht beantworten, weil - egal was ich Ihnen dazu sage, was wir bisher darüber gedacht haben - es hier zerredet werden wird. Deshalb werden wir ein festes Modell erst am Ende der internen Diskussion in der Koalition vorstellen.

(Beifall bei der SPD - Zuruf von Herrn Kosmehl, FDP)

Ich gebe zu, der Antrag der PDS ist richtig geschickt gestellt. Das ist so.

(Herr Dr. Eckert, Linkspartei.PDS: Das stimmt!)

Sie wollen nicht nur einen Keil in die Koalition treiben, sondern Sie wollen diesen Keil auch festtreiben. Das ist Ihr gutes Recht.

(Unruhe bei der PDS)

Sie wissen, dass das Thema zwischen den beiden Koalitionspartnern kein einfaches ist. Das ist so. Das braucht man auch nicht zu verleugnen.

Ihre Rede war rhetorisch richtig brillant, aber sie hat auch klar gemacht, dass Sie genau dieses Thema in erster Linie für den Wahlkampf nutzen wollen. Sie wollen wissen, ob Sie dieses Thema allein im Wahlkampf benutzen können oder ob Teile der CDU die Erlaubnis haben, das ebenfalls zu benutzen. Das steht da ganz klar im Hintergrund.

(Zustimmung von Herrn Kurze, CDU)

Sie haben sozusagen versucht, die CDU in Versuchung zu führen. Das ist aber eine christliche Partei.

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD und bei der CDU)

In diesem Sinne haben wir uns auf einen Alternativantrag verständigt, den die Koalition gemeinsam durch den Landtag tragen wird und bei dem ich davon ausgehe, dass er hinterher ganz spezifisch untersetzt wird.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank, Frau Budde. - Zum Schluss noch einmal Herr Gallert. Bitte.

(Abgeordneter Herr Gallert tritt an das Redner- pult)

- Entschuldigung, Herr Paqué hat noch eine Frage an Frau Budde.

Vielleicht könnte ich sie auch beantworten. Ich könnte Ihnen vielleicht sagen, was Frau Budde sagen möchte.

(Heiterkeit bei der CDU und bei der FDP - Frau Budde, SPD: Dann wäre es ja wirklich spannend gewesen, erst Herrn Gallert dazu zu hören!)

Jetzt bitte Herr Paqué. Stellen Sie Ihre Frage.

Frau Budde, in den letzten Tagen ist durch die Presse gegangen, dass im Innenministerium von Staatssekretär Erben ein Papier vorgelegt wurde, das hier in der Tat eine spezifische Position konkretisiert. Meine Frage lautet: Ist das, was Herr Erben vorgelegt hat, das Leitbild der Koalition?

Das ist der Vorschlag der SPD für die Regelung der Ausnahmefälle.

(Zustimmung bei der SPD - Unruhe bei der FDP - Herr Wolpert, FDP: Ist das der Kompromiss?)

- Ich weiß nicht, wie oft Sie das noch fragen wollen. Das ist in der Presse und auch anderswo wirklich hinreichend diskutiert worden.

(Unruhe bei der FDP - Zuruf von der FDP: Ach was!)

Es ist ein Anhang zum Protokoll des Koalitionsausschusses. Die SPD hat konkretisiert, wie sie sich diese wenigen Ausnahmefälle vorstellt. Das haben wir dem Koalitionsausschuss zur Kenntnis gegeben.

Wenn nicht ein so großer Zeitdruck bestanden hätte, dann hätten wir es mit Sicherheit vorher in den Arbeitskreisen der beiden Fraktionen besprochen. Aber das ist heute sozusagen nicht mehr wählbar. Wir hatten diesen Druck.

Deshalb sage ich noch einmal ganz klar: Das ist der Vorschlag der SPD, den wir zur Grundlage dafür machen werden, wie die Ausnahmefälle definiert werden sollen. Da gibt es nichts weiter zu erklären. Das ist eine ganz klare Antwort.

(Beifall bei der SPD - Herr Steinecke, CDU: Gut! Wunderbar! - Minister Herr Dr. Daehre: Absolut gesagt, der Vorschlag der SPD in Sachsen-An- halt!)