Protocol of the Session on November 16, 2006

Deshalb - so heißt es in dem Gesetzentwurf - dürfen im Jahr 2006 Verkaufsstellen aus besonderem Anlass an höchstens fünf Sonn- und Feiertagen geöffnet werden.

Wenn ich dann in den Gesetzentwurf in seiner zukünftigen Fassung hineinschaue, dann stelle ich fest, es heißt in § 7 - ich zitiere -:

„Die Gemeinde kann erlauben, dass Verkaufsstellen aus besonderem Anlass an höchstens vier Sonn- und Feiertagen geöffnet werden.“

Bisher sind wir - auch ich - davon ausgegangen, dass sich das auf einen Sonntag im Dezember beschränken soll. Ich gebe ganz ehrlich zu, dass wir hier als Land Sachsen-Anhalt, als Koalition eine Verbeugung vor Sachsen und insbesondere vor meinen Landsleuten aus dem Erzgebirge machen, weil aus Sachsen die Forderung kommt, die Läden an Adventssonntagen offen zu lassen.

Bezüglich der Frage, wie sich das nun in der Zukunft - ob nun in Annaberg oder in Merseburg - rütteln wird, werden wir in zwei Jahren klüger sein als heute.

Für mich und auch für die SPD-Fraktion ist noch sehr wichtig, dass es in § 9 heißt:

„Die Dauer der Beschäftigungszeit des einzelnen Arbeitsnehmers an Sonn- und Feiertagen darf acht Stunden nicht überschreiten.“

Lassen Sie mich abschließend auf den eingebrachten Entschließungsantrag kommen. Durch Frage und Antwort zwischen Herrn Gallert und dem Minister vorhin ist eigentlich schon alles dazu gesagt worden. Deshalb lese

ich nur noch einmal einen Satz aus der Begründung zu dem Antrag vor - ich zitiere -:

„Die Koalitionspartner wollen insofern durch den Entschließungsantrag den Wunsch bekräftigen, zu einer Allgemeinverbindlichkeit der Tarifverträge zu kommen.“

Das beinhaltet Hausaufgaben für die Tarifpartner und das beinhaltet - darüber ist schon gesprochen worden - dann den entsprechend gesetzeskonformen Umgang des Ministeriums mit den eingehenden Anträgen.

Meine Damen und Herren! Wir haben versucht, weil uns die Föderalismusreform dazu in die Lage versetzt hat, die Entbürokratisierung voranzutreiben. Wir haben versucht, die Wirtschaft zu fördern. Wir haben versucht, Arbeitnehmerrechte zu schützen. Wir haben versucht, ein Stück unserer Kultur zu beachten.

Ich habe das Wort „versucht“ sehr bewusst gewählt und sehr deutlich gesagt - ich sage das deshalb, weil ich gern den letzten Satz aus meiner letzten Rede wiederholen möchte -, weil wir den Menschen fraktionsübergreifend nicht auf Arbeit und Konsum reduzieren sollten.

Ich bitte Sie deshalb darum, dem Änderungsantrag und damit dem Gesetzentwurf zuzustimmen, ebenso dem Entschließungsantrag. Ich gehe davon aus, dass die Koalition die Anträge der Fraktionen der FDP bzw. der PDS ablehnt. - Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank, Herr Miesterfeld. - Nun erteile ich Herrn Professor Paqué das Wort, um für die FDP zu sprechen. Bitte schön.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Der vorliegende Gesetzentwurf hat zwei ganz unterschiedliche Gesichter. Das eine Gesicht gilt von Montag bis Freitag. Das ist das liberale Gesicht.

(Heiterkeit bei der CDU und bei der SPD)

Von Montag bis Freitag gilt in Zukunft das, wofür wir Liberale jahrelang gekämpft haben.

(Herr Gürth, CDU: Für Sonn- und Feiertage sind die Liberalen nicht geeignet!)

Die Öffnung der Läden wird vom Handel im Einvernehmen mit den Mitarbeitern frei gewählt mit Blick auf Umsatz und Kundenströme, auf die Interessen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und auf die Konkurrenz anderswo.

Wer diesen Aspekt der Gewerbefreiheit - das ist es - auf die außerbetriebliche Ebene verlagern möchte, der kann dies durch freiwillige Mitgliedschaft in tariffähigen Arbeitgeberverbänden und Gewerkschaften tun. Das garantiert das bewährte Tarifvertragsgesetz von 1949, ein Grundpfeiler der sozialen Marktwirtschaft. Mehr staatliche Regelung ist nicht nötig und mehr staatliche Regelung ist schädlich.

Meine Damen und Herren! All dies heißt natürlich nicht, dass die Geschäfte des Handels in Kürze von Montag bis Freitag rund um die Uhr laufen werden; denn Freiheit der Öffnung bedeutet nicht Zwang zur Öffnung.

Wer Vertreter des Handels anhört, wie im Wirtschaftsausschuss geschehen, der wird schnell herausfinden, dass die Nutzung der Abendstunden nach 20 Uhr von Montag bis Freitag nur an ganz wenigen Tagen infrage kommt, insbesondere am Donnerstag, der besonders umsatzstark ist.

Das unsinnige Horrorbild übermüdeter Angestellter, die um Mitternacht ein paar wenige versprengte Kunden unter den Augen des Sicherheitspersonals abfertigen, meine Damen und Herren, gehört, mit Verlaub, ins Reich der Legenden.

(Oh! bei der Linkspartei.PDS)

Es wird des Nachts wohl weiterhin nur einige Einkaufsdienste geben - gewissermaßen Notdienste für denjenigen, der etwas vergessen hat -, so wie in anderen Ländern auch. Darunter wird niemand leiden außer möglicherweise die Tankstellen, die diese Aufgabe in Deutschland über Jahrzehnte hinweg übernommen hatten - wohlgemerkt zur großen Verwunderung vieler ausländischer Gäste, die das nicht so recht verstehen konnten.

Meine Damen und Herren! Das ist die liberale Seite des Gesetzentwurfes. Der Gesetzentwurf hat aber auch ein anderes, ein nichtliberales Gesicht. Dieses zeigt sich an Samstagen und Sonntagen.

Für den Samstag sieht die Empfehlung des Ausschusses - sie wurde mit der Mehrheit von CDU und SPD beschlossen - eine gesetzliche Beschränkung der Ladenöffnungszeit bis 20 Uhr vor. Dies halten wir für falsch.

Der Samstag ist für den Einzelhandel der umsatzstärkste Werktag der Woche.

(Herr Dr. Thiel, Linkspartei.PDS: Donnerstag!)

Es ist der Tag, an dem sich Einkauf und städtisches Erlebnis mit der Familie am besten vereinen lassen, und zwar das gesamte Jahr über.

Wer den Geschäften vorschreibt, am Samstag um 20 Uhr zu schließen, der vertreibt die Kunden anderswohin.

Meine Damen und Herren! Wir wissen, das Land Sachsen-Anhalt liegt zentral an gut ausgebauten Verkehrswegen. Mit Auto und Bahn sind die Zentren der Städte Berlin und Leipzig von den Großräumen Dessau, Halle und Magdeburg mühelos zu erreichen.

Die Zentren von Berlin und Leipzig sind durchaus attraktiv. Die Geschäfte in diesen Zentren werden in der Zukunft an Samstagen länger öffnen können, und zwar bis 22 Uhr in Leipzig und noch länger in Berlin; denn dort haben sich neben den Liberalen auch CDU und SPD und in Berlin sogar die PDS für längere Öffnungszeiten bzw. für die völlige Freigabe entschieden. Deswegen wundere ich mich schon darüber, mit welchem Pathos Sie hier die Punkte vortragen.

(Herr Dr. Thiel, Linkspartei.PDS: Das ist Födera- lismus! - Frau Rogeé, Linkspartei.PDS: Wir ha- ben keinen Zentralismus mehr, glauben Sie es mir doch!)

Meine Damen und Herren! Die CDU, die SPD und die PDS in diesem Land sind, was das Wochenende betrifft, dagegen mutlos und ängstlich.

(Unruhe - Zuruf von der CDU: So ein Quatsch!)

Sie stellen sich gegenüber den Protesten des Einzelhandels taub, der immer wieder und zu Recht - auch wieder im Wirtschaftsausschuss - für die Freigabe plädiert hat. Das wird Umsatz und Arbeitsplätze kosten - leider.

Von weltoffener Modellregion sollten Sie, liebe Kollegen von der CDU und von der SPD, wenn Sie das so beschließen, in der Zukunft besser nicht mehr reden.

(Beifall bei der FDP)

Meine Damen und Herren! Die FDP-Fraktion legt deshalb einen Änderungsantrag vor, der die völlige Freigabe an allen Werktagen vorsieht, also auch und vollständig am Samstag. Ich bitte Sie alle, diesem Antrag im Interesse der Wettbewerbsfähigkeit des Einzelhandels in unserem Land zuzustimmen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP)

Was für den Samstag gilt, das gilt argumentativ im Wesentlichen auch für die Ausnahmeregelungen an Sonntagen. Auch die fallen in dem vorliegenden Gesetzentwurf zu restriktiv aus. Während Berlin die Möglichkeit eröffnet, neben den Adventssonntagen weitere verkaufsoffene Sonn- und Feiertage zuzulassen, gibt der hier vorliegende Entwurf den Kommunen lediglich für vier Sonn- und Feiertage den gesetzlichen Spielraum, um dem Handel die Öffnung zu erlauben.

Meine Damen und Herren! Das ist zu wenig. Viele Sachsen-Anhalter werden verführt sein, an den verkaufsoffenen Sonntagen in der Hauptstadt Deutschlands den Tourismus und den Einkaufsbummel zulasten des Einzelhandels in unserem Land zu kombinieren.

(Zurufe von der Linkspartei.PDS)

Auch um dies zu vermeiden, legt die FDP einen Antrag vor, nach dem die Ladenöffnung grundsätzlich an zehn Sonntagen ermöglicht werden soll, was in etwa der Berliner Regelung entspricht.

(Unruhe bei der Linkspartei.PDS und bei der SPD)

Daneben schlagen wir in einem weiteren Antrag vor, die Ladenöffnung am 24. Dezember bis 16 Uhr statt bis 14 Uhr zu ermöglichen;

(Oh! bei der Linkspartei.PDS und bei der SPD - Unruhe auf der Regierungsbank)

denn das Sonn- und Feiertagsgesetz greift erst ab 16 Uhr. Das ist auch eine konsequente Lösung, meine Damen und Herren.