Ich werde als Vorsitzender des Ausschusses für Wirtschaft und Arbeit zukünftig alles mir Mögliche tun, damit sich so etwas nicht wiederholt.
Ich bedanke mich an dieser Stelle noch einmal ausdrücklich bei Frau Lorenz vom Ausschusssekretariat, dass es trotz der komplizierten Diskussionen in der Ausschusssitzung gelungen ist, eine Beschlussempfehlung zu erstellen. Ebenso bedanke ich mich beim GBD für seine konstruktive Unterstützung. - Herzlichen Dank.
Vielen Dank, Herr Tögel. - Bevor wir die Debattenbeiträge der Fraktionen hören, hat Herr Minister Haseloff um das Wort gebeten. Bitte schön.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Abgeordnete! Als ich vor vier Wochen für die Landesregierung das Gesetz zur Regelung der Ladenöffnung im Land Sachsen-Anhalt einbringen durfte, war ich hoffnungsvoll, dass es uns, besser gesagt: Ihnen gelingen würde, den Entwurf der Landesregierung zügig zu beraten und auch rechtzeitig zu verabschieden. Dafür bin ich Ihnen dankbar.
Sie, Herr Thiel, haben in der Sitzung des Ausschusses angemahnt, dass die Prüfung nach § 9 des Mittelstandsförderungsgesetzes nicht dokumentiert wurde. Das heißt aber nicht, dass sie nicht stattgefunden hätte.
Wir beobachten den Einzelhandel Sachsen-Anhalts genau. Noch dominieren kleine und mittlere Fachgeschäfte mit einem Marktanteil von ca. 25 %. Ich brauche Ihnen die Verkaufsfläche je Einwohner nicht aufzuzeigen. Wir haben sie hinlänglich diskutiert. Der Discountbereich, insbesondere bei Lebensmitteln, entwickelt sich dynamisch, Sonderformen des Handels wachsen, erreichen aber noch keine Größenordnung von 5 %.
Es ist erfreulich, dass der Bedeutungsverlust des Handels in den Zentren der größeren Städte gegenüber den großen Einkaufskomplexen auf städtebaulich nicht integrierten Standorten bzw. in städtischen Randlagen aufgehalten werden konnte, auch wenn fast alle kleinen Mittelstädte, also die Hauptstandorte des mittelständischen Fachhandels, mit einem Kaufkraftabfluss an Shoppingcenter und an benachbarte Oberzentren zu kämpfen haben.
Der geplante Verzicht auf gesetzliche Beschränkungen der Ladenöffnung an den Montagen bis Freitagen ist ein wichtiger Beitrag zur Deregulierung und Entbürokratisierung, weil der Antrags- und Kontrollaufwand erheblich minimiert wird. Vor diesem Hintergrund schafft die konzipierte Neuordnung der Ladenöffnungszeiten weiteren zusätzlichen Spielraum für eine moderne und wettbewerbskonforme Entwicklung im Bereich des Handels.
Weiter zum Gesetz. Auch mit den Änderungen, die der Regierungsentwurf während der Beratung im Ausschuss und danach erfahren hat, kann ich gut leben. Das neue Gesetz ist immer noch bedeutend besser als das alte Gesetz des Bundes, das nun abgelöst werden soll.
Was bringt das Gesetz zur Regelung der Ladenöffnungszeiten und geht es in die richtige Richtung? - Ich glaube, dass die letzte Frage mit einem klaren Ja beantwortet werden kann. Wie kein anderes Gesetz bisher ist das von Ihnen heute zu beschließende Gesetz vom Anspruch der Deregulierung geprägt, gibt es doch dem Handel, den Händlerinnen und Händlern innerhalb gebotener Grenzen eine weitreichende Entscheidungsfreiheit, den Laden nach eigener Bestimmung zu öffnen.
Den Kommunen obliegt nur noch die Bestimmung der Sonn- und Feiertage zur Nutzung der Sonderöffnung. Sonstiger Regelungsbedarf besteht nicht mehr.
Dabei sind die anderen Ziele des Gesetzes, nämlich die Beschäftigten weiter vor überlangen Arbeitszeiten zu schützen, Sonntagsarbeit auf ein vernünftiges Maß einzuschränken und auszugleichen sowie die Sonn- und Feiertage wie bisher in etwa gleichem Rahmen zu schützen, nicht aus dem Blick verschwunden.
Wer das alte Gesetz des Bundes über den Ladenschluss kennt, weiß, dass es eine Fülle von Regelungen enthält. Es verlangte von der Verwaltung in Stadt, Kreis und Gemeinde, aber auch vom Land eine Fülle von Festlegungen durch Verordnung oder Verwaltungsakt. Sie werden im neuen Gesetz nur noch eine Verordnungsermächtigung finden, nämlich die Ermächtigung, die Ausflugsorte festzulegen.
Die Steigerung des Umsatzes und der Zuwachs von Beschäftigung im Einzelhandel wird mit dem Gesetzentwurf nicht verfolgt. Dies wäre durch ein Gesetz zur Regelung der Ladenöffnung auch nicht möglich. Ich sagte bei der Einbringung bereits, es ist kein Wirtschaftsförderungsgesetz originärer Struktur. Nochmals sei betont, dass die Landesregierung keine Öffnung der Läden rund um die Uhr wünscht und auch nicht mit einer solchen rechnet.
Wenn Sie das Gesetz beschließen, sind Sie in guter Gesellschaft. Fast alle Länder der Bundesrepublik sind dabei, Landesgesetze über die Ladenöffnung zu verabschieden. Nur Bayern wartet ab, und nur das Land Berlin hat bisher ein neues Gesetz verabschiedet, das deutlich weiter geht als unser Entwurf.
In ganz Berlin sind die Läden an allen Sonn- und Feiertagen von 13 Uhr bis 24 Uhr und am Heiligabend, wenn dieser auf einen Sonntag fällt, bis 17 Uhr geöffnet. Darum braucht Berlin auch nur zwei zusätzliche verkaufsoffene Sonntage, dann von 0 Uhr bis 24 Uhr. Kraft eigener gesetzlicher Regelungen sind auch alle Sonntage im Dezember verkaufsoffen. Es versteht sich nach dieser Systematik von selbst, dass auch an allen Werktagen von 0 Uhr bis 24 Uhr geöffnet werden darf.
Berlin hat die Chance eines eigenen Gesetzes genutzt; das ist klar. Aber Berliner Bedürfnisse zu gestalten ist etwas anderes, als auf Sachsen-Anhalt zu schauen. Dies zeigt auch die Möglichkeiten auf, wie sie die Föderalismusreform bewusst gegeben hat. Ich will das Berliner Gesetz nicht kommentieren oder gar kritisieren. Ich denke, dass Berlin für Sachsen-Anhalt kein Maßstab sein kann.
Zu unseren anderen Nachbarländern ist Folgendes zu sagen: Sie sind nicht weiter als wir, sondern sie befinden
Das Land Sachsen beschließt die Freigabe der Adventssonntage für das Jahr 2006 durch ein Vorschaltgesetz; sonst regelt es die Werktage und gestattet die Öffnung von 6 Uhr bis 22 Uhr. Es setzt Erweiterungsmöglichkeiten an fünf Tagen fest. In Ausflugsorten, die großzügig ausgelegt werden, wird an allen Sonn- und Feiertagen für maximal acht Stunden geöffnet sein. Wenige besonders schützenswerte Tage sollen geschont werden. Darüber hinaus kann an vier Sonn- und Feiertagen eine Sonderöffnung für sechs Stunden stattfinden. Wenn wir diese Regelungen in einer Synopse mit dem in SachsenAnhalt geplanten Gesetz vergleichen, so sind durchaus Ähnlichkeiten erkennbar.
Das Land Thüringen will die Ladenöffnung auf eine Weise regeln, die unserem Regierungsentwurf vergleichbar ist. Das Land Brandenburg orientiert sich am alten Landeschlussgesetz, lässt aber aufgrund der Nähe zu Berlin sechs Sonntagsöffnungen zu.
Das Land Niedersachsen dereguliert die Vorschriften für die Werktage. Es bleibt wie wir ebenfalls bei vier Sonderöffnungen für fünf Stunden und erlaubt eine großzügige Öffnung in Kur- und Ausflugsorten, verordnet ihnen aber eine Herbstpause. Das heißt, Öffnungen an touristischen Orten finden vom 31. Oktober bis zum 15. Dezember nicht statt.
Bezüglich der Arbeitnehmerschutzbestimmungen bleiben die Länder Sachsen, Brandenburg und Niedersachsen bei den Vorschriften des alten § 17 des Ladenschlussgesetzes des Bundes, während die Länder Thüringen und Berlin wie wir, aber ohne die Zusatzregelungen, auf das Arbeitszeitgesetz verweisen.
Sie als Gesetzgeber des Landes Sachsen-Anhalt werden heute eine landesrechtliche Regelung schaffen, die den Handeltreibenden mehr Gestaltungsfreiraum gibt, die Wünsche der Kundschaft besser zu erfüllen, die den Schutz der Beschäftigten trotzdem und selbstverständlich sichert, die die Verwaltungsbehörden von unnötigen Verwaltungs- und Kontrollpflichten entlastet und die den Schutz der Sonn- und Feiertage wie bisher im Sinne der Verpflichtung des Grundgesetzes und unserer Landesverfassung garantiert.
Ich danke meinen Mitarbeitern für den Beweis, dass die Verwaltung auch sehr schnell sein kann. Aber ich danke vor allem Ihnen, sehr geehrte Damen und Herren im Parlament, für die besonders intensive und schnelle Behandlung des Gesetzentwurfs. Ich bitte Sie abschließend um Ihre Zustimmung zum Ladenöffnungszeitengesetz für das Land Sachsen-Anhalt. - Herzlichen Dank.
Vielen Dank, Herr Minister. Möchten Sie eine Frage von Herrn Gallert beantworten? - Bitte, Herr Gallert.
Herr Haseloff, in unserer Diktion war das Ladenöffnungszeitengesetz in der ursprünglichen Fassung in erster Linie ein Arbeitnehmerschutzgesetz. Jetzt gibt es laut der ausgeteilten Drucksache einen Entschließungsantrag der Koalitionsfraktionen, mit dem Sie aufgefordert werden sollen, die Allgemeinverbindlichkeit für diesen Bereich zu erklären, um zu verhindern, dass es über ver
längerte Öffnungszeiten praktisch zu Lohndumping kommt. Das steht so nicht dort, aber davon gehe ich aus; denn das würde sich logisch so erschließen.
Jetzt frage ich Sie: Wenn sich zum Beispiel die Arbeitgeberseite der Tarifvereinbarung einer solchen AVE widersetzen würde, hätten Sie dann überhaupt eine Chance, die Allgemeinverbindlichkeit zu erklären, oder würden Sie sich über solche Bedenken hinwegsetzen und es trotzdem machen? Oder was wäre, wenn zum Beispiel nachgewiesen wird, dass nicht einmal mehr 51 % der Beschäftigten in diesem Bereich bei Arbeitgebern beschäftigt sind, die überhaupt noch tariflich gebunden sind?
Herr Gallert, Sie kennen das geltende Recht. Das gibt ganz eindeutige Spielregeln vor, an die ich mich zu halten habe. Ich brauche einen eindeutigen Beschluss des Tarifausschusses mit einem Stimmergebnis von mindestens 4 : 2. In diesem Ausschuss sind paritätisch jeweils drei Vertreter der Tarifparteien vertreten. Entsprechend werde ich meine Entscheidung ausrichten.
Den Beschluss, der heute auf der Grundlage des Entschließungsantrages gefasst werden wird, werde ich in Gänze respektieren, aber auf der Basis des geltenden Rechts.
Vielen Dank, Herr Minister Haseloff. - Wir haben eine Debatte mit einer Redezeit von zehn Minuten je Fraktion vereinbart. Für die Linkspartei.PDS-Fraktion spricht nun die Abgeordnete Frau Rogée.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Haseloff, ich finde die Formulierung gut: Wir wünschen keine Rund-um-die-Uhr-Öffnung, aber wir regulieren es über das Gesetz; wir lassen es also zu.
Am 28. November 2006 wird das Ladenschlussgesetz 50 Jahre alt. Das schafft es wohl noch, weil das neue Gesetz erst ab dem 1. Dezember gelten soll. Ich kenne kein Gesetz, welches so umstritten war und ist wie dieses.
Das Ziel der Händler bestand immer in der völligen Freigabe des Ladenschlusses. Mit der Entscheidung der Föderalismuskommission ist das Ladenschlussgesetz in Sachsen-Anhalt ein Thema geworden. Die Debatte, die ich in den letzten Wochen verfolgt habe, war: Jeder guckt in die anderen Länder. Es hieß: Wir müssen uns erst einmal verständigen, damit wir die gleichen Bedingungen haben. - Deswegen ist gegenwärtig das Geschrei sehr groß. Genau daraus resultierte der enorme Druck, dieses Gesetz zu behandeln. Das ist einfach so.
Mehr Umsatz durch weniger Ladenschluss - so lautet die Formel, die der Handelskonzern Metro verkündet. Deshalb will er bereits im Dezember seine Filialen bis 22 Uhr offen halten.
Schon die Weltmeisterschaft 2006 sollte den Händlern durch zusätzliche Öffnungen viel Geld in die Kassen spülen. Als Effekt der Weltmeisterschaft war in den Städten, in denen die Geschäfte zusätzlich geöffnet waren, festzustellen, dass etwa 3 % mehr Geld für Lebensmittel und Kosmetik ausgegeben wurde. Ob das nicht auch mit den vielen Gästen zu tun hatte? - Dennoch
wurde im Nachhinein festgestellt, dass trotz des kleinen Zuwachses die Umsätze vieler Geschäfte hinter den Erwartungen zurückgeblieben sind.
Die Erfahrungen und Ergebnisse, die nach der letzten Änderung des Ladenschlussgesetzes im Jahr 2003 - damals ging es um die Verlängerung der Öffnungszeiten an Samstagen von 16 Uhr auf 20 Uhr - gesammelt wurden, belegten ebenfalls, dass die Erwartungen bezüglich der Umsätze zu hoch waren, dass sich aber die Arbeitsbelastung für alle Beschäftigten in der Dienstleistungsbranche, nicht nur für den Einzelhandel, überproportional erhöht hat. Die Umsätze werden nicht wachsen. Für die Beschäftigten bedeutet das zusätzliche Arbeit am späten Abend und am Wochenende.
Nach einer Statistik des Hauptverbandes des deutschen Einzelhandels hat die Liberalisierung des Ladenschlussgesetzes im Jahr 2003 keine Trendwende auf dem Arbeitsmarkt gebracht. Im Gegenteil: Waren im Jahr 2002 noch 2,81 Millionen Menschen im Einzelhandel beschäftigt, so waren es im Jahr 2003 noch 2,75 Millionen Menschen und im Jahr 2004 noch 2,72 Millionen Menschen. In diesem Zeitraum hat die Beschäftigung im Niedriglohnbereich - auch durch die Beschäftigung von Schülern und Praktikanten zulasten des Stammpersonals - zugenommen. Nach Aussage eines Sprechers des HDE arbeitet jeder zweite Beschäftigte in Teilzeit.
Hat der Einzelhandel eine riesige Personalreserve? - Würden mehr Arbeitskräfte benötigt, würden die eigenen Mitarbeiter stärker eingespannt. Neue Arbeitsplätze? - Eine weitere Liberalisierung des Ladenschlusses würde das nicht mit sich bringen.
Meine Damen und Herren! Unsere Befürchtung, dass eine weitere Liberalisierung die kleinen Einzelhändler gegenüber den großen Ketten und Discountern benachteiligen würde, bestätigt ein bekanntes Marktforschungsinstitut. Hier wird ausgeführt, dass bereits im Jahr 2003 7,2 % aller Läden mit einer Verkaufsfläche von weniger als 800 m² verschwanden. Ähnlich war es im Jahr 2002 und im Jahr 2004. Als ein wesentlicher Grund wird der harte Preiskampf, der die Gewinne schmelzen lässt, genannt.
Die lange gewünschte Entscheidung, das Ladenschlussgesetz auf die Länderebene zu holen, ist durch die Föderalismusdebatte langfristig vorbereitet worden. Deshalb ist die Hast, die Sie hier in Sachsen-Anhalt entwickelt haben, um das Ladenschlussgesetz in kürzester Zeit in ein Ladenöffnungsgesetz zu verwandeln, für uns nicht nachvollziehbar.
Wir, die Linkspartei.PDS, lehnen das misslungene Gesetzeswerk ab, weil es den Arbeitnehmerinnen fast alle Rechte nimmt und für die kleinen Einzelhändler die Wettbewerbsbedingungen gewollt verschärft.
Ich habe mich in der letzten Landtagssitzung schon dazu geäußert. Ich finde, dass sich der Gesetzentwurf seit der Einbringung trotz der Debatte im Wirtschaftsausschuss - ich finde, Herr Tögel hat dazu einiges sehr richtig gesagt - nicht verändert hat. Wir meinen, die Entscheidungsfindung über eine so gravierende Änderung der Arbeits- und Öffnungszeiten hätte schon etwas mehr Zeit vertragen.
Die ca. 70 000 Beschäftigten im Einzelhandel, in den Tankstellen und im Kfz-Gewerbe erwarten zu Recht, dass Sie auch ihre Interessen berücksichtigen. Kritiker
Wissen Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von den Koalitionsfraktionen, was die Menschen dort draußen vor der Tür, in den Friseurläden und in den Geschäften am meisten ärgert? - Egal, was sie wem sagen, es interessiert niemanden. Die Position der Fraktion der Linkspartei und von ver.di als Opposition haben kaum Berücksichtigung gefunden, in Zeitungen und im Fernsehen schon gar nicht.