Protocol of the Session on November 14, 2002

Die Frage stellt sich, wo man bei solchen engen Haushalten überhaupt gestalterisch wirken kann. Deshalb wird das Land Sachsen-Anhalt in den nächsten Jahren bei fehlenden Finanzmitteln sehr genau darüber nachdenken müssen, wie die notwendigen Mittel zur Gestaltung des Landes Sachsen-Anhalt erwirtschaftet werden können.

Meine Damen und Herren! Wir sehen deshalb einen Kurs als unbedingt notwendig an, bei dem man verantwortbare Deregulierungen zwar nicht um jeden Preis - dabei unterscheide ich mich vielleicht sogar ein bisschen von den Kollegen der FDP -, aber dort, wo es notwendig ist, durchführt, dass man eine Entbürokratisierung in vielen Bereichen anstreben muss. Dazu gehört die Durchforstung vieler Gesetze und Verwaltungsvorschriften. Dies wird auch in einem nächsten Investitionserleichterungsgesetz der Weg sein, den wir hierzu gemeinsam gehen müssen. Und wir werden bisherige Aufgabenerfüllungen effektiver als in der Vergangenheit gestalten müssen. Das Ziel muss es bleiben, im Jahr 2007 einen Haushalt ohne jegliche Neuverschuldung vorzulegen.

Ich will aber gleichzeitig sagen: Die mittelfristige Finanzplanung ist natürlich kein Gesetz, sondern ein Informationsmaterial. Deshalb ist es nur natürlich, dass an der vorgelegten mittelfristigen Finanzplanung weiter gearbeitet werden muss. Sie werden wahrscheinlich erleben, dass schon mit der Vorlage der regionalisierten Steuerschätzung einige Grundlagen für diese mittelfristige Finanzplanung so nicht mehr stimmen werden. Das heißt, sie muss dann wieder bearbeitet werden, ohne dass natürlich formal jedes Mal nach jeder Steuerschätzung eine neue mittelfristige Finanzplanung vorgelegt wird. Sie ist eben nur eine Momentaufnahme des gegenwärtigen Planungsstandes und sie bedarf der ständigen Qualifizierung.

Lassen Sie mich ganz kurz zur EU-Förderung kommen. Bei den Strukturfonds EFRE III und ESF wird das Finanzierungsverhältnis zukünftig auf 75 : 25 zugunsten des Landes erhöht. Damit werden bei möglichst hoher Bindung der EU-Mittel knappe Landeskofinanzierungsmittel geschont. Das Wirtschaftsministerium muss den Finanzbedarf für die weitere Programmperiode anhand der vorliegenden Daten bewilligen und den Abfluss neu ermitteln. Soweit es möglich ist, müssen durch Umschichtungen mithilfe der EU-Mittel besondere Investitionsanreize für kleine und mittlere Unternehmen geschaffen werden.

Grundsätzlich, meine Damen und Herren, muss jedoch entschieden werden, welchen Stellenwert die fünf neuen Bundesländer in der EU-Förderung ab dem Jahr 2006 erhalten. Werden sie allein aus Gründen der Statistik durch die EU-Osterweiterung aus der bisherigen Förderzone herausfallen oder wird es uns gelingen, dieses zu verhindern? Wir werden einen schwierigen Abwägungsprozess gehen müssen zwischen dem Förderumfang im

Land Sachsen-Anhalt und den eigenen Beiträgen, die Deutschland an die EU zu zahlen hat.

Meine Damen und Herren! Ich kann mir im Moment nicht vorstellen, dass ein harter Schnitt gezogen werden kann, der die neuen Bundesländer nach dem Jahr 2006 mehr oder weniger sich selbst überlässt. Diese Kraft werden wir im Jahr 2006 noch nicht entwickelt haben.

Ich möchte langsam zum Schluss meiner Ausführungen kommen. - Der Zeitplan für die Beratung des Haushaltsplanentwurfs 2003 ist eng gestrickt. Ursprünglich hatten wir vor, im Januar 2003 die zweite Lesung durchzuführen. Auf Bitten und Hinweise der SPD und der PDS hin sind wir bereit gewesen, noch einmal über den Zeitplan nachzudenken. Wenn ich Herrn Püchel richtig verstanden habe, werden wir uns wahrscheinlich im Ältestenrat ohne lange Diskussion darauf einigen, dass wir die zweite Beratung im Februar 2003 durchführen werden. Damit ist ein klein wenig mehr Zeit eingeräumt worden für die Fachausschussberatungen und für die Beratungen im Finanzausschuss.

Ich will aber trotzdem nicht verhehlen, dass es ein ehrgeiziger Zeitplan ist. Diejenigen, die sich in den nächsten Wochen mit der Haushaltsberatung beschäftigen müssen, werden knüppelhart arbeiten müssen. Aber dafür, denke ich, sind wir in den Landtag von Sachsen-Anhalt gewählt worden, und dieser Aufgabe werden wir uns stellen.

Ich kann die Opposition nur noch einmal zu einer sich aktiv in die Haushaltsberatungen einmischenden Politik ermuntern. Dies haben wir in den letzten Jahren auch gemacht. Ich werde die Opposition nicht mit dem überfordern, was wir an Beiträgen ihrerseits erwarten, aber eine detailgetreue Beratung und nicht ein einfaches „Njet“ oder ein einfaches Verweigern

(Zuruf von Frau Budde, SPD)

an der Stelle, wo Schnitte tatsächlich notwendig sind, würde Ihnen, denke ich, schon gut anstehen.

Frau Budde, ich nehme für mich schon in Anspruch, dass ich mir als finanzpolitischer Sprecher in den letzten Jahren erhebliche Mühe gemacht habe, Ihre Haushalte zu durchforsten und dort, wo es der Opposition möglich war, vernünftige Änderungsvorschläge einzubringen. Diese haben manchmal in leicht veränderter Form als Anträge von SPD und PDS auch eine Mehrheit gefunden.

(Zustimmung bei der CDU)

Aber da ich ein wenig eitler Mensch bin, konnte ich damit leben. Wenn sich insgesamt das Gute durchsetzt, denke ich, ist allen geholfen.

Wenn wir den Haushaltsplan für das Haushaltsjahr 2003 so verabschieden, dass die Haushaltskonsolidierung und der Aufbau des Landes vernünftig miteinander verbunden werden und dass der Haushaltsplan uns trotz schwierigster äußerer Rahmenbedingungen Handlungsfreiheit für das Haushaltsjahr 2003 eröffnet und uns nicht die Zukunft für die folgenden Jahre verbaut, dann haben wir alle unsere Aufgabe erfüllt, seitens der Mitglieder der Regierung, der regierungstragenden Fraktionen und auch seitens der Opposition, die eine unverzichtbare Aufgabe wahrnimmt. - Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU, bei der FDP und von der Regierungsbank)

Herzlichen Dank, Herr Scharf. - Meine sehr verehrten Damen und Herren! Für die Landesregierung hat Ministerpräsident Herr Professor Böhmer um das Wort gebeten. Bitte sehr, Herr Professor Böhmer.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Haushaltsdebatten sind Höhepunkte des Parlaments; die Regierung hat eigentlich nur zuzuhören, was wir auch getan haben. Ob diese Debatte ein Höhepunkt war oder nicht, habe ich nicht zu entscheiden; das ist Ihr Problem.

Ich hatte aber Zeit nachzurechnen: Es war die 15. Haushaltsdebatte, die ich in diesem Parlament miterlebt habe, und mir kam sehr vieles bekannt vor, unabhängig davon, in welcher Rolle ich sie erlebt habe, ob als Vertreter einer Regierungskoalition oder als Vertreter der Opposition. Wie sich doch die Zeiten gleichen.

(Zustimmung von Minister Herrn Dr. Daehre und von Herrn Kühn, SPD)

Ich will aber eines sagen, das nicht auf uns sitzen bleiben kann: Auch als wir in der Opposition waren, haben wir versucht, alternative Vorschläge zu machen.

(Beifall bei der CDU - Widerspruch bei und Zuruf von der SPD)

- Wir haben noch die Protokolle, gnädige Frau. Das können Sie alles nachlesen.

Herr Scharf hat es eben gesagt: Fast regelmäßig sind wir weggebürstet worden, ohne dass unsere Anträge diskutiert worden sind.

(Herr Gürth, CDU: Genau so war es!)

Meistens dauerte es dann bis zur Bereinigungssitzung, dann kam die gleiche Geschichte in etwas anderer Wortwahl verkleidet wieder und wir fühlten uns bestätigt. Ich gehe davon aus, dass es auch in Zukunft nicht sehr viel anders sein wird.

(Frau Budde, SPD: Man kann auch einen Mythos aufbauen!)

Das ist aber nicht das Thema, weshalb ich das Wort ergriffen habe. Uns allen ist klar geworden, dass erhebliche Entscheidungen von grundsätzlicher Art vor uns stehen. Wir werden darum nicht herumkommen. Wir werden entscheiden müssen, ob wir uns all das, was uns gemeinsam eigentlich wünschenswert erscheint, zukünftig weiter leisten wollen, obwohl wir es nicht bezahlen können, oder ob wir das nicht tun und das wenige, das wir haben, in den Aufbau der Existenzgrundlage unseres Landes investieren. Diese Entscheidung ist in jedem Einzelfall schwierig.

Ich will Ihnen eines ganz klar sagen: Vor diesen Entscheidungen können wir nicht zurückschrecken. Diese Entscheidungen müssen wir treffen und wir werden sie mit unserer Mehrheit treffen. Mehrheit ist Mehrheit und wir werden sie nutzen. - Diesen Satz habe ich erst vor kurzem gelernt und der gilt auch für uns.

(Beifall und Heiterkeit bei der CDU und bei der FDP)

Wir werden nicht davor zurückschrecken, die notwendigen Entscheidungen zu treffen.

(Herr Dr. Heyer, SPD: Warum sagen Sie das?)

Ich will Ihnen Folgendes ganz klar sagen, damit Sie das Problem erkennen - auch Ihnen, verehrter Herr Kollege Heyer, der Sie gerade den Kopf schütteln -: Frau Sitte hat ein wenig Recht. Sie hat uns als „Opfer-Regierung“ bezeichnet, weil wir Opfer öffentlicher Zwänge werden. Diese Zwänge sind aber nicht Schicksal und kein Naturereignis. Diese Zwänge, von denen wir heute gesprochen haben, sind Folgen der Politik, die in Deutschland gemacht worden ist.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Niemand von uns muss sich hinstellen und so tun, als ob wir überrascht wären. Wir waren auch nicht überrascht, als wir heute Morgen in der Zeitung lasen, dass die Steuerschätzung wieder Steuermindereinnahmen ergeben hat. Bei dieser wirtschaftlichen Entwicklung mit sinkender Tendenz kann man doch nicht mit steigenden Steuereinnahmen rechnen. Das weiß doch jeder. Das hat sich sogar schon bis zur Bundesregierung herumgesprochen. Sie hat nur lange Zeit gezögert, dies zuzugeben.

(Heiterkeit bei der CDU und bei der FDP)

Als wir hier über den Nachtragshaushalt gesprochen haben, haben wir festgestellt, dass ein Land mit so hoher Arbeitslosigkeit und so niedriger Wirtschaftskraft nicht von einem Gleichgewicht sprechen kann, sondern davon, dass das Gleichgewicht bei uns gestört ist. Was alles erzählt wurde, wissen Sie und will ich nicht wiederholen. Gestern lese ich nun, dass das auch der Bundesfinanzminister gemerkt hat. Dazu kann ich nur sagen: Recht hat er. Es hat nur verdammt lange gedauert. Wir wussten schon lange, dass das so ist.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Wir haben hier gemeinsam den Haushalt für das Jahr 2000 aufgestellt und hatten dabei manche Probleme. Auf der Grundlage der für das Jahr 2000 berechneten Daten sind die Steuereinnahmen der gesamten Bundesrepublik bis zum Jahr 2002 um 77,2 Milliarden € zurückgegangen, also auch unsere Einnahmen. Wir hatten damals schon gedacht, ein schwieriges Problem zu haben. Dieses Problem ist aber noch größer geworden, weil die gesamte Bundesrepublik - Bund und Länder zusammen - in diesen zwei Jahren 77,2 Milliarden € weniger Steuereinnahmen zu verteilen hatten.

Ein Teil der Mindereinnahmen ist Folge der sinkenden Wirtschaftskraft - weil nicht gegengesteuert wurde -, der andere Teil aber ist schlicht die Folge schlampiger Steuergesetzgebung. Ich will Ihnen dazu ein Beispiel nennen: Mit der Senkung des Steuersatzes für thesaurierte Gewinne auf 25 % nach der letzten Steuerreform wurde es den Kapitalgesellschaften ermöglicht, gegenüber der Finanzverwaltung rückwirkend für 15 Jahre die Erstattung von gezahlten Steuern auf Gewinne geltend zu machen, die zuvor mit 45 % bzw. 40 % versteuert worden waren.

(Frau Liebrecht, CDU: Nicht zu fassen! - Herr Gürth, CDU: Hätte es bei Waigel nie gegeben!)

Ein solches Gesetz, das festschreibt, rückwirkend für 15 Jahre Erstattungen geltend machen zu können, hat es in der Geschichte der Steuergesetzgebung in

Deutschland noch nie gegeben. Die Folge war, dass 47 Milliarden € weniger Körperschaftsteuer eingegangen sind. Das heißt, mehr als die Hälfte des gesamten Defizits ist die Folge dieses einzigen Gesetzes.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Herr Schomburg, CDU: So ist es! - Zuruf von Herrn Dr. Heyer, SPD)

Das hat damals niemand vermutet. Aber das ist die Folge, von der selbst der Bundesfinanzminister und seine Verwaltung überrascht waren. - Unter diesen Rahmenbedingungen müssen wir Gesetze machen und entscheiden, wie wir damit umgehen.

Vor diesem Hintergrund werden wir uns sehr genau überlegen, welchen Gesetzesvorschlägen wir zukünftig zustimmen werden und welchen nicht. Ein Beispiel: Zurzeit wird ein Gesetz vorbereitet, dessen Inhalt wir zum großen Teil schon kennen und das demnächst auch dem Bundesrat vorgelegt werden wird. Mit dem Gesetz soll die Organschaft bei der Gewerbesteuerzahlung freigegeben werden. Das bedeutet, dass die Gewerbesteuer nicht mehr dort entrichtet werden muss, wo der Betrieb oder der Betriebsteil seinen Sitz hat. Die sächsischen Kollegen haben ausgerechnet, dass infolge dieses Gesetzes die Gewerbesteuereinnahmen in Sachsen um 70 % sinken würden.

(Herr Gürth, CDU: So ist es!)

Ich kenne keine Vergleichszahl für uns, aber sie wird wohl in der gleichen Größenordnung liegen. Sie können nicht von uns verlangen, dass wir einem solchen Gesetz im Bundesrat zustimmen, egal, wie Sie das politisch interpretieren.

Die restlichen Steuermindereinnahmen sind Folge der wirtschaftlichen Entwicklung. Die wirtschaftliche Entwicklung hängt davon ab, wie sehr wir bereit sind, in den investiven Teil umzusteuern und in anderen Bereichen zu verzichten. Meinen Sie vielleicht, dass es uns Spaß macht, Ihnen Gesetzentwürfe vorlegen zu müssen, wonach Ausgaben im Sozialbereich gekürzt werden? Auch wir sitzen lange und streiten miteinander darüber.

Herr Lukowitz hat völlig zu Recht formuliert: Wir können nur mit einer Politik der klaren Linie in diesem Land umsteuern.