Protocol of the Session on November 14, 2002

(Beifall bei der CDU, bei der FDP und von der Regierungsbank)

Danke, Herr Kolze. - Zum Abschluss der Debatte darf noch einmal Herr Dr. Polte reden, wenn er möchte.

(Herr Dr. Polte, SPD: Nein!)

- Er möchte es nicht.

Wir stimmen dann darüber ab, den Antrag in der Drs. 4/303 in den Innenausschuss zu überweisen. Wer der Überweisung zustimmt, den bitte ich um das Kartenzeichen.

(Herr Schomburg, CDU, meldet sich irrtümlich - Heiterkeit - Herr Dr. Püchel, SPD: Zeig ruhig einmal ein bisschen Mut!)

Wer stimmt dagegen? - Das ist auf jeden Fall die Mehrheit, selbst wenn ich die irrtümlich abgegebene Stimme noch als Zustimmung gewertet hätte. Damit ist die Überweisung abgelehnt worden.

Wir stimmen über den Antrag selbst ab. Wer stimmt diesem Antrag zu? - Das sind die Stimmen der SPD. Wer stimmt dagegen? - Das sind die Stimmen der Koalition. Wer enthält sich der Stimme? - Die PDS-Fraktion enthält sich der Stimme. Damit ist dieser Antrag mehrheitlich abgelehnt worden und der Tagesordnungspunkt 10 beendet.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 11 auf:

Beratung

Umsetzung des Beschlusses des Landtages zum Erhalt und Ausbau der KZ-Gedenkstätte Schloss Lichtenburg in Prettin (Landkreis Wittenberg)

Antrag der Fraktion der PDS - Drs. 4/312

Änderungsantrag der Fraktionen der CDU und der FDP - Drs. 4/344

Ich bitte zunächst Herrn Gärtner, für die einbringende Fraktion das Wort zu nehmen.

Vielen Dank. - Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mit dem Beschluss des Landtages aus dem Frühjahr dieses Jahres, in dem sich das Parlament zum Erhalt und Ausbau der KZ-Gedenkstätte Schloss Lichtenburg in Prettin und zu ihrer überregionalen Bedeutsamkeit einstimmig bekannt hat, war ein wichtiger Schritt zur Zukunft der Gedenkstätte getan. Diesem waren zahlreiche Diskussionen, Vor-Ort-Besuche des Ausschusses für Inneres und nicht zuletzt das im Januar dieses Jahres durchgeführte Kolloquium in der Lichtenburg vorausgegangen.

Während des Kolloquiums wurden von der Autorin im Rahmen einer Studie zur Zukunft der KZ-Gedenkstätte letztlich drei relevante Varianten zur Neugestaltung der Gedenkstätte vorgestellt. Favorisiert wurde dabei eine Variante, bei der die Gedenkstätte Bestandteil des Schlosses ist, wie es schon jetzt der Fall ist.

Schon während der Tagung wurde aber deutlich, dass die Vertreter der Landesregierung eher die Variante bevorzugen, welche letztlich eine Auslagerung der Gedenkstätte aus dem Schloss bedeutet. Das wird von der

übergroßen Anzahl der Opferverbände grundsätzlich abgelehnt. Genau diese Sorge der Opferverbände, dass am Ende durch die Auslagerung der Gedenkstätte die Authentizität der Gedenkstätte verloren geht, hat dazu geführt, dass wir heute und hier diesen Antrag stellen.

Meine Damen und Herren! In vielen Dokumenten und Studien wird deutlich, dass das gesamte Schloss von den Nazis als Konzentrationslager genutzt worden ist. Die Auslagerung in das so genannte Werkstattgebäude ist ganz klar ein Schritt in die falsche Richtung; denn zur KZ-Zeit war dies kein Werkstattgebäude. Es wurde erst während der späteren Nutzung nach 1945 vollständig zum Werkstattgebäude umgebaut. Das haben Zeitzeugen eindeutig belegt.

Es ist auch falsch, wenn die Landesregierung in der Begründung zur Auslagerung argumentiert, dass der Hof vor der so genannten Werkstatt für die schikanösen Zählappelle benutzt worden ist.

Sie versuchen inhaltlich zu begründen, warum die Auslagerung erfolgen soll. Es gibt aber eigentlich nur einen Grund: Durch die Auslagerung der Gedenkstätte aus dem Schloss soll eine bessere Vermarktung, sprich der Verkauf des Schlosses ermöglicht werden. Damit sind wir letztlich wieder bei dem Grundproblem der Lichtenburg, dem Verkauf.

Ich sage hier und heute nochmals ganz deutlich: Ein ehemaliges Konzentrationslager der Nazis - und auch noch eines der ersten KZs - darf nicht kommerziell zum Verkauf stehen. Dieses Vorhaben muss endlich gestoppt werden.

(Zustimmung bei der PDS)

Aus diesem Grund fordern wir in Punkt 2 unseres Antrages, dass im Zusammenwirken von Bund, Land, Landkreis, Kommune, Opferverbänden und Förderverein eine gedenkstättenverträgliche Gesamtkonzeption für den Schlosskomplex zu erarbeiten und umzusetzen ist. Es muss endlich Bewegung hineinkommen und der Landtag sollte dies anschieben.

Ich will in diesem Zusammenhang auf die Resolution des Europäischen Parlaments zum europäischen und internationalen Schutz der Gelände der nazistischen Konzentrationslager als historische Gedenkstätten hinweisen, die am 11. Februar 1993 beschlossen wurde. Darin heißt es unter anderem:

„Berücksichtigend die Bedrohung, die auf der Erhaltung der Gelände der nazistischen Konzentrationslager und auf ihrer besonderen Bedeutung auf historischer Ebene lastet, und in der Auffassung, dass den Millionen Toten aller nazistischen Konzentrationsstätten der Respekt der heutigen und künftigen Generationen gebührt und dass die Erziehung unserer Jugend der Bedeutung ihrer Opfer für die Sache der Freiheit, der Menschenrechte und des Friedens Rechnung tragen muss, fordert das Parlament die Mitgliedstaaten, den Rat und die Kommission auf, jede Initiative zur Erhaltung der Bedeutung der nazistischen Konzentrationslager zu unterstützen“

- und dies auch auf finanzieller Ebene -

„und sie unter europäischen und internationalen Schutz zu stellen.“

Das jetzt von der Landesregierung vorgesehene Vorhaben widerspricht ganz klar und deutlich dieser Reso

lution. Darauf hat auch vor kurzem die Internationale Föderation der Widerstandskämpfer, der 76 nationale Verbände ehemaliger Widerstandskämpfer und Opfer des Faschismus aus 23 Ländern Europas und aus Israel angehören, in Schreiben an den Ministerpräsidenten Professor Böhmer und den Bundeskanzler Schröder hingewiesen.

In diesen Schreiben werden beide Herren ersucht, ihren politischen Einfluss und ihr moralisches Gewicht dafür einzusetzen, dass das ehemalige KZ Schloss Lichtenburg weder verkauft, noch die Gedenkstätte ausgelagert wird. Das kann ich namens meiner Fraktion inhaltlich voll unterstützen.

Ich plädiere namens meiner Fraktion für eine Überweisung beider Anträge in den Ausschuss für Inneres. Dort sollte zu dem gesamten Vorgang eine Anhörung aller Beteiligten erfolgen und eine konstruktive Lösung erarbeitet werden, wie es auch im Frühjahr dieses Jahres in diesem Hohen Hause passiert ist, als parteiübergreifend eine Lösung für dieses wichtige Problem gefunden wurde. Dies sollten wir auch diesmal wieder versuchen.

Aus diesem Grund plädiere ich für die Überweisung beider Anträge in den Ausschuss für Inneres und für eine sachgerechte Beratung dort. - Vielen Dank.

(Beifall bei der PDS)

Vielen Dank, Herr Gärtner. - Für die Landesregierung spricht Herr Minister Jeziorsky. Bitte schön.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die schwierige Situation der Gedenkstätte im Schloss Lichtenburg beschäftigt den Landtag seit mehreren Jahren. Allein diese Tatsache mag als Indikator dafür dienen, dass die dringend notwendige Modernisierung der Gedenkstätte kein leichtes Unterfangen ist.

Aufgrund der inhaltlich schwierigen Fragen, die bei der Neukonzipierung der Gedenkstätte zu klären sind, und der nicht unerheblichen Finanzmittel, die für die Umsetzung der vorgesehenen Maßnahmen vonnöten sein werden, hat sich das Land bereit erklärt, den Landkreis Wittenberg als Betreiber der Einrichtung in jeder Hinsicht zu unterstützen.

Ganz in diesem Sinne hat der Landtag in seinem Beschluss vom 14. März 2002 votiert, in dem er sich einerseits für den Erhalt und den Ausbau der überregional bedeutsamen Gedenkstätte einsetzte und andererseits die Landesregierung aufforderte, den Landkreis Wittenberg weiter im Rahmen der bisherigen Haushaltsansätze zu fördern.

Genau dieses, meine Damen und Herren, tut die Landesregierung. Die Landesregierung ist zunächst der Auffassung, dass sie auch auf diesem Gebiet ein schlimmes Erbe der SED-Herrschaft angetreten hat, Herr Gärtner. Die SED war es, die sich als Hüterin des antifaschistischen Erbes bezeichnete, aber in ihrer Gedenkstättenarbeit im Schloss Lichtenburg ein einseitiges, die historische Wahrheit verzerrendes und ganze Opfergruppen ausgrenzendes Geschichtsbild propagierte.

(Zustimmung bei der CDU)

Die SED, Ihre Vorgängerpartei, ließ es zu, dass der Schlosskomplex als Internat, als LPG-Wirtschaftshof, als

Schlosserei usw. genutzt und umfangreich umgebaut wurde.

(Zurufe von der CDU: So war es!)

Die SED ließ es zu, dass in der kulturhistorisch wertvollen Schlosskirche im Renaissance-Stil, in der auch Häftlinge am Gottesdienst teilnahmen, gebeiztes Getreide bis zur Fensterhöhe gelagert wurde. Im Ergebnis der Wirkens der SED, Ihrer Vorgänger- oder Mutterpartei, ist festzustellen:

(Unruhe bei der PDS)

Die authentischen Räume, in denen zwischen 1933 und 1939 KZ-Häftlinge, Männer und Frauen, aus den unterschiedlichsten Gründen inhaftiert waren, wurden im Verlauf der 40-jährigen SED-Herrschaft umgebaut und ihrer Authentizität beraubt.

(Zustimmung bei der CDU)

Im Schloss Lichtenburg erinnert heute nichts mehr an den Aufenthalt der Häftlinge. Das Schloss ist nicht mehr als KZ erkennbar. Auch der im 19. Jahrhundert errichtete Gefängnistrakt befindet sich heute in einem desolaten Zustand. Der einzige Bereich des gesamten Schlosskomplexes, der sich gegenwärtig noch im ursprünglichen Zustand präsentiert, ist der so genannte Bunkerbereich, in dem Häftlinge mitunter furchtbaren Schikanen unterlagen.

Forschungen, die sich am historischen Sachverhalt orientierten und diesen aufzuklären versuchten, fanden vor dem Jahr 1989 allerhöchstens in Ansätzen statt. Erst jetzt wird mit großer Unterstützung des Landes in mühevoller Kleinarbeit versucht, die Geschichte des KZ zu ermitteln.

Man kann es kaum glauben: Erst durch die vom Land initiierten und geförderten Forschungen wird zurzeit ermittelt, wen die Nazis tatsächlich in diesem früh errichteten KZ einsperrten. Anders ausgedrückt: Diejenigen, die sich als Fortsetzer des Kampfes der Antifaschisten ausgaben, wussten nicht einmal, wessen Erbe sie anzutreten vorgaben. Kann man zynischer mit den Opfern umgehen?

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das Land ist sich seiner Verantwortung vor der deutschen Geschichte bewusst. In diesem Sinne wird - ich sage es noch einmal - entsprechend dem Beschluss des Landtages vom 14. März 2002 dem Landkreis Wittenberg als Träger der Gedenkstätte bei der dringend notwendigen Sanierung der Gedenkstätte Lichtenburg weiterhin Unterstützung gewährt.