„Die Vorstellung von den handwerkelnden Hauptschülern, rechenschiebenden Realschülern und gelehrten Gymnasiasten beruht auf einer beruflichen Schichtung der Gesellschaft, wie sie eher in frühen Industriegesellschaften anzutreffen ist als in sich entwickelnden Wissensgesellschaften.“
Das kann ich nur unterstreichen, und ich wünschte mir, dass das auch in den Fraktionen von CDU und FDP einmal ankäme.
- Wir können gern an anderer Stelle über diesen Artikel reden, Frau Feußner. Die Zeit fehlt mir jetzt. Wenn Sie die Ansichten des Artikels in Gänze teilen, müssten Sie hier vorn sagen, dass Sie zum DDR-Schulsystem zurückkehren wollen; denn das ist der Inhalt dieses Artikels.
- Natürlich. - Die Qualität der Förderung ist eine Frage des pädagogischen Ansatzes und der entsprechenden schulischen und auch personellen Bedingungen und eben nicht allein der Struktur.
Überhaupt ist jeder Versuch, den komplexen Bildungsprozess durch einseitige Maßnahmen zu verändern, wahrscheinlich zum Scheitern verurteilt. Darum wollten und wollen wir die Förderstufe qualifizieren und eben nicht aufheben. Für die Anerkennung des Abiturs hat es ohnehin keine Bedeutung, in welcher Schulform die 265 Jahreswochenstunden abgeleistet werden. Die Aufspaltung der Förderstufe auf die unterschiedlichen Schulformen behindert inhaltliche Reformen, stimuliert sie nicht und wirft uns deshalb auch inhaltlich zurück.
Differenzierter sehen wir die Entscheidung zur Verkürzung der Schulzeit. Drei Punkte Ihres Gesetzentwurfs entsprechen auch unseren Intentionen für den Fall eines Überganges zu einem zwölfjährigen Abitur. Ich will die Punkte nennen.
Erstens. Es wird eine weitgehend einheitliche Ausbildungsdauer angestrebt, nicht wie in anderen Ländern oder mit dem Modell „13 kompakt“ landesweit unterschiedliche Bildungszeiten zum Abitur.
Zweitens. Sie verzichten auf einschränkende Zugangsbedingungen, auch wenn Sie die Schullaufbahnempfehlung einführen. Aber sie bleibt letztlich eine Empfehlung.
Drittens. Der Vorschlag sichert die bundesweite Anerkennung des Abiturs durch die derzeit gültigen KMKKriterien.
Der Minister ist darauf eingegangen. Herr Minister, ich halte mich zunächst an den Gesetzentwurf und nicht an das, was Sie in Aussicht gestellt haben. Wenn ich den Gesetzentwurf betrachte, komme ich zu dem Schluss, dass die einheitliche Schulzeit bis zum Abitur eben nicht für alle gleichermaßen gilt. Die Schülerinnen und Schüler der integrierten Gesamtschulen müssen ebenso ein Jahr länger zur Schule gehen wie die Sekundarschulabsolventinnen mit der Zugangsberechtigung für die gymnasiale Oberstufe.
Das konterkariert den integrativen Ansatz der Gesamtschulen dramatisch und macht sie strukturell zur schlechteren Wahl gegenüber dem Gymnasium. Sie verliert nämlich deutlich an Attraktivität.
Herr Minister, Sie haben darauf hingewiesen, dass Sie an der Attraktivität der Sekundarschule interessiert sind. Wir sind gespannt, ob Sie entsprechend handeln. Wir haben bereits mehrfach angekündigt, dass auch die
Ob es Möglichkeiten gibt, den besonderen Weg der Gesamtschulen auch hinsichtlich der Schulzeitlänge zu würdigen, ist von der Landesregierung offensichtlich nicht einmal in Erwägung gezogen worden. Ihre Absicht ist doch deutlich zu erkennen. Die Gesamtschule soll in ihrer Substanz weiter angegriffen werden. Dies geschieht auch schon durch den Zwang zur äußeren Fachleistungsdifferenzierung. Andere Gesamtschulsysteme kommen ohne diese Aufgliederung problemlos aus, mit besseren Lern- und Lehrerfolgen. Nun wird die Gesamtschule auch noch durch die gesetzliche Festlegung einer längeren Schulzeit benachteiligt.
Es gibt aber noch ein tiefer liegendes Problem, und zwar wird sich die Bildung in Gymnasien auf der einen und in Sekundar- und Gesamtschulen auf der anderen Seite weiter auseinander entwickeln. Das wollen Sie offensichtlich. Schülerinnen und Schülern an Sekundarschulen werden Bildungsangebote vorenthalten.
Sicherlich ist die Zahl der Unterrichtsstunden zunächst eine formale Größe. Aber wenn völlig zu Recht angesichts der 265-Wochenstunden-Regelung über eine Aufstockung der Stundentafel an den Gymnasien nachgedacht wird, muss das nach unserer Auffassung in gleichem Maße auch an Sekundarschulen und Gesamtschulen erfolgen. Ansonsten verkommt die Chancengleichheit in Sachen Bildung weiter zur Worthülse.
Im Übrigen könnte dann, wenn gleiche Stundenvolumina vorhanden sind, auch ernsthaft nach Wegen gesucht werden, die solche Übergänge von Sekundarschulen und Gesamtschulen in die gymnasiale Oberstufe öffnen, die ein Abitur nach zwölf Jahren ermöglichen.
Der angestrebte Übergang zum Abitur nach dem 10. Schuljahr der Sekundarschule erneut in den 10. Schuljahrgang des Gymnasiums ist für das Schulsystem in Sachsen-Anhalt, insbesondere für die Sekundarschule, verheerend. Sie nehmen den Sekundarschulen nicht nur die gemeinsame Förderstufe, sondern auch die Gleichwertigkeit des Bildungsganges. Die Sekundarschule wird damit zur schlechteren Schule, zur Schule zweiter Wahl, weil ihr Besuch nicht mehr ohne Nachteile alle Bildungsabschlüsse gewährleistet.
Das wird der Attraktivität der Sekundarschule schweren Schaden zufügen. Wir sind angetreten, um genau dieser Schulform zu einer höheren Wertschätzung zu verhelfen. Dazu gehört eben die Gleichwertigkeit des Bildungsganges. Diese erreicht man aber nur durch gleichwertige Bildungsangebote und Bildungsumfänge.
Die Sekundarschule wird mit Ihrem Gesetz - auch wenn Sie das vorhin anders dargestellt haben, Herr Minister - leider wieder zur Restschule erklärt. Der ganze Schlamassel, aus dem wir uns gerade beginnen herauszubegeben, fängt von vorn an. Einer solchen Intention können wir nicht zustimmen. Wir plädieren dennoch für die Überweisung des Gesetzentwurfes in den Ausschuss für Bildung und Wissenschaft. - Danke schön.
Herr Höhn, sind Sie bereit, eine Frage zu beantworten? - Er möchte nicht antworten. Dann spricht jetzt für die CDU-Fraktion Frau Feußner. Sie haben das Wort, bitte schön.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mit diesem Gesetzentwurf lösen wir nicht nur ein Wahlversprechen ein, nein, wir schaffen auch die Möglichkeit, an den deutschlandweiten und europäischen Trend wieder anzuschließen. Es geht um die Verkürzung der Schulzeit.
Unsere Absolventen sind die ältesten, die auf dem internationalen Markt gegen ihre Konkurrenten antreten müssen. Dies haben wir in der Vergangenheit mehrfach kritisiert. Wir wollen nicht, dass unsere Schülerinnen und Schüler schlechtere Wettbewerbschancen haben als andere.
Statt nach Alternativen zu der fragwürdigen Vorgabe der KMK mit ihrer 265-Wochenstunden-Regelung zu suchen, fiel der Vorgängerregierung und den sie tragenden Fraktionen nur eine Möglichkeit ein, nämlich die Einführung des 13. Schuljahres.
Alte Bundesländer, die aus den oben genannten Gründen ein Abitur nach zwölf Schuljahren anstreben, daran bereits intensiv arbeiten und dies zum Teil schon umsetzen, haben den Schritt Sachsen-Anhalts von zwölf auf 13 Schuljahre nicht bzw. nur kopfschüttelnd nachvollziehen können. Wir hatten zwölf Jahre.
Sämtliche Initiativen, Anträge und Gesetzesvorlagen der damaligen Opposition, der CDU-Fraktion, wurden ignoriert und nicht einmal ernsthaft in Betracht gezogen. Nun hoffen wir, dass nach Ihrem eigenen Eingestehen dieses Fehlers einer generellen Zustimmung aus oppositioneller Sicht nichts mehr im Wege stehen wird.
Bedauerlich ist es nur für die Schülerinnen und Schüler, die unter solchen strukturellen Veränderungen, sei es der Weg von zwölf zu 13 oder nun umgekehrt von 13 auf zwölf Schuljahre, zu leiden hatten bzw. haben. Veränderungen bringen immer Unruhe und Übergangsprobleme mit sich. In diesem Fall hätten wir uns dies im Interesse unserer Kinder wirklich sparen können.
Werte Anwesende! Die Veränderung der Schulzeit bis zum Abitur ist nicht das Einzige, was wir mit diesem Gesetzentwurf beabsichtigen. Die Landesregierung hat gleichzeitig die Chance ergriffen, auch inhaltlich neue Schwerpunkte zu setzen. Herr Höhn, wenn Sie den Ausführungen von Minister Herrn Olbertz gefolgt wären, hätten Sie mitbekommen, dass wir mit diesem Gesetzentwurf auch neue inhaltliche Aspekte erreichen wollen. Der wesentliche Knackpunkt ist der inhaltliche. Sie haben das nicht lesen wollen oder nicht verstanden oder es in der Vergangenheit nicht verfolgen können. Ich will Ihnen das nicht zum Vorwurf machen.
So ist es nur außerordentlich begrüßenswert, dass gleichzeitig zu diesem Gesetzesvorhaben eine umfassende Reform der gymnasialen Oberstufe erfolgen wird. - Hören Sie doch zu, Herr Höhn, dann wissen Sie schon ein bisschen mehr. - Es soll nämlich eine Änderung des Kurssystems zugunsten von verbindlichen Kernfächern, die im Klassenverband erteilt werden, geben.
Wir werden zwar weiterhin von einem Leistungskurs und einem Grundkurs sprechen müssen; denn weitreichende Veränderungen lässt die KMK derzeit noch nicht zu.
Aber es wird eine größere Verbindlichkeit eines Kerncurriculums am Gymnasium geben. Wir werden das Haschen nach der größtmöglichen Punktzahl mithilfe des Wahl- und Abwahlverfahrens minimieren. Damit werden wir auch im Interesse unserer Schüler ein Abitur anbieten, welches sich mehr an einer Allgemeinbildung orientiert als bisher.
Für die anschließende Orientierung auf das Studium bzw. auf eine Studienrichtung eröffnen wir unseren Abiturienten ein breiteres Spektrum für ihren Findungsprozess. Der zum Teil selbst unbewusst verursachten Einschränkung der Studienwahl können wir somit entgegentreten. Das Fehlen bestimmter fachlicher Voraussetzungen hat sogar mitunter zum Studienabbruch geführt.
Werte Anwesende! Mit der Verkürzung der Schulzeit auf zwölf Jahre bis zum Abitur soll und muss natürlich auch eine bundesweite Anerkennung einhergehen. Ein Kriterium nannte ich bereits: die 265-Wochenstunden-Regelung. Ein weiteres Kriterium ist die gymnasiale Bildungsdauer. Dieses macht die Notwendigkeit, das Gymnasium wieder ab Klasse 5 zu beginnen, deutlich.
Um die Zusammenarbeit mit den Eltern zu verbessern, werden wir den Erziehungsberechtigten eine Hilfe zur Entscheidungsfindung über den weiteren Bildungsweg ihres Kindes in Form einer Schullaufbahnempfehlung geben. Diese Empfehlung wird nach dem vierten sowie nach dem sechsten Schuljahr mit einer intensiven Beratung vonseiten der Schule begleitet.
Den Schuljahrgängen 5 und 6 - sei es an der Sekundarschule oder am Gymnasium - kommt somit eine orientierende Funktion zu. Auch am Gymnasium wird es ein beratendes Gespräch nach Klasse 6 geben. Hierbei soll kritisch bilanziert werden, ob der gewählte Bildungsweg der richtige war. Diese intensiven Gespräche werden erheblich zu einem besseren Dialog zwischen Schule und Eltern beitragen, um auch Fehlentscheidungen bezüglich einer Unter- oder Überforderung der Kinder weitestgehend zu vermeiden.
Verehrte Anwesende! Die Diskussionen um die Regelungen zur Gesamtschule haben regelrecht Wogen geschlagen. Herr Höhn, Sie sind nicht ganz aktuell in Ihren Ausführungen gewesen. Ich würde doch schon raten, um die Aktualität wieder herzustellen, dass Sie zuhören. Wenn man zu einem Thema spricht, dann sollte man die richtigen Informationen weitergeben können, nicht dass sie falsch nach außen getragen werden. Sie reden hier ununterbrochen. Ich wollte Ihnen ein wenig Hilfestellung geben.
Wir hatten nie die Absicht oder das Anliegen, die Gesamtschule austrocknen zu lassen und unattraktiv zu machen, so wie das Herr Püchel in den Medien darstellte,
Zunächst geht es um die Anerkennung des Abiturs auch für Gesamtschulen. Dazu sind zunächst die Vorschriften der Vereinbarung zur Gestaltung der gymnasialen Oberstufe in der Sekundarstufe II zu beachten. Nach Nr. 7.1.1 der Oberstufenvereinbarung gliedert sich die Oberstufe in eine einjährige Einführungsphase und in eine zweijährige Qualifikationsphase. Je nach Dauer der Schulzeit bis zum Erwerb des Abiturs kann die Einführungsphase auch die Jahrgangsstufe 10 umfassen. Ein systematischer Verzicht auf die einjährige Einführungsphase ist demnach ausgeschlossen. Mithin ist auch an Gesamtschulen eine dreijährige gymnasiale Oberstufe vorzusehen.