Protocol of the Session on October 11, 2002

Und ich finde, das Entscheidende bei der Sache war, dass man dort, wo ein einheitlicher Lebens- und Wirtschaftsraum ist, auch einheitlich vorgegangen ist. Die Vorstellung, die Sie heute bringen, dass etwa die Landesregierung von Sachsen-Anhalt im Oktober 2002 hätte erklären können, dass in Salzwedel, in Sangerhausen oder vielleicht noch in Thüringen katastrophale Verhältnisse herrschten, die es rechtfertigen würden, das Ladenschlussgesetz aus den Angeln zu heben, die ist doch abwegig.

Also kurz und gut: Ich habe mit dem Herrn Kollegen Gillo mehrfach gesprochen und bin mit ihm der Meinung - ich habe das vorhin gesagt -, dass erstens die tatsächlichen und zweitens die rechtlichen Verhältnisse anders waren. Und wie gesagt: Es mag ja schön sein,

(Zuruf von Herrn Dr. Heyer, SPD)

was Sie an dieser Stelle vorgetragen haben. Sie haben sich kurzerhand über das hinweggesetzt, was jeder, der in einer Regierung ist, zu beachten hat, nämlich das geltende Recht.

(Zustimmung bei der FDP und bei der CDU)

Danke, Herr Dr. Rehberger. - Meine Damen und Herren! Damit besteht natürlich die Möglichkeit zur Erwiderung. - Das wird nicht gewünscht.

(Frau Budde, SPD: Es wird nicht besser, Herr Präsident! Es bleiben die unterschiedlichen Auf- fassungen bestehen!)

Dann kommen wir zum Abstimmungsverfahren. Die Abstimmung über beide Anträge hat getrennt zu erfolgen. Beantragt wurde zunächst, im Hinblick auf den dem Tagesordnungspunkt 22 a zugrunde liegenden Antrag der Fraktion der SPD mit dem Titel „Ausgestaltung der Initiative Mitteldeutschland - Ladenschluss“ eine direkte Abstimmung durchzuführen. Wer diesem Antrag seine Zustimmung gibt, den bitte ich um das Zeichen mit der Stimmkarte. - Gegenstimmen? - Das ist die große Mehrheit. Damit ist der Antrag mit den Stimmen der CDU-, der PDS- und der FDP-Fraktion abgelehnt worden.

Dann stimmen wir über den Antrag der Fraktion der PDS ab. Dieser Antrag liegt in der Drs. 4/242 vor. Wer diesem Antrag seine Zustimmung gibt, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenstimmen? - Das ist die Mehrheit. Stimmenthaltungen? - Der Antrag ist gegen die Stimmen der SPD- und der PDS-Fraktion ohne Stimmenthaltungen ebenfalls abgelehnt worden.

Meine Damen und Herren! Der Tagesordnungspunkt 22 ist damit erledigt.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 23 auf:

Beratung

Erhalt der Schienenfahrzeugproduktion am Standort Halle-Ammendorf

Antrag der Fraktion der PDS - Drs. 4/243

Änderungsantrag der Fraktionen der CDU und der FDP - Drs. 4/265

Einbringer für die Fraktion der PDS ist der Abgeordnete Herr Dr. Thiel. Bitte sehr, Herr Dr. Thiel.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Thema Ammendorf ist für das Parlament nicht neu. Sie wissen um die Diskussionen, die bereits Anfang des Jahres stattgefunden haben. Der Waggonbau Ammendorf stand bereits einmal kurz vor dem Aus, weil der Weltkonzern Bombardier das ostdeutsche Traditionswerk mit mehr als 900 Beschäftigten zur Mitte dieses Jahres schließen wollte, um Überkapazitäten in Deutschland abzubauen.

Aber nach massivem Druck der Belegschaft, der Gewerkschaften, des politischen Raumes in der Region und auch des Landtages von Sachsen-Anhalt sowie nach Verhandlungen zwischen der damaligen Landesregierung und der Bombardier-Führung war der Konzern wieder davon abgerückt. Auch Bundeskanzler Schröder hatte sich zur Rettung des Werkes eingeschaltet.

Noch im Februar dieses Jahres verkündete der Konzern, dass das Werk künftig nicht allein Schienenfahrzeuge produzieren werde, sondern auch intelligente Komponenten gefertigt würden. - So das damalige Versprechen.

Auch beim Auftritt des Bundeskanzlers Ende Januar 2002 war von einem Abschieben des Werkes Ammendorf auf Nebengleise nicht die Rede. Im Gegenteil: Der Belegschaft wurde von der Konzernleitung zugesagt, sich um weitere Aufträge zu bemühen, parallel dazu Dienstleister und Zulieferer anzusiedeln und ein Schulungszentrum für den Konzern zu schaffen. Was aber konkret vereinbart wurde, welche Absprachen und Zusicherungen es für die nächsten Jahre gegeben hat, darüber wissen offensichtlich nur wenige exakt Bescheid. Der Sinn unseres Antrags besteht deshalb darin, mehr Klarheit zu erhalten.

Gegenwärtig durchläuft der Standort noch die bereits in der Vergangenheit vielfach avisierte Durststrecke. Diese wird auf ganz unterschiedliche Weise überbrückt. Seit Frühjahr dieses Jahres leisten alle 860 Beschäftigten und 50 Lehrlinge ihren Beitrag zur Erhöhung der Wettbewerbsfähigkeit des Standortes. Das heißt, bis auf weiteres ist Kurzarbeit verordnet worden und bis auf weiteres sind neben diesen Maßnahmen auch Qualifizierungsmaßnahmen initiiert worden. Darüber hinaus sind Ammendorfer vorübergehend an anderen BombardierStandorten eingesetzt, um dort vorhandene Produktionsengpässe zu überwinden.

Wir sind der Auffassung, der Verzicht auf Einkommen im Interesse der Wirtschaftlichkeit des Unternehmens und des Erhalts von zahlreichen Arbeitsplätzen sollte durch unser Haus durchaus anerkennend zur Kenntnis genommen werden.

Im Juli 2002 wurde bekannt, dass die Konzernleitung im Bereich des Schienenfahrzeugbaues die Kapazitäten und das Personal in Deutschland der Auftragslage anpassen will. Die Deutsche Bahn AG hatte vorher angekündigt, nicht in neue Regionalzüge zu investieren und das Investitionsprogramm für den öffentlichen Nahverkehr zu verschieben. Dementsprechend änderte der Konzern sehr schnell seine Pläne, stellte die Weichen neu und steuert nun entschlossen darauf hin, den Waggonbau Ammendorf kurzfristig vom eigentlichen Produktionsgeschäft abzukoppeln.

Pierre Lortie, der Präsident des Konzerns Bombardier Transportation, machte klar, dass die Zukunft des Werkes eindeutig als großer Servicestandort zu sehen sei. Es gebe den Plan, den Spurwechsel schrittweise zu vollziehen. Man sehe dafür eine Übergangszeit von zwei bis drei Jahren vor, also bis zum Jahr 2005. Vorhandene Aufträge würden noch abgearbeitet, bevor der allmähliche Wechsel vollzogen werde. - So seine Aussagen.

Zugleich wurde die Eröffnung einer Weiterbildungsstätte für Anfang 2003 angekündigt, mit der das Unternehmen - Zitat - eine wahrhaft lernende Organisation sein werde. Aber anstatt wie vorgesehen in Ammendorf wird diese Stätte in Berlin-Grünau errichtet werden.

Das heißt, es ist also nicht mehr viel von den Zusagen übrig geblieben, auch nicht von den Zusagen, sich um neue Aufträge zum Erhalt der Schienenfahrzeugproduktion in Ammendorf zu bemühen.

Das heißt, die Konzernpläne, das Werk mittelfristig nur noch auf den Servicebereich festzulegen, haben nicht nur im Betrieb, sondern in der gesamten Region für Unruhe gesorgt. Befürchtungen, dass damit der Standort Halle zu einem zweitklassigen Standort degradiert wird und dass mit der Neuausrichtung nur noch ein Teil der 900 Mitarbeiter erforderlich ist, erhielten nach diesen Ankündigungen neue Nahrung.

Jüngsten Pressemeldungen zufolge will sich aber auch die Landesregierung dafür einsetzen, dass die 900 Jobs im Waggonbau Ammendorf auch künftig Bestand haben. Das wird von unserer Fraktion begrüßt. Aussagen aus dem Wirtschaftsministerium zufolge soll versucht werden, den Waggonbau durch Aufträge zum Bau von Nahverkehrszügen in seiner Dimension zu erhalten. Es scheint mir jedoch vor dem Hintergrund der vorgesehen Abbestellung von Nahverkehrsstrecken durch die Landesregierung sehr fraglich zu sein, die Produktion in Ammendorf auch auf diese Weise absichern zu wollen.

(Zuruf von Minister Herrn Dr. Daehre)

Einen Mangel stellt auch die noch ausstehende Ausschreibung der Regionalnetze dar. Erst danach wird wirklich klar sein, wie viele Nahverkehrszüge von der Deutschen Bahn und anderen Betreibern bestellt werden können.

Wir fordern jedoch die Landesregierung auf, sozusagen dabei nicht stehen zu bleiben, sondern auch gegenüber der Bundesregierung zu intervenieren, vor allem auf die Zusicherung der Aufträge durch die Deutsche Bahn zu pochen, und einmal Klarheit in das Dickicht zu bringen, was dort vereinbart worden ist.

Nach unserer Auffassung ist auch nachzufragen, wie die Zusagen zur Errichtung eines Forschungs- und Entwicklungszentrums für Leichtmetallwerkstoffe und eines entsprechenden Demonstrationszentrums sowie zur Förderung weiterer Modernisierungs- und Infrastrukturmaßnahmen an diesem Standort eingehalten werden sollen.

Was ist das Hauptproblem in der gegenwärtigen Situation? Für die zurzeit beschäftigten rund 900 Mitarbeiter werden in Ammendorf zur vollen Auslastung ca. 600 000 bis 700 000 Fertigungsstunden benötigt.

Herr Dr. Thiel, ich bitte Sie, diesen Gedanken noch zu Ende zu führen. Ich bitte um Entschuldigung, unsere Redezeitanzeige funktioniert nicht und deshalb gibt es sicherlich Probleme bei der frühzeitigen Signalisierung des Endes der Redezeit. Fünf Minuten sind aber bereits um. Bitte führen Sie den Gedanken noch zu Ende.

(Herr Gallert, PDS: Herr Präsident, das ist eine Einbringungsrede!)

- Dann bitte ich um Entschuldigung. Ich war etwas irritiert.

Sie brauchen keine Sorge zu haben, ich werde die Zeit unterschreiten.

Also, was ist das Hauptproblem? Ich habe gerade etwas zur Zahl der benötigten Fertigungsstunden gesagt. Der geplante Servicebereich wird allerdings voraussichtlich nur über ein Volumen von ca. 100 000 Fertigungsstunden verfügen. Das heißt, jeder kann sich selbst ausrechnen, was dann davon übrig bleiben wird. Nach neuesten Informationen wird davon ausgegangen, dass auch für das nächste Jahr nur 60 000 bis 80 000 Normstunden vorgesehen sind. Das heißt, das Problem besteht darin, dass selbst das versprochene Servicecenter zu einer Fata Morgana wird.

Einer dpa-Meldung von heute früh ist zu entnehmen, dass Bombardier ca. 1 000 Stellen vorrangig in den

neuen Bundesländern abbauen will. Bisher ist nur bekannt, dass davon 450 auf das größte Werk in Hennigsdorf entfallen werden. Die anderen 550 sind noch nicht näher benannt; aber Sie können sicherlich erahnen, was dann unter Umständen in Ammendorf passieren wird.

Wir stehen also im Land erneut vor dem Problem, dass einer unserer großen Wirtschaftsstandorte entscheidend an Bedeutung verliert.

Meine Damen und Herren! Es liegt ein Änderungsantrag der Fraktionen der CDU und der FDP vor, der nach unserer Auffassung das Anliegen präziser formuliert. Wir übernehmen diesen Beschlussvorschlag gern. In diesem Sinne bitte ich um die Zustimmung zu diesem Antrag, um mehr Wissen zu bekommen, was getan wurde und was noch vorgesehen ist, damit ein Kompetenzzentrum Schienenfahrzeugbau nicht von der wirtschaftlichen Landkarte in Sachsen-Anhalt verschwindet. - Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der PDS)

Besten Dank, Herr Dr. Thiel. Ich bitte nochmals, das Missverständnis hinsichtlich der Redezeit zu entschuldigen.

(Herr Dr. Thiel, PDS: Kein Problem!)

Meine Damen und Herren! Als Nächster hat für die Landesregierung der Minister für Wirtschaft und Arbeit Herr Dr. Rehberger um das Wort gebeten. Bitte sehr, Herr Dr. Rehberger.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist ein etwas ungewöhnlich formulierter Antrag - darf ich das so sagen? -, über den wir sprechen; denn, Herr Dr. Thiel, die PDS-Fraktion fordert zunächst die Landesregierung auf, sich gegenüber der Bundesregierung für die Einhaltung der mit der Bombardier Transportation Inc. getroffenen Vereinbarungen zum Erhalt der Schienenfahrzeugproduktion am Standort Halle-Ammendorf einzusetzen, um dann anschließend fortzufahren, dass die Landesregierung doch gefälligst den Landtag oder den Wirtschaftsausschuss über den Inhalt der Verträge informieren solle.

Damit brauchen wir nicht bis zur nächsten Landtagssitzung zu warten. Ich kann Ihnen sofort klipp und klar sagen, was an rechtsverbindlichen Verträgen abgeschlossen worden ist. Es gibt lediglich zwei rechtsverbindliche Verträge, die die Regierung Höppner mit dem Bombardier-Konzern abgeschlossen hat.

In dem einen Vertrag verpflichtet sich das Land Sachsen-Anhalt zum Kauf einer Fläche mit einem Kaufpreis von 5,9 Millionen €. Das ist jener Teil in Ammendorf, der für Bombardier offenbar nicht mehr von Interesse ist. In einem zweiten Kaufvertrag verpflichtet sich das Land, ein Heizwerk für 1,6 Millionen € zu kaufen. Das sind zusammen 7,5 Millionen €, zu deren Einsatz sich das Land als Preis für die beiden Liegenschaften verpflichtet hat.

Ich darf Ihnen mitteilen, dass der Konzern in diesen Tagen die Landesregierung aufgefordert hat, jetzt das Geld zu bezahlen. Wir werden das auch tun. Die Verträge sind rechtsgültig.

(Zuruf von Herrn Gürth, CDU)