Protocol of the Session on October 11, 2002

Erstens. Konjunkturkrisen und Strukturkrisen lassen sich praktisch nicht trennen, gerade in strukturschwachen Regionen wie Sachsen-Anhalt. - Eben diese scharfe Trennung verlangt das Gutachten des Gesetzgebungs- und Beratungsdienstes.

Zweitens und noch wichtiger: Regionale Wirtschaftsräume sind eigenständige Träger von Wachstums- und Konjunkturentwicklungen, auch wenn sie mit dem Rest der Welt stark verflochten sind. - Eben dies wird vom Gesetzgebungs- und Beratungsdienst mit Blick auf das Stabilitäts- und Wachstumsgesetz ohne überzeugende Begründung infrage gestellt. Herr Doege hat diese Position soeben noch einmal wiederholt.

Über all dies ließen sich interessante Diskussionen führen. Aber diese gehören - mit Verlaub - nicht mehr in den Finanzausschuss, sondern in volkswirtschaftliche Seminare.

Meine Schlussfolgerung: Der fünfte Akt des politischen Schauspiels, sehr geehrte SPD-Fraktion, sollte irgendwo

anders, aber nicht im Finanzausschuss stattfinden. Er sollte auch nicht mehr im Parlament stattfinden.

Ich gebe jedoch gern zu, dass ein Schauspiel allein schon aus dramaturgischen Gründen vielleicht einen fünften Akt braucht. Deshalb unterbreite ich Ihnen mit einem Augenzwinkern meinen Vorschlag zur Güte: Wir haben in diesem Land sehr gute Universitäten mit sehr guten wirtschaftswissenschaftlichen Fakultäten. Dort wird über solche Themen diskutiert. Herr Bullerjahn, Herr Dr. Püchel, was halten Sie davon, in einer makroökonomischen Veranstaltung der Otto-von-Guericke-Universität diese Probleme zu erörtern?

(Herr Dr. Püchel, SPD: Herr Professor, wir hören Ihre Vorlesung bereits hier!)

Nun, meine Damen und Herren, vielleicht könnte man auf diese Art noch ein gelungenes Finale für Ihr politisches Schauspiel zustande bringen.

(Zustimmung bei der FDP und bei der CDU)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich glaube, wir sollten die Diskussion über den Nachtragshaushalt mit dieser parlamentarischen Beratung beenden und uns den wirklich wichtigen Zukunftsfragen dieses Landes zuwenden. Die werden spätestens mit dem Haushaltsplanentwurf 2003 im Landtag auf dem Tisch liegen. - Herzlichen Dank.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Herr Doege, jetzt dürfen Sie Ihre Frage stellen.

Herr Minister, ich habe zwei Fragen. Erstens. Wie erklären Sie sich die Differenz zwischen der volkswirtschaftlichen Bewertung, die Sie der Störung zugrunde legen, und den völlig anderen Auffassungen der wirtschaftswissenschaftlichen Institute hinsichtlich der wirtschaftlichen Entwicklung in Sachsen-Anhalt auch im Verhältnis zu anderen Bundesländern?

Zweitens. Sind Sie nicht auch der Meinung, dass eine Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts und die Überschreitung der verfassungsmäßigen Kreditobergrenze auch in der Zukunft möglich sein könnten? Müsste es deshalb nicht durchaus im Sinne des Parlaments sein, sich darüber zu verständigen, bei welchen Kriterien letztlich eine Störung des Gleichgewichts vorliegt und welche Maßnahmen geeignet sein können, eine solche Störung abzuwenden?

Offensichtlich bestehen Auffassungsunterschiede zwischen Ihnen und uns. Halten Sie es angesichts dessen nicht für sinnvoll und notwendig, darüber im Finanzausschuss - wo sonst? - noch einmal zu beraten? Ich glaube, so viel Zeit haben wir alle, um uns dieser wichtigen Frage zu widmen.

Zum ersten Punkt ist zu sagen, dass ich im Finanzausschuss exakt zu dieser Frage erschöpfend Stellung genommen habe. Ich werde das jetzt nicht wiederholen. Genau diese Frage wurde mir in der Sitzung des Finanzausschusses vom Abgeordneten Herrn Gallert gestellt. Ich habe dazu Stellung genommen. Das ist im Pro

tokoll über die entsprechende Sitzung des Finanzausschusses nachzulesen.

Zum zweiten Punkt. Ich sehe zum gegenwärtigen Zeitpunkt überhaupt keine Veranlassung, eine weit in der Zukunft liegende Möglichkeit zum Gegenstand von Ausschussberatungen zu machen. Wir haben dort genug zu tun.

Ich möchte hinzufügen: Wenn Sie uns unterstützen auch bei den Einschnitten in Leistungsgesetze, die wir im Land vornehmen müssen, und bei dem Personalabbau, der ebenfalls in diesem Land notwendig ist, sodass die wichtigen strukturellen Weichenstellungen in SachsenAnhalt möglich werden, die Sie in Ihrer Regierungszeit nicht in die Wege geleitet haben, dann ist die Wahrscheinlichkeit, dass wir jemals wieder in eine solche Situation kommen, sehr gering. Also: Ich bitte Sie, uns konstruktiv bei der Lösung dieser Probleme zu unterstützen. - Herzlichen Dank.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Besten Dank, Herr Minister. - Meine Damen und Herren! Für die CDU-Fraktion erteile ich nun dem Abgeordneten Herrn Tullner das Wort. Bitte, Herr Tullner.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Erinnern Sie sich noch an die Rede des Innenministers bei der Einbringung des Gesetzentwurfes zur Kommunalreform? - Er begann mit den Worten: „Ich freue mich“. In Analogie dazu muss ich heute konstatieren: „Ich wundere mich“.

Ich wundere mich über den vorliegenden Antrag. Was haben Sie doch in der letzten Landtagssitzung für düstere Andeutungen zur Verfassungsgemäßheit des Haushalts gemacht! Kollege Doege hat sogar eine namentliche Abstimmung bei der Verabschiedung des Nachtragshaushaltes beantragt. Wahrscheinlich hatten Sie sogar schon die Fahrkarten nach Dessau gekauft. In allen Zeitungen - zugegebenermaßen haben wir davon nicht allzu viele im Lande - haben Sie groß getönt, der Gang nach Dessau sei so gut wie sicher oder fast schon beschlossen. - Und nun das.

(Herr Bullerjahn, SPD: Das stimmt doch gar nicht!)

Ein Gutachten vom GBD wird von Ihnen präsentiert. Ohne den GBD in irgendeiner Form diskreditieren zu wollen, könnte man doch all Ihr Handeln mit dem Spruch „als Tiger abgesprungen und als Bettvorleger gelandet“ beschreiben. Warum ist das so? - Weil Sie die PDS nicht mit im Boot hatten und damit das Quorum von 25 %, das für den Gang zum Gericht notwendig ist, nicht erreichten. Das ist das Schicksal einer kleinen Opposition.

Im Übrigen wissen Sie genau, dass Ihnen die Diskussion in der Öffentlichkeit auf die Füße fallen würde. Sie können es drehen und wenden, wie Sie wollen - die politische Verantwortung für die finanzpolitische Lage im Land tragen Sie zusammen mit der PDS.

(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP)

An dieser Stelle irrt das Gutachten, wenn behauptet wird, die politische Verantwortung sei mit dem Regierungswechsel auf uns übergegangen.

Apropos PDS: Sie war ja nun plötzlich schon immer Opposition. Im Übrigen will sie nun, wenn man die Verlautbarungen von Herrn Gallert und Frau Sitte hört, in diesem Hause auch Bundestag spielen, weil sie dort nicht mehr vertreten ist, zumindest bis zum Showdown am Samstag, wenn sich Ihre Spaltpilze dann irgendwie geeinigt haben.

Apropos drehen und wenden: Der geneigte Betrachter reibt sich erstaunt die Augen angesichts der Kollegen von der SPD-Fraktion. Plötzlich sind sie alle wieder da mit breiter Brust und passen kaum durch die Tür. Frau Budde macht wieder in Wirtschaft und träumt vielleicht schon wieder vom Dienstwagen. Herr Bullerjahn hat wieder Lust auf Haushalt - kein Wunder, bei den guten Beziehungen zum Editharing.

(Herr Bullerjahn, SPD: Zu wem? - Herr Dr. Pü- chel, SPD: Was ist denn im Editharing?)

Verehrter Herr Dr. Püchel, Sie sollten aufpassen, dass Sie nicht demnächst mit Ihrem oft bemühten historischen Pendant als Kleinfürst auf Elba oder eher in Etgersleben im Exil sitzen, weil Kollege Dr. Höppner vielleicht auch wieder Lust hat. Er hat plötzlich sein Amt abgegeben, statt abgewählt worden zu sein, und wollte ja auch nur weitermachen, weil kein anderer in der SPD Ministerpräsident werden wollte. Das ist schon eine etwas merkwürdige historische Interpretation.

(Herr Bullerjahn, SPD: Wollen Sie Fraktionsvor- sitzender werden? - Weitere Zurufe von der SPD)

Doch kommen wir zu dem Gutachten selbst. - Die CDU geht von der Verfassungsgemäßheit des Nachtragshaushaltes aus. Eine postulierte Verfassungswidrigkeit kann allein das Landesverfassungsgericht feststellen. Aber eben dieses wollen Sie gar nicht.

Das Gutachten des GBD gibt nur eine Einzelmeinung wieder. Der GBD ist nämlich kein Organ des Landtages. Noch ein Hinweis an die sozialdemokratische Fraktion: Für die Ausarbeitung eines Angehörigen des GBD oder im Auftrag des GBD trägt allein der Verfasser die Verantwortung. Sie gibt nicht die Meinung des Landtages, eines Organs des Landtages oder der Verwaltung des Landtages wieder.

Merkwürdigerweise finden wir zum Beispiel in dem Gutachten keinen Hinweis darauf, wer eigentlich der Bearbeiter ist. Man kann sich als Insider seinen Teil denken. Aber der Name des Verfassers taucht nicht auf.

Im Übrigen ist dieses ganze Gutachten formal geschludert. Das Inhaltsverzeichnis stimmt nicht mit den Texten überein, ein angekündigtes Resümee fehlt völlig und die Bewertung der Darlegung erfolgt „zunächst nur in Thesenform“. Was heißt eigentlich „zunächst“? Gibt es eine Fortsetzung des Gutachtens? Haben wir vielleicht sogar eine Serie zu erwarten?

(Heiterkeit bei der CDU und bei der FDP)

Meine Damen und Herren! Mit diesem formal geschluderten Gutachten wären Sie an jeder deutschen Universität, von Bremen einmal abgesehen, nicht einmal durch die Zwischenprüfung gekommen.

(Heiterkeit und Zustimmung bei der CDU und bei der FDP)

Der GBD sollte aufpassen, dass er seine Funktion als unterstützender Berater hinsichtlich seiner Reputation nicht aufs Spiel setzt.

Der Landtag ist nicht der Platz, um über die Einzelmeinung eines Juristen zu diskutieren. Sie kennen die Metapher von den drei Juristen und den fünf Meinungen.

Der Landtag ist auch nicht der richtige Platz, um über den Begriff der Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts im juristischen Sinne zu diskutieren. Die Landesregierung - Herr Paqué hat es angedeutet - hat ihren Standpunkt ausreichend in den Ausschüssen dargelegt und begründet.

Nun kommt die Krönung des Gutachtens. Man fragt sich fast, ob der Autor auch noch für das Satiremagazin „Titanic“ oder den „Eulenspiegel“ tätig ist. Oder hat der Autor in einem Anflug von Wahn vergessen, dass er für den GBD arbeitet und nicht für eine Schülerzeitung schreibt? Ich formuliere das jetzt bewusst vorsichtig, ich könnte auch zu ganz anderen Charakterisierungen kommen.

(Herr Hauser, FDP: Rehberger!)

Ich beziehe mich auf das Zitat über unseren Wirtschaftsminister Rehberger. Im Gutachten wird geschrieben: „Auffällig ist ein gewisser militärischer Jargon, der in wirtschafts- und finanzwissenschaftlichen Zusammenhängen umso mehr aus dem Rahmen des Gebotenen fällt.“ - Was hat das, meine Damen und Herren, in diesem Gutachten zu suchen?

(Beifall bei der FDP)

Unabhängig davon bin ich der Meinung, dass vielleicht andere Abgeordnete dieses Hauses einen militärischen Jargon haben, unser Wirtschaftsminister jedenfalls nicht. Ich empfinde das als eine Unterstellung. Das grenzt schon fast an Beleidigung.

Herr Abgeordneter, ich bitte Sie zum Ende Ihrer Rede zu kommen.

Jawohl, ich komme sofort.

(Heiterkeit bei der CDU und bei der FDP)