Es gab keine ausreichende Auseinandersetzung der Landesregierung mit dem Erfordernis der Darlegung, dass es sich um nachvollziehbare und vertretbare Kriterien handle. Darlegungen hinsichtlich der Eignung der Kreditaufnahme zur Abwendung der Störungslage wurden
nicht gemacht. Im Gegenteil, es wurde sogar mehrfach betont, dass keine neuen Programme mit dieser erhöhten Nettokreditaufnahme aufgelegt worden sind.
Ein zweiter Punkt in diesem Zusammenhang ist die Vereinbarkeit mit dem EU-Gemeinschaftsrecht. Der Vertrag von Maastricht verpflichtet die EU-Mitgliedstaaten dazu, auf ein übermäßiges Haushaltsdefizit zu verzichten. Letztlich sind die Länder als Teil des Bundes mit dafür verantwortlich, dass der Bund gegenüber der EU seinen Verpflichtungen nachkommen kann. Sie haben ihre Haushaltspolitik so auszurichten, dass der Bund seine Verpflichtungen einhalten kann.
Es wäre sicherlich an der Zeit, eine innerstaatliche Quotierung zu schaffen, damit der Bund letztlich seine außenstaatlichen Verpflichtungen erfüllen kann. Da es bisher keine Quotierung innerhalb der Bundesrepublik Deutschland gibt, gilt letztlich aber die Bindungswirkung für die Länder. Es ist den Ländern demzufolge nicht erlaubt, gegen die Regelungen des Maastricht-Vertrages zu verstoßen. Die Länder sind schon aus Gründen der Bundestreue gehalten, dem Bund die Wahrnehmung seiner Verantwortung zu ermöglichen.
Aus der Bundestreue ergibt sich auch für das Land Sachsen-Anhalt eine Reihe von Rechtspflichten. So ist das Land Sachsen-Anhalt unter anderem verpflichtet, bei der Ausübung seiner Gesetzgebungskompetenzen, deren Auswirkungen nicht allein auf den Raum des Landes begrenzt bleiben, Rücksicht auf die Interessen des Bundes und der anderen Länder zu nehmen.
Die Bundestreue hat letztlich auch Auswirkungen auf die Haushaltwirtschaft unseres Landes. Sie verwehrt den Ländern eine Haushaltswirtschaft, die den Bund an der Wahrnehmung seiner Pflichten hindert und im Widerspruch zu der Haushaltspolitik steht, die der Bund selbst verfolgt.
Aus unserer Sicht ist die Überschreitung der Kreditobergrenze nicht mit einer entsprechenden Information des Bundes in Übereinstimmung gebracht worden, sodass wir hierin einen Verstoß gegen den Geist der MaastrichtVerträge sehen.
Lassen Sie mich zum letzten Punkt kommen, der Vereinbarkeit mit der Landeshaushaltsordnung. In den Debattenbeiträgen im Finanzausschuss und auch im Plenum ist schon zur Genüge darauf hingewiesen worden, dass die SPD den § 25 der Landeshaushaltsordnung hinsichtlich der Einstellung des Defizitausgleichs 2001 dahin gehend ausgelegt haben möchte, dass nicht feststeht, dass das Defizit im nächstfolgenden Jahr einzustellen ist.
Die Regelung in der LHO beinhaltet ganz klar eine Entscheidungsalternative, die da lautet: im nächsten oder im übernächsten Jahr. Rechtlich betrachtet sind beide Möglichkeiten absolut gleichwertig, mögen sie auch unter wirtschafts- oder haushaltspolitischer Betrachtung nicht gleichwertig sein. Letztlich unterliegen sie der Wahl nach den politischen Vorstellungen.
Die Richtigkeit dieser Auffassung wird übrigens durch die Vorschrift der LHO zum Umgang mit Überschüssen bestätigt. Danach sind die Überschüsse in den nächsten festzustellenden Haushaltsplan einzustellen. Daraus folgt für den Haushaltsgesetzgeber, dass ihm der Unterschied zwischen dem nächsten und dem zweitnächsten Jahr
bekannt und geläufig war. Die darauf gestützte unterschiedliche Behandlung von Überschüssen und Fehlbeträgen ist juristisch geworden und darf im Wege der Auslegung nicht eingeebnet werden.
Die Position, die unter anderem vom Landesrechnungshof vertreten worden ist, dass ein Fehlbetrag unmittelbar im folgenden Haushaltsjahr eingestellt werden muss, ist durch den Wortlaut des § 25 Abs. 3 LHO nicht gedeckt.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das war sicherlich eine sehr trockene Materie. Ich würde Sie trotzdem bitten, um für die Zukunft Klarheit zu gewinnen, was das Plenum insgesamt unter dem Begriff „Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts“ versteht und wie damit umzugehen ist, dass wir uns die Mühe machen, uns im Finanzausschuss und in den anderen von mir genannten Ausschüssen hierüber zu verständigen.
Ich würde insbesondere die Fraktionen der CDU und der FDP bitten, sich dieser aus unserer Sicht sachlichen und fachlichen Diskussion im Finanzausschuss nicht zu verschließen. Es soll nicht darum gehen, aus unserer Sicht nachzukarten. Es geht einfach darum, für die Zukunft die Dinge klar festzulegen, nach denen wir uns dann alle zu richten haben. - Herzlichen Dank.
Meine Damen und Herren! Bevor wir in die Fünfminutendebatte eintreten, begrüßen Sie mit mir eine Gruppe von Seniorinnen und Senioren aus der Altmark.
Meine Damen und Herren! Als Erster hat für die Landesregierung der Minister der Finanzen Herr Professor Dr. Paqué um das Wort gebeten. Bitte sehr, Herr Professor Paqué.
Herr Landtagspräsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Fraktion der SPD hat diesem Hohen Haus einen Antrag vorgelegt, der sehr eigenartig ist.
Ich kann diesen Antrag nur verstehen als das Verlängern eines politischen Schauspiels, das uns die Opposition seit Monaten vorspielt. Dieses Schauspiel hat bisher vier Akte. Nun will die Opposition auch noch einen fünften Akt hinzufügen.
Wie sahen die ersten vier Akte aus? - Erster Akt: Die heutige Opposition hinterlässt als abgewählte Regierung einen Haushaltsplan 2002, der von vornherein Makulatur ist. Er enthält Risiken, die, richtig bilanziert, selbst bei kräftigsten Sparbemühungen im laufenden Haushaltsvollzug zu einem riesigen Kassendefizit führen müssen.
Übrigens ein Kassendefizit, das selbst die Verfassungsgrenze der Nettoneuverschuldung mühelos überschritten hätte, wären die Dinge so weitergelaufen, wie sie von Ihnen, liebe Opposition, angelegt waren.
Zweiter Akt: Wir, die neue Regierung, legen in einem Nachtragshaushalt die Risiken offen, kehren damit zu
Haushaltsklarheit und Haushaltswahrheit zurück, lieber Herr Dr. Püchel, und begründen dies in angemessener Form zweimal im Plenum dieses Hohen Hauses und einmal in einer ausführlichen Diskussion im Finanzausschuss - eine Diskussion übrigens, an die ich mich persönlich gern erinnere, denn sie hinterließ bei mir den Eindruck, dass die hoch geschätzten Kollegen der Opposition trotz aller vorausgegangenen Polemik im Plenum zu einer sehr sachlichen Auseinandersetzung zurückfanden.
Im Übrigen wurde dort klar, dass der Landesrechnungshof am Kern der finanzpolitischen Strategie der neuen Landesregierung nichts auszusetzen hatte. Diese Strategie im Nachtragshaushalt hieß: Etatisierung eines drohenden Kassendefizits, das sonst aufgelaufen wäre, bei gleichzeitigem Einschwenken auf einen Sparkurs, soweit dies im laufenden Haushalt 2002 noch möglich war.
Dritter Akt: Nach der Verabschiedung des Nachtragshaushalts erbittet die SPD-Fraktion ein Rechtsgutachten beim Gesetzgebungs- und Beratungsdienst des Landtages.
Der Gegenstand: Prüfung der Verfassungsgemäßheit des Nachtragshaushalts. - Das ist Ihre Formulierung, „erbitten“; das steht so in Ihrem Antrag, Herr Dr. Püchel. Gegenstand war also die Prüfung der Verfassungsgemäßheit des Nachtragshaushalts. Das Ergebnis des Gutachtens liegt inzwischen vor.
Ich will das Gutachten nicht im Einzelnen kommentieren. Es ist im Wesentlichen eine fleißige Zusammenstellung von Zitaten, die dann von den Autoren bewertet werden. Was fehlt, ist die volkswirtschaftliche Analyse. Das ist bedauerlich, denn die volkswirtschaftliche Analyse ist nun einmal bei der Beurteilung der Störung eines gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts der Kern der Sache.
Rechtliche Schlussfolgerungen ohne volkswirtschaftliche Analyse der Kernfrage, ob ein solches Ungleichgewicht vorliegt, stehen auf äußerst wackligen Beinen.
Vierter Akt: Die SPD-Fraktion, namentlich der hoch geschätzte Kollege Bullerjahn und jetzt auch Herr Doege, verkündete in der Öffentlichkeit und jetzt auch im Landtag, man trete nicht den Gang zum Verfassungsgericht nach Dessau an. Begründung: Man wolle in die Zukunft sehen und sich nicht ewig mit Fragen der Vergangenheit auseinander setzen.
Wir, die Regierung, begrüßen dies ausdrücklich. Wir wollen mit Ihnen gemeinsam dieses Land aus der Finanzmisere herausführen, in der Sie es, verehrte Opposition, im Frühjahr 2002 hinterlassen haben.
Wir werden Sie an Ihre konstruktive Ankündigung erinnern, wenn wir, beginnend mit dem Haushaltsplanentwurf 2003 im nächsten Monat, Vorschläge für strukturelle Sparentscheidungen vorlegen werden. Wir setzen dann auf Ihren kooperativen Geist, auch wenn Ihre ersten Äußerungen zu dem Haushaltsplanentwurf 2003 leider davon noch nicht allzu viel spüren lassen. Aber das kann sich ja noch ändern.
Nun will die SPD-Fraktion einen fünften Akt. Sie will in drei Ausschüssen, den Ausschüssen für Finanzen, für Recht und Verfassung sowie für Wirtschaft und Arbeit, das Rechtsgutachten des Gesetzgebungs- und Beratungsdienstes diskutieren. Sie will ein Gutachten diskutiert sehen, das keinerlei neue volkswirtschaftliche Erkenntnisse enthält.
Alle wichtigen Fragen des Nachtragshaushalts sind in den genannten Ausschüssen ausführlich und abschließend diskutiert worden. Die genannten Ausschüsse sind voll ausgelastet mit der Behandlung von Fragen, die die Zukunft dieses Landes betreffen und nicht die Vergangenheit.
Sehr geehrte SPD-Fraktion, sehr geehrter Herr Dr. Püchel und sehr geehrter Herr Doege, wollen Sie wirklich den Mitgliedern dieses Hohen Hauses ihre wertvolle Zeit und Energie stehlen, die zur Lösung zukunftsweisender Fragen und zum Gespräch mit den Bürgern dieses Landes dringend benötigt werden?
Um Missverständnisse zu vermeiden, Herr Dr. Püchel: Es gibt noch viel Interessantes zu besprechen zur Frage des gesamtwirtschaftlichen Ungleichgewichts allgemein. Immerhin sind seit der Verabschiedung des Stabilitäts- und Wachstumsgesetzes 34 Jahre vergangen.
Selbstverständlich, aber am Ende meiner Ausführungen. - Immerhin sind 34 Jahre vergangen, seit dieses Gesetz von Karl Schiller auf den Weg gebracht und vom Bundestag verabschiedet wurde. Viel ist passiert und die Wirtschaftswissenschaft hat große Fortschritte gemacht. Vor allem wissen wir heute zwei Dinge:
Erstens. Konjunkturkrisen und Strukturkrisen lassen sich praktisch nicht trennen, gerade in strukturschwachen Regionen wie Sachsen-Anhalt. - Eben diese scharfe Trennung verlangt das Gutachten des Gesetzgebungs- und Beratungsdienstes.