Protocol of the Session on January 19, 2006

Ich komme schließlich zur Hochschulpolitik, ohne die ein Überblick über das Bildungswesen in unserem Lande unvollständig wäre.

Wir haben seit Beginn der Legislaturperiode so gut wie alle Möglichkeiten genutzt, um unser Hochschulwesen den Erfordernissen einer modernen und leistungsgerechten Hochschullandschaft im nationalen wie im internationalen Vergleich anzupassen.

Auch hierbei haben wir zunächst die Struktur den Notwendigkeiten der Zeit angepasst, indem wir diese Veränderungen in Zielvereinbarungen mit den Hochschulen festgeschrieben haben. Noch in dieser Legislaturperiode konnten wir die Zielvereinbarungen aus dem Jahr 2002 durch Anschlusszielvereinbarungen bis zum Jahr 2010 fortschreiben. Die Hochschulen haben dadurch die gewünschte Planungssicherheit und auch den notwendigen Finanzrahmen erhalten, die es ihnen ermöglichen sollen, im Wettbewerb mit anderen Hochschulen zu bestehen.

Die neu strukturierte Hochschullandschaft stärkt die Profile der Universitäten und Hochschulen. Das schafft gute Voraussetzungen für noch mehr Exzellenz in Forschung und Lehre. Die vom Kultusminister angestoßene Exzellenzoffensive stärkt somit die Leistungsfähigkeit regionaler Forschungskerne aus universitären und außeruniversitären Einrichtungen sowie von Unternehmen.

Nach der Strukturveränderung beschlossen wir im Jahr 2004 die Novelle zum Landeshochschulgesetz. Dadurch wurde die Autonomie der Hochschulen erweitert, indem die Hochschulleitungen in ihren Kompetenzen gestärkt wurden und indem unter anderem das Selbstauswahlrecht der Hochschulen beim Studienzugang neu geregelt wurde.

Wir sind mit der Gesetzesnovelle einigen Vorgaben des Bundes gefolgt, ohne dabei auf bewährte Instrumente

der Hochschulen zu verzichten. Ich denke dabei beispielsweise an die Einführung der Juniorprofessur bei gleichzeitiger Beibehaltung der Habilitation auf dem Wege zur Professur.

Im Jahr 2005 haben wir dann den Hochschulklinika eine gesicherte Existenz verschafft, indem wir das Hochschulmedizingesetz neu gefasst haben. Beide Klinika können erhalten bleiben. Dies, meine sehr verehrten Damen und Herren, ist ein erfreuliches Ergebnis unserer Bemühungen.

(Zustimmung bei der CDU)

Lassen Sie mich zum Schluss meiner Ausführungen noch einmal Worte des Dankes finden. Stellvertretend für das Kultusministerium möchte ich dem Minister Professor Olbertz und den beiden Staatssekretären danken. Ich möchte all denen danken, die maßgeblich für die Umsetzung der von mir genannten Maßnahmen der Qualitätssicherung verantwortlich waren und weiterhin sind, vor allen Dingen den Lehrerinnen und Lehrern, den Schulaufsichtsbeamten und den Hochschuldozenten. Ohne ihr tätiges Engagement und ihre Mithilfe vor Ort hätten wir nicht das erreicht, was das Bildungswesen in Sachsen-Anhalt heute darstellt.

(Zustimmung bei der CDU)

Auf diesem aufsteigenden Ast im bundesdeutschen Bildungswesen zu sein, das ist unser Erfolg und daran möchten wir gern weiterarbeiten. - Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU - Zustimmung bei der FDP)

Vielen Dank, Frau Feußner. - Für die Linkspartei.PDS erhält nun die Abgeordnete Frau Dr. Hein das Wort. Frau Dr. Hein, Sie haben das Wort.

Danke schön, Herr Präsident. - Meine Damen und Herren! Der Kultusminister hat Recht, wenn er Bildung als wichtigste gesellschaftliche und individuelle Ressource begreift. Das gilt für uns und gerade auch für SachsenAnhalt.

Dennoch treten Fragen der Bildungspolitik in Umfragen meist hinter Fragen der Arbeitswelt sowie der Arbeitsmarkt- und Wirtschaftspolitik zurück. Die Unzufriedenheit mit der Bildungspolitik ist dennoch landauf, landab ein Dauerbrenner in der öffentlichen Debatte. Seit Jahren fordern bildungspolitisch Interessierte, die Streitparteien in der Politik mögen sich doch endlich einigen; aber dieser Ruf verhallte bisher ungehört. Das hat auch damit zu tun, dass die bildungspolitischen Vorstellungen nicht nur unter den politischen Parteien, sondern auch in der Gesellschaft sehr weit auseinander gehen.

Nun scheint es, als ob zumindest bei der Anerkennung der Defizite bei den Bildungsergebnissen übereinstimmende Problemsichten heranreifen würden. Immerhin ist das Eingeständnis der Bundeskanzlerin, dass die hohe Abhängigkeit des Bildungserfolges von der sozialen Herkunft ein unhaltbarer Zustand in der Bundesrepublik sei, ein wichtiges Indiz dafür.

Dennoch wage ich zu bezweifeln, dass die Avancen der SPD an die CDU, in Sachsen-Anhalt einen Bildungskonvent zu installieren, einen Erfolg in dieser Einigung brin

gen werden. Ich halte das eher für zweifelhaft im Hinblick auf einen schnelleren Fortgang der Debatte, es sei denn, man nähme in Kauf, dass sich auch künftig nicht viel bewegt.

(Zustimmung bei der Linkspartei.PDS)

Aber die Kritiken aus der Öffentlichkeit zielen auf Bewegung, allerdings möglichst - so paradox das ist - auf Bewegung ohne viel Veränderung oder auch auf eine Veränderung ohne viel Bewegung - wie man jeweils will. Das aber wird nicht gehen.

So ist die heutige Debatte ein willkommener Anlass, über die Ergebnisse von vier Jahren schwarz-gelber Bildungspolitik zu diskutieren, sie zu beurteilen und zu gewichten. Ich will das tun und will mich dabei auf die Schulpolitik konzentrieren. Ich will auch unsere Alternativen anbieten.

Man muss dabei von den Erwartungshaltungen an die Bildung ebenso wie von vorausschauender Sicht auf die Erfordernisse moderner Bildung in der heutigen Zeit ausgehen. Die Gewichtung von Bildungspolitik durch den Minister heute knüpft durchaus an seinen Aussagen in der Enquetekommission „Schule mit Zukunft“ an, der unser heutiger Kultusminister bekanntlich als Experte angehörte.

Dort zitierte er nicht nur Klafki und bezog sich auf die - Zitat - „gesellschaftlich produzierte Ungleichheit“ als eines der Schlüsselprobleme, an denen sich Bildung zu orientieren habe, sondern er kritisierte auch, dass wir heute noch - Zitat - „lehren und lernen wie vor 100 Jahren“.

(Zustimmung bei der Linkspartei.PDS)

Er verlangte ein „anders Lernen“ und beschrieb auch sehr genau, was dies in der inhaltlichen Neuausrichtung von Schule bedeuten könne, nein, müsse. Er kritisierte, dass Schule zu wenig auf die Lebenswirklichkeit der Lernenden ausgerichtet sei, und machte ziemlich konkrete Vorschläge, wie die Schule zu verändern sei.

Diese bemerkenswerten Forderungen teile ich ausdrücklich und genau dies ist auch der Ansatz der bildungspolitischen Vorstellungen und Zielstellungen der Linkspartei.PDS.

(Zustimmung bei der Linkspartei.PDS - Lachen bei der CDU)

- Es geht gleich wieder.

(Heiterkeit - Frau Feußner, CDU: Das wird be- stimmt wieder relativiert!)

Nicht in gleicher Weise loben kann ich allerdings seine Begründungen für die Notwendigkeit der Gliederung des Schulsystems im Interesse einer Leistungsdifferenzierung.

(Minister Herr Prof. Dr. Olbertz: Gott sei Dank! - Zuruf von der CDU: Gott sei Dank!)

Sie hätten von mir auch gar nichts anderes erwartet. - Nicht dass es nicht notwendig wäre, auf unterschiedliche individuelle Lernvoraussetzungen einzugehen und differenziert zu fördern, aber die Auffassungen zum Ziel und zu den Methoden solcher Leitungsdifferenzierung gehen, wie auch in der heutigen Regierungserklärung, eben deutlich auseinander.

Man kann die Unterschiede in den Auffassungen vielleicht an dem Unterschied zwischen den Worten „diffe

renziert“ und „differenzierend“ festmachen. Ich will das erläutern.

„Lernschwierigkeiten“, so Professor Olbertz in der Expertise, „bzw. Schulversagen sind ja nicht einfach da, sondern entstehen oft erst in der Schule“ - eine bemerkenswerte Einsicht. Das belegen übrigens auch Gespräche mit Teilnehmerinnen und Teilnehmern am produktiven Lernen.

Nur, warum daraus die Notwendigkeit einer frühen Differenzierung in unterschiedliche Bildungsgänge folgen soll, erschließt sich mir nicht. Es sei wichtig, dass diese frühe Entscheidung jederzeit korrigierbar sei, und es komme auf die intensive Förderung der weniger leistungsstarken Schülerinnen und Schüler an, so der Minister auch heute.

(Zustimmung von Minister Herrn Prof. Dr. Olbertz)

Genau das findet aber entgegen allen Behauptungen und entgegen allen ernsthaften Bemühungen von Lehrerinnen und Lehrern im gegliederten Schulsystem so nicht statt.

(Zustimmung bei der Linkspartei.PDS - Frau Feuß- ner, CDU: Das ist es doch!)

Es findet nicht statt, weil es nicht vorgesehen ist.

(Frau Feußner, CDU: Wie bitte?)

Mit der Zuweisung zu unterschiedlichen Bildungsgängen wird nach dem Schulgesetz nur auf den am Ende dieses Bildungsganges vorgesehenen Abschluss hin unterrichtet.

(Zustimmung bei der Linkspartei.PDS)

Das ist nicht nur im Schulgesetz so formuliert, sondern dem folgen auch die Stundentafeln und der Inhalt der Rahmenrichtlinien. Wer also einmal im Hauptschulgang gelandet ist, der erhält - in den einzelnen Fächergruppen unterschiedlich - weniger Unterricht als Schülerinnen und Schüler am Gymnasium. Selbst im Realschulunterricht sieht die Stundentafel, misst man es am Fächerspektrum des Gymnasiums, von der 5. bis zur 9. Klasse 15 Jahreswochenstunden weniger Unterricht vor. Das entspricht einem halben Schuljahr.

So nehmen wir die Absicht, die Stundentafel an den Sekundarschulen aufzustocken, mit Interesse zur Kenntnis. Wir merken aber an, dass es nicht nur um eine quantitative Aufstockung, sondern auch um eine qualitative Anpassung gehen muss, wenn die beiden Bildungsgänge nicht noch weiter auseinander driften sollen.

(Zustimmung bei der Linkspartei.PDS - Frau Feußner, CDU: Ich kann doch nicht jeden Schü- ler zum Abitur führen!)

15 Jahreswochenstunden in wichtigen und am Gymnasium prüfungsrelevanten Fächern lassen sich nicht einfach nebenbei aufholen, um bei einem späteren Übergang an das Gymnasium noch erfolgreich zu sein. Deshalb werden die Übergänge von der Sekundarschule direkt an das Gymnasium die Ausnahme bleiben. Das gilt am Ende auch für die verschiedenen Möglichkeiten der zweiten Bildungswege.

Die Unterschiede setzen sich in den Unterrichtsinhalten fort. Sie weichen von denen des Gymnasiums deutlich ab, sind nicht so umfangreich und erst recht nicht so tief. Ich habe das ein bisschen - wenigstens punktuell - nachgelesen.

Nicht dass man nicht auch an der Sekundarschule ein solides Kompetenzniveau erwerben könnte, nicht dass der Realschulabschluss nicht ein ehrenwerter und wertvoller Abschluss wäre - doch wer womöglich über den Hauptschulbildungsgang noch zu einem Hochschulstudium kommen will, hat enorm mehr Hürden zu überwinden als ein Absolvent oder eine Absolventin des Gymnasiums.

(Minister Herr Dr. Daehre: Das ist ja wohl - -! - Herr Scharf, CDU: Wie viele Leute kennen Sie denn?)