Protocol of the Session on October 10, 2002

Meine Damen und Herren! Ich komme aus einer Region unseres Landes, die neben Bitterfeld und Dessau mit am stärksten von der Flutkatastrophe betroffen war und - ich betone das ausdrücklich - ist. Dort bin ich in den letzten Wochen wie wahrscheinlich viele andere Kolleginnen und Kollegen auch zusammen mit meiner Fraktion vor Ort unterwegs gewesen.

Neben der Tatsache, dass ich es für unfassbar und für nicht nachvollziehbar halte, dass das Land Sachsen-Anhalt das einzige Land von den betroffenen Ländern ist, in dem das Parlament trotz dieser Katastrophe keine Sondersitzung durchführt und erst Wochen später dazu tagt,

(Herr Gürth, CDU: Wem hätten wir damit gehol- fen?)

spricht für die These, dass Magdeburg und die Regierung zum Teil weit weg sind, Folgendes: Pressemitteilung des Innenministers vom 2. Oktober 2002 - Zitat -:

„Innenminister Klaus Jeziorsky setzt Arbeitsgruppe zur Auswertung der Hochwasserkatastrophe 2002 ein.“

Meine Damen und Herren! Am 2. Oktober 2002, also fast zwei Monate später, passiert das nun auch schon. Für mich ist das nicht nachvollziehbar.

Dann noch die Zusammensetzung: Nur ein Vertreter der kommunalen Ebene, sprich der Landrat von Wittenberg, ist darin vertreten. Ich denke, dies sollte überdacht werden. Dort gehören mehr Vertreter der betroffenen kommunalen Ebene hinein.

(Zustimmung bei der PDS)

Ein Zweites. Herr Ministerpräsident, so wie Sie in den Tagen der Flut agiert haben, nein, eher beschwichtigten

mit Worten wie: Das kennen wir doch, das haben wir jedes Jahr, und mein Keller ist dann auch mit Wasser voll - meine Damen und Herren, das konnten die Leute in Pratau, Seegrehna oder Prettin zum Teil nur als puren Zynismus hinnehmen. Dort ist nicht der Keller ein wenig feucht gewesen, sondern dort hat es zum Teil die gesamte Existenz weggeschwemmt.

Ein Drittes und schon eine wichtige Konsequenz für die Arbeit im zeitweiligen Ausschuss, damit die Politik das Vertrauen der vom Hochwasser betroffenen Leute zurückgewinnt, ist, dass ohne Vorbehalte alle Vorwürfe bezüglich einer möglichen Sprengung von Deichen vollständig, zur Not auch juristisch, aufgearbeitet und aufgeklärt werden.

Auch die Bewohner der vielen Dörfer im Osten unseres Landes dürfen jetzt nicht das Gefühl haben, dass sie nunmehr mit ihrem Schicksal allein sind und vergessen werden. Dresden, Grimma, Magdeburg waren und sind immer noch in aller Munde, wenn über die Flut geredet wird. Wer weiß aber, dass Orte wie Labrun, Lebbin, Elster genauso, zum Teil noch schlimmer von den Wassermaßen betroffen worden sind? In diesem Sinne bin ich auch dafür, dass nicht nur die Lagefilme der Landkreise, sondern auch die Lagefilme und Tagebücher von Polizei und Bundeswehr offen gelegt werden. Ich glaube, das würde zur Stärkung des Vertrauens beitragen.

Ich will an dieser Stelle auf einige Probleme eingehen, die einer zum großen Teil kurzfristigen, aber auch mittelfristigen Lösung bedürfen. Offen ist bis zum jetzigen Zeitpunkt weiterhin, was mit den Kosten passiert, die während der Katastrophe den Landkreisen für Materialbeschaffung, Lohnausgleichskosten für die freiwilligen Feuerwehren, Verpflegung, Sprit, Hubschraubernetze, Rettungsmaterial usw. entstanden. Der Landkreis Wittenberg beziffert seine Kosten hierfür auf eine zweistellige Millionen-Euro-Summe. Das wird der Kanzler nicht einfach so - wie er damals sagte - aus der Portokasse bezahlen können. Die Frage ist, ob dafür das kommunale Sofortprogramm des Bundes aufkommt. Sollte es diesbezüglich keine Regelung geben, könnten bestimmte Landkreise ihre Schlüssel abgeben.

Wie auch im Antrag der PDS-Fraktion beschrieben, ist eine unverzügliche Analyse und Überarbeitung der Kompetenzzuweisung und -wahrnehmung im Katastrophenfall vorzunehmen. Dazu gehört insbesondere die Klärung der Kompetenzen der Landkreise, der Regierungspräsidien und des Innenministeriums. Dort hat es eine Vielzahl von Reibungsverlusten gegeben. Dazu halte ich eine Anhörung der Landräte und Bürgermeister, die von der Katastrophe betroffen waren und sind, im zeitweiligen Ausschuss für absolut notwendig. Im Zuge dieser Anhörung und der Beratungen sollten dann auch notwendige Gesetzesänderungen diskutiert werden.

Noch viel notwendiger ist an dieser Stelle eine effektive Abstimmung der Länder. Man hatte in der Zeit der Katastrophe zum Teil den Eindruck, dass wir noch im Zeitalter der deutschen Kleinstaaterei leben. Zum Beispiel hinsichtlich des Einsatzes der Feuerwehren sollten Ländervereinbarungen erzielt werden.

Ein aus der Sicht der Betroffenen bislang völlig unverständlicher Vorgang ist, dass Personen, die in den Genuss von Spenden gekommen sind, nunmehr laut Steuergesetz dafür Schenkungssteuern zahlen müssen. Das mag nach den Buchstaben des Gesetzes korrekt sein, aus moralischer und inhaltlicher Sicht ist es völlig

inakzeptabel. Ich fordere die Landesregierung und insbesondere den Finanzminister auf, unverzüglich auf Bundesebene initiativ zu werden, damit dieser Unfug ein Ende hat.

(Beifall bei der PDS)

Viel entscheidender allerdings ist - das hat schon eine Vielzahl von Rednerinnen und Rednern deutlich gemacht -: Wann kommt endlich die umfängliche staatliche Hilfe für die Betroffenen? Bei vielen Betroffenen, auch im Landkreis Wittenberg, ist bislang nur die 500-€-Soforthilfe eingetroffen.

Nun zu einigen Punkten, die in der Debatte auch zu unseren Anträgen erwähnt worden sind.

Erstens zu der Frage des Elbe-Ausbaues und der für mich überraschenden, aber richtigen Wende, was die Position von SPD und Grünen anbetrifft. Ich kann es Ihnen nicht ersparen, auf das einzugehen, was im Landtagswahlkampf und davor insbesondere seitens des Verkehrsministers geäußert worden ist. Gerade der ehemalige Verkehrsminister Dr. Heyer war es, der im Landtagswahlkampf und davor immer wieder vehement für den Elbe-Ausbau geworben hat.

Ich erinnere mich sehr gut daran, wie Frau Dr. Sitte bei einer Veranstaltung in Wittenberg vonseiten der Handelskammer für eine von mir vertretene Position beschimpft worden ist. Ich war nämlich aus den genannten Gründen ganz vehement für den Stopp des Elbe-Ausbaus. Wie gesagt, ich begrüße diesen Wandel und hoffe, dass Sie das nicht nur in Oppositionszeiten durchhalten, sondern auch in Regierungszeiten.

Einen zweiten Punkt, nämlich zu dem Gesetzentwurf der PDS, kann ich mir an dieser Stelle sparen. Herr Gallert hat noch einmal deutlich gesagt, worum es uns geht. Ich will nur eines betonen: Es geht uns mit diesem Gesetz nicht um mehr Bürokratie, sondern es geht uns um Rechtssicherheit für die betroffenen Bürgerinnen und Bürger.

Ein letzter Punkt. Ich will noch einmal dafür werben, den Antrag der PDS-Fraktion zu den Fragen bezüglich SAM nicht abzulehnen, sondern in den Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit und in den zeitweiligen Ausschuss zu überweisen. Mir liegen zwei Schreiben des Ministeriums für Wirtschaft und Arbeit aus dem Monat August vor. Beide Schreiben sind mit demselben Datum versehen. Das eine Schreiben war an einen Träger im Norden des Landes, in Wolmirstedt, gerichtet, das andere an einen Träger im Süden des Landes, in Halle. Beide Male haben wir denselben Wortlaut. Damit Sie, Herr Madl, wissen, worum es sich handelt, darf ich aus den Schreiben zitieren:

„Das Land Sachsen-Anhalt wurde in der Zwischenzeit von einer Flutwasserkatastrophe heimgesucht, deren Auswirkungen im Moment noch nicht einzuschätzen sind. Die Bundesanstalt für Arbeit hat daher ein Sofortprogramm initiiert. Hier sollen im Rahmen von Strukturanpassungsmaßnahmen die Aufräum- und Sanierungsarbeiten wesentlich unterstützt werden. Da hier erhebliche Mittel notwendig sind, hat sich das Land Sachsen-Anhalt entschlossen, diese Maßnahme mit den für dieses Jahr noch zur Verfügung stehenden Mitteln zu bezuschussen. Daher ist in diesem Jahr eine Bewilligung der von Ihnen beantragten SAM nicht mehr möglich.“

Meine Damen und Herren! Damit ist klar, worum es sich handelt. Ich halte es für notwendig, dass wir diese Thematik in den beiden Ausschüssen bereden; denn es darf nicht sein, dass Betroffene gegeneinander ausgespielt werden. Das halte ich nicht für richtig, sondern für falsch. Deshalb sollten wir darüber diskutieren.

(Beifall bei der PDS)

Ich bitte daher nochmals, gerade angesichts des Faktes, den ich gerade erwähnt habe, unseren diesbezüglichen Antrag in die beiden Ausschüsse zu überweisen. - Vielen Dank.

(Beifall bei der PDS)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Gärtner.

Meine Damen und Herren! Wir treten jetzt in die getrennte Abstimmung ein. Wir haben uns im Ältestenrat darauf verständigt, dass wir zuerst über den Antrag zur Einrichtung des zeitweiligen Ausschusses, also über die Drs. 4/248, direkt abstimmen, weil die anderen Drucksachen möglicherweise in den zeitweiligen Ausschuss überwiesen werden sollen.

Ich rufe also zunächst den Antrag in der Drs. 4/248 - Einrichtung eines zeitweiligen Ausschusses „Hochwasser“ - auf. Wer diesem Antrag seine Zustimmung gibt, den bitte ich um das Zeichen mit der Stimmkarte. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Ohne Gegenstimmen und ohne Enthaltungen ist dieser Antrag einstimmig angenommen worden.

Meine Damen und Herren! Damit hat der Landtag einen zeitweiligen Ausschuss „Hochwasser“ eingesetzt. Bereits an dieser Stelle möchte ich die Fraktionen darauf hinweisen, dass sie die Mitglieder des Ausschusses recht schnell benennen möchten, damit der Ausschuss seine Arbeit umgehend aufnehmen kann. - Vielen Dank.

Meine Damen und Herren! Wir kommen nun zur Abstimmung über die Drs. 4/244, den Entwurf eines Gesetzes über staatliche Ausgleichsleistungen für Schadensfolgen aus der Hochwasserkatastrophe im August 2002 im Land Sachsen-Anhalt, einen Gesetzentwurf der Fraktion der PDS. Beantragt ist eine Überweisung des Gesetzentwurfes in den zeitweiligen Ausschuss „Hochwasser“ und in den Finanzausschuss.

Wir stimmen zunächst über die Ausschussüberweisung ab. Wer der Überweisung dieses Gesetzentwurfes in die Ausschüsse seine Zustimmung gibt, den bitte ich um das Zeichen mit der Stimmkarte. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Bei einer Gegenstimme und, soweit ich sehe, zwei Enthaltungen ist dieser Gesetzentwurf mit überwältigender Mehrheit überwiesen worden.

Nunmehr kommen wir zur Abstimmung über die Überweisung in ganz bestimmte Ausschüsse und über die Bestimmung des federführenden Ausschusses. Vorgeschlagen ist, diesen Gesetzentwurf in den zeitweiligen Ausschuss Hochwasser federführend und in den Finanzausschuss mitberatend zu überweisen. Wenn Sie einverstanden sind, stimmen wir gleich zusammenhängend über diese beiden Überweisungen ab. - Wer einer Überweisung in die beiden genannten Ausschüsse bei Federführung des zeitweiligen Ausschusses seine Zustimmung gibt, den bitte ich um das Zeichen mit der Stimmkarte. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Damit ist der Gesetzentwurf einstimmig in die genannten Ausschüsse überwiesen worden.

Meine Damen und Herren! Wir kommen nun zur Abstimmung über den Antrag „Siebenpunkteprogramm zur Flutfolgenbewältigung“ in der Drs. 4/203. Dazu liegt ein Änderungsantrag der CDU-Fraktion und der FDP-Fraktion vor. Es war strittig, ob es sich dabei um einen Änderungs- oder um einen Alternativantrag handelt. Mir wurde signalisiert, dass man einer Ausschussüberweisung für beide Anträge zustimmt. Aus diesem Grund ist eine Debatte darüber, ob es sich um einen Änderungs- oder um einen Alternativantrag handelt, entbehrlich.

Wer der Überweisung des Antrags in der Drs. 4/203 und des Änderungsantrages in der Drs. 4/261 zustimmt, den bitte ich um das Zeichen mit der Stimmkarte. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Beide Anträge wurden einstimmig überwiesen.

Es folgt die Abstimmung über die Ausschüsse. Vorgeschlagen wurde die Überweisung in den zeitweiligen Ausschuss Hochwasser federführend und zur Mitberatung in den Finanzausschuss. Kann ich darüber zusammen abstimmen lassen? - Ich sehe keinen Widerspruch.

Wer der Überweisung zur federführenden Beratung in den zeitweiligen Ausschuss Hochwasser und zur Mitberatung in den Finanzausschuss zustimmt, den bitte ich um das Zeichen mit der Stimmkarte. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Damit sind die Anträge einstimmig in die genannten Ausschüsse überwiesen worden.

Meine Damen und Herren! Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag „Strukturanpassungsmaßnahmen (SAM) im sozialen, ökologischen und kulturellen Bereich“ in der Drs. 4/234. Es wurde vorgeschlagen, den Antrag in den zeitweiligen Ausschuss Hochwasser federführend und in den Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit zur Mitberatung zu überweisen.

Wir stimmen zunächst über die Ausschussüberweisung als solche ab. Wer dem zustimmt, den bitte ich um das Zeichen mit der Stimmkarte. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Das muss gezählt werden. Meine Damen und Herren, ich bitte diejenigen, die der Überweisung zustimmen, die Stimmkarte hochzuhalten. Ich bitte die Schriftführer zu zählen. - Es gibt eine Diskrepanz im Ergebnis. Ich bitte noch einmal um das Votum. - Meine Damen und Herren! Es haben 43 Abgeordnete einer Überweisung zugestimmt.

Wer gegen eine Überweisung stimmt, den bitte ich um das Zeichen mit der Stimmkarte. - Meine Damen und Herren! Es gibt eine Pattsituation, 43 Gegenstimmen. - Enthaltungen? - Damit wurde die Überweisung des Antrags abgelehnt.

Meine Damen und Herren, ich bitte Sie, am Platz zu bleiben. - Die Überweisung ist abgelehnt. Wir müssen deshalb noch über den Antrag selbst abstimmen. Wer dem Antrag in der vorliegenden Fassung seine Zustimmung gibt, den bitte ich um das Zeichen mit der Stimmkarte. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Bei einer großen Zahl von Enthaltungen wurde der Antrag mit großer Mehrheit durch die Fraktionen der CDU und der FDP abgelehnt.

Meine Damen und Herren! Ich rufe Tagesordnungspunkt 5 auf:

Fragestunde - Drs. 4/247

Monatlich findet eine Fragestunde statt. Jede Abgeordnete und jeder Abgeordnete hat das Recht, pro Frage zwei Zusatzfragen zu stellen. Es liegen insgesamt fünf Kleine Anfragen vor.

Ich bitte die Abgeordnete Frau Britta Ferchland von der PDS-Fraktion, die Frage 1 zum Thema Vereinbarung zur Sicherung der Ausbildung junger Menschen in Hochwassergebieten in Sachsen-Anhalt zu stellen. Bitte schön.

Danke schön, Herr Präsident. - Für Auszubildende, die ihre Ausbildung aufgrund der Hochwasserschäden in ihren Ausbildungsbetrieben für mindestens drei Monate nicht fortsetzen können, wurden im Rahmen der Aufbauhilfefonds 16 Millionen € bereitgestellt. Davon übernimmt der Bund 8 Millionen €.

Ich frage die Landesregierung:

1. Wie viele Jugendliche können ihre Ausbildung in welchen Hochwassergebieten in Sachsen-Anhalt nicht fortsetzen?