Protocol of the Session on November 11, 2005

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Warum also jetzt dieser Antrag? Die Landesregierung und mein Haus berichten regelmäßig in den Ausschüssen über die Ursachen der Entwicklungen in der Behindertenhilfe. Die Abgeordneten erhalten regelmäßig aktuelle Informationen.

Ich bin deshalb der Auffassung, dass die im Antrag der Fraktion der Linkspartei.PDS gewünschte zusätzliche schriftliche Stellungnahme der Landesregierung entbehrlich ist. Ich bitte Sie daher, diesen Antrag abzulehnen.

(Zustimmung bei der FDP und bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Minister. - Meine Damen und Herren! Wir beginnen mit der Fünfminutendebatte. Für die CDUFraktion erhält die Abgeordnete Frau Vogel das Wort. Bitte sehr, Frau Vogel.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bei allem Verständnis für das sozialpolitische Engagement der Fraktion der Linkspartei.PDS vermag ich die Intentionen des vorliegenden Antrags nicht nachzuvollziehen.

Gemäß § 29 Abs. 7 des Gesetzes über die Hilfen für psychisch Kranke und Schutzmaßnahmen des Landes Sachsen-Anhalt berichtet der Ausschuss für Angelegen

heiten der psychiatrischen Krankenversorgung einmal jährlich dem Landtag und dem Ministerium für Gesundheit und Soziales über seine Tätigkeit, insbesondere über die Feststellungen und Anregungen der Besuchskommissionen.

Entsprechend dieser Regelung hat der Ausschuss für Angelegenheiten der psychiatrischen Krankenversorgung am 28. September 2005 dem Landtagspräsidenten seinen Bericht übergeben. Der Präsident des Landtages hat gemäß § 54 Abs. 1 Satz 3 der Geschäftsordnung den Tätigkeitsbericht zur Beratung an die Ausschüsse für Gesundheit und Soziales sowie für Gleichstellung, Familie, Kinder, Jugend und Sport überwiesen. Dieses Verfahren war in den letzten Jahren gängige Praxis und hat sich auch bewährt.

Warum die Fraktion der Linkspartei.PDS mit diesem Antrag von dem bewährten Verfahren abweicht, erschließt sich weder aus ihrem Antrag selbst noch aus seiner Begründung. Worin der Sinn einer Debatte liegt, die wir im Plenum führen, bevor wir in den zuständigen Fachausschüssen eine Beratung mit den Mitgliedern des Psychiatrieausschusses durchgeführt haben, bleibt das Geheimnis der Antragstellerin.

Es war in den vergangenen Jahren üblich, gemäß dem eingangs beschriebenen Verfahren über den Bericht im jeweiligen Ausschuss gemeinsam mit den Mitgliedern des Psychiatrieausschusses zu beraten. Dort bestand die Möglichkeit, einen Dialog mit den Mitgliedern des Psychiatrieausschusses zu führen sowie eine Stellungnahme der Landesregierung zu den Ergebnissen des Berichts entgegenzunehmen. Wir halten an diesem Verfahren fest.

Soweit die Antragstellerin der Auffassung ist, dass die Stellungnahmen der Landesregierung in der Vergangenheit unzureichend gewesen seien oder dass darüber hinaus weitergehende Maßnahmen erforderlich seien, um dem Anliegen des Psychiatrieausschusses Rechnung zu tragen, so standen und stehen ihr dazu die entsprechenden parlamentarischen Möglichkeiten offen, dies jedoch erst nach dem Dialog mit den Mitgliedern des Psychiatrieausschusses.

Aus der Sicht meiner Fraktion ist der Antrag der Fraktion der Linkspartei.PDS völlig überflüssig. In den beiden betroffenen Ausschüssen haben wir uns mit einer Fülle von Selbstbefassungsanträgen der Oppositionsfraktionen befasst. Nur in Ausnahmefällen ist derartigen Anträgen nicht entsprochen worden.

Vor diesem Hintergrund wäre es völlig ausreichend gewesen, wenn die Abgeordneten der Linkspartei.PDS in einer Ausschusssitzung ihren Fragenkatalog, wie er in dem vorliegenden Antrag seinen Niederschlag gefunden hat, vorgetragen hätten und dann die Landesregierung gebeten hätten, diese Fragen im Rahmen der Ausschussberatung mit den Mitgliedern des Ausschusses für Angelegenheiten der psychiatrischen Krankenversorgung zu beantworten. Ich bin mir sicher, dass die Landesregierung diesem Ersuchen gern nachgekommen wäre.

Ich gehe davon aus, dass die Landesregierung den vorliegenden Antrag zum Anlass nehmen wird, sich entsprechend auf die Beratung über den 12. Tätigkeitsbericht des Ausschusses für Angelegenheiten der psychiatrischen Krankenversorgung in Sachsen-Anhalt in den weiteren Ausschüssen vorzubereiten, damit diese Fragen entweder im Rahmen der betreffenden oder in einer weiteren Beratung beantwortet werden können.

Frau Abgeordnete, sind Sie bereit, eine Frage der Abgeordneten Frau Dr. Weiher zu beantworten?

Nein.

Im Hinblick auf das eingangs zitierte Prozedere der Beratung über den Tätigkeitsbericht des Ausschusses für Angelegenheiten der psychiatrischen Krankenversorgung nehme ich hier und heute bewusst nicht inhaltlich Stellung zu diesem Bericht.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Nach all dem wird es Sie nicht verwundern, dass die CDU-Fraktion dem vorliegenden Antrag nicht folgen wird. - Danke.

(Zustimmung bei der CDU)

Vielen Dank, Frau Abgeordnete Vogel. - Für die SPDFraktion erteile ich nun der Abgeordneten Frau Dr. Kuppe das Wort. Bitte sehr, Frau Dr. Kuppe.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Herren und Damen Abgeordneten! Bevor ich zum eigentlichen Antrag spreche, will ich zwei Vorbemerkungen machen. Zuerst spreche ich einen herzlichen Dank an alle Mitglieder des Psychiatrieausschusses für die engagierte und auch aufwendige Arbeit aus, die sie auch im vergangenen Jahr wieder geleistet haben.

(Beifall bei der SPD)

Die zweite Vorbemerkung ist ein Glückwunsch an die Bürgermeisterin der Stadt Halle Frau Dagmar Szabados, die gestern, an ihrem Geburtstag, mit dem Preis „Mut 2005“ ausgezeichnet wurde. Sie wurde für ihren Anteil am Aufbau einer gemeindenahen Psychiatrie in der Stadt Halle ausgezeichnet. Für diesen Prozess hat sie eine ganze Menge von Mitstreiterinnen und Mitstreitern gewonnen, die auch bei der Stange bleiben und die Gestaltung in den nächsten Jahren noch begleiten werden.

(Zustimmung bei der SPD)

Wenn es um die psychiatrische Krankenversorgung geht, dann müssen wir, so meine ich, zwei Seiten betrachten. Die erste Seite bezieht sich auf das, was in den vergangenen 15 Jahren in Sachsen-Anhalt erreicht wurde.

Herr Dr. Eckert, ich habe seit 1978 viele Jahre in einer Klinik für Psychiatrie und Neurologie gearbeitet. Ich kann mich noch sehr gut daran erinnern, wie die Zustände in der Psychiatrie zu DDR-Zeiten aussahen. Es gab gravierende Mängel. Es gab strukturelle Defizite. Es gab enorme Defizite in Bezug auf den baulichen und räumlichen Zustand. Es gab Einschränkungen in den diagnostischen und therapeutischen Möglichkeiten und es gab eine massive Ghettoisierung von psychisch kranken Menschen.

In den vergangenen 15 Jahren ist es uns in gemeinsamer Anstrengung gelungen, viele dieser Defizite zu beseitigen. Wenn uns dies auch nicht in Gänze gelungen ist, so doch in erheblichen Größenordnungen. Darüber bin ich sehr froh. Viele in unserem Land haben daran mitgewirkt, dass wir den Stand, den wir jetzt vorfinden, erreicht haben.

(Zustimmung bei der SPD und bei der Linkspar- tei.PDS)

Die zweite Seite bezieht sich jedoch auf die Frage: Was bleibt noch zu tun? Darauf zielt Ihr Antrag ab. Ich denke, es ist noch eine ganze Menge zu tun. Aus meiner Sicht gibt es in den nächsten Jahren drei Schwerpunkte.

Der erste Schwerpunkt ist, dass noch vorhandene Versorgungslücken geschlossen werden müssen. Der zweite Schwerpunkt ist, dass das gemeinsame Handeln von Trägern medizinischer und sozialer Versorgung und Leistungen und von Kostenträgern mit der Selbsthilfe, mit Behörden gestärkt werden muss. Der dritte Schwerpunkt ist, dass noch vorhandene Unterschiede in der öffentlichen Bewertung und im Umgang mit somatisch Kranken und mit psychisch Kranken weiter abgebaut werden und am Ende verschwinden müssen.

Herr Dr. Eckert, wir unterstützen Ihren Antrag, weil darin viele der noch vorhandenen Handlungsfelder benannt werden.

Wir denken, dass der Psychiatrieausschuss in den vergangenen Jahren mit seinen Berichten eine wichtige Grundlage für die Tätigkeit der Landesregierung, aber auch für die vieler Partner im Land gegeben hat. So wird es auch bleiben. Deswegen ist die Auseinandersetzung mit dem 12. Tätigkeitsbericht enorm wichtig.

Wir stimmen Ihrem Antrag zu, allerdings mit einem kleinen Aber im Hinblick auf das Verfahren, Herr Dr. Eckert. - Ich hoffe, ich darf das noch anfügen, Herr Präsident.

Wir haben vor 14 Tagen im Sozialausschuss beschlossen, dass wir uns in der Januarsitzung mit dem 12. Tätigkeitsbericht befassen, dass wir den Psychiatrieausschuss zu der Diskussion einladen und dass wir die Landesregierung bitten, mit uns zusammen zu diskutieren. Sie hätten der Landesregierung vor zwei Wochen, bei der Festlegung dieses Termins durchaus Ihren Fragenkatalog übergeben können.

(Zustimmung bei der CDU und von Herrn Luko- witz, FDP)

Dann hätten die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Ministerium schon seit zwei Wochen intensiv daran arbeiten können. Sie haben ein anderes Verfahren gewählt. Deswegen ist es, denke ich, mit einer größeren Mühe verbunden. So haben wir jetzt im Landtag die Möglichkeit der Diskussion gehabt. Das wäre aber nicht notwendig gewesen; es wäre ein vereinfachtes Verfahren möglich gewesen.

Aber auch wenn dieses vereinfachte Verfahren möglich gewesen wäre, finde ich es doch sehr ignorant, wenn Sie, Herr Minister, diese Verfahrensfrage jetzt als Grund für die Ablehnung des Antrages heranziehen und den Koalitionsfraktionen die Ablehnung des Antrages empfehlen.

Ich bitte Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU und der FDP, darüber nachzudenken, ob es nicht um des Inhalts willen angezeigt ist, die Landesregierung zu bitten, diese Fragen zu beantworten, diese Punkte zu

bedenken und dann im Vorfeld der Ausschussberatung den Abgeordneten eine entsprechende Stellungnahme zur Verfügung zu stellen. - Danke.

(Zustimmung bei der SPD und bei der Linkspar- tei.PDS - Frau Bull, Linkspartei.PDS: Das ist wahr!)

Vielen Dank, Frau Dr. Kuppe. - Für die FDP-Fraktion erhält nun der Abgeordnete Herr Scholze das Wort. Bitte sehr, Herr Scholze.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ohne Zweifel bildet der Bericht des Psychiatrieausschusses eine wichtige Diskussionsgrundlage für die Arbeit im Ausschuss für Gesundheit und Soziales, bietet er doch, in verständlicher Sprache formuliert, einen Überblick über die Situation der Versorgung psychisch Kranker in Sachsen-Anhalt.

Nach meiner Einschätzung haben wir uns in allen Fraktionen immer sehr intensiv mit den Berichten befasst, insbesondere dann, wenn in kritischen Aussagen Defizite in der Versorgung aufgezeigt wurden und somit bei uns als den politischen Akteuren ein Handlungsdruck entstand. Bei den Beratungen über die Berichte haben wir ebenso immer die Sichtweise der Landesregierung zur Kenntnis nehmen können.

Meine Damen und Herren! An dieser Stelle möchte ich im Rahmen eines Zwischenfazits feststellen, dass der Wissensdurst, der auch in dem Antrag seinen Niederschlag findet, von der Landesregierung stets gestillt wurde. Antworten auf Kleine Anfragen und regelmäßige Selbstbefassungen machen dies deutlich.

Meine Damen und Herren! Ich möchte gern auf einige Aspekte des Antrags eingehen. Dass auf dem Gebiet der ambulanten psychiatrischen Versorgung aufgrund des Mangels an entsprechenden Fachärzten insbesondere im ländlichen Raum Defizite bestehen, ist allen bekannt. Leider - so muss man konstatieren - ist es bisher noch nicht gelungen, die Rahmenbedingungen so optimal zu gestalten, dass sich wieder Psychiater in ländlichen Gebieten niederlassen.

Ich stelle an dieser Stelle die Frage, ob uns dies je in dem gewünschten Umfang gelingen wird; denn im Gesundheitswesen sind nicht nur finanzielle Ressourcen knapp, sondern auch die Ressource Mensch/Arzt und damit die nötige Zuwendung, die gerade im Bereich der Psychiatrie mit der Bereitschaft verbunden sein muss, selbst äußerste Belastungen zu ertragen.

Ein anderer Aspekt ist die in dem Antrag angesprochene Problematik der Enthospitalisierung, also die Umsetzung des Grundsatzes „ambulant vor stationär“.

Wir stimmen sicherlich in der Einschätzung überein, dass die individuelle Freiheit eines Menschen mit Behinderung am besten in seiner häuslichen Umgebung verwirklicht werden kann. Daher bin ich erfreut, dass der Psychiatrieausschuss die Aktivitäten des Landesgesetzgebers anerkennt, die zur Errichtung der Sozialagentur geführt haben; denn deren Aufgabe ist auch die Umsetzung dieses Grundsatzes. Verständlicherweise kann mit einer neuen Verwaltungsstruktur ein solches Problem nicht ad hoc gelöst werden. Dass dies so ist, erfahren wir regelmäßig im Ausschuss.

Meine Damen und Herren! Ich begrüße es, wenn sich das Ministerium, der Psychiatrieausschuss sowie die Mitglieder des Gesundheits- und Sozialausschusses wie jedes Jahr kritisch mit den Aussagen und Hinweisen des Psychiatrieausschusses befassen. Das läuft nach meiner Einschätzung immer sehr konstruktiv ab.

Unabhängig davon, ob der Antrag heute angenommen wird, ist festzustellen, dass die Bereitschaft der Landesregierung, über die aufgeworfenen Probleme mit uns zu diskutieren, immer gegeben war und auch in der Zukunft vorhanden sein wird; denn letztlich geht es um eine Verbesserung der Versorgung psychisch Kranker bei uns im Land. Das ist ein Ziel, welches wir uns mit dem Gesetz Anfang der 90er-Jahre selbst gesetzt haben. - Ich danke für die Aufmerksamkeit.