Protocol of the Session on September 9, 2005

Deshalb schlagen wir vor, die Sache parallel zu betreiben und unseren Antrag durch den Punkt 2 des Antrags der Fraktionen der CDU und der FDP zu ergänzen. Damit wären wir einverstanden und kämen vielleicht auch zu einer schnelleren Lösung. Man müsste dann vielleicht den Eingangssatz des Punktes 2 um das kleine Wörtchen „auch“ ergänzen. Dann würde sich das logisch anschließen.

Ich finde, die CDU und die FDP könnten sich auf diesen Vorschlag einlassen. Wir könnten hiermit relativ schnell

zu Erfolgen und zur Klärung der Problematik im Sinne der Betroffenen kommen. - Danke schön.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Vielen Dank, Frau Dr. Hein. - Meine Damen und Herren! Wir treten in eine Fünfminutendebatte ein. Für die CDUFraktion erhält zunächst die Abgeordnete Frau Feußner das Wort. Bitte sehr, Frau Feußner.

(Minister Herr Dr. Daehre: Moment, Herr Präsi- dent! Die Landesregierung muss noch reden!)

Ich bitte um Entschuldigung, Frau Feußner. - Zunächst hat für die Landesregierung der Minister für Kultur und Bildung Herr Professor Dr. Olbertz um das Wort gebeten. Bitte sehr, Herr Professor Dr. Olbertz.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist wohl niemand in diesem Haus der Ansicht, dass die finanziellen Verhältnisse der Eltern darüber entscheiden dürfen, ob ein Schüler die Sekundarstufe II besuchen kann. Insofern ist die Frage, ob bestimmte Personengruppen durch bestimmte politische Entscheidungen zusätzlichen Härten ausgesetzt sein können, berechtigt.

Allerdings sind die Empfänger des Arbeitslosengeldes II möglicherweise nicht die einzige betroffene Gruppe. Betrachtet werden müssten mindestens im Sinne eines Vergleichs auch Empfänger von Leistungen nach dem SGB XII oder Bezieher geringer Einkommen.

Der Kreis der nach § 71 Abs. 2 des Schulgesetzes zu befördernden Schülerinnen und Schüler ist seit vielen Jahren unverändert. Darüber hinaus sieht das Schulgesetz lediglich in § 71 Abs. 5 die Möglichkeit vor, dass auch Schülerinnen und Schüler, die nicht unter die Beförderungspflicht fallen, von den Trägern der Schülerbeförderung, also den Kreisen und kreisfreien Städten, Zuschüsse erhalten. Die bisher in diesem Absatz ausgesprochene Verordnungsermächtigung besteht zwar nicht mehr - ich glaube übrigens, aus gutem Grund -, da sie in der Sache substanzlos war und nur den fälschlichen Eindruck erwecken konnte, das Land würde oder könnte Gutes auf Kosten Dritter tun.

Sie alle wissen und auch der Antrag lässt durchblicken, dass die Landesregierung und insbesondere das Kultusministerium hierbei nicht alleiniger Herr des Verfahrens sind. Ungeachtet dessen schlage ich vor, dass die Landesregierung die Schulträger oder deren Spitzenorganisationen um eine Antwort auf die im Änderungsantrag der Fraktionen der CDU und der FDP aufgeführten Fragen bittet und die genannten Ausschüsse über den gewonnenen Sachstand unterrichtet.

Ich füge hinzu: Ich bin auch gern bereit, noch einmal über die Frist zu reden; denn es ist richtig: Wenn das Problem so dringend ist, wie es in dem Antrag angenommen wird, dann sollten wir keine Zeit verlieren. Ich könnte einen solchen Sachstandsbericht auch ohne weiteres bereits im November 2005 vorlegen. Ich mache Ihnen dieses Angebot, um auch den Antragstellern entgegenzukommen.

(Beifall bei der CDU)

Zu diesem Sachstandsbericht werden auch Angaben zu der Frage gehören, inwieweit die Träger der Schülerbeförderung schon jetzt von der Möglichkeit Gebrauch

machen, Zuschüsse zu gewähren. Eine Kernfrage scheint mir dabei zu sein, inwieweit das offenbar als Pauschale ausgereichte ALG II die zuvor berücksichtigten Einzeltatbestände umfasst bzw. inwiefern es bisher überhaupt möglich war, Zuschüsse zu den Kosten für die Schülerbeförderung zu erhalten.

Auch wenn ich als Kultusminister heute für die Landesregierung spreche, habe ich den Eindruck, dass wir bei der weiteren Erörterung in den Ausschüssen auf den Sachverstand anderer Ressorts angewiesen sein werden.

Aber, wie gesagt, ich bin gern bereit, die im Änderungsantrag aufgeworfenen Fragen zügig zu bearbeiten und damit schnell zu einer entsprechenden Debatte in den Ausschüssen zu kommen, auch schneller als es im ursprünglichen Wortlaut des Änderungsantrags beschrieben war. - Ich bedanke mich.

(Beifall bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Minister. - Nun treten wir in die Fünfminutendebatte mit den Fraktionen ein. Das Wort hat die Abgeordnete Frau Feußner. Bitte sehr, Frau Feußner.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Antrag der PDS-Fraktion greift ein Problem, eine Folgeerscheinung der Hartz-IV-Gesetzgebung auf, die ernsthaft hinterfragt werden muss. Wenn es solche Probleme gibt, müssen diese - der Herr Minister hat es eben angesprochen - einer Lösung zugeführt werden.

Die von der Bundesregierung eingebrachte und verabschiedete Hartz-IV-Gesetzgebung hat auch in anderen Punkten zu sehr viel Kritik geführt. Sie ist handwerklich schlecht gemacht. Auch wenn die CDU-Bundestagsfraktion diese Gesetze zum Teil mitgetragen hat, konnten nicht alle Fehler ausgemerzt werden.

(Zustimmung von Herrn Tullner, CDU)

Dafür ist im Endeffekt Rot-Grün verantwortlich. Ich denke, nicht zuletzt war auch die bevorstehende Bundestagswahl ein Anlass für den heutigen Antrag.

Mich hat bei dem PDS-Antrag verwundert, dass der geforderte Bericht in den Ausschüssen für Gleichstellung, Familie, Kinder, Jugend und Sport sowie für Bildung und Wissenschaft gegeben werden soll. An sich müsste über dieses Anliegen im Sozialausschuss, im Innenausschuss und im Verkehrsausschuss diskutiert werden. Der Bildungsausschuss kann aus meiner Sicht bei dieser Problematik nur geringfügig reagieren. Deshalb sollten aus meiner Sicht auch die anderen eben genannten Ausschüsse beteiligt werden.

(Zustimmung von Herrn Dr. Sobetzko, CDU)

Verehrte Anwesende, bitte verstehen Sie mich nicht falsch. Wie ich eingangs schon sagte, bin auch ich aus rein bildungspolitischer Sicht der Auffassung, dass nach entsprechender Recherche und einem Sachstandsbericht durch die Landesregierung nach Lösungen gesucht werden muss. Aus unserer Sicht ist es aber, wie in unserem Änderungsantrag ersichtlich, zunächst erforderlich, diese Bestandsaufnahme durchzuführen. Dies ist mit Sicherheit nicht ganz einfach. Sollte diese Problematik evident sein, dann sind wir geradezu verpflichtet zu reagieren.

Alle, die wir hier sitzen, wissen, dass sowohl unser Landeshaushalt als auch die kommunalen Haushalte kaum bzw. keinen Spielraum mehr zulassen. Eine Lösung der angesprochenen Problematik wird jedoch mit Sicherheit in irgendeiner Form mit Mehrkosten verbunden sein.

Mir als Bildungspolitikerin liegt jedoch vor allem die Chancengerechtigkeit am Herzen. Selbst die Pisa-Studie hat ermittelt, dass die soziale Herkunft in Deutschland häufig auch darüber entscheidet, ob eine Familie eher der bildungsnahen oder der bildungsfernen Schicht zuzuordnen ist. Mit Ihrer Erlaubnis, Herr Präsident, zitiere ich eine kurze Passage aus der Pisa-Studie:

„Vertiefte Analysen in Deutschland zeigen, dass die sozialen Disparitäten beim Gymnasialbesuch besonders ausgeprägt sind.“

Die in Rede stehende Problematik könnte, sofern sie sich bestätigt, genau diese Situation noch verschärfen.

Man kann heute an dieser Stelle keine Einzelfallbetrachtung vornehmen. Man kann auch noch keine Lösung bieten. Aber meine Erkundungen in anderen Bundesländern haben ergeben, dass es durchaus intelligente Lösungen geben kann. Ich möchte nur auf Thüringen hinweisen, wo die kommunalen Träger auch die Beförderung der Schüler in den 11. und 12. Klassen übernehmen und dort selbst entscheiden können, wie sie die Eltern an den Kosten beteiligen wollen. Andere handeln wiederum so wie wir.

Deshalb schlage ich an dieser Stelle vor, dass wir uns auch in den anderen Bundesländern umsehen, um Informationen darüber zu erhalten, wie dort mit dem beschriebenen Problem umgegangen wird bzw. welche Antworten dort gegeben werden. Wir sollten schnell handeln, sofern dies möglich ist, weil das Schuljahr bereits vor zwei Wochen begonnen hat und eventuell Betroffene bereits mit dem Umstand umgehen müssen.

Deshalb möchte ich unseren Änderungsantrag auch auf den Vorschlag des Ministers hin noch einmal dahin gehend verbessern, dass wir nicht bis spätestens Ende 2005, sondern bis spätestens Ende November 2005 den Bericht einfordern. Ich bitte den Präsidenten, dies entsprechend aufzunehmen. - Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Vielen Dank, Frau Feußner. - Die Debatte wird mit dem Beitrag der SPD-Fraktion fortgesetzt. Es spricht Frau Mittendorf. Bitte sehr.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es steht wohl außer Frage und ist letztlich nur durch Pisa bestätigt worden, dass der Erfolg des Bildungserwerbs tatsächlich von der sozialen Herkunft abhängt. Wir dürfen nicht noch Maßnahmen ergreifen oder Dinge betreiben, die dazu führen, dass diese Abhängigkeit verstärkt wird.

Es ist sicher richtig, dass die Hartz-IV-Gesetze einige Probleme aufwerfen. Ich bitte aber die CDU, dass sie sich diesbezüglich sehr zurückhält; denn überwiegend haben Sie da im Bundesrat mitgestimmt.

(Beifall bei der SPD - Zustimmung bei der Links- partei.PDS - Frau Bull, Linkspartei.PDS: Das se- he ich auch so!)

Meine Damen und Herren! Der vorliegende Antrag suggeriert, ein Problem nicht nur zu nennen, sondern gleichzeitig eine Lösung anzubieten. Deshalb sollte sich man den Text einmal genau ansehen. Ich zitiere einmal aus diesem Antrag:

„Die Landesregierung soll... Maßnahmen vorschlagen, um Erziehungsberechtigte... von den Kosten der Schülerbeförderung zu entlasten.“

Das heißt nicht, dass klar ist, dass der Fall wirklich vorliegt, bzw. dass, wenn man dies so beschließen würde, feststünde, dass man entlastet.

Ich will bestimmt nicht, dass Menschen in diesem Staat, wenn sie aus ganz unterschiedlichen Gründen finanzielle Probleme haben, nicht von den Kosten für ihre Kinder entlastet werden. Aber wir wissen aus der Realität des Lebens, dass es in dieser Gesellschaft auch eine Reihe von anderen Gruppen gibt - das hat auch der Minister angesprochen -, die mindestens ähnliche Probleme haben. Das heißt, es gibt eine Reihe von gering verdienenden Bürgerinnen und Bürgern in diesem Staat, die alle Aufwendungen selbst tragen müssen, was dazu führt, dass sie letztlich so schlecht gestellt sind, dass sie möglicherweise die gleichen Probleme haben, wenn es um ihre Kinder in dieser Frage geht.

Meine Damen und Herren! Ich glaube, wir haben durchaus einige Möglichkeiten - diese gibt das Schulgesetz vor -, um hier Abhilfe zu schaffen. § 71 Abs. 5 des Schulgesetzes macht bezüglich der Schülerbeförderung einiges möglich.

Zweitens besteht die Möglichkeit - das ist im Einzelfall zu prüfen -, für Schülerinnen und Schüler der Sekundarstufe II BAföG zu beantragen, wenn die Bedingungen zutreffen. Drittens gibt es Möglichkeiten, über den so genannten Kinderzuschlag einiges abzufedern.

Meine Damen und Herren! Nichtsdestotrotz glaube ich, dass wir, bevor wir Entlastungen für eine Gruppe beschließen und möglicherweise andere schlechter behandeln, tatsächlich eine ordentliche Recherche brauchen, und zwar möglichst schnell. Dies steht außer Frage. Denn ich habe ein Problem damit, über ein Problem zu diskutieren und eine Lösung zu beschließen, wenn ich gar nicht weiß, ob das Problem ein so großes ist.

(Beifall bei der SPD - Zustimmung von Minister Herrn Prof. Dr. Olbertz)

Meine Damen und Herren! Insofern bitte ich darum, dass man beide Anträge in den Ausschuss überweist, und zwar nicht nur in den Bildungsausschuss, sondern auch in den Innenausschuss, in den Finanzausschuss und in die anderen genannten Ausschüsse. Wir können als Landtag nicht immer über Entscheidungsträger entscheiden, die an anderer Stelle eine Entscheidung treffen müssen.

Sollte sich herausstellen, dass das genannte Problem tatsächlich ein Problem ist - ich kann mir schon vorstellen, dass es an einigen Stellen diese Probleme gibt -, dann, denke ich, sind wir als Bildungs- und Kommunalpolitiker gefordert, hierfür eine Lösung anzubieten, die den betroffenen Kindern und Jugendlichen die Chance gibt, weiterführende Bildungswege zu beschreiten, die auch etwas an das Portmonee der Eltern gehen.

Übrigens wurde hier auch Bezug genommen auf berufsvorbereitende Maßnahmen, darauf, dass das angeblich

alles bezahlt werden müsse. Wenn man noch einmal in § 71 Abs. 2 sieht, dann weiß man, dass das schulische Berufsgrundbildungsjahr und das Berufsvorbereitungsjahr für die Schüler in diesem Fall kostenfrei sind.

Um alle Unsicherheiten zu beseitigen und die Dinge, die man wirklich erfahren muss, noch einmal zu konkretisieren, ist meine Bitte, beide Anträge in den Ausschuss zu überweisen, um dort sachlich und ruhig darüber zu diskutieren. Denn jetzt hat es den Anschein, dass man sich zielgerichtet eine Gruppe herausgreift und andere eventuell vernachlässigt, die zumindest genauso viel Hilfe bedürften. - Vielen Dank, meine Damen und Herren.