Protocol of the Session on September 8, 2005

(Zustimmung bei der Linkspartei.PDS)

Abschließend, sehr verehrte Damen und Herren, möchte ich noch einmal auf die Entwicklung der ländlichen Räume zu sprechen kommen. Wie nichts anderes stehen diese für Abwanderung aus Sachsen-Anhalt. Sie sind zugleich die schlimmsten Niedriglohnbereiche im Land. Nirgendwo wird der Fortzug der jüngeren Generation so schmerzhaft empfunden wie dort.

Die Lebensqualität in den ländlichen Räumen wird durch den Verlust von Kaufkraft und von Bevölkerung weiter beeinträchtigt. Die Entfernungen zum Arzt, zur Schule und zu anderen Dienstleistungen wachsen.

Der Charakter des ländlichen Raumes unterliegt einer ständigen Veränderung. Diese Perspektive bedeutet, dass die ländliche Struktur unter Berücksichtigung der Bewahrung des dörflichen Charakters sowohl als Standort für Landwirtschaft, Handwerk und Gewerbe als auch hinsichtlich der Landschaftspflege und des Schutzes vor Zersiedlung gezielt zu fördern ist. Die Abwanderung muss gestoppt werden.

Die Zukunft der ländlichen Räume ist eine große Herausforderung für die Landespolitik. Erfolge hierbei werden nur langfristig zu erzielen und nicht in Zeiträumen von Wahlperioden zu messen sein.

(Zustimmung bei der Linkspartei.PDS)

In der jetzigen Situation kommt es vor allem darauf an, öffentliche Angebote wie Schulen, Kindergärten und Verkehrsangebote soweit wie möglich aufrechtzuerhalten und bestehende Arbeitsplätze zu sichern.

Die Fraktion der Linkspartei.PDS hat sich mit ihren Thesen zur Entwicklung der ländlichen Räume klar positioniert. Trotz der Bildung einer Allianz - wir hörten es vorhin - und wiederkehrender Beratungen und Beteuerungen der Landesregierung fehlen nach wie vor klare politische Leitlinien bzw. Handlungsoptionen der Landesregierung. Meine Damen und Herren! Diesbezüglich werden wir auch künftig Herausforderer der Landesregierung sein. - Ich danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS - Zustimmung von Herrn Oleikiewitz, SPD)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Krause. - Meine sehr geehrten Damen und Herren! Begrüßen Sie mit mir auf der Tribüne Damen und Herren der Selbsthilfegruppe „Multiple Sklerose“ und Mitglieder des Arbeitskreises für Behinderte Sangerhausen.

(Beifall im ganzen Hause)

Wir setzen die Debatte mit dem Beitrag der FDP-Fraktion fort. Es spricht zu uns der Abgeordnete Herr Hauser. Bitte sehr, Herr Hauser.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Land- und Ernährungswirtschaft gehört zu den erfolgreichsten Wirtschaftsbereichen unseres Landes und ist im bundesdeutschen Vergleich ganz vorn mit dabei. Darauf können wir stolz sein.

(Zustimmung von Herrn Dr. Sobetzko, CDU)

Ich glaube, bis zu diesem Punkt besteht in diesem Hause auch Einigkeit. Ob das Redemanuskript des Kollegen Krause bei wem auch immer - in diesem Fall von Ihnen, Frau Ministerin - abgeguckt wurde oder in welcher Form, ist nicht wichtig. Das, was aus der Sicht der FDPFraktion entscheidend ist, möchte ich Ihnen als einer der wenigen Praktiker unter uns, die selbst ein Agrarunternehmen führen und tagtäglich erleben, was vor sich geht, wiedergeben.

Eines möchte ich noch betonen - das ist mir auch wichtig -: Ich kann für die Zeit ab 1990 sprechen, lieber Kollege Krause. Auf die Sachen, die vor 1990 gewesen sind, will ich mich nicht einlassen. Das habe ich nicht erlebt. Ich war nicht dabei. - So viel zu dieser Sache.

(Zuruf von Herrn Reck, SPD)

- Das ist egal, wie auch immer.

Die zur Wende 1990 von der damaligen Landesregierung der CDU und der FDP vorgegebene und vor allem geförderte Politik einer engen Verknüpfung des Produzierens, Veredelns und Verarbeitens von Agrarprodukten im eigenen Land war eine strategische Meisterleistung, unabhängig davon, in welcher Rechtsform die Betriebe wirtschafteten und wie groß sie waren. Das muss klar festgestellt werden.

(Zustimmung bei der FDP - Zustimmung von Mi- nisterin Frau Wernicke)

Die Produktions- und Wertschöpfungskette einhergehend mit gesicherten heimatnahen Arbeitsplätzen - ich betone: heimatnahen Arbeitsplätzen - konnte auf dieser Schiene trotz aller Veränderungen entscheidend gesichert und weiterentwickelt werden. Trotz der im Januar 2001 von der - das werden Sie von der SPD nicht gern hören, aber ich sage es trotzdem, weil es ein Stück Wahrheit ist - Noch-Bundesregierung im Zuge der BSEKrise inszenierten nationalen Agrarwende und vor allem der medienwirksamen unsachlichen Beschuldigungen durch den Noch-Bundeskanzler - -

(Zuruf von Herrn Bullerjahn, SPD)

- Herr Bullerjahn, wenn man nicht betroffen ist, wenn es nicht um das Geld und das Unternehmen geht, dann regt man sich relativ wenig darüber auf.

(Herr Bullerjahn, SPD: Wir schreien Sie auch nicht an!)

- Ich bin eben für eine klare und deutliche Aussprache.

(Heiterkeit und Zustimmung bei allen Fraktionen)

Vielleicht müsste der Tontechniker das anders einstellen. Sie haben wenigstens die Möglichkeit, mich klar und deutlich zu verstehen. Ich gebe mir Mühe.

(Heiterkeit bei allen Fraktionen)

Ich fahre fort: Trotz der unsachlichen Beschuldigungen durch den Noch-Bundeskanzler Schröder konnten sich preiswerte Agrarprodukte

(Zuruf von Herrn Bullerjahn, SPD)

- ja, ich betone, des Noch-Bundeskanzlers - aus Sachsen-Anhalt auf dem EU-Binnenmarkt mit mehr als 450 Millionen Verbrauchern Stück für Stück Marktanteile sichern und ausbauen und somit auch in wirtschaftlich schweren Zeiten für die Landwirtschaft einen zukunftsfähigen Produktionsstandort sichern. Ein Beispiel dafür ist der Erfolg eines Molkereiproduktes aus dem Süden Sachsen-Anhalts auf dem italienischen Markt. Selbst die Franzosen mussten zurückweichen. Das ist eine Leistung.

(Zustimmung bei der FDP)

Nun ist die Landwirtschaft wie jeder andere Wirtschaftszweig auch dem Wandel unterworfen. Wir dürfen die Augen nicht vor der Globalisierung verschließen, sondern wir müssen sie aktiv mitgestalten. Dazu gehört auch der Abbau von Subventionen, der zu einer Liberalisierung der Agrarmärkte führt. Jetzt, im gleichen Zug, müssen nationale Wettbewerbsbenachteiligungen, so wie Sie es gesagt haben, Frau Ministerin, beseitigt werden, ansonsten würde unsere Agrarwirtschaft klassisch ausgebremst.

Ein aktuelles Beispiel ist die Zuckermarktordnung. Ich will nicht näher darauf eingehen. Ich kann Ihnen, lieber Herr Krause, in der Thematik folgen und inhaltlich Recht geben. Ich möchte aber eines hinzufügen: Wie soll die europäische Zuckerrübe gegen das brasilianische Zuckerrohr auf dem globalisierten Markt bestehen, wenn dort ca. 15 Großgrundbesitzerfamilien über 2 Millionen ha dieses Landes verfügen und ihr Produkt, ohne jeglichen Sozial- und Umweltstandard einzuhalten, bis zu 50 % unter unseren Produktionskosten weltweit gewinnbringend anbieten können? Das funktioniert nicht.

(Herr Dr. Polte, SPD: Hört, hört!)

Wir brauchen mehr Wettbewerb in der Landwirtschaft. Auf der einen Seite haben wir Bürokratie, auf der anderen Seite Subventionen. Das hat die Landwirtschaft Jahrzehnte vom Wettbewerb abgehalten und sie in verschiedenen Produktionszweigen künstlich, gefördert mit vielen Steuergeldern, in eine Überproduktion hineingetrieben. Den Landwirten wurde die Entscheidungsfreiheit bei ihrem unternehmerischen Handeln erschwert und zum Teil unmöglich gemacht. Die Landwirtschaft leidet unter zu wenig Markt und zu viel Bürokratie.

Mit der Umsetzung der jüngsten EU-Agrarreform ist ein entscheidender Schritt in die richtige Richtung gemacht worden. Trotzdem haben wir noch einen viel zu großen Verwaltungs- und Kontrollaufwand. Er ist viel zu hoch, viel zu ausgeschliffen, viel zu realitätsfremd. Er kostet die Landwirte und die Verwaltungen Unmengen an Geld.

Die derzeitige Entwicklung auf dem Rohöl- und Energiemarkt enthält auch Chancen für die Landwirtschaft in unserem Land, nachdrücklich Chancen. So wird und muss sich neben der Nahrungsmittelproduktion eine ebenbürtige Rohstoff- und Energieproduktion entwickeln. Ich möchte an dieser Stelle ausdrücklich darauf hinweisen, dass der Wald der wichtigste und beständigste Rohstofflieferant der Zukunft sein wird.

Die Forstwirtschaft ist in diesem Bundesland von der Landwirtschaft allerdings relativ abgekoppelt. Sie ist im klassischen Sinne nicht mit den Verhältnissen in Süddeutschland, in Hessen oder in Rheinland-Pfalz zu vergleichen. Die Agrar- und die Forstwirtschaft sind relativ getrennt. Ich möchte aber, weil der Punkt ein ganz anderer ist, zu der Forststruktur nicht extra Stellung nehmen. Wir werden noch ausführlich darüber diskutieren.

Es ist ein grundlegend zukunftsweisender und mutiger Schritt, im Zentrum für Tierhaltung und Technik in Iden mit einem privaten Partner, der Landesanstalt für Landwirtschaft und Gartenbau, ein Bioenergiezentrum für Lehrzwecke zu gründen. Das ist eine echte Zukunftsinvestition, die sich in Zukunft für unser Land sicherlich auszahlen wird.

Bei allen Entwicklungen und Veränderungen müssen wir darauf achten, dass nicht, wie in der jüngsten Vergangenheit geschehen, so genannte ideologische Programme zum Beispiel den ökologischen Landbau festsetzen. Populistische grüne Medienauftritte mit wenig sachlichem und fachlichem Hintergrund, mit utopischen Forderungen und Träumereien bringen uns keinen Millimeter weiter.

Drei Agrarreformen mit verschiedenen politischen Zielstellungen überfordern die Agrarunternehmen vor allem hinsichtlich langfristig angelegter Investitionen und Produktionsausrichtungen. Ständige Systemwechsel in der EU-Agrarpolitik mit zahlreichen verschärften Vorschriften auf nationaler Ebene, vor allem im Umwelt-, Natur- und Pflanzenschutz sowie im Tierhaltungsbereich, bringen die Bauern, egal in welcher Rechtsform und Betriebsgröße sie wirtschaften, zum Verzweifeln.

Große zusätzliche Chancen sehe ich in der regionalen Landwirtschaft. Ich meine damit die regionale Produktion hochwertiger und gesunder Güter mit einer regionalen Vermarktung. Die Nähe zwischen Landwirt und Verbraucher schafft eine neue Qualität und dadurch Vertrauen in die ländlichen Produkte. Regionale Herkunftszeichen für Agrarproduktion und Ernährungswirtschaft schaffen zu

dem auch über die Grenzen Sachsen-Anhalts hinaus neue Vermarktungschancen.

(Herr Dr. Köck, Linkspartei.PDS: Zählt auch die 100 000er-Schweinemastanlage dazu?)

Die sachsen-anhaltische Landwirtschaft ist eine tragende Säule des ländlichen Raumes und muss sich als Dienstleister mit einem noch breiteren Angebotsspektrum verstehen. Dazu gehören Aufgaben in Naturschutz und Landschaftspflege sowie hervorragende Chancen im Tourismus. Die Chancen der Landwirtschaft sind nicht gering. Um sie nutzen zu können, brauchen wir vernünftige Rahmenbedingungen.

Neben dem Abbau von Verwaltungs- und Kontrollaufwand und der Rücknahme der Überreglementierung und der Wettbewerbsnachteile brauchen die Landwirte eine sichere Produktionsgrundlage, nämlich Grund und Boden. In Sachsen-Anhalt sind 88 % der landwirtschaftlichen Nutzfläche gepachtet und nur 12 % Eigentum. Ich sehe den Verkauf von landwirtschaftlichen Nutzflächen an hier wirtschaftende Landwirte als großen Vorteil an, weil Grund und Boden den Menschen im Land hält. Das ist uns allen wichtig.

Wir alle sind daran interessiert, dass die Menschen im Land bleiben, Familien gründen und vernünftig wirtschaften können. Dafür brauchen sie eine langfristig sichere Wirtschaftsgrundlage. Dies kann ihnen das Land als größter Flächeneigentümer in Sachsen-Anhalt bieten. Deshalb ist es gut, dass die Landgesellschaft weitere Flächen an hier wirtschaftende Unternehmen und Unternehmerfamilien verkauft.

In diesem Zusammenhang möchte ich die Arbeit der Landgesellschaft, die dem Land zu 92 % gehört, ausdrücklich loben. Die Landgesellschaft hat unter Frau Wernicke als Aufsichtsratsvorsitzende hervorragende Arbeit geleistet. Wir sind uns sicher, dass die Landgesellschaft auch bei der Grundstücksbevorratung und der Realisierung der Nordverlängerung der Autobahn A 14 gute Arbeit leisten wird.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Darüber wird sich besonders - jetzt ist er leider nicht anwesend - Herr Minister Daehre freuen, da bereits im kommenden Jahr mit dem Bau begonnen werden soll.