Protocol of the Session on September 8, 2005

Meine Frage ist: Wie kommt die Landesregierung dazu, einfach eine überplanmäßige Verpflichtungsermächtigung in Höhe von 16 Millionen € zu bewilligen und damit den Abschluss eines Mietvertrages über eine Laufzeit von 15 Jahren zu ermöglichen?

In den vergangenen drei Jahren hörte ich gerade von Ihnen, Herr Minister Paqué, immer wieder, dass es nun endlich darum gehe, für Haushaltswahrheit und -klarheit zu sorgen,

(Beifall bei der Linkspartei.PDS - Zustimmung bei der SPD)

und die Landesregierung dies täglich, stündlich, minütlich auf all den Baustellen hier im Lande tue.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

In diesem Falle hätten aber Haushaltswahrheit und Haushaltsklarheit vermutlich zum Scheitern des Mietvertrages in dieser Fassung führen können. Das wussten Sie sehr wohl. Deshalb geschah es dann auch sehr schnell und am Parlament vorbei. Der Minister des Innern - Frau Fischer hat es auch gesagt - hat am 27. Juni 2005 die Bewilligung beantragt. Bereits am 1. Juli wurde der Antrag von Ihnen, Herr Minister, bewilligt. Das ist eine absolute Rekordzeit in Bezug auf die von Ihnen immer wieder zitierte Unvorhersehbarkeit. Auch darauf komme ich noch einmal zu sprechen.

Der Umgang mit landeseigenen Immobilien und mit Mietverträgen beschäftigt die Landesregierung und den Landtag nicht erst seit dem Juli 2005. Deshalb hat ja die jetzige Landesregierung zum 1. Januar 2004 den Lan

desbetrieb Liegenschafts- und Immobilienmanagement Sachsen-Anhalt - besser bekannt als Limsa - gegründet. Ein effizienter Ressourcen- und Vermögenseinsatz sowie Kosteneinsparungen bei der Nutzung, Bewirtschaftung, Verwaltung und Unterhaltung des Immobilienportefeuilles sollte erreicht werden. So steht es jedenfalls im Haushaltsplan 2004.

So richtig scheint das aber nicht zu funktionieren. Das Land hat zwar mehr als genug Immobilien, aber scheinbar sind alle zu klein, am falschen Ort oder mit den falschen Leuten besetzt, um das Landesamt für Vermessung und Geoinformation unterzubringen. Ich verweise hierzu nur auf die Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage meines Kollegen Dr. Uwe-Volkmar Köck vom 17. Juni 2005 zur Nutzung von Verwaltungsgebäuden in Halle durch Landesbehörden.

Abgesehen davon, dass scheinbar Tausende Beamte und Angestellte immer wieder mit Ein- und Auspacken beschäftigt sind, ergibt sich hierzu die Frage, ob es wirklich besser wird, wenn es anders wird. Das Gebäude allein bringt es ja auch nicht.

(Zustimmung bei der Linkspartei.PDS)

Gewisse Erkenntnisse bringt uns vielleicht noch die ausstehende Antwort auf die Kleine Anfrage meines Kollegen Gärtner vom 1. August 2005 nach Kosten, Objekten, Umzug und Kosten für betroffene Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Landesamtes für Vermessung und Geoinformation.

Das Thema Mietverträge hat uns bzw. die Mitglieder des Finanzausschusses auch während der Debatte um die Verabschiedung des Doppelhaushaltes 2005/2006 bewegt. Der Mietvertrag für eine Immobilie, in der das Landesverwaltungsamt in Halle untergebracht wurde, sollte ebenfalls für einen Zeitraum von 15 Jahren abgeschlossen werden. In der Diskussion stellte sich dann aber heraus, dass ein Mietvertrag mit einer Laufzeit von zehn Jahren durchaus ausreichend war. Auch nach der Aussage des Verantwortlichen des Innenministeriums empfiehlt sich ein Mietvertrag über 15 Jahre nur, wenn damit eindeutig günstigere Konditionen für das Land erreicht werden. Die Verpflichtungsermächtigung wurde daraufhin auf den Antrag der Koalitionsfraktionen hin geändert.

Nun soll das Landesamt für Vermessung und Geoinformation zentralisiert und durch einen entsprechenden Mietvertrag über 15 Jahre lang zementiert werden. Über den Sinn einer solchen Zentralisation wurde und wird eine politische Debatte geführt. Das ist aber nicht das Anliegen unseres Antrages.

Überplanmäßige Verpflichtungsermächtigungen dürfen nach § 38 Abs. 1 LHO nur im Falle eines unvorhergesehenen und unabweisbaren Bedürfnisses durch das Ministerium der Finanzen zugelassen werden. Die Unvorhersehbarkeit der Maßnahme, die aus der Sicht des Ministers der Finanzen zur Bewilligung einer überplanmäßigen Verpflichtungsermächtigung führte, ist wohl mehr als fraglich.

Herr Paqué betonte in seiner Presseerklärung am 26. August 2005, einen Tag nach der Sitzung des Finanzausschusses, in der der Landesrechnungshof informierte, dass die Einstellung der Mittel in den aktuellen Haushalt nicht möglich gewesen sei, weil die Umstrukturierung erst im März im Kabinett beschlossen wurde und bei der Aufstellung des Haushalts im November 2004 noch keine Etatreife vorlag.

Nun würden wahrscheinlich die meisten Menschen - ich übrigens auch - die Unvorhersehbarkeit der Maßnahme dahin gehend interpretieren, dass das betreffende Ereignis plötzlich, völlig überraschend, quasi über Nacht über uns hereinbrach. Aber scheinbar wurde in beiden Ministerien die Langsamkeit als die entscheidende Daseinsform für die Unvorhersehbarkeit entdeckt.

(Heiterkeit und Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Denn - ich wiederhole die Termine, die Frau Fischer genannt hat - bereits am 25. Juni 2003 hatte die Landesregierung beschlossen, ein Landesamt für Vermessung und Geoinformation Sachsen-Anhalt zu bilden. Im Dezember 2003 war dann die Grundsatzentscheidung getroffen worden, dass dieses Amt Standorte in Magdeburg, Dessau, Halle und Stendal haben wird.

Seitdem sind zwei Jahre vergangen. In den Beratungen über den Doppelhaushalt gab es bezüglich des Landesamtes eine ausführliche Debatte über Trennungsgelder. In einem Schreiben von Minister Herrn Jeziorsky wurde auf einen bereits seit dem 1. Januar 2004 bestehenden Aufbaustab hingewiesen. Umzugspläne waren also vorhanden.

Die Überraschung, das heißt die Unvorhersehbarkeit der Anmietung einer Immobilie für das Landesamt, müsste sich normalerweise in Grenzen gehalten haben. Die Frage ist sicherlich: Welche? Aber es wäre trotzdem möglich gewesen, eine entsprechende Verpflichtungsermächtigung in den Haushaltsplan einzustellen und sie mit einem Sperrvermerk zu versehen. Das haben wir in anderen Fällen auch gemacht.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS - Zustimmung bei der SPD)

Unvorhergesehen in diesem Fall ist für uns höchstens die Tatsache, dass das Innenministerium - sprich: der Minister - es vom Juni 2003 bis November 2004 nicht geschafft hat, ein Unterbringungskonzept auf den Tisch zu legen, und damit bewusst oder unbewusst eine ordnungsgemäße Einstellung der VE in den Haushaltsplan 2005/2006 verhindert hat.

(Zustimmung von Frau Dr. Kuppe, SPD)

Der nächste Fall von Langsamkeit in Sachen Unvorhersehbarkeit ist in diesem Fall, dass der Innenminister in der Debatte im Plenum am 3. März 2005 stolz verkündet hat, dass die Landesregierung ein Unterbringungskonzept beschlossen hat. Kurzfristig würden ehemalige Standorte geschlossen und das Land spare jährlich 1,75 Millionen € Unterbringungskosten.

Abgesehen davon, dass Herr Minister Jeziorsky nicht gesagt hat, ab welchem Jahr wir sparen, reicht es aber für den Finanzminister immer noch, uns am 14. September, also ein halbes Jahr später, über die unvorhergesehene Maßnahmen der Anmietung der Räumlichkeiten im City-Carré unverzüglich zu informieren. Das heißt, der Mietvertrag ist schon unterzeichnet.

Nun zur Unabweisbarkeit oder Unvermeidbarkeit der Maßnahme. Wir zweifeln die Unabweisbarkeit der überplanmäßigen Verpflichtungsermächtigung an. Es ist klar: Wenn man sich einmal für eine Zentralisierung der Behörde entschieden hat, muss man auch irgendwann einmal damit beginnen. Die Frage ist nur: Was ist in diesem Falle unabweisbar?

Noch haben alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter einen Arbeitsplatz, noch laufen die Mietverträge für die ange

mieteten Gebäude, in Staßfurt sogar bis zum Jahr 2020. Die meisten anderen laufen bis zum Jahr 2006 bzw. 2007. Das Parlament hat die Mittel für die Mieten und die Bewirtschaftung in der beantragten Höhe genehmigt.

Das Prinzip der Wirtschaftlichkeit spielt in diesem Fall keine Rolle. Oder aber: Wenn die Einsparungen wirklich so groß sind, dass die Landesregierung mit der Verpflichtungsermächtigung nicht bis zum nächsten Haushalt warten wollte, hätten Sie, Herr Minister Paqué, nach dem 3. März einen Nachtragshaushalt einbringen können.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS - Widerspruch bei der CDU - Lachen bei der FDP)

- Warum nicht? Den hätten Sie auch sehr schnell bewilligt bekommen.

(Zuruf von Herrn Tullner, CDU)

Den Nachtragshaushalt 2002 haben wir in zwei Monaten durchgewunken. Aber einer überplanmäßigen Verpflichtungsermächtigung kann der Landtag aufgrund der fehlenden Unvermeidbarkeit oder Unabweisbarkeit eben nicht zustimmen. Das ist ein Problem. Aber es ist so, wie Sie feststellen werden, wenn Sie einmal ins Haushaltsrecht hineinschauen.

(Zustimmung bei der Linkspartei.PDS)

Überplanmäßige oder außerplanmäßige Ausgaben und Verpflichtungsermächtigungen werden auch unter dem Begriff „Notbewilligungsrecht“ zusammengefasst und Not lag in diesem Fall nicht vor. Deshalb hat die Landesregierung gegen die Grundsätze der Landeshaushaltsordnung und gegen das Budgetrecht des Landtages verstoßen.

Die Linkspartei.PDS prüft deshalb den Gang vor das Landesverfassungsgericht. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts vom 25. Mai 1977 ist das Tatbestandsmerkmal eines unabweisbaren Bedürfnisses nur dann erfüllt, wenn die vorgesehene Ausgabe sachlich unbedingt notwendig und zugleich zeitlich unaufschiebbar ist. Unabweisbarkeit ist also mehr als die aus dem Grundsatz der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit gegebene Notwendigkeit. Die Unabweisbarkeit dieser überplanmäßigen Verpflichtungsermächtigung ist eben nicht gegeben. Deshalb wurde diese Verpflichtungsermächtigung am Parlament vorbei erteilt.

Ja, Herr Minister, Sie wir wissen, dass Sie das Recht haben, wenn entsprechende Gründe vorliegen, eine Verpflichtungsermächtigung zu bewilligen. Aber diese Gründe liegen eben nicht vor und deshalb missbilligen wir die Arbeit der Landesregierung und bitten um Unterstützung unseres Antrages.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS - Zustimmung bei der SPD)

Vielen Dank, Frau Dr. Klein. - Bevor nun für die Landesregierung Herr Minister Jeziorsky das Wort nimmt, haben wir gemeinsam die Freude, Schülerinnen und Schüler der Schule des zweiten Bildungsweges aus Magdeburg begrüßen zu können.

(Beifall im ganzen Hause)

Nun erteile ich Herrn Minister Jeziorsky das Wort. Bitte schön.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Beide Anträge nehmen die Tatsache des Abschlusses eines Mietvertrages oder - vielleicht besser - das Zustandekommen eines Mietvertrages - hier: Magdeburg, City-Carré - zum Anlass, auf einen Verstoß oder vermeintlichen Verstoß gegen das Haushalts- und Budgetrecht hinzuweisen.

Der Abschluss dieses Mietvertrages ist aber nur eine Fassette in einem größeren, komplexeren Vorgang innerhalb der Landesverwaltung. Deswegen möchte ich Ihren Blick auf diese Gesamtschau weiten. Vielleicht stellen Sie dann auch fest, dass die beiden Anträge entbehrlich gewesen wären.

(Zustimmung bei der CDU, bei der FDP und von der Regierungsbank)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich kurz die Entwicklung der aus rechtlichen und wirtschaftlichen Gründen zwingend erforderlichen Reform der Vermessungs- und Katasterverwaltung darstellen.

Bis zum 31. Dezember 2003 wurden die Aufgaben des Liegenschaftskatasters in zwölf Katasterämtern und die Landesvermessung im Landesvermessungsamt wahrgenommen. Im Juni 2003 wurde beschlossen, die Katasterämter und das Landesvermessungsamt zum 1. Januar 2004 zu einem Landesamt mit Hauptsitz in Magdeburg - Frau Fischer, da ist keine Adresse genannt, Hauptsitz Magdeburg, kein Standort innerhalb der Stadt Magdeburg -

(Frau Fischer, Naumburg, SPD: Das ist mir be- kannt!)

sowie mit drei weiteren unselbständigen Standorten in Dessau, Halle und Stendal zusammenzufassen und daneben zunächst acht Nebenstellen bestehen zu lassen.

Mit dieser Auflösung der zwölf Katasterämter und der Landesvermessungsbehörde und ihrer Integration zum LVermGeo wurde dem gesetzlichen Auftrag aus der Novellierung des Vermessungs- und Katasterrechts entsprochen. Aufgabenbereiche der Katasterämter waren die Führung des Liegenschaftskatasters und der Kaufpreissammlung, die der Landesvermessungsbehörde die amtliche Geotopografie sowie die Festpunktfelder.

Der neue § 19 des Vermessungs- und Geoinformationsgesetzes legt fest, dass das Liegenschaftskatasterinformationssystem, das amtliche Kaufpreissystem, das geotopografische Basisinformationssystem und das amtliche Festpunktinformationssystem gemeinsam zu führen sind, und zwar als integriertes Gesamtsystem. Dies ist der gesetzliche Auftrag zur Zusammenführung der Katasterämter und der Landesvermessungsbehörde zu nur noch einem Amt. Der Behördenname LVermGeo ist somit nicht zufällig gewählt worden, sondern in Übereinstimmung mit dem Vermessungs- und Geoinformationsgesetz, das exakt den Aufgabenbestand für diese Behörde normiert.