Protocol of the Session on July 8, 2005

Wo nimmt Ihre interministerielle Koordinierungsgruppe die Anregungen her? Kommen diese ausschließlich aus unserem Bundesland? Welche Vernetzung mit anderen Bundesländern und Ideen haben Sie zum ständigen Arbeitsgremium hergestellt?

Wir verfolgen ständig die bundesweite Diskussion um die Entwicklung des ehrenamtlichen Engagements. Die Frage der Schließung von Versicherungslücken ist im Lande Sachsen-Anhalt genauso diskutiert worden und wird auch immer wieder erneut auf die Tagesordnung geholt.

Wir bündeln in diesem Referat in der Staatskanzlei die Initiativen aus allen Ressorts, die ihrerseits wieder mit den Ressorts in den anderen Bundesländern vernetzt sind. Sie dürfen wirklich versichert sein, dass uns aus der Diskussion um die Weiterentwicklung des Ehrenamtes in Deutschland, unbeschadet der Arbeit dieses Bundesnetzwerkes, nun wirklich nichts entgeht.

Ich habe noch eine Frage. Darf ich? - Sehen Sie wirklich so unwahrscheinlich große Schwierigkeiten darin, in einer oder mehreren der acht Arbeitsgruppen, die ständig arbeiten und in denen man völlig unkompliziert mitarbeiten kann, mitzumachen? Meinen Sie, dass damit ein so hoher bürokratischer Aufwand an Koordinierung verbunden ist?

Ich habe in meinem Beitrag erwähnt - auch Sie haben das gesagt -, dass man sich um Rahmenverträge zur Schließung von Versicherungslücken bemüht. Meinen Sie nicht, dass man in der Zusammenarbeit mit einigen Ländern, die das schon gemacht haben oder die das schon länger haben, auf eine ganz unkomplizierte Weise zu einem Ergebnis kommen kann?

Meine allerletzte Frage ist: Wer ist in dieser Koordinierungsgruppe sozusagen der Ansprechpartner für die interessierte Öffentlichkeit?

Wir kennen die Arbeit der Arbeitsgruppen im Netzwerk. Wir verfolgen, was dort im Netzwerk passiert. Aber sehen Sie es mir bitte nach, dass ich im Moment wirklich nicht beurteilen kann, ob es sinnvoll ist, kontinuierlich einen weiteren Mitarbeiter aus Sachsen-Anhalt dorthin zu entsenden.

Ich bin mir auch wirklich nicht sicher, ob es im Sinne der Subsidiarität sinnvoll ist, wenn in all diesen Gruppen, in denen sich die Organisationen finden und in denen die Organisationen ihre Meinungen koordinieren, unentwegt Repräsentanten aus allen 16 Bundesländern sitzen. Die Struktur des Koordinierungsgremiums im Netzwerk, in dem alle 16 Länder sich dann doch wieder auf einen Nenner zurückführen lassen sollen, ist für mich ein erhebliches Indiz dafür, dass sich dieses Netz im Wesentlichen als Selbsthilfeorganisation versteht und nicht in

erster Linie als ein Zirkel, aus dem die Länder lernen sollen.

Die Abteilung 2 der Staatskanzlei, das Referat 23 ist der entsprechende Arbeitsbereich, an den sich jeder im Lande wenden kann. Jeder, der Vorschläge zur Weiterentwicklung des Ehrenamtes im Lande Sachsen-Anhalt hat, kann sich auch an mich persönlich wenden. Sie können sicher sein, dass jeder Vorschlag, der unterbreitet wird, verantwortungsvoll geprüft und in dem unmittelbar zuständigen Ressort weiter bearbeitet wird.

Wir sollten uns auch hierbei - das ist mein Kernanliegen - an der Frage orientieren, was schafft die besten Ergebnisse, und nicht an der Frage, auf welchen Zug, der irgendwo durchs Land fährt, wir noch aufspringen können. - Danke sehr.

(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP)

Vielen Dank, Herr Staatsminister. - Meine Damen und Herren! Wir treten nun ein in die Debatte. Sie wird durch die FDP-Fraktion eröffnet. Ich erteile dem Abgeordneten Herrn Rauls das Wort. Bitte sehr, Herr Rauls.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Auch in Sachsen-Anhalt können und wollen wir natürlich nicht auf die Leistungen durch das Ehrenamt verzichten. Jahr für Jahr erfüllen Menschen freiwillig, unentgeltlich und oft zusätzlich zu ihren beruflichen wie auch familiären Verpflichtungen Aufgaben im Interesse der Gesellschaft. Bei der Einbringung wurde das hinreichend beschrieben.

Die FDP-Fraktion würdigt die Arbeit der Ehrenamtlichen und will sich vor allem für die Verbesserung der Rahmenbedingungen und damit für die Stärkung des Ehrenamtes einsetzen.

Die PDS-Fraktion hat einen Antrag zum Ehrenamt bzw. bürgerschaftlichen Engagement vorgelegt. Darin verweist sie im Wesentlichen allerdings nur auf sehr allgemein formulierte Handlungsansätze, wenn ich einmal von dem eben von Herrn Robra behandelten Fakt des Beitritts zum Netzwerk absehe. Doch damit ist eine Stärkung des Ehrenamtes allein nicht zu erzielen.

Die FDP-Fraktion sieht hingegen zahlreiche Möglichkeiten, wie die Arbeit der ehrenamtlich Tätigen gezielt und zeitnah gestützt und gestärkt werden kann. Dabei stützen wir uns auch auf Vorschläge und Forderungen, die aus dem Ehrenamt selbst kommen und zuletzt am Mittwoch in Magdeburg - Sie haben die Veranstaltung erwähnt, Frau Dr. Paschke - auf der gemeinsam von der FDP- und der CDU-Fraktion durchgeführten Ehrenamtskonferenz bestätigt und untersetzt wurden.

Der Antrag der PDS geht uns insoweit nicht weit genug, ist nicht ausreichend konkret und mindestens in einem Punkt zu hinterfragen. In Punkt 1, erster Unterpunkt, heißt es:

„Alle Reformprojekte müssen auch auf Engagementfreundlichkeit ausgerichtet werden.“

Wie Sie diese Forderung mit Ihrer bisher geäußerten Haltung zur Kreisgebietsreform in Übereinstimmung bringen wollen, müssen Sie uns allerdings noch erläutern.

(Zustimmung von Herrn Schomburg, CDU)

Ich empfehle übrigens als Lektüre dazu die „Burger Volksstimme“ von heute, wonach ehrenamtliche Bürgermeister und Gemeinderäte der Verwaltungsgemeinschaft Loburg genau zu diesem Punkt am letzten Mittwoch im Kreistag Jerichower Land Stellung genommen haben.

Aus diesen Gründen plädieren wir für eine Überweisung in den Ausschuss für Kultur und Medien zur federführenden Beratung. Für eine Mitberatung in ebenfalls mit Sicherheit betroffenen Ausschüssen sind wir offen.

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Rauls. - Für die SPDFraktion erteile ich nun Herrn Dr. Fikentscher das Wort. Bitte sehr, Herr Dr. Fikentscher.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Fast überall, wohin ich komme - ich vermute, Ihnen geht es genauso -, trifft man auf Leute, die über Unzulänglichkeiten klagen, über Ärgernisse, über vermeintliches oder tatsächliches Unrecht, das ihnen begegnet, und was alles nicht getan wird, aber getan werden müsste. Wenn wir mit solchen Leuten reden, dann ist natürlicherweise der erste Schritt, ihnen nahe zu legen, sie sollen sich, wenn es denn möglich ist, um ihre eigenen Angelegenheiten erst einmal selbst kümmern. Wenn sie zu mehreren sind, dann sollen sie sich möglichst zusammenschließen und gemeinsam etwas tun. Dazu können wir sie ermuntern, können beraten und Hilfestellung geben. Das ist dann das, was wir in der Summe als bürgerliches Engagement bezeichnen.

Dazu lässt sich viel tun, aber viele können es von sich aus nicht so leisten, wie sie es leisten wollten. Deswegen brauchen sie natürlich Hilfe.

Ein solches Engagement ist großartig, es ist bei uns leider noch nicht so tief verwurzelt, wie es in anderen Staaten der Fall ist. Ich denke nur an die USA, wo die Leute seit jeher dem Staat misstrauen und sagen: Der Staat soll möglichst gar nichts machen. Was gemacht werden muss, machen wir gefälligst selber. - Dort haben wir ganz andere Traditionen als hier bei uns, wo sich traditionell alle auf den Staat verlassen.

Aber es ist inzwischen sehr viel in Bewegung gekommen und es ist auch staatlicherseits, von politischen Parteien, im Bundestag - Enquetekommissionen usw. - sehr viel dafür getan worden. Das ist außerordentlich zu begrüßen.

Woran es am meisten, wie mir scheint, noch fehlt, ist das, worauf die PDS in der Begründung zu ihrem Antrag hinweist. Es steht da:

„Vor allem jedoch braucht es Bürgerinnen und Bürger, die bereit und in der Lage sind, sich aktiv für das gesellschaftliche Gemeinwesen zu engagieren.“

Daran fehlt es noch. Dafür müssen wir auch Ermutigungen geben. Dazu greife ich gleich diese Frage, die eben im Gespräch war, auf, nämlich die der Versicherung. Es gibt viele Leute, die sagen: Ich würde gern mitmachen. Ich würde die Schulklasse begleiten. Ich würde dort, wo ein Einsatz ist, gern etwas mit tun, aber was ist, wenn dabei etwas passiert, wenn mir etwas passiert oder ein Schaden entsteht, den ich verursacht habe oder für den ich verantwortlich gemacht werde? An dieser Stelle setzt

sehr häufig das Engagement gar nicht erst ein oder sehr leicht aus.

Natürlich, muss ich sagen, ist die DDR-Vergangenheit auch noch mit im Spiel. Denn es gab da eine Regel - wenn ich es recht verstehe, etwa so -: Alles gesellschaftliche Engagement oder alle, wie es damals hieß, gesellschaftliche Tätigkeit und Betätigung sei pauschal versichert. Wenn man damals mit anderen Leuten zusammen zum Sport ging oder irgendwo etwas umgegraben hat, war man versichert. Das war eine Beruhigung. Etwas Ähnliches schwebt, glaube ich, vielen vor. Es wird vermutlich in Deutschland in dieser pauschalen Form nicht gehen. Wenn wir schrittweise dahin kämen, wäre es gut.

Aber, meine Damen und Herren, in dem Antrag ist auch eine ganze Reihe von Punkten enthalten, über die man, glaube ich, im Ausschuss miteinander noch sehr genau und gründlich reden muss, weil viele Dinge noch nicht so scharf sind, dass man dazu einfach ja sagen könnte.

Es gibt eine Reihe von Spielregeln in der Bürgergesellschaft. Ich will nur einmal fünf nennen. Das erste ist die Selbstorganisation. Die Bürger sollen sich selber organisieren und nicht von anderen organisiert werden. Es muss die Freiwilligkeit gegeben sein. Das heißt, man kann nicht von Amts wegen Leute irgendwo hineinschicken und sagen: Macht mal dort bei der Bürgerbewegung oder beim bürgerschaftlichen Engagement mit!

Es muss die Eigenverantwortung gegeben sein. Das heißt, die Leute, die etwas machen, müssen auch die Verantwortung dafür übernehmen und sie nicht einfach auf andere abwälzen können, indem sie sagen, sie hätten es gut gemeint, aber da es schlecht gegangen sei, seien andere, die Kommune oder das Land, dafür zuständig. Man muss Vertrauen in die Sache haben und sich gegenseitig vertrauen, dass die Sache klappt.

Man muss sich auch gegenseitig unterstützen. Bei der gegenseitigen Unterstützung spielt natürlich die Kommune oder unter Umständen das Land auch eine Rolle. Zu den Voraussetzungen dafür gehört dann wiederum, dass wir Unternehmen in unserem Land haben, die sich gegenüber unserem Gemeinwesen verpflichtet fühlen, dass der Staat solche Initiativen nicht hemmt, sondern dass er sie dort, wo es möglich ist, unterstützt, jedenfalls bürokratische Hemmnisse wegräumt.

Der Staat sollte das Engagement auch anerkennen, wobei die Anerkennung nicht zum Selbstzweck verkommen soll. Nicht dass jemand anfängt, sich zu engagieren, weil er irgendwo eine Nadel ergattern will, mit der er sich dann stolz zeigt; es muss schon umgekehrt sein: Erst muss etwas gemacht werden, was dann gelegentlich auch anerkannt wird.

Die Organisationen müssen auch eine weitgehende Mitbestimmung derer gestatten, die mit tätig sind.

Ich weise auf zwei Gesichtspunkte hin, auf die wir auch während der Beratungen noch kommen müssen, wo ich meine, dass Grenzen gezogen sind. Wenn man das Ganze so organisiert, wie es sich zum Teil in Tendenzen schon erkennen lässt, dann fürchte ich, dass man an die Grenze kommt, wo man das bürgerschaftliche Engagement zum Teil quasi verstaatlicht, eine Überorganisation schafft, in der sich dann alle an bestimmte Regeln halten müssen

(Zustimmung von Herrn Schomburg, CDU)

und wo sie Zuwendungen bekommen, die wiederum nach bestimmten Grundsätzen der Landeshaushaltsordnung und dergleichen kontrolliert werden. Das ist das Gegenteil von freiwilligem Engagement.

Das Zweite: Man muss natürlich auch eine Grenze ziehen zwischen denjenigen, die sich für die Allgemeinheit engagieren und selber nur zum Teil betroffen sind, und denjenigen, die eine Bürgerinitiative gründen und bloß wollen, dass die Straße vor ihrem Haus gepflastert wird, und sich hinterher auflösen. Das ist nichts, was ich unterstützen würde, nicht als Kommune und nicht als Land.

Das heißt, man muss das nicht so pauschal sehen. Nicht alle, die sagen, sie seien bürgerschaftlich engagiert, sind gute Leute, die nur etwas Gutes machen. Aber sehr viele, die das tun, müssen unterstützt werden. Um das im Einzelnen zu regeln, freue ich mich auf die Überweisung in den Ausschuss für Kultur und Medien. Damit sind wir einverstanden. Der Sozialausschuss wäre noch sehr gut, weil dort die Frage der Versicherung, die eine zentrale Frage ist, in Ruhe miteinander beredet werden kann.

Ich glaube, dass wir weder den DDR-Zustand wieder brauchen noch den jetzigen unzulänglichen Zustand für gut befinden sollten. - Vielen Dank.

(Zustimmung bei der SPD und von Herrn Gallert, PDS)

Vielen Dank, Herr Vizepräsident. - Meine Damen und Herren! Die Debatte wird mit dem Beitrag der CDU-Fraktion durch den Abgeordneten Herrn Schomburg fortgesetzt.

Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Auf die generelle Rolle des Ehrenamtes in einer Gesellschaft wie der unseren, wo durch viele Veränderungen versucht wird, diese staatsorientierte Gesellschaft in eine bürgerorientierte Gesellschaft umzuformen, werde ich später zurückkommen. Das wird nicht heute das Thema meines Redebeitrags sein.

Ich will mich kurz auf diesen Antrag der PDS beziehen. Es ist schon erstaunlich, dass kurz nachdem die Einladung für die Ehrenamtskonferenz der Koalitionsfraktionen am vergangenen Mittwoch heraus war, die PDS mit einem Antrag zu diesem Thema in den Landtag kommt.

(Herr Gallert, PDS: Das ist doch! - Herr Dr. Thiel, PDS: Herr Schomburg, wir stehen früher auf!)

- Ja, ja. Nur, für vernünftige Arbeit muss man sich etwas Zeit nehmen und nicht so aus der Hüfte schießen, wie Sie das hier mit diesem Antrag getan haben. Ich komme gleich darauf zurück.