Protocol of the Session on July 8, 2005

Doch, der Kultusminister. Und ich nehme ihn ernst. Wenn Sie das nicht tun, ist das Ihr Problem.

(Oh! bei der CDU und bei der FDP)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Verehrter Herr Kultusminister, ich denke schon, dass es hierbei auch um einen Paradigmenwechsel geht, und ich finde es richtig, dass es darum geht. In dem Papier von Frau Greve, das ich vorhin genannt habe, steht sogar, dass das notwendig ist. Das wird darin auch ausführlich begründet. Ich spare mir das Zitat jetzt; denn das haben Sie alle sicherlich schon gelesen.

Ich finde es richtig. Ich will diese Reform. Aber so zu tun, als sei das nichts weiter - - Das haben Sie übrigens auch bei der Einführung der kompetenzorientierten Lehrpläne getan. Das ist mehr, als Sie manchmal öffentlich zugeben, dass es sein soll.

Ich finde diese Reform richtig. Manchmal habe ich das Gefühl, dass wir dafür da sind, Ihre angefangenen Reformen, soweit wir sie überhaupt befürworten, zu verteidigen. Das muss nun wirklich nicht sein. Das könnten Sie selber tun.

(Minister Herr Prof. Dr. Olbertz: Das ist Under- statement!)

Es ist ein Paradigmenwechsel und wir sollten ihn wollen, weil nur so dieser Ansatz der Grundschule tatsächlich zum Tragen kommen kann. Es gibt schon einen eklatanten Unterschied zwischen der Behandlung der Lehrpläne, dem Übergang in die Grundschule, der Zusammenarbeit der Grundschule mit Vorschuleinrichtungen, den Förderzentren, für die es ein sehr dickes Handlungspapier gibt, und der flexiblen Schuleingangsphase - oder vielmehr nur der Schuleingangsphase. Ich lasse das „flexible“ weg, obwohl mir gerade das natürlich am besten gefällt.

Ich weiß auch, dass wir nicht alle Schulen dazu bekommen, die flexible Eingangsphase einzuführen, schon gar nicht gleich von Anfang an; denn - auch das haben die Gespräche bestätigt - so etwas braucht eine sehr lange Vorbereitungszeit und Aufgeschlossenheit bei den Kolleginnen und Kollegen, die das tun sollen. Diese Aufgeschlossenheit ist nicht in allen Grundschulen vorhanden und darum sind wir so hartnäckig.

(Frau Feußner, CDU: Die Aufgeschlossenheit können wir doch nicht verordnen! - Zuruf von Mi- nister Herrn Prof. Dr. Olbertz)

- Nein, aber entwickeln. Und dazu muss man erst einmal etwas darüber erfahren, was das überhaupt ist, Frau Feußner.

(Frau Feußner, CDU: Das wissen die doch alle!)

Ich gebe zu, dass ich mich davor auch nicht damit befasst habe. Aber wenn man sich damit befasst, dann bekommt man plötzlich mit, was das für ein Umstieg ist, auch für die Kolleginnen und Kollegen. Deshalb kann ich den Starrsinn des Staatssekretärs nicht so einfach hinnehmen, sondern ich muss ihn kritisieren. Ich glaube auch, dass er es besser weiß.

Ich bitte Sie nur um eines - - Es gibt übrigens auch keinen Grund dafür, warum die anderen Länder so umfangreiche Dokumentationen ins Netz stellen.

(Minister Herr Prof. Dr. Olbertz: Wir haben einen neuen Lehrplan parallel eingeführt!)

- Ach, kommen Sie, das ist mit dem Lehrplan allein nicht gemacht. Hierbei geht es schon um etwas ein wenig anderes.

Ich bitte Sie nur um eines: Wir werden den Änderungsantrag der Fraktionen der CDU und der FDP ablehnen - nicht etwa deshalb, weil wir die Berichterstattung nicht wollen, sondern weil wir der Meinung sind, dass es um dieses konkrete Problem geht. Bei dem anderen Antrag ist auch nicht alles in dem „Topf“, in dem es „kocht“, aber entscheidend ist für uns die geringere Anzahl an Kritikpunkten daran. An dieser Stelle haben wir jedoch große Kritikpunkte.

Ich denke, dass die Schulträger an dieser Verständigung schon partizipieren sollten. Ich möchte hier nicht ein Maßband anlegen. Aber auch für Ganztagsschulen gibt es räumliche Empfehlungen. Die Schulträger sollen, wenn sie denn Ganztagsschulen wollen, auch ein entsprechendes räumliches Konzept haben dürfen. Das ist zumindest bei der flexiblen Form der Schuleingangsphase möglich - dort womöglich noch stärker. Deshalb muss man auch mit den Schulträgern darüber reden, was es bedeutet, wenn sie ihre Schulen weiter planen.

Wir erleben zurzeit, dass zum Teil auch Grundschulen sehr stark aufgefüllt werden. Zumindest in der Stadt Magdeburg ist das so. Das mag nicht überall so sein. Hier muss man aber darüber reden, welche Konsequenzen aus einem pädagogisch gewollten Konzept für die Raumplanungen zu erwarten sind. Weil uns das fehlt, werden wir das im Ausschuss einfordern, wenn Sie uns darüber informieren. Wir werden auch bei den anderen Punkten hartnäckig bleiben. Sie erwarten von uns sicher auch nichts anderes.

Zum Schluss meiner Ausführungen möchte ich Sie darum bitten, die beiden interessanten Dinge aus den anderen Ländern, die ich im Netz gefunden habe, einmal anzuschauen. Vielleicht können Sie sich dann doch dazu durchringen, eine Elterninformation vom Land herauszugeben und es nicht allein den Schulleitungen zu überlassen. - Danke.

(Zustimmung bei der PDS)

Verehrte Frau Dr. Hein, wollten Sie mit Ihrer Bemerkung bezüglich des Ausschusses darauf hinaus, dass dieser Antrag einschließlich des Änderungsantrages in diesen Ausschuss überwiesen werden soll?

Nein, das meinte ich nicht. Der Änderungsantrag beinhaltet ja schon die Ausschussberichterstattung. Unseren Antrag hätte man in den Ausschuss überweisen können, den Änderungsantrag aber nicht.

Es folgt also eine Direktabstimmung. Danke sehr. - Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zunächst stimmen wir über den Änderungsantrag der Fraktionen der CDU und der FDP in der Drs. 4/2292 ab. Wer diesem Änderungsantrag seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Zeichen mit der Stimmkarte. - Zustimmung bei den Fraktionen der SPD, der CDU und der FDP. Gegenstimmen? - Bei der PDS-Fraktion. Damit ist diesem Änderungsantrag mehrheitlich zugestimmt worden.

Wir stimmen nun über den Antrag der Fraktion der PDS in der geänderten Fassung ab. Wer dem Antrag der Fraktion der PDS in der durch den Änderungsantrag geänderten Fassung seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Zeichen mit der Stimmkarte. - Wiederum Zustimmung bei den Fraktionen der CDU, der SPD und der FDP. Gegenstimmen? - Keine. Enthaltungen? - Bei der PDS-Fraktion. Damit ist diesem Antrag in der geänderten Fassung mehrheitlich die Zustimmung erteilt worden und der Tagesordnungspunkt 26 abgeschlossen.

Wir kommen zum letzten Tagesordnungspunkt der heutigen Sitzung, Tagesordnungspunkt 31:

Beratung

Grünbuch der Europäischen Kommission „Angesichts des demografischen Wandels - eine neue Solidarität zwischen den Generationen“

Antrag der Fraktionen der CDU und der FDP - Drs. 4/2264

Änderungsantrag der Fraktion der SPD - Drs. 4/2296

Die Einbringerin des Antrages der Fraktionen der CDU und der FDP ist die Abgeordnete Frau Wybrands. Bitte sehr, Frau Wybrands.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Lassen Sie mich am Ende der heutigen Sitzung des Landtages ein Thema einbringen, das trotz des sehr unglücklichen Zeitpunktes dieser Beratung eine erhebliche landespolitische Bedeutung hat.

Die Europäische Union hat mit der Vorlage des Grünbuchs der Europäischen Kommission mit dem Titel „Angesichts des demografischen Wandels - eine neue Solidarität zwischen den Generationen“ eine Thematik aufgegriffen, die gerade für das Land Sachsen-Anhalt eine große Bedeutung hat.

Das Statistische Bundesamt hat erst vor wenigen Tagen in einer Veröffentlichung dokumentiert, dass das Land Sachsen-Anhalt allein zwischen dem 31. Dezember 2003 und dem 31. Dezember 2004 rund 29 000 Menschen verloren hat. Das entspricht einem Rückgang der Bevölkerungszahl um 1,1 %. Im Vergleich mit dem Jahr 2001,

in dem es knapp 35 000 Menschen waren, die SachsenAnhalt verlassen haben, ist dies sicherlich eine tendenziell positive Entwicklung.

(Zuruf von der SPD: Immerhin!)

Das stellt uns aber nicht zufrieden, auch wenn die Abwanderung junger Frauen abgefedert werden konnte.

Sehr geehrte Damen und Herren! Die Europäische Union versucht durch zahlreiche Fragen, die in dem Grünbuch zusammengefasst sind, zu ergründen, ob und wie die Europäische Kommission mit ihrer Politik dem Trend der Alterung und Schrumpfung der Bevölkerung in zahlreichen europäischen Regionen entgegenwirken kann; denn nicht nur das Land Sachsen-Anhalt hat mit diesen Problemen zu kämpfen.

Mit dem Jahr 2010 wird sich die arbeitende Bevölkerung in der EU dramatisch verändern. Zwei Zahlen sollen dies belegen: Im Jahr 2000 betrug die Anzahl der der Gruppe der 55- bis 64-Jährigen zuzurechnenden Menschen 48 Millionen, die Zahl der Menschen in der Gruppe der 15- bis 24-Jährigen lag bei 65 Millionen. Im Jahr 2020 wird sich dieses Verhältnis fast umgekehrt haben. Ich denke, das macht die Dramatik deutlich.

Die Europäische Kommission möchte nun in einer Debatte darüber befinden, wie man die Herausforderungen meistern kann und welche Rolle die Europäische Union dabei spielen soll. Der Landtag von Sachsen-Anhalt, aber auch unser Land sollten sich an dieser europäischen Debatte beteiligen. Die gesamte Europäische Union steht dabei einer enormen Herausforderung gegenüber, die sich aus einer möglichen Beschleunigung des wirtschaftlichen und sozialen Wandels ergibt.

Die Ursachen für die Notwendigkeit dieser Umstrukturierung sind neben dem demografischen Wandel insbesondere die Globalisierung, die Liberalisierung des Welthandels, die technologische Revolution und die Entwicklung der Wissensgesellschaft.

Gerade die demografische Entwicklung mag in einigen Regionen zumindest derzeit noch wenig zu spüren sein; in den strukturschwachen Regionen ist sie jedoch schon sehr deutlich spürbar.

Meine Damen und Herren! Den Koalitionsfraktionen ist es wichtig zu betonen, dass sie einerseits das gewachsene Problembewusstsein der Kommission begrüßen - schließlich ist wirtschaftliches Wachstums, wie von der Union in der Lissabon-Strategie manifestiert, mit einer stark schrumpfenden und gealterten Bevölkerung, in der es nur wenige Kinder gibt, kaum realisierbar -, andererseits aber die Gefahr sehen, dass die Europäische Kommission erneut eine Generalzuständigkeit schafft, um weitere Kompetenzen an sich zu ziehen. Die zahlreichen Fragen in dem Grünbuch, die den Kompetenzbereich der Mitgliedstaaten, der Regionen und der Sozialpartner betreffen, zeigen, dass diese Befürchtung nicht unbegründet ist.

Die Europäische Union sollte aber in strikter Anwendung des Subsidiaritätsprinzips nur das regeln, was sich auf nationaler, regionaler oder lokaler Ebene nicht regeln lässt. Aus diesem Grund, meine Damen und Herren, möchte ich in dem zweiten Teil meiner Rede nur auf drei Schwerpunkte eingehen, die sich eben nur auf europäischer Ebene regeln lassen. Wir bitten die Landesregierung darum, diese in ihre Ausarbeitungen mit aufzunehmen.

Erstens. Der demografischen Herausforderung muss größere Aufmerksamkeit geschenkt werden. Dieser Komplex darf nicht in erster Linie oder nur der Sozialpolitik zugeordnet werden. Vielmehr muss auch die Familienpolitik als umfassende Bevölkerungspolitik betrachtet werden.

(Zustimmung bei der CDU)

Die Politik im Land Sachsen-Anhalt hat sich vor dem Hintergrund dieser Erkenntnis bereits geändert. Wir haben bereits gestern unter anderem von Herrn Dr. Daehre etwas über die ersten konkreten Auswirkungen dieses Paradigmenwechsels hören können. Gleiches gilt für die Generationengerechtigkeit. Es ist deshalb zu begrüßen, dass in dem Grünbuch auch die Interessen der jungen Generationen angesprochen werden.

Zweitens. Die Einwanderung ist kein Allheilmittel, um die demografischen Probleme der Europäischen Union, der Mitgliedstaaten oder der Regionen zu lösen. Gleichwohl ist es im Rahmen des globalen Wettbewerbs notwendig, dass besonders qualifizierte Einwanderer einen Zugang zu unserem Arbeitsmarkt haben. Die Kommission hat dieses Thema zu Recht aufgeworfen.

Im Hinblick auf die Unionsbürgerschaft und den Wegfall der Personenkontrollen in weiten Teilen der EU bedarf es aber einer Koordinierung und Steuerung, meine Damen und Herren. Diese Notwendigkeit wird schon daran erkennbar, dass das Königreich Spanien den Aufenthalt von 800 000 Menschen, die illegal nach Spanien und damit nach Europa eingewandert sind, jetzt legalisieren möchte.

Wir müssen mit diesem Thema sensibel umgehen, weil vielfach nur wirtschaftlich aktive und starke Regionen von positiven Migrationseffekten betroffen sind. Für die Regionen mit Entwicklungsrückstand, zu denen Sachsen-Anhalt nach wie vor leider noch zählt, kann dies aber auch zu einer Verschärfung der sozialen Situation führen.

(Herr Kosmehl, FDP: Ach!)

Deswegen ist es zu begrüßen, dass die Landesregierung in dieser Woche ein Leitbild zur Entwicklung der Zuwanderung und Integration in Sachsen-Anhalt vorgelegt hat. Der Integration von Ausländern muss mehr Gewicht beigemessen werden. Der Integrationswilligkeit von Ausländern muss bei der Frage der Aufenthaltsgewährung ein stärkeres Gewicht beigemessen werden.