Protocol of the Session on July 8, 2005

Die Versetzungsverordnung befindet sich - das wissen wir - im Anhörungsprozess, ist also in Arbeit. - Mehr, so hat der Kultusminister am 26. Mai 2005 verlauten lassen, hat er nicht vor zu regeln.

Nun, zu regeln ist wohl auch nicht mehr, aber zu veranlassen. Darum haben wir uns nach den ausführlichen und sehr eindrucksvollen Gesprächen in mehreren Grundschulen nun entschlossen, einen Antrag mit Aufgaben zu formulieren, die die Landesregierung eigentlich von sich aus hätte in die Wege leiten müssen.

Dabei geht es zum Ersten um die öffentliche Information von Eltern und zum Zweiten um das Verfügbarmachen der bereits existierenden Erfahrungen in SachsenAnhalt. Man kann durchaus auch auf Erfahrungen anderer Länder zurückgreifen, die es reichlich gibt.

Zum Dritten soll die Landesregierung veranlassen, dass der Beginn und der Fortgang der Schuleingangsphase durch das Lisa und das Landesverwaltungsamt mit entsprechenden Fortbildungskursen - also nicht nur einmaligen Fortbildungen in der Schule - begleitet und der ge

samte Prozess durch eine intensive dezentrale Beratung unterstützt wird. Wir finden außerdem, dass es eine Internetplattform geben sollte, die den Erfahrungsaustausch zwischen den Schulen befördert.

Darüber hinaus muss bei der Einführung der Reform aber auch der gesamte Bildungsprozess an der Grundschule im Blick bleiben und auch den bisherigen Leistungsbewertungserlass muss man unter diesen Gesichtspunkten noch einmal überprüfen.

Schließlich, aber nicht zuletzt, halten wir es für erforderlich, dass mit den Schulträgern und den Trägern der Schulentwicklungsplanung über die veränderten räumlichen und sächlichen Voraussetzungen gesprochen wird, damit diese wenigstens bei künftigen Planungsentscheidungen Berücksichtigung finden können; denn jetzt sind sie ja noch nicht berücksichtigt worden und konnten auch noch nicht berücksichtigt werden.

Es gibt also einiges zu tun, wenn man eine solche Reform zu einem Erfolg werden lassen will. Wir wollen das. Beim Kultusministerium habe ich an dieser Stelle inzwischen aber doch meine Zweifel, und zwar auch deshalb, weil sich der Kultusstaatsekretär nach Kenntnis unseres Antrages derart aufgeregt und der PDS vorgeworfen hat, sie verunsichere die Eltern.

(Herr Dr. Thiel, PDS: So war es!)

Dazu konnte ich gar nichts beitragen; denn zumindest der Landeselternrat war schon verunsichert, weshalb er mehrmals beim Ministerium nachgefragt hat, aber immer vertröstet worden ist.

(Zuruf von Herrn Gallert, PDS)

Im Gegenteil: Die Richtigkeit des neuen Aufnahmeverfahrens in der Grundschule habe ich schon vor Monaten mindestens einem Mitglied des Landeselternrates erläutert und ausdrücklich dafür geworben.

Aber ich will mich an dieser Stelle mit zwei Entgegnungen des Kultusstaatssekretärs auseinander setzen. Er meint zum einen, die Schulen brauchten überhaupt keine Bevormundung durch die Kultusbehörde. Das ist eine Aussage, die ich im Grunde teile. Sie könnten, so meint er, allein entscheiden, wie die Schuleeingangsphase zu gestalten sei, und darum bedürfe es auch keines Papiers und keiner Hinweise. So weit, so gut. Dann allerdings frage ich mich, warum das nur für die Schuleingangsphase zu gelten scheint.

(Beifall bei der PDS)

Im Unterschied dazu gibt es nämlich für die Einführung der neuen Lehrpläne richtigerweise sehr wohl umfangreiche Handreichungen. Es gibt sie auch für den Übergang zur Grundschule, sogar mit einem detaillierten Zeitplan. Zu allen möglichen Konzepten, Modellversuchen und KMK-Empfehlungen gibt es mehr oder weniger detaillierte Konzepte, Hinweise und Empfehlungen sowie Projektbeschreibungen, zum Beispiel für alle Bund-Länderprogramme, zum Landesschulversuch Lernmethoden, zur Berufs- und Studienorientierung, zur Nutzung von Medien im Unterricht und sogar ein vom Staatssekretär höchst persönlich unterzeichnetes Schreiben zur Bedeutung und zu den Möglichkeiten der politischen Bildung in den Schulen Sachsen-Anhalts. Das alles können die Lehrerinnen und Lehrer offensichtlich nicht, die Schuleingangsphase schon.

Das Lisum Brandenburg hielt es für erforderlich, für die flexible Schuleingangsphase allein zehn Flex-Handbücher zu erstellen. Die brandenburgische Landesregie

rung hat sie den Schulen digital zugänglich gemacht. Dazu zählen Informationen und Hinweise zur differenzierten Unterrichtsgestaltung, zu schneller lernenden Kindern, zu Kindern mit längerer Verweildauer, zu Kindern mit Förderbedarf, zur Förderdiagnostik und zur Zusammenarbeit mit Eltern und mehr.

Ferner gibt es ein Eltern-Info-Blatt, das auch digital heruntergeladen werden kann. Andere Länder machen es ähnlich, nur Sachsen-Anhalt braucht das nicht. Das ist wahrscheinlich deshalb so, weil wir jetzt früher aufstehen.

(Beifall bei der PDS)

Die zweite Kritik richtete sich auf den Beginn der Eingangsphase. Da die Aufnahme in die Grundschule erst 2006/2007 nach den neuen Vorgaben erfolge, so der Kultusstaatssekretär, sei auch die flexible Eingangsphase erst mit diesem Schuljahr von Belang. Das ist nun schon peinlich, einmal abgesehen davon, dass man das auch dem Landeselternrat hätte sagen können und damit die ganze Sache verzögert hätte. Das haben Sie aber nicht getan. Ich gewinne so langsam den Eindruck, dass Sie das, was Sie so mutig beschlossen haben, gar nicht wirklich wollen. Oder aber - das finde ich fast noch schlimmer - Sie sind sich der Dimension dieser Aufgabe nicht bewusst.

Die veränderte Aufnahme in die Grundschule ist die richtige Konsequenz aus der Einsicht, dass ein Großteil der Kinder durch eine Zurückstellung, wie es bisher der Fall ist, eben nicht hinreichend gefördert werden kann. Darum macht die veränderte Schuleingangsphase auch ohne einen veränderten Einschulungsbeginn durchaus schon im kommenden Schuljahr Sinn.

Darüber hinaus ist der Runderlass zur Aufnahme in die Grundschule bereits vor anderthalb Jahren, nämlich am 26. Januar 2004, erschienen. Eine Reihe der Grundschulen arbeitet bereits danach, wie wir uns vergewissert haben, obwohl unter Punkt 10 dieses Runderlasses die erstmalige Anwendung tatsächlich für das Schuljahr 2006/2007 vorgesehen ist.

Im Unterschied zum Runderlass zur Aufnahme in die Grundschule sieht aber das Schulgesetz keine entsprechende Aussetzung des In-Kraft-Tretens von § 4 Abs. 3 im Gesetz vor, der nämlich diese Schuleingangsphase festschreibt. Also, so schlussfolgere ich: Wenn das Gesetz am 1. August in Kraft tritt, gilt auch die Schuleingangsphase - oder doch nicht? Dann frage ich mich: Was gilt denn dann? Womöglich gilt auch der Unterrichtsorganisationserlass nicht, der am 27. Mai 2005 im Schulverwaltungsblatt veröffentlicht wurde. Dort lese ich nämlich unter Punkt 6.1 - ich zitiere -:

„Die Aufnahmen in die Grundschule erfolgen nach den im Runderlass über die Aufnahme in die Grundschule vom 26.01.2004 getroffenen Regelungen.“

Im Unterrichtsorganisationserlass ist nun wieder die Schuleingangsphase in der Grundschule für die Unterrichtsorganisation festgelegt. Gilt das denn nun im kommenden Schuljahr? Oder gilt der Unterrichtsorganisationserlass in diesen Punkten auch erst ab 2006? Bei diesem Durcheinander frage ich Sie nun ernsthaft: Wer verunsichert hier eigentlich wen? Mal gilt das Schulgesetz, mal gilt der Runderlass, mal gilt er nicht. Herr Minister, was gilt denn nun? Vielleicht können Sie mich aufklären.

(Beifall bei der PDS)

Vielen Dank, Frau Dr. Hein. - Herr Kultusminister, Sie haben für die Landesregierung um das Wort gebeten. Sie haben das Wort. Bitte sehr.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Hein, ich unternehme jetzt den dritten Versuch, Ihnen zu erklären, dass die Schuleingangsphase nicht irgendein geheimnisvolles Einzelereignis innerhalb der Grundschule ist, sondern Bestandteil einer umfassenden Reform in der Grundschule.

(Zustimmung bei der CDU)

Deswegen ist die isolierte Betrachtung so eigenwillig.

Ferner habe ich meinem Staatssekretär ernsthafte Konsequenzen angedroht, wenn er noch einmal behauptet, die Schulen brauchten keine staatliche Bevormundung.

(Heiterkeit bei der CDU - Zuruf von der PDS: Hört, hört! - Weitere Zurufe)

Offensichtlich sind Sie der Meinung, sie brauchen das, und zwar möglichst eine Steuerung bis ins letzte Detail. Wenn der Staatssekretär dagegen hält, dann muss er sich hier beschimpfen lassen.

Natürlich gehört die Schuleingangsphase in den Kontext dieser Reformvorhaben der Grundschule. Insofern ist es selbstverständlich, dass sich der Landtag dieses Themas annimmt. Selbstverständlich ist für mich auch, dass das Ministerium den Landtag und insbesondere den Ausschuss für Bildung und Wissenschaft laufend über eingeleitete und vollzogene Schritte informiert. Das tun wir aber so oder so. Allerdings ist bei der Schuleingangsphase dreierlei zu beachten.

Erstens kann man nicht sagen, dass mit der Einführung der Schuleingangsphase erstmals die Pädagogik in die Grundschule einzöge. Grundschullehrer hatten auch bisher schon mit unterschiedlichen Ausgangsvoraussetzungen bei den Schülerinnen und Schülern zu tun. Auch bisher konnte eine Klasse übersprungen und wiederholt werden. Insofern ist die Schuleingangsphase ein wichtiger Schritt des Übergangs in die Schule und für die Entwicklung der Kinder, aber sie ist kein Paradigmenwechsel, der die Grundschule sozusagen aus den Angeln heben würde oder eine komplette Neuorientierung verlangen müsste. Das wäre auch ein Armutszeugnis für die bisherige Arbeit der Grundschulen.

Zweitens. Die Schuleingangsphase würde grundsätzlich in Jahrgangsklassen oder jahrgangsübergreifend durchgeführt. Auf eine Mischform komme ich nachher noch. Die größere Umstellung findet dort statt, wo man sich für jahrgangsübergreifenden Unterricht entscheidet. Wir sind uns sicherlich darin einig, dass wir ihn zwar fördern, aber nicht um jeden Preis fordern sollten. Der jahrgangsübergreifende Unterricht sollte nur dort stattfinden, wo die Voraussetzungen ihn zulassen oder nahe legen und wo die Schule sich selbst dafür entscheidet. Sonst könnte er mehr Schaden als nützen.

Außerdem werden solche Entscheidungen nicht ad hoc getroffen. Eine Schule, die jahrgangsübergreifenden Unterricht einzuführen erwägt, wird das nicht schon im kommenden Schuljahr tun, sondern sich öffentlich vorbereiten und allenfalls im Schuljahr 2006/2007 damit beginnen.

Übrigens, auch die offene Schuleingangsphase muss zunächst einmal einen Beginn haben. Denn man kann nicht mittendrin bei Schülerinnen und Schülern eine Entscheidung treffen, die beispielsweise ihre ersten beiden Schuljahre nicht unter diesem Modus begonnen haben. Das hängt übrigens auch damit zusammen, dass der jetzige erste Schuljahrgang noch nach den abzulösenden Rahmenrichtlinien unterrichtet wird, der künftige, der nächstfolgende Jahrgang nach dem neuen Lehrplan, in dem die Schuleingangsphase inhärenter Bestandteil des neuen Lehrplanwerks sein wird.

Drittens gilt das neue Einschulungsverfahren, mit dem möglichst keine Kinder mehr zurückgestellt werden sollen, erst mit dem In-Kraft-Treten des Schulgesetzes, also zum 1. August dieses Jahres. Deshalb erfolgt das Aufnahmeverfahren für die Schulanfänger des kommenden Schuljahres noch nach den bisherigen Regelungen. Das heißt, dass gemäß § 37 Abs. 3 Kinder vom Schulbesuch zurückgestellt wurden, wenn sie körperlich, geistig oder in ihren Sozialverhalten nicht genügend entwickelt waren, jetzt allerdings letztmalig.

Mit einer Erhöhung der Heterogenität der Klassen, die ja einer der Hintergründe für die Schuleingangsphase war, ist also im neuen Schuljahr jedenfalls in diesem Zusammenhang noch nicht zu rechnen. Hinzu kommt, dass auch die Entscheidung über einen längeren Verbleib in der Schuleingangsphase in der Regel erst im Verlauf des zweiten Schulhalbjahres - des Schuljahres 2005/2006 natürlich - getroffen werden kann.

Aus allen diesen Gründen gibt es keinen Anlass, jetzt in Hektik zu verfallen. Deswegen verstehe ich diesen Druck nicht so ganz. Es war übrigens ganz und gar gerechtfertigt, dass in der Vorbereitung der Grundschulen auf das kommende Schuljahr der Einführung des kompetenzorientierten Lehrplans die größte Aufmerksamkeit gewidmet wurde.

Denn das ist sozusagen die inhaltlich-strukturelle Basis für alles, was wir uns in den formalen Veränderungen der Schuleingangsphase überhaupt vorstellen können. Sonst würden wir sie nämlich auf eine leere Weise zelebrieren, ohne die Substanz, die dieses neue Verfahren letzten Endes nahe legt, auch hinreichend in den Schulen zu verbreiten.

Damit ist dann eine genaue Einschätzung der Leistungsentwicklung möglich. Ohne diese Voraussetzung gibt es nämlich gar nicht genug Anhaltspunkte für Entscheidungen oder auch nur guten Rat im Rahmen der individuellen Entscheidungen der flexiblen Schuleingangsphase.

Der neue Lehrplan enthält unter anderem Begleitmaterial zur Gestaltung schulinterner Lehrpläne und einen Grundsatzband mit Leitideen der Arbeit in der Grundschule. Eine dieser Leitideen lautet übrigens: individuelle Förderung. Dabei geht es darum, unterschiedliche Lernvoraussetzungen, Lerntempi und Lernleistungen der Schülerinnen und Schüler in einem differenzierenden und individualisierenden Unterricht zu berücksichtigen.

Man kann also nicht die Vorbereitung auf den neuen Lehrplan und die auf die Schuleingangsphase bezogenen Überlegungen als zwei Dinge betrachten, die nichts miteinander zu tun hätten.

Lassen Sie mich, wenn es die Zeit erlaubt, noch kurz auf ausgewählte Punkte - nicht auf alle - des Antrags eingehen.

Erstens. Es gehört unbedingt und selbstverständlich zu den Pflichten der Schulleitung, den Eltern umfassende Informationen über die Gestaltung der Schuleingangsphase zukommen zu lassen. Darauf wurden und werden alle Schulleiterinnen und Schulleiter in den Dienstberatungen nochmals hingewiesen.

Zweitens. Das Ministerium prüft derzeit, welche Konzepte von Schulen für eine Veröffentlichung im Netz, also im Sinne von Best-Practice-Beispielen, geeignet sind. Die von der Martin-Luther-Universität im Auftrag des Kultusministeriums erarbeitete Broschüre „Neugestaltung der Schuleingangsphase“, die seit Sommer 2000 allen Grundschulen vorliegt, ist inzwischen auch auf der Homepage des Kultusministeriums einzusehen.

Zu Ihrem dritten Punkt. Ich kann an dieser Stelle nicht auf alle für das Thema relevanten Fortbildungen in der Vergangenheit eingehen, ausdrücklich hervorheben möchte ich aber, dass das Thema flexible Schuleingangsphase unter anderem Bestandteil des für alle Grundschulleiter verbindlichen 60-Stunden-Fortbildungskurses war, der gemäß Runderlass des Kultusministeriums seit dem 31. Januar 2002 bis zum Ende dieses Jahres regelmäßig stattfindet.

Auch die vom Ministerium vorgegebenen Schwerpunkte für die Lehrerfortbildung in diesem und im kommenden Schuljahr beinhalten in den Bereichen „Gestaltung des Übergangs vom Elementarbereich zur Schule“ und „Ausgewählte fachdidaktische und methodische Problemstellungen der Unterrichtsfächer“ fachdidaktische und methodische Problemstellungen in Bezug auf die flexible Eingangsphase.

Das Lisa führt im Schuljahr 2005/2006 einen eigenen Zusatzkurs zur Gestaltung der Schuleingangsphase durch. Der Kurs soll einen Umfang von 18 bis 20 Stunden haben und die Teilnehmer für die Durchführung von Veranstaltungen der schulinternen Lehrerfortbildung qualifizieren.