Jetzt ist allerdings eine Situation eingetreten, in der dies aus zwei Gründen - leider - nicht geht. Ich habe darüber
wirklich sorgfältig nachgedacht, muss ich sagen. Zunächst einmal neigt man ja immer dazu, größtmögliche Entscheidungsspielräume für die Eltern und die Schulen zu fordern.
Erstens muss der Elternwille hier individuell formuliert werden, was, selbst wenn er mitten im Schuljahr geäußert wird, zu fragilen Situationen in Bezug auf die Konzeption der Schule führen kann. Das ist ein wichtiger Grund, aus dem ich am Ende sagen muss, dass das nicht geht.
Der zweite Punkt. Wir können uns ohne weiteres vorstellen, ein pädagogisches Konzept zu entwickeln, mit dem die fünfeinhalb Stunden so ausgeschöpft werden, dass in der Eingangs- und Ausgangsphase genügend Freiraum vorhanden ist, damit die Kinder und Eltern gemeinsam entscheiden können, ob sie die Angebote annehmen wollen oder nicht.
Theoretisch hätten wir die Regelungen zu den Öffnungszeiten der Grundschulen auch jetzt untergesetzlich verankern können. Nun besteht aber als paradoxe Konsequenz - das ist etwas, was ich lernen musste - politisch diese Möglichkeit ernsthaft nicht mehr, da wir alle in den Verdacht gerieten, man wolle in Wirklichkeit die außerunterrichtliche Betreuung mitsamt dem pädagogischen Personal wieder abschaffen. Deshalb geht das nicht, obwohl, wie gesagt, der Gedanke zunächst einmal einer ernsthaften Prüfung bedurfte.
Ich möchte nun noch ganz kurz auf den Vorschlag der PDS-Fraktion eingehen, man möge zusätzlich Unterrichtsstunden in Verantwortung der einzelnen Schule zulassen. Das hängt auch mit der Pisa-Debatte zusammen, die wir nachher auch noch einmal auftun werden.
Hiervon würde ich aus zwei Gründen abraten, erstens weil nämlich die Devise, ein Problem mit mehr Unterricht, also schlicht mit mehr Stunden lösen zu wollen, in der Regel nicht aufgeht. Wenn ich polemisch sein wollte, müsste ich sagen: Man kann Klasse und Masse nicht in dieser Weise gegeneinander aufwiegen. Im Übrigen ist das Unterrichtsaufkommen, wenn wir die Fremdsprachen hinzunehmen, in den Kernfächern groß genug. Mein Konzept besteht in einer wirklich intensiveren Ausgestaltung des Unterrichts statt in einer Extension.
Im Übrigen - darauf weisen Sie selber hin, Frau Sitte bzw. Frau Hein - kriegen Sie mit einer Stunde mehr pro Woche die Grundschule mit verlässlichen Öffnungszeiten nicht mehr als wechselnden Lernmodus gestaltet, sie müssten die Konstante von fünfeinhalb Stunden verlängern.
Ich würde mich dann eher über eine intelligente und ehrliche Diskussion über die Alternative von Ganztagsangeboten freuen. Sie wissen, dass ich in dieser Frage aufgeschlossen bin, vorausgesetzt, dass wir im Lande selber die Impulse dafür steuern können und nicht nach Vorgaben der Bundesbildungsministerin arbeiten müssen. Das liefe dann aber auf ein anderes Konzept hinaus, das wir nicht unter der Frage der schlichten Stundenausdehnung diskutieren sollten, sondern als einen vom Grunde her anderen Ansatz, den ich gern alternativ in die Vielfalt unserer Angebotsstrukturen eingebettet wissen will. Deshalb ist eine reine Stundenausweitung in meinen Augen keine innovative Lösung. - Vielen Dank.
Herzlichen Dank. - Für die SPD-Fraktion erteile ich der Abgeordneten Frau Mittendorf das Wort. Bitte sehr, Frau Mittendorf.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der vorliegende Gesetzentwurf kommt daher wie der Wolf im Schafspelz. Auf den ersten Blick erweckt er den Eindruck von Harmlosigkeit. Aber er ist nicht harmlos. Bei näherem Hinschauen entdeckt man lange, scharfe Zähne.
Wer immer noch glaubt, dass sich außer der Anwesenheitspflicht nichts Wesentliches ändern soll, unterliegt leider einem schweren Irrtum, lieber Kollege Olbertz. Staatssekretär Willems gab im Rahmen der Gesetzesberatungen im Ausschuss schon einmal unmissverständlich die Richtung vor. Er sagte: Lern- und Entspannungsphasen müssen wieder stärker auseinander gehalten werden. Dies sei das Leitmotiv einer zukünftigen inhaltlichen Struktur der Grundschule.
Spätestens jetzt sollten aber alle den Ernst der Lage erkannt haben. Ein Blick in den Entwurf der das Gesetz ausgestaltenden Verordnung beseitigt aber auch den allerletzten Zweifel. Dort steht das nämlich schwarz auf weiß. An Unterrichtstagen mit vier Unterrichtsstunden stehen für die Eingangs- und Ausgangsphase insgesamt mindestens 75 Minuten zur Verfügung. Der Unterricht wird in Unterrichtsblöcken organisiert. Laut gültiger Stundentafel wären das maximal vier Tage. Bei näherer Betrachtung könnte dies im Extremfall sogar bedeuten - das möge man bitte beachten, meine Damen und Herren -, dass der Unterricht in der Mitte zu zwei 90-Minuten-Blöcken verdichtet wird; vor und nach dem Unterricht erfolgt eine freiwillige Betreuung, die dann bis zu 100 Minuten umfassen könnte.
Meine Damen und Herren! Das sind 100 Minuten, die den Kindern, die die freiwilligen Angebote nicht nutzen, einfach verloren gehen.
Meine Damen und Herren! Nun wird einer Oppositionspartei gern vorgeworfen, dass sie polemisiert und die Vorhaben der Regierung schlechtredet. Deshalb möchte ich an dieser Stelle auf die Stellungnahme von Sachverständigen aus der Anhörung verweisen.
Aus der Sicht mehrerer Experten, unter anderem von Professor Wenzel vom Verein Pro Schule, von Frau Professor Prengel vom Institut für Grundschulpädagogik an der Martin-Luther-Universität oder auch von der GEW,
(Herr Schomburg, CDU: Das waren die einzigen! Andere gab es nicht! - Frau Feußner, CDU: Das waren auch die einzigen!)
ist das dem Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU und der FDP zugrunde liegende additive Konzept aus pädagogischer Sicht eben nicht das Optimale. Ihrer Meinung nach wird vom Gesetzentwurf ein Signal ausgesendet, dessen Wirkung schwer zu kontrollieren sein wird.
Meine Damen und Herren! Mit der Einführung der Grundschule mit festen Öffnungszeiten wurde ein didaktischmethodisches Konzept angestrebt, das den Schulen eine besser auf die Bedürfnisse der Kinder abgestimmte Rhythmisierung des Lernens und die Nutzung erweiterter Lernformen ermöglichen soll.
Meine Damen und Herren! Auch nach der Pisa-Studie muss uns klar sein, dass wir dringend einen Aufbruch alter didaktisch-methodischer Konzepte und Ansätze brauchen.
Aus vielen Gesprächen mit Grundschulpädagoginnen, aber auch mit Eltern haben wir den Eindruck gewonnen, dass diese Reform in der Grundschule von vielen Seiten unterstützt wurde und auch unterstützt wird.
Natürlich, meine Damen und Herren, - das wissen alle - gibt es auch immer Schulen, in denen es noch nicht funktioniert, die die angestrebten Ziele nicht erreichen und Ansprüche nicht erfüllen. Aber nach einem Jahr, in dem mit diesem Modell gearbeitet wurde, kann man das auch nicht erwarten. Wir wissen allerdings, dass mehr als zwei Drittel der Schulen erfolgreich mit diesem Modell arbeiten.
Meine Damen und Herren! Nun komme ich noch einmal auf den Wolf im Schafspelz zurück. Die angestrebte neue Gesetzeslage zwingt diese Schulen, ihre pädagogisch innovativen und erfolgreich praktizierten Konzepte weitestgehend aufzugeben und zurückzubauen. Dies, meine Damen und Herren von der CDU- und von der FDP-Fraktion, Herr Kultusminister, kann doch auch vor dem Hintergrund der vorhin über die Pisa-Studie geführten Debatte nicht in Ihrem Sinne sein. Um ein Wahlversprechen einzulösen, opfern Sie mühsam errungene pädagogische Fortschritte an vielen Schulen.
Meine Damen und Herren! Wir haben diesen Änderungsantrag, der bereits im Ausschuss abgelehnt wurde, nicht umsonst gestellt. - Nicht dass ich falsch verstanden werde: Die SPD-Fraktion hält die Grundschule mit festen Öffnungszeiten nach wie vor für das bessere pädagogische Konzept, für das es jedoch gegenwärtig im Landtag keine Mehrheit gibt.
Meine Damen und Herren! Wir wollen Ihnen eigentlich einen Kompromiss anbieten, der zwischen pädagogischen Ansprüchen, über die wir permanent im Landtag reden, und Elternwillen vermittelt. Gutes muss bewahrt werden. Nicht der Landtag, sondern die Gesamtkonferenz einer Grundschule kann am besten darüber entscheiden, welches pädagogische Konzept für die jeweilige Schule geeignet ist.
Nehmen Sie sich selbst beim Wort, meine Damen und Herren, und leisten Sie mit uns zusammen einen Beitrag zur Eigenverantwortung der Schulen, die Sie selbst einfordern. Von den Klassenelternschaften über den Schulelternrat bis zu den Elternvertretern in der Gesamtkonferenz kann eine demokratische Meinungsbildung stattfinden. Die größere Eigenständigkeit ist eine sich aus der Pisa-Studie ergebende Forderung und ein Gebot der Stunde. An dieser Stelle können wir den Worten auch Taten folgen lassen.
Herr Schomburg - jetzt ist er leider draußen - hat in der Anhörung selbst gesagt, dass diese Variante in Erwägung gezogen worden sei. Sie hätten sich jedoch entschieden, das nicht so zu machen, weil die Gefahr bestünde - Herr Olbertz hat es auch bestätigt -, dass einzelne Eltern überstimmt würden.
Deshalb muss ich aber doch noch einmal an die Aussagen von Herrn Minister Olbertz während der Ausschussberatungen erinnern. Er sagte dort, dass die Wiedereinsetzung des Elternwillens nicht mit der Pauschalgarantie verbunden sei, jeder individuellen Konfiguration zu folgen.
Der Elternwille sei nicht absolut frei. - Das ist richtig. - Die Eltern träfen eine Entscheidung für ihre Kinder stets unter den gegebenen Rahmenbedingungen.
Interessant, meine Damen und Herren, ist aber der Bezug dieser Äußerung. Sie diente der Rechtfertigung für die teilweise Rücknahme des eigenen Wahlversprechens: Wurde die Einsetzung verlässlicher Öffnungszeiten bisher immer als die Wiederherstellung des freien Elternwillens gefeiert, müssen wir nun aus dem Verordnungsentwurf erfahren, dass diejenigen Schülerinnen und Schüler, die die Ein- und Ausgangsphase nicht besuchen, keinen Anspruch auf die Schülerbeförderung haben.
Ich wiederhole das noch einmal: Die Wahlfreiheit, die viel gepriesen wird, nützt gar nichts; denn diejenigen, die von ihren Eltern nicht abgeholt werden, haben gar keine Möglichkeit, die Schule mit dem Schulbus zu verlassen.
Meine Damen und Herren! Über das Verfahren, während der Ferien so eine Gesetzesänderung vorzunehmen, haben wir uns oft und lange genug erregt. Fakt ist jedoch, dass die Schulen vor den Ferien das kommende Unterrichtsjahr vorbereitet haben und nach den Ferien eine neue Gesetzeslage vorfinden werden. Davon gehe ich jetzt ganz einfach aus. Sie hatten kaum und nicht ausreichend Gelegenheit, sich in den Diskussionsprozess einzubringen, und es wird sicher einige Probleme zu Beginn des neuen Schuljahres geben. Der Minister hat es ja selbst angedeutet.
Das heißt nämlich konkret: Nach einer neuen Gesetzeslage müssen die Gesamtkonferenzen neue Beschlüsse herbeiführen und sie müssen die Konzepte verändern. Und das, meine Damen und Herren, führt Ihre eigenen Ansprüche ad absurdum.
Es ist auch bereits gesagt worden, dass der jetzt vorliegende Gesetzentwurf keine inhaltliche Reform der Grundschule ist. Das ist richtig. Das heißt also im Klartext: Wir machen jetzt einmal etwas an der Struktur, und dann, wahrscheinlich in kürzerer oder längerer Zeit, ver
Warum, meine Damen und Herren, nehmen wir uns nicht jetzt die Zeit und diskutieren ohne Zeitnot über ein Gesamtkonzept für die Grundschule, das sowohl konzeptionelle als auch inhaltliche Gedanken berücksichtigt? Mit der von Ihnen angestrebten und wahrscheinlich durchgesetzten Gesetzesänderung stecken Sie die Schulen doch in ein konzeptionelles Korsett, aus dem sie sich nicht mehr befreien können. Die Möglichkeit, eigenständige konzeptionelle Entscheidungen zu treffen, besteht dann nur auf dem Papier der Verordnungen. Das hat alles nichts mehr mit einer Stärkung der Eigenverantwortung der Schulen zu tun, die Sie, meine Damen und Herren von den regierungstragenden Fraktionen, auch im Koalitionsvertrag festgeschrieben haben.
Meine Damen und Herren! Nun mache ich noch zwei Anmerkungen im Hinblick auf den Antrag der PDSFraktion, vornehmlich zu Punkt 2. Dieser ist für uns nicht ganz nachvollziehbar. Wenn die Stundentafeln der Klassenstufen 1 und 2 um drei bis vier Stunden angehoben werden sollen, dann ergäbe sich ein Soll von bis zu 27 Stunden. Das hätte zur Folge, dass - wenn die Öffnungszeit weiterhin 5,5 Stunden betragen würde - noch nicht einmal Zeit für eine Ein- und Ausgangsphase da wäre. Die Kinder kämen zur Schule, hätten sechs Stunden Unterricht, kleine Pausen und gehen nach Hause.