Die ganze Gesellschaft verspielt ihre Zukunft, wenn Bildung gering geschätzt oder vernachlässigt wird. Die Verantwortung dafür liegt jetzt bei uns, so wie wir hier sitzen, und ich hoffe, dass wir sie weitgehend gemeinsam wahrnehmen werden. - Vielen Dank.
(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Zu- stimmung von Frau Bull, PDS, und von Herrn Dr. Thiel, PDS)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In der Begründung zu der Aktuellen Debatte ist die Rede von einem Nachdenken über die Konsequenzen aus den Pisa-Studien und der Diskussion über notwendige Veränderungen. Es ist sehr erfreulich, dass von meinen beiden Vorrednern, von Frau Feußner und vom Minister, ein Konsensangebot gemacht worden ist. Ich glaube, das ist auch richtig, weil wir notwendigerweise darüber diskutieren müssen, wie wir hinsichtlich der Entwicklung
Die Ausführungen des Ministers haben gezeigt, welch komplexes Thema hierbei zu behandeln ist. Ich persönlich wage ernsthaft zu bezweifeln, dass eine Aktuelle Debatte wirklich die Beiträge dazu leisten kann, die notwendig wären. Wir haben uns im Bildungsausschuss auf eine Anhörung von Experten über die tatsächlichen Ergebnisse verständigt. Ich glaube, daran werden wir dann auch entscheidend und konsequenter arbeiten.
Ich sehe auch die Gefahr, dass in solch einer Rede auch Dinge aufgegriffen werden, die fast alle schon einmal irgendwo gesagt und niedergeschrieben worden sind. Aber das kann nicht der Sinn der Übung sein.
Ich hatte ursprünglich erwartet - es wäre auch konstruktiver -, dass wir diese Diskussion mit dem Tagesordnungspunkt 6 - Schritte im Ergebnis der Pisa-Studien - verbinden. Es tut mir ein bisschen Leid, dass das nicht möglich war; denn dann hätten wir inhaltlich diskutieren können, welche Konsequenzen tatsächlich möglich sind. Wir hätten dann natürlich auch erwartet, dass die einbringende Fraktion ihre eigenen Vorstellungen aufzeigt. Das hat der Minister nun etwas ausgebessert und insofern kann man, glaube ich, damit leben.
Meine Damen und Herren! Seit der Veröffentlichung der ersten Pisa-Vergleichswerte im vergangenen Jahr setzte eine gesamtgesellschaftliche Diskussion um Bildung ein, die es bis dahin nicht gegeben hat. Nahezu alle pädagogischen Parameter und Konzepte standen auf dem Prüfstand, Defizite unseres Schulsystems wurden schonungslos aufgezeigt, ebenso wurden Alternativen angekündigt und diskutiert.
Diese Diskussion kann alle eigentlich nur hoffnungsvoll stimmen. Bildung wurde wieder als wichtiges Gut der Menschen begriffen, dem man mehr Beachtung schenken muss, weil man sich des Eindrucks nicht erwehren konnte - der Minister hat das ebenfalls gesagt -, dass dies in den letzten Jahren ein wenig aus dem Blickfeld geraten ist.
Mit der Veröffentlichung der Ergebnisse der Pisa-Ergänzungsstudie wurde es dann aber problematisch; die Situation hat sich verändert. Plötzlich sind die Defizite des deutschen Schulsystems nur noch Defizite einiger Bundesländer. Das halte ich für äußerst bedenklich.
Die vorn liegenden Länder sonnen sich in Wohlgefälligkeit und zeigen mit dem Finger auf die Schlusslichter. Das passt vielleicht auch in das gegenwärtige Zeitfenster.
Das kann nicht sein, meine Damen und Herren, denn damit wird ein Schlachtfeld an einer Stelle eröffnet, an der keines sein darf. Natürlich muss man sich fragen, warum das Leistungsniveau zwischen den Ländern teilweise sehr stark differiert.
Wir müssen darüber nachdenken, warum die Bildungsinvestitionen, also die Ausgaben für Bildung, in den Ländern sehr unterschiedlich sind. Wir müssen aber auch untersuchen, in welchem Zusammenhang die immer wieder angesprochenen Leistungen mit der Bildungs
beteiligung stehen. Eines ist dabei immer zu beachten - das scheint mir eine entscheidende Aussage zu sein -: So groß die Unterschiede teilweise auch sind, international gehört kein deutsches Bundesland zur Spitzengruppe.
Meine Damen und Herren! Die Vorbilder für unsere Schulen in Sachsen-Anhalt liegen nicht in Bayern und auch nicht in Baden-Württemberg; vielmehr sollten wir nach Finnland, Kanada und auf diejenigen Länder schauen, die nach dieser Untersuchung Spitzenreiter sind.
Natürlich ist die Frage legitim, warum gerade SachsenAnhalt im bundesdeutschen Länderranking so weit hinten liegt. Wer sich die Mühe macht und die vorliegenden Unterlagen unvoreingenommen und kritisch studiert, stellt einfach fest - das hat auch der Minister gesagt; das kann ich nur bestätigen -: Es gibt keine einfachen Antworten, es gibt wirklich ein mehrdimensionales UrsacheWirkungs-Geflecht, warum dieses oder jenes so funktioniert oder auch nicht. Die gleichen Parameter wirken sich unter anderen Bedingungen unterschiedlich aus.
Das kann ich auch belegen. Bestandteil der Studie war ein Vergleich der gesellschaftlichen und institutionellen Rahmenbedingungen. Die Befunde für diesen Bereich sind aus unserer Sicht im Hinblick auf Sachsen-Anhalt äußerst interessant.
So steht unser Bundesland bei einer Reihe von pädagogischen Parametern im Bundesvergleich an der Spitze oder befindet sich zumindest im Vorderfeld.
Ich nenne einige Beispiele: Der prozentuale Anteil der Bildungsausgaben am Bruttoinlandsprodukt beträgt 4,2 %. Damit liegt Sachsen-Anhalt bundesweit in der Spitzengruppe. Bei den Ausgaben je Schüler belegt das Land Sachsen-Anhalt unter den vergleichbaren neuen Bundesländern hinter Thüringen mit 8 800 DM den zweiten Platz; Sachsen kommt auf 7 800 DM.
Im Hinblick auf die Lehrer-Schüler-Relation an Grundschulen liegt Sachsen-Anhalt bundesweit auf Platz 3, bei der Schüler-Lehrer-Relation am Gymnasium sind wir wieder an der Spitze und der Zusammenhang zwischen Kompetenzerwerb und sozialer Herkunft - was ich für eine wesentliche Sache halte - ist in Sachsen-Anhalt am wenigsten ausgeprägt. Im Bundesvergleich verfügen wir über die höchste Abiturientenquote. Wir haben im Bundesvergleich die kleinsten Klassen und liegen hinsichtlich des Unterrichtsumfangs, der vorhin ebenfalls angesprochen wurde, etwa im Bundesdurchschnitt.
Trotzdem gibt es keinen Automatismus, wonach hohe Bildungsausgaben, niedrige Klassenstärken und hohe Bildungsbeteiligung zu gleich guten Leistungen führen. Darin liegt das Problem.
Auch die Schulreformen der letzten Jahre können für die schlechten Leistungen nicht herhalten, auch wenn sich einige wünschen, das so darstellen zu können. Die im Frühsommer 2000 geprüften 15-jährigen Schülerinnen und Schüler wurden 1991 eingeschult und durchliefen somit 1995/96 die 5. Klasse. Die schulformunabhängige Förderstufe wurde erst im Schuljahr 1997/98 eingeführt; die Aufhebung der Bildungsgänge an der Sekundarschu
Das bedeutet, daran kann es auch nicht liegen, denn die Probanden durchliefen das klassische gegliederte Schulsystem und waren von den Schulreformen der letzten Jahre nicht direkt selbst betroffen. - Woran liegt es dann?
(Frau Feußner, CDU: Das kann doch nicht Ihr Ernst sein, diese Argumentation! Also Frau Mit- tendorf! Sie machen sich doch selbst etwas vor!)
Aus meiner Sicht spielen hierfür in nicht unwesentlichem Maße auch gesamtgesellschaftliche und ökonomische Bedingungen eine Rolle.
Auch für die ewig-deutsche Debatte um die richtige Schulform bringt Pisa keine sensationell neuen Ergebnisse. Nur zweierlei steht fest: Eine frühe Auslese fördert die soziale Ungleichheit.
Das gegliederte Schulsystem ist kein Garant für bessere Leistungen, wie gerade das Abschneiden Deutschlands zeigt.
Ein wirklich integratives System wie in Finnland existiert in keinem deutschen Bundesland. Die wenigen Gesamtschulen, die es in Deutschland gibt, haben in der Regel Ergänzungscharakter und sind somit überhaupt nicht mit dem fast absoluten Gesamtschulsystem zu vergleichen, wie es in den Pisa-Spitzenländern besteht.
Fakt bleibt aber - und das ist unsere Aufgabe -: Die Weichen für die Erneuerung unseres Bildungssystems müssen jetzt gestellt werden. Die Menschen erwarten nicht, dass wir uns streiten, sondern die Einleitung erkennbarer und nachvollziehbarer Reformprozesse.
Sie erwarten eine gemeinsame Kraftanstrengung der Politiker, der Pädagogen, der Wissenschaftler, aber auch der Eltern sowie der Schüler im Hinblick auf die Verbesserung der Qualität der schulischen Arbeit.
Es ist also an der Zeit, sich auf gemeinsame Handlungsfelder zu verständigen. Das heißt, wir brauchen eine Verständigung zwischen den Bundesländern, aber vor allem innerhalb der Länder über Parteigrenzen hinweg. Dazu wollen wir unseren Beitrag leisten.
Ich habe bereits auf den nächsten Tagesordnungspunkt verwiesen, bei dem es um Schritte nach Pisa geht. Dazu haben wir einen umfangreichen Maßnahmenkatalog vorgelegt, der keinen Anspruch auf Vollständigkeit erhebt, der jedoch wichtige Handlungsoptionen zur Verbesserung der Qualität schulischer Arbeit in unserem Land bereitstellt.
Ohne der Diskussion zum folgenden Tagesordnungspunkt vorzugreifen, nenne ich einige Punkte. Es geht in diesem Zusammenhang