Das ist alles im Lehrplan vorgesehen und verfolgt respektable Zwecke, wie die Stärkung des Gemeinschaftsgefühls, die Erziehung zur Demokratie, Lebensweltbezug, Sinneserfahrung, Auflockerung des Unterrichts, sportlicher Ausgleich. Deshalb lernen die Schüler nichts, weder für das Leben noch für die Schule.
Ein dritter Punkt ist die Förderung benachteiligter Kinder. Diese müssen individuell gefördert werden. Diesbezüglich sollten auch in den alten Ländern Lehren gezogen werden; denn die Pisa-Studie hat zutage gebracht, dass die Lernunterschiede sozial benachteiligter Kinder zu anderen bei uns nicht so groß wie in den alten Bundesländern sind.
Die Rückkehr zum Unterricht im Klassenverband in der Sekundarschule und auch in der gymnasialen Oberstufe sowie das Schaffen von vergleichbaren Abschlüssen auf der Basis nationaler Bildungsstandards sind weitere Felder. An dieser Stelle möchte ich aber auch darauf verweisen, dass bereits im Rahmen einer Studie der Humboldt-Universität in Berlin festgestellt wurde, dass verbindlich vorgeschriebene Rahmenrichtlinien noch keine gleichwertigen Abschlüsse garantieren und sich derartige Ergebnisse nur über weitere Vergleichstests und ein unabhängiges Bildungsmonitoring erzielen lassen.
Die Eltern müssen ihre Erziehungsaufgabe wahrnehmen und die Zusammenarbeit zwischen dem Elternhaus und der Schule muss verbessert werden. Im Bereich der Lehreraus- und -weiterbildung muss mehr Wert auf didaktische Fähigkeiten und auf erziehungswissenschaftliche Kompetenzen gelegt werden. Bessere Fähigkeiten zur individuellen Förderung von Kindern müssen Ergebnis der Aus- und Fortbildung der Lehrer sein. Des Weiteren gehören die Unterrichtsversorgung und eine steigende Wertschätzung der Bildung und des Lehrerberufs dazu.
Ja. - Die Professoren Baumert und Lehmann haben in ihrem Buch zur TIMSS-Studie im Jahr 1997 den Schul
erfolg von drei Faktoren abhängig gemacht: Es sind die generelle Wertschätzung schulischen Lernens, die Unterstützungsleistungen des Elternhauses und die Bereitschaft zur Anstrengung.
In den Ländern, in denen diese Faktoren schwach entwickelt sind - in diesem Zusammenhang möchte ich Deutschland nennen -, werden die Nachteile leistungsgemischter Gruppen nicht nur nicht ausgeglichen, sondern sie werden sogar noch verstärkt. Deshalb ist, Frau Hein, ein Vergleich zwischen Finnland und Deutschland äußerst schwierig.
Die zentrale Botschaft aus der Sicht der CDU lautet: Wer kontinuierlich und konsequent Leistung fördert, fördert zugleich soziale Gerechtigkeit.
Frau Hein hat bereits auf den Umgang mit den Anträgen hingewiesen. Auch wir beantragen die Überweisung aller vorliegenden Anträge in den Bildungsausschuss. - Vielen Dank.
Danke, Herr Schomburg. - Meine Damen und Herren! Nunmehr hat für die Landesregierung Herr Minister Olbertz um das Wort gebeten. Bitte sehr, Herr Minister.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte auch auf die Punkte des Antrags der PDS-Fraktion und des Alternativantrags der SPD-Fraktion kurz mit eingehen.
Zu Punkt 1 möchte ich allerdings nichts sagen. Ich verweise diesbezüglich auf meine Rede, die ich während der Debatte am Anfang der Sitzung hinsichtlich der PisaStudie gehalten habe. Ich würde mich nur wiederholen.
Ich möchte nur darauf aufmerksam machen, Frau Hein, dass wir mit dem Beispiel Finnland vorsichtig umgehen müssen; denn das, was uns in unserem Schulalltag von dem finnischen System unterscheidet, ist nicht primär in einem Zusammenhang mit den Strukturen zu suchen, sondern es hängt damit zusammen, dass es dort eine vollkommen andere Lernkultur, ein wesentlich moderneres Denken mit vielmehr Klarheit in Bezug auf die Grundfunktionen von Schule gibt, was aus einer viel stabileren und gewisseren kulturellen Einbettung und Fundierung einer Schule in der Gesellschaft resultiert.
Das lässt sich nicht kopieren. Wenn man das finnische System von den Strukturen her kopieren wollte, dann würde es an unserem Status quo innerhalb weniger Wochen scheitern und die Finnen würden versuchen, schnell wieder über die Ostsee zu entkommen.
Unsere Probleme liegen woanders. Ich denke, dass wir gerade deshalb die Strukturdebatten, die letztlich nur formale Daten von Bildungsgängen vergleichen, mindestens aussetzen sollten, um mit den inneren Schulreformen zu beginnen, und das dann bitte gern am Beispiel Finnlands. Das habe ich mir genau und sogar mehrfach angesehen, als fast gewordener Finne.
Ich erinnere mich an einen Vortrag, den Frau Dr. Piri in Halle gehalten hat. Ich weiß nicht, ob Sie zugegen waren. Sie ist eine Ministerialdirigentin aus dem so genannten Zentralamt. Sie zeigte uns, wie gute Schule funktioniert, und hat auf die Frage, wie lange gemeinsam gelernt werden sollte, ob in einer Gesamtschule oder nach einem Einheitsschulkonzept, nicht mit einem einzigen Wort reagiert.
Sie hat im Wesentlichen nur beschrieben, wie sich die Schule dort auf der Basis einer lokalen Demokratie selbst organisiert, von unten her, begleitet durch Qualitätskontrollen und Evaluationen, um die sich die Schulen förmlich bewerben, weil das ihre Legitimation ist. Die haben vor wenigen Jahren die Schulämter komplett aufgelöst.
Dann zog sie - ich muss das kurz sagen - die Rahmenrichtlinien für diese zehnjährige Grundschule für alle Jahrgänge und Fächer aus ihrer Tasche. So heißt die Schule dort; das darf man nicht mit unserem Begriff verwechseln. Das Papier war einen halben Zentimeter dick. Ich lasse es mir jetzt in englischer Sprache schicken. Das gibt es auch auf Englisch.
Das scheint ein nationales Kerncurriculum zu sein, ein Grundkonsens der Gesellschaft über das, was elementares Kulturgut einer Gesellschaft ist, was man offensichtlich auf diesem Raum niederschreiben kann. Das ist ein Bildungsstandard. Wovon wir reden, das haben die alles schon.
Alles, was an Einzelaufgaben, an Untersetzung gemacht werden muss, wird direkt an den pädagogischen Kompetenzzentren vor Ort - das sind die Schulen und ihre Träger - entwickelt, und zwar deduktiv, von den Maßstäben einer traditionellen Evaluations- und Qualitätskultur her. - Wenn wir von Finnland etwas lernen wollen, dann bitte das und nicht die schlichte Übernahme von Strukturen.
Der zweite Punkt ist folgender: Zur Gestaltung der Grundschulen habe ich schon eine ganze Reihe von Dingen im Rahmen der Beratung des anderen Punktes gesagt. Ich will eine wichtige Sache wiederholen. Ohne eine sichere Beherrschung der so genannten Kulturtechniken - ich glaube darin sind wir uns einig - gibt es kein erfolgreiches Weiterlernen.
Das ist nicht nur eine Frage von Wissensdefiziten - was wissen die wann -, sondern das ist die Plattform des Lernens, auf der Lernfortschritte überhaupt erst möglich und organisierbar werden. Deswegen ist dort der allerwichtigste Punkt des Einsetzens von Reformen.
Wenn die Kinder das Handwerkszeug nicht beherrschen, können sie nicht erfolgreich weiterlernen. Zu diesem Handwerkszeug gehören Buchstaben-, Wort- und Satzverständnis, Lese- und Schreibroutine, Zahlen- und Mengenverständnis, Beherrschung der grundlegenden Rechenoperationen sowie kulturelles Basiswissen in Gestalt von Grundwissen über die Natur, von Geschichten, von Gedichten, von Liedern, also von dem, was kulturelle Substanz unseres Alltagslebens ist.
Dann muss von den Kindern erwartet werden, dass sie sich wirklich durch Forderungen fördern lassen und dass sie gleichzeitig in ihrer natürlichen Lernfreude - das ist eben nicht Spielfreude, sondern Erkenntnisfreude - Bestätigung erfahren. Ich selber habe immer Bedenken, wenn ich von der spielerischen Lernschule höre. Wir sollten wirklich noch einmal überlegen, ob die Thesen nicht eigentlich lauten müssten:
An den Grundschulen sind selbstverständlich Lernen und Spielen zu Haus - es handelt sich ja um Kinder -, aber als unterschiedliche Dinge, und die Schule muss diesen Unterschied erfahrbar machen. Denn erst dann kann ich das Lernen genießen als etwas anderes als das Spielen und das Spielen wirklich als Entlastung meiner Seele, meiner Psyche, empfinden, weil ich es eben in seinem Unterschied zelebriere und nicht in einer Melange, die am Ende das Entscheidende verloren gehen lässt, nämlich was eigentlich Lernen als konzentrierte und systematische Tätigkeit - akademisch würde ich sagen: mit eigener Dignität - beinhaltet. Diese Schlüsselerfahrung kann man nur durch Abgrenzung von anderen wichtigen Tätigkeiten machen, aber nicht durch eine Synthese, die letzten Endes in die Irre führt.
- Sie ist wirklich gut, aber sie ist auch erschreckend. Ich nenne keine Namen. - Ich habe eine Beschwerde einer Grundschullehrerin aus dem Ort X erhalten. Ein Schulamtsdezernent wollte sie sprechen, ist zu ihr in die Schule gefahren und hat sie aus dem Unterricht holen lassen, um das Gespräch zu führen.
Das empfand ich zunächst einmal als unglaublich. Ich habe mich richtig aufgeregt, wie es sich gehört. Ich habe gesagt: Ich möchte selbst recherchieren, was dort vorgefallen ist. Der wird ja wohl die Pause abwarten können. Er kann als Schulfachmann ja nicht den Unterricht stören.
Die Rechtfertigung lautete aber, er habe in der Schule eine Situation vorgefunden, bei der sich nicht sicher habe beurteilen lassen, ob es sich um Unterricht oder etwas anderes gehandelt habe.
Das ist sicherlich nicht prototypisch, aber für mich ein wichtiger Einblick. Ihm war nicht klar, was er stört, weil es offensichtlich an äußeren Merkmalen nicht zu erkennen war.
Nun mag ich sehr traditionell sein. Aber wenn in einer Situation an äußeren Merkmalen, selbst wenn es ganz moderner Gruppenunterricht ist, nicht erkennbar ist, worum es sich handelt, hat mich das ziemlich bedrückt. Ich will damit nur sagen, dass ich einfach um Vorsicht bitte, das spielerische Lernen allzu schnell zu fördern. Es ist an sich eine intelligente Idee. Spielen und Lernen stehen schon in einem interessanten Zusammenhang, aber in der Differenz.
Zu Punkt 3 des Antrages. Ich glaube, wir alle sind uns einig, dass wir die Reputation und auch den Gestaltungsspielraum der Sekundarschulen ganz entschieden entwickeln müssen, aber auch die Wahrnehmung des Bildungsgangs in seiner Wertigkeit, nämlich als gleichwertiger Bildungsgang gegenüber dem Gymnasium, aber eben mit anderem Profil.
Das muss gelingen, damit er nicht von den Eltern abgewählt wird, die dann am Ende keine Wahlentscheidung mehr treffen können, denn dann lautet die Alternative nur noch Gymnasium. Dann kriegen wir diese merkwürdigen Verwerfungen in Schullaufbahnempfehlungen
oder Entscheidungen, die im Grunde genommen nicht adäquat sind. Das führt dann dazu, dass viele junge Leute auf dem Gymnasium Dinge nicht lernen, die sie eigentlich können müssen für das, was sie später vorhaben, nicht anders rum.
Manchmal wird gesagt, der Olbertz hat nur Angst, dass die dort Sachen lernen, die sie niemals gebrauchen können. Es gibt nichts, was man niemals gebrauchen kann. Das ist gar nicht mein Argument. Aus allem kann man etwas machen. Aber es kann viel versäumt werden, wenn man in einem Bildungsgang ist, der einen mit wissenschaftspropädeutisch ausformulierter Hochschulreife versieht, die man aber in einem Lehrberuf nicht wirklich verwerten kann.
Wie auch immer, Ihre Form der Differenzierung in der Sekundarschule, wie immer man sie bewertet, hat zumindest faktisch dazu geführt - ob man nun Hauptschul- und Realschulbildungsgang trennt oder wie immer man das bezeichnet, im Übrigen alle 14 Tage neu; das mag alles sekundär sein -, dass immer mehr junge Leute diese Schule ganz ohne Abschluss verlassen.
Das ist für mich im Grunde am Ende das empirische Symptom, keine Schuldzuweisung. Das zeigt mir aber, dass dort offensichtlich ein Differenzierungsproblem höchsten Ausmaßes besteht und dass unter dem Stichwort Chancengleichheit gerade die dafür büßen müssen, die schon vorab die schlechtesten Chancen haben. Deswegen mache ich mir Sorge um diese Schule.
Zu Punkt 4 des Antrages möchte ich mich ebenfalls kurz fassen, weil wir uns sicherlich alle einig sind, dass wir alle Reformen in Bezug auf die innere Umgestaltung und Erneuerung der Schule nur leisten können, wenn wir Verbündete vor Ort haben, die nicht nur mitmachen wollen, sondern auch mitmachen können, das heißt also die qualifikatorischen Voraussetzungen haben.
Die Konsequenz ist erstens eine wirkliche Modernisierung der Lehrerbildung, wo wir Defizite ohne Ende haben - das muss man einfach einmal sagen -, obwohl auch gute Ansätze da sind, und zweitens durch eine permanente Fort- und Weiterbildung die Kolleginnen und Kollegen in der Schule fit zu machen, sich für neue und innovative Wege des modernen Unterrichts zu öffnen. Ich glaube, da haben wir gar keinen Streitpunkt.
Zum Schluss der Alternativantrag der SPD. Den habe ich - wenn ich das sagen darf - mit Freude gelesen. Bei mehreren Passagen war ich mir nicht einmal klar darüber, ob ich ihn am Ende nicht genauso geschrieben hätte.