Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Eine moderne, entsprechend den wesentlichen Bedürfnissen des Landes strukturierte Verwaltung ist ein wichtiger Standortfaktor im nationalen und internationalen Wettbewerb. Diesem Grundsatz müssen auch und gerade die kommunalen Gebietskörperschaften, die im übertragenen Wirkungskreis auch maßgebliche Stützen der Landesverwaltung sind, entsprechen.
Die Landesregierung hat in dieser Legislaturperiode konsequent an der Modernisierung der Verwaltungsstrukturen des Landes gearbeitet und ihren ehrgeizigen Zeitplan eingehalten. Mit der Umsetzung der notwendigen Reformen in einem gestaffelten Verfahren wurde sichergestellt, dass die Arbeitsfähigkeit der Verwaltung insgesamt zu jedem Zeitpunkt gewährleistet war und ist.
Mit der Auflösung der drei Regierungspräsidien und der Schaffung eines Landesverwaltungsamtes wurde zu
nächst auf der Landesebene eine notwendige Strukturveränderung umgesetzt. Im Anschluss daran wurden auf der gemeindlichen Ebene leistungsfähige Verwaltungsstrukturen gebildet. Auch dieser Prozess ist zwischenzeitlich weitgehend abgeschlossen worden.
Nachdem diese Reformvorhaben beendet worden sind, kann jetzt die Neuordnung der kreislichen Ebene angegangen werden. Auch hierbei wurde das bewährte gestufte Verfahren eingehalten. Mit dem Kommunalneugliederungs-Grundsätzegesetz wurde der Rahmen für eine Kreisgebietsreform vorgegeben. Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf soll dieser Rahmen jetzt ausgefüllt werden.
Zu der Frage der künftigen Kreissitze wurden entsprechende Gesetzentwürfe zur Anhörung freigegeben, sodass auch diese Frage zeitnah einer gesetzlichen Regelung zugeführt werden kann. Damit wird der Ebene der Landkreise Planungssicherheit gegeben.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ziel der Kreisgebietsreform ist die Herstellung leistungsstarker und zukunftsfähiger Strukturen. Veränderte Anforderungen an die Leistungsfähigkeit der Landkreise werden hauptsächlich durch die enormen Auswirkungen der demografischen Entwicklung, die bei der letzten Reform im Jahr 1994 in dieser Dimension nicht einmal ansatzweise erkennbar waren, durch die zunehmend schwierigere finanzielle Situation aller Gemeinden und Landkreise in Deutschland und nicht zuletzt durch die wachsenden Qualitätserwartungen der Bürgerinnen und Bürger an die Verwaltung gestellt.
Ich möchte an dieser Stelle ein Leitmotiv hervorheben, das mir für das Reformvorhaben äußerst wichtig erscheint und von dem ich weiß, dass es in diesem Hause über die Fraktionsgrenzen hinweg von einer großen Mehrheit mitgetragen wird: Reformen sind kein Selbstzweck; sie müssen den Menschen in unserem Land dienen und von diesen letztlich auch akzeptiert werden. Denn die Menschen müssen in den neuen Strukturen leben, sie ausgestalten und fortentwickeln.
Wir müssen daher also stets bedenken, welche Auswirkungen unsere Vorhaben auf die Menschen in unserem Land haben. Oder anders gesagt: Reformideen bloß vom grünen Tisch aus gehen fehl.
Lassen Sie mich dies mittels eines in diesem Hause oft bemühten Beispiels unterstreichen: Was nützt es, wenn ein vermeintlicher Stararchitekt ein überdimensioniertes Haus mit vermeintlich bester Isolierung und Ausstattung errichtet, das Gebäude aber keine „innere“ Wärme, keine Behaglichkeit ausstrahlt, die möglichen Bewohner sich in den großen und sterilen Räumen nicht zurechtfinden und folglich dort nicht leben wollen. Auf unser Vorhaben bezogen folgt hieraus: keine Reform über die Köpfe der Menschen hinweg, sondern nur mit ihnen.
Das Ziel kann nur gemeinsam mit den Betroffenen vor Ort erreicht werden. Dabei kann man es - das merken wir auch in den Diskussionen - sicher nicht allen recht machen. Es ist aber notwendig, dass bereits vorhandene Formen der Zusammenarbeit in diesem Prozess Berücksichtigung finden. Ich habe bereits im Zusammenhang mit der Reform der Verwaltungsgemeinschaften gesagt, dass die derzeitige Landesregierung die kommunale Selbstverwaltung ernst nimmt.
Aus diesem Grund wurde, wie schon bei den Verwaltungsgemeinschaften, ein sehr umfangreiches Anhörungsverfahren durchgeführt. Sämtliche Gemeinden und
Landkreise des Landes Sachsen-Anhalt wurden zu dem Gesetzentwurf angehört. Der Gesetzentwurf wurde zudem im Rahmen einer Landrätekonferenz vorgestellt und in Bürgermeisterkonferenzen, die in jedem Landkreis stattfanden, erörtert. Das Anhörungsverfahren erstreckte sich auch auf landesweit tätige Verbände. Das Ergebnis dieser Anhörungen wurde in die Begründung zu dem Gesetzentwurf aufgenommen.
Schließlich haben wir Kreiskonferenzen in allen Landkreisen durchgeführt, in denen sich auf kreislicher Ebene tätige Vereinigungen wie auch örtliche Politiker und Wirtschaftsvertreter zu dem Entwurf positionierten und eigene Vorstellungen vortrugen. Die Erkenntnisse aus diesen Kreiskonferenzen wurden bei der Überarbeitung des Entwurfs ebenfalls berücksichtigt.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben in diesen Prozess ausnahmslos alle Kommunen des Landes eingebunden und haben auch versucht, möglichst viele Institutionen, Verbände, Kammern und andere Gruppierungen einzubinden. Dies ist in einem Umfang geschehen, den wir im Land Sachsen-Anhalt bisher noch nicht hatten. Sie alle haben uns weitergeholfen. Gestatten Sie mir daher an dieser Stelle einen herzlichen Dank an alle Personen und Institutionen, die den Prozess der Anhörung konstruktiv begleitet haben, gleich ob in der Sache zustimmend oder kritisch.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn man die kreisliche Ebene reformieren möchte, muss man sich vor Augen halten, dass Landkreise nicht nur unterste staatliche Behörden, sondern auch kommunale Selbstverwaltungskörperschaften sind. Wir haben damit zwei Ausrichtungen vorzunehmen, die im Ansatz in entgegengesetzte Richtungen weisen könnten.
Zum einen müssen die Landkreise zur Erfüllung der eigenen und staatlichen Aufgaben über eine ausreichende Leistungsfähigkeit verfügen. Dies bedingt hinreichend große Strukturen, um Spezialisierungen und Synergieeffekte zu erreichen. Andererseits ist Größe aber nicht alles. Im Wirtschaftsleben ist es eine allgemeine Erkenntnis, dass zunehmende Größe nicht in gleichem Umfang zu steigender Effizienz führen muss. Dies belegen Dezentralisierungstendenzen in einigen Branchen.
Zum anderen obliegt den Landkreisen die Gestaltung der kommunalen Selbstverwaltung. Es ist eine bürgernahe Kommunalpolitik zu gestalten, die die örtlichen Interessen noch erkennen und berücksichtigen kann. Bürgerferne und Politikverdrossenheit müssen von unseren Kommunen ferngehalten werden.
Die Landesregierung und der Landtag sind daher gut beraten, wenn sie darauf achten, dass kommunalpolitisches Engagement in einem Landkreis auch weiterhin möglich ist. Daher dürfen Landkreise eine Größe nicht überschreiten, bei der Entscheidungen der Kreistage für deren Mitglieder nicht mehr überschaubar sind und sich dem eigenen Erleben entziehen. Ein Landrat unseres Landes hat dies auf einer Kreiskonferenz wie folgt formuliert: Was haben wir gekonnt, wenn wir zwar drei Regierungspräsidien aufgelöst, aber mit überdimensionierten Kreisen faktisch kleinere Regierungspräsidien neu errichtet haben?
In gleicher Weise wirkt sich die Kreisstruktur auf die ehrenamtliche Tätigkeit und auf die Verbandstätigkeiten im
Landkreis aus. Es ist darauf zu achten, dass die Bereitschaft der Menschen, Engagement zu zeigen, nicht beeinträchtigt wird. Sorgen in diese Richtung konnten wir in den bereits erwähnten Kreiskonferenzen mehrfach feststellen, vor allem in den Bereichen Sport und Feuerwehr.
Der vorliegende Gesetzentwurf wird den Anforderungen an den gesetzgeberischen Spagat gerecht. Unsere Landkreise, von denen heute nur ein Drittel mehr als 100 000 Einwohner aufweist und von denen im Prognosejahr 2015 wohl kein einziger den prognostizierten Wert von 120 000 Einwohnern erreichen wird, werden nachhaltig vergrößert.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Bei unserem Vorhaben lassen wir uns vornehmlich von folgenden Kriterien leiten, die schon im KommunalneugliederungsGrundsätzegesetz von diesem Hohen Hause aufgestellt wurden:
Die Zahl der Einwohner im Gebiet des neuen Landkreises soll im Jahr 2015 auf der Basis der amtlichen Prognose des Statistischen Landesamtes mindestens 150 000 betragen. Dies gilt nicht, wenn die durchschnittliche Einwohnerdichte in dem Gebiet des neu zu bildenden Landkreises im Jahr 2015 weniger als 70 Einwohner je Quadratkilometer betragen wird. In begründeten Fällen kann die Einwohnerzahl unterschritten werden.
Daneben sollen raumordnerische, insbesondere wirtschaftliche und naturräumliche Zusammenhänge sowie historische und landsmannschaftliche Verbundenheiten berücksichtigt werden. Der nach der Fläche größte neue Landkreis soll nicht mehr als 2 500 km² umfassen. In begründeten Fällen kann die Fläche überschritten werden. Die Überschreitung darf nicht mehr als 10 % betragen.
Der Zuschnitt der Landkreise soll möglichst als Vollfusion bereits bestehender Landkreise erfolgen. Um den bisherigen Landkreisen ein gleichberechtigtes Zusammenwachsen „auf gleicher Augenhöhe“ zu ermöglichen, werden alle bisher betroffenen Landkreise aufgelöst und zu neuen Gebietskörperschaften zusammengeschlossen. Die Aufnahme eines bisherigen Landkreises in einen anderen bisherigen Landkreis findet aus diesem Grund nicht statt.
Die hieraus resultierenden Ergebnisse belegen, dass unsere neuen Landkreise im Bundesvergleich gut mithalten können. Die deutschen Landkreise weisen im Bundesdurchschnitt eine Fläche von 1054,52 km² und eine Einwohnerzahl von 174 540 auf. Genauer betrachtet: 186 Landkreise - 57,6 % - haben eine Einwohnerzahl unterhalb von 150 000; 273 Landkreise - das sind 84,5 % - liegen mit ihrer Fläche unterhalb von 1 500 km²; nur fünf Landkreise - also 1,5 % der Landkreise - weisen eine Fläche von mehr als 2 500 km² aus.
Ich möchte an dieser Stelle zur Klarstellung nochmals betonen: Die genannten Einwohnervergleichszahlen der bundesdeutschen Landkreise beziehen sich auf den Status quo; unsere Zielzahlen heben auf das Jahr 2015 ab und berücksichtigen bis dahin den heute erkennbaren Fortgang der demografischen Entwicklung. Ich glaube, dies spricht für sich; gelegentliche Äußerungen von „zu kurzen Sprüngen“ relativieren sich bei dieser Betrachtung von selbst.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Im Ergebnis werden so aus bisher 21 Landkreisen elf Landkreise entstehen. Die drei kreisfreien Städte bleiben bestehen. Der Zuschnitt folgt im Interesse der Akzeptanz so weit
wie möglich den Vorstellungen vor Ort. Die Mehrheit der angestrebten Fusionen wird von den beteiligten Landkreisen und deren Gemeinden sowie Verbänden ausdrücklich begrüßt. Wir können hier ein hohes Maß an Zustimmung feststellen. Dies gibt uns die Gewissheit, dass die Menschen ihr Engagement auch in den neuen Kreisstrukturen fortsetzen werden.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Bezüglich des konkreten Zuschnitts möchte ich aber nicht unerwähnt lassen, dass wir auch Felder heftiger Diskussionen im Land hatten und auch noch haben. Ich spreche den Bereich Anhalt hierzu deutlich an. Ich kenne niemanden, der die historische Bedeutung und die identitätsstiftende Wirkung dieses Landesteiles nicht ausdrücklich anerkennt. Anhalt ist ein prägendes Element unseres Landes und wird es auch bleiben. Ich spreche allen Personen, der Evangelischen Landeskirche Anhalt, allen Initiativen und Verbänden meine aufrichtige Anerkennung für ihre Bemühungen aus.
Die Landesregierung hat zu Beginn des Anhörungsverfahrens mit einem gesonderten Anschreiben an die betroffenen Landkreise und deren direkt angrenzende Nachbarn versucht, den Anhalt-Gedanken den anzuhörenden Landkreisen vor deren Entscheidung über die kreislichen Stellungnahmen nachdrücklich in das Bewusstsein zu bringen. Die Stellungnahmen der betroffenen Landkreise sowie der Stadt Dessau haben dann aber zu der Erkenntnis geführt, dass ein Landkreis Anhalt unter Beachtung der Mindestvorgaben im Kommunalneugliederungs-Grundsätzegesetz nicht erreichbar war, weil er eben nicht von allen oder auch nicht von hinreichenden Teilen der Landkreise aus den Gebieten der ehemals drei anhaltischen Fürstentümer gewollt war. Hinzu kamen explizite Ausrichtungen der Landkreise Bitterfeld und Wittenberg, die mit den Stellungnahmen der anhaltisch geprägten Landkreise in der Gesamtbewertung zu dem Ergebnis führten, das Ihnen mit diesem Gesetzentwurf vorgelegt wird.
Nicht näher eingehen möchte ich an dieser Stelle auf die uns mitgeteilten zahlreichen Wechselwünsche von Gemeinden aus dem Landkreis Anhalt-Zerbst, sei es, dass diese
- wie Coswig unbedingt nach Wittenberg wechseln wollen, obwohl der Landkreis Anhalt-Zerbst die einst vorgeschlagene Fusion mit dem Landkreis Wittenberg abgelehnt hatte,
- wie die Mitgliedsgemeinden der ehemaligen Verwaltungsgemeinschaft Loburg und die Gemeinden westlich von Zerbst in das Jerichower Land wechseln wollen und sich ausdrücklich gegen eine Zuordnung in Richtung Köthen oder Wittenberg aussprechen,
Derartige Tendenzen des Auseinanderdriftens von kreisangehörigen Gemeinden waren in keinem anderen Landkreis festzustellen. Der Landkreis Anhalt-Zerbst stellt nach den Erkenntnissen aus der förmlichen Anhörung und den erwähnten Konferenzen insoweit einen im Landesvergleich einmaligen Fall dar, der mit der Situation in anderen Landkreisen nicht vergleichbar ist.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Abschließend darf ich feststellen, dass die Notwendigkeit einer kreislichen Neustrukturierung unbestritten ist. Über die Ausgestaltung der neuen Struktur kann man streiten; das
werden wir in diesem Hause wohl auch tun. Ich bin mir aber sicher, dass wir dies in einer konstruktiven Weise tun werden.
Lassen Sie uns gemeinsam eine Reform mit Augenmaß verwirklichen. Lassen Sie uns eines nicht vergessen: Wir bauen das kommunale Gebäude für die Menschen in unserem Land auf. Diese müssen später darin leben. - Herzlichen Dank.
Vielen Dank, Herr Minister Jeziorsky. - Bevor wir in eine Debatte eintreten, in der jede Fraktion zehn Minuten Redezeit hat, haben wir die Freude, Damen und Herren vom Kollegium des Fachgymnasiums des Landkreises Mansfelder Land begrüßen zu können.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Bei der Regierungserklärung von Herrn Minister Dr. Rehberger zur Wirtschaftspolitik habe ich mich gefragt: Welch einen Aufschwung könnte dieser Mann gestalten, gäbe es nicht den Bund und die EU und den Weltmarkt?