Viertens. Wir unterstützen die Bemühungen der Landesregierung zur Schließung der Unternehmenslücke und zur Schaffung eines günstigen Klimas für Existenzgründungen. Auch darin sind wir uns einig. Aber gerade Existenzgründungen - auch in Form der Ich-AG - überleben vorrangig im Binnenmarkt mit Aufträgen aus der Region.
Zu der Frage jedoch, wie der Binnenmarkt gestärkt werden kann, war in Ihren Ausführungen leider wenig zu hören. Dafür war mehr über den Ausbau der Teilzeitjobs und die Abschiebung der so genannten Niedrigqualifizierten in den Niedriglohnbereich zu hören, die deshalb niedrig qualifiziert sind, weil ihre Qualifikation durch Langzeitarbeitslosigkeit systematisch entwertet wurde.
Fünftens. Die Auswirkungen der Kürzungen und der Mehrbelastungen der Masseneinkommen infolge der Reformen auf die regionale Kaufkraft sind in den neuen Bundesländern insbesondere aufgrund der hohen Arbeitslosigkeit, des hohen Anteils der Langzeitarbeitslosen und des überdurchschnittlichen Anteils niedriger Einkommen sehr gravierend. Sie führen zu einer geringeren regionalen Nachfrage nach Gütern und Dienstleistungen und schwächen damit die regionalen wirtschaftlichen Antriebskräfte. Zugleich wird dadurch die Gefahr erhöht, dass die Cluster und Wachstumskerne relativ isoliert bleiben und zu wenig dazu beitragen, regionale Wirtschaftskreisläufe herauszubilden und auszuweiten.
Die Belastung der kommunalen Haushalte, meine Damen und Herren, nimmt infolge der Reformen aufgrund der geringeren Einkommen der Bevölkerung, der Auswirkungen der Steuerreform, aber auch infolge der höheren Belastungen aufgrund der Hartz-Gesetze zu.
Die Verringerung der Mittel für eine aktive Arbeitsmarktpolitik, die im Osten eine besonders wichtige Rolle spielt - Wegfall von SAM, Verringerung der Mittel für ABM und Qualifizierungsmaßnahmen -, führt zum Wegfall wichtiger sozialer und kultureller Projekte und erhöht die Arbeitslosenzahl. Der erhöhte Druck auf die Arbeitslosen, eine Arbeit aufzunehmen, wird in Sachsen-Anhalt wirkungslos verpuffen, da die erforderliche Anzahl an Arbeitsplätzen nicht vorhanden ist.
Deshalb fordern wir mit Nachdruck, endlich die Kräfte auf die Schaffung von sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnissen mit existenzsichernden Löhnen zu konzentrieren. Diese könnten - darin unterscheiden sich unsere Meinungen - unter anderem auch über den bundesweiten Auf- und Ausbau der öffentlich geförderten Beschäftigung entstehen.
Ihre Sorge, Herr Minister, hinsichtlich der Debatte zu den Mindestlöhnen sollten Sie abbauen und sich konstruktiv in die Debatte zu einem Thema einbringen, das EU-weit bereits Standard ist. In neun der 15 alten und in allen neuen Beitrittsländern sind solche Mindeststandards be
reits vereinbart worden, ohne dass die Volkswirtschaften in Frankreich oder in England dem Kollaps entgegensähen.
Um die Entmachtung der Tarifvertragsparteien sollten Sie sich auch nicht sorgen, sondern vielmehr darum, dass Ihr Parteifreund Westerwelle eine davon als Plage bezeichnet hat.
Ihre Aussage, dass ein Arbeitsloser je nach persönlichen Umständen einen Stundenlohn zwischen 5 € und 8 € über Transferleistungen bezieht, zeigt doch bei aller Unterschiedlichkeit der Bewertung und abgesehen davon, ob das stimmt, dass wir eine Schieflage haben, die schleunigst beseitigt werden muss. Mehr als 650 Berufsgruppen in Deutschland arbeiten für Stundenlöhne von weniger als 5 €. Diese Zahlen sind Ihnen doch bekannt.
Die Tatsache, dass im Jahr 2004 in Sachsen-Anhalt 316 000 Menschen ohne Einkommen lebten und 756 800 Menschen über ein Nettoeinkommen bis 700 € verfügten, dass also mehr als eine Million Bürger dieses Landes und damit 43 % der Bevölkerung nahe der Armutsgrenze lebten, sollte bei einem Landespolitiker doch andere Überlegungen auslösen, als über die Ausweitung des Niedriglohnsektors nachzudenken.
Arbeit muss nicht nur für einen Arbeitgeber bezahlbar sein, ein Arbeitnehmer muss davon auch leben können.
Wir werden jedenfalls die Forderung nach einem gesetzlichen Mindestlohn aktiv unterstützen. Wir setzen uns weiterhin dafür ein, die Lohnnebenkosten zu senken. Dafür steht unser Modell der Wertschöpfungsabgabe, das darauf zielt, die SV-Beiträge nicht nach der Zahl der Beschäftigten, sondern nach der Wertschöpfung im Unternehmen zu berechnen.
Wir meinen, dass der erste Arbeitsmarkt mit den herkömmlichen Mitteln das Problem der Massenarbeitslosigkeit nicht beseitigt. Wir werden uns für eine lange Zeit mit den Fragestellungen des ersten und des zweites Arbeitsmarktes auseinander setzen müssen. Deshalb ist unsere Forderung: Öffentlich geförderte Beschäftigung ist wichtig, aber nicht nach den Regeln von Hartz IV. Sie muss existenzsichernd sein und aus dem ALG II herausführen. Dafür könnten Mittel des ALG II und der EinEuro-Jobs kombiniert mit Mitteln aus einer gerechteren Steuerpolitik eingesetzt werden.
Erwerbsarbeit sollte auch die Möglichkeit bieten, mit sozial produktiven Tätigkeiten verbunden zu werden. Schließlich ist auch die Frage der Verteilung von Arbeit ein wichtiger Punkt zur Schaffung von Arbeitsplätzen. Arbeit gerechter verteilen statt über eine Verlängerung nachzudenken, das könnte ein sehr spannendes Thema für die politische Auseinandersetzung in diesem Haus sein.
Wir als PDS-Fraktion wollen uns gern dabei einbringen, weil uns Sachsen-Anhalt ebenso am Herzen liegt wie sicherlich allen anderen Fraktionen. Eine positive Entwicklung in Sachsen-Anhalt und im Osten ist eine Grundvorrausetzung für die Wettbewerbsfähigkeit und für die Konkurrenzfähigkeit des Standortes Deutschland insgesamt.
Sie, Herr Minister Rehberger, meinen auf dem richtigen Weg zu sein, der konsequent weiter beschritten werden muss. Wir meinen das nicht, auch wenn wir genauso früh aufstehen wie Sie.
Wir haben an dieser Stelle einen Paradigmenwechsel vollzogen, nämlich die Vorsorge statt die Nachsorge in den Mittelpunkt unseres politischen Agierens zu stellen. Ihre Politikangebote haben diesen vorsorgenden Charakter vermissen lassen. Deshalb werden wir Ihnen keine Ruhe lassen. - Vielen Dank.
Vielen Dank, Herr Dr. Thiel. - Meine Damen und Herren! Die Debatte wird fortgesetzt mit dem Beitrag der CDUFraktion. Ich erteile nun dem Abgeordneten Herrn Gürth das Wort. Bitte sehr, Herr Gürth.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Gestatten Sie, dass ich zu Beginn kurz auf den Beitrag meines Vorredners, des werten Herrn Dr. Thiel, eingehe.
Ich möchte auf einen Aspekt eingehen, den Sie sehr vehement vorgetragen haben. Sie haben gesagt oder besser gesagt darüber geschimpft, dass die Politik des Bundes und des Landes völlig verfehlt und an den Problemen schuld sei.
- Einige von Ihnen klatschen, obwohl sie gar keinen Grund dazu haben; denn Sie, Herr Dr. Thiel, haben hinsichtlich der Landespolitik vergessen zu erwähnen, dass Sie in den 15 Jahren der Existenz Sachsen-Anhalts acht Jahre lang die Regierungsverantwortung mitgetragen haben. Am Ende dieser acht Jahre Ihrer Mitverantwortung war eine Bilanz vorzulegen, die wesentlich schlechter ist als die, die man nach drei Jahren CDU-FDPRegierung ziehen kann. Denn in den drei Jahren - das ist nur ein Bruchteil der Regierungszeit, die Sie hatten - haben wir es geschafft, das Ruder herumzureißen und wieder Beschäftigung und Zuwachs zu erreichen. Das steht im Gegensatz zu den acht Jahren Ihrer Mitverantwortung.
Ich sage das nicht aus Liebe zur Sozialdemokratie in Sachsen-Anhalt. Aber dass Sie jetzt versuchen, sich für die Bilanz der acht Jahre Ihrer Mitregierung aus der Verantwortung zu stehlen, das werden wir nicht zulassen. Das hat selbst die SPD nicht verdient.
Ich weiß auch nicht, ob die Kritik der Linken so richtig ernst gemeint war. Rein äußerlich nähern Sie sich schon dem bürgerlichen Lager an. Herr Bullerjahn trägt Nadelstreifen, Herr Gallert trägt Krawatte. Er soll schon mindestens zwei davon im Schrank haben.
Man kann nur sagen: Äußerlichkeiten sind nicht entscheidend. Wahrscheinlich hat man erkannt, dass Jeanshemden und Jesuslatschen noch keine politische Alternative sind. Es kommt auf die Inhalte an.
Da es auf die Inhalte ankommt, möchte ich auf die Regierungserklärung zu sprechen kommen. Ich möchte gleich zu Beginn sagen: Wir haben in Sachsen-Anhalt keinen Grund, überheblich und realitätsfern die wirtschaftliche Stärke unseres Landes rosarot zu malen.
Zu viele Menschen suchen noch ohne Erfolg einen Job, der anständig bezahlt wird. Zu viele Firmen kämpfen täglich wegen vieler Probleme um die Existenz. Das sollten wir nie vergessen, nicht einen Tag lang.
Aber nüchtern betrachtet zeigen die objektiven volkswirtschaftlichen Vergleichszahlen der Bundesländer, dass wir das Recht haben, auf das stolz zu sein, was die Menschen in Sachsen-Anhalt geschaffen haben. Wir haben allen Grund, den erfolgreichen wirtschaftspolitischen Kurs der Landesregierung entschlossen fortzuführen. Es gibt noch unendlich viel zu tun, aber alle Signale zeigen: Sachsen-Anhalt hat eine Entwicklung von der roten Laterne der Nachtwächter zum Zukunftsstandort für Aufgeweckte genommen und ist ein Land geworden, das sich im Mittelfeld Deutschlands gut behaupten kann.
Die Stagnation ist einer Aufbruchstimmung gewichen. Dass wir wieder erfolgreich sind bei Industrieansiedlungen, dass wir langsam wieder einen Zuwachs an Beschäftigung im ersten Arbeitsmarkt verzeichnen können, dass wir wieder mehr Selbständige haben, dass die Exportquote unserer Unternehmen wächst, ist aber kein Zufall. Es ist das Verdienst vieler fleißiger Menschen in den Unternehmen und auch in der öffentlichen Verwaltung. Es ist auch das Verdienst einer grundlegend anderen Politik von CDU und FDP hier in Sachsen-Anhalt.
Ich will doch noch einmal darauf hinweisen, unter welchen Ausgangsbedingungen diese Regierung im Jahr 2002 gestartet ist. Nach acht Jahren rot-roter Klientelpolitik von SPD, PDS und Grünen,
die Probleme verschleppt und verschärft hat, die Investoren eher abgeschreckt hat sowie die Verschuldung und die Arbeitslosigkeit unanständig in die Höhe getrieben hat, werden seit 2002 Probleme wieder beherzt angepackt und gelöst, vor allem werden wieder die richtigen Prioritäten gesetzt - und das ist gut so. Es wird mutig entschieden, statt, wie es die Vorgängerregierung getan hat, zu vertagen und zu verschleppen.
Auch wenn es unpopulär ist, es ist richtig, die Staatsverschuldung einzudämmen und dennoch Vorfahrt für In