Die wesentlichen Instrumente der Wirtschaftsförderung der letzten Jahre waren die EU-Strukturfonds, die Gemeinschaftsaufgabe zur Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur und der degressiv ausgestaltete Solidarpakt II. Es ist schon darauf hingewiesen worden, dass die rechtliche Ausgestaltung des Korbes II leider noch aussteht. Hierbei warten wir darauf, dass die Bundesregierung sich dazu bekennt, die rechtlichen Verpflichtungen konkret zu untersetzen. Aber die Maus beißt keinen Faden ab: Wir gehen Zeiten abnehmender Haushaltsvolumina entgegen.
Die gegenwärtige Förderperiode der EU-Strukturfonds läuft im Jahr 2006 aus. Nach der N-plus-zwei-Regelung ist im Jahr 2008 endgültig Abrechnungsschluss. Die Europäische Union hat uns dann durch ihre Strukturförderung insgesamt knapp 3,5 Milliarden € für die Entwicklung unserer Region zur Verfügung gestellt. Ich denke, dass wir für diese solidarische Unterstützung der EU auch dankbar sein müssen.
Eine erste Zwischenevaluierung des operationellen Programms hat gezeigt, dass die wirtschaftliche Leistung in Sachsen-Anhalt durch den Einsatz der EU-Fonds kurzfristig um 3 % und die Beschäftigung um 2,5 % erhöht wurde. Als langfristigen Effekt möchte ich besonders hervorheben, dass sich die Wettbewerbsfähigkeit Sachsen-Anhalts deutlich verbessert hat.
Meine Damen und Herren! Es ist richtig, dass sich die Landesregierung einerseits zum Leitbild des Wettbewerbs bekennt und andererseits eine lenkende Förderpolitik, die durch Förderpräferenzen einzelne Branchen und Standorte begünstigt, nicht verfolgt. Hierin liegt im Übrigen auch ein Unterschied zum Leitbild der Opposition, die den Staat als tragenden Akteur des Markt
geschehens sieht und ihn im Übermaß immer wieder zu Eingriffen in das Marktgeschehen verpflichten will.
Meine Damen und Herren! Wir setzen aber auf eine Förderpolitik, die die noch bestehenden Strukturdefizite zu überwinden versucht.
Nur die Überwindung der Strukturdefizite kann zu dauerhaftem Wachstum und Beschäftigungseffekten führen. Der Wettbewerbsdruck, der, bedingt durch die Globalisierung und die Osterweiterung der EU, auf unserer Region lastet, verpflichtet uns einfach dazu. Im Rahmen der Programmierung ist daher darauf zu achten, dass die knapper werdenden Mittel auf Maßnahmen konzentriert werden, die nachhaltige Wachstums- und Beschäftigungseffekte haben und die Fördermittel effizient nutzen. Zwangsläufig wird es daher dazu kommen, dass einige Maßnahmen, die derzeit durch die Strukturfonds gefördert werden, in der nächsten Förderperiode nicht mehr oder nicht mehr so umfangreich gefördert werden können.
Meine Damen und Herren! Im Hinblick auf die dramatische Haushaltslage des Landes und die Herausforderung der Zukunft erwartet die CDU-Landtagsfraktion, dass den Zielen Wachstum, Beschäftigung und Konsolidierung absoluter Vorrang eingeräumt wird. Die zukünftige Förderpolitik sollte nach meiner Auffassung unter anderem folgende Aspekte beachten.
Der demografische Wandel wird eine schrumpfende und alternde Bevölkerung in Sachsen-Anhalt zur Folge haben. Um die Wettbewerbsfähigkeit nicht zu gefährden, sollte auch geprüft werden, inwiefern Strukturfondsmittel zur Überwindung der demografischen Herausforderungen genutzt werden können. Die Europäische Kommission selbst hat in ihrem Grünbuch zur demografischen Entwicklung in der Union angeregt, diese Möglichkeit verstärkt in Betracht zu ziehen.
Meine Damen und Herren! In den Verhandlungen über den nationalen Rahmenplan und die endgültigen Verordnungstexte ist darauf zu dringen, dass die EU-Strukturfonds auch zukünftig für ein breites Spektrum an Verwendungsmöglichkeiten einsetzbar sind. Bestehende Einsatzmöglichkeiten müssen, wenn es geht, erhalten werden und weitere müssen erschlossen werden. Ich denke zum Beispiel an den Bereich Schulbau, Krankenhausbau und auch Stadtumbau. Wir alle wissen, wie eingeschränkt wir in den letzten Jahren in diesen Bereichen waren.
Die Haushaltslage erzwingt es, dass die nationalen Ausgaben des Landes auf das unverzichtbare Niveau begrenzt werden. Es ist verstärkt zu prüfen, ob für die Aufgaben, die aus den Landesmitteln finanziert werden, nicht EU-Mittel zum Einsatz gebracht werden können.
Der Herr Ministerpräsident hat eindringlich darauf hingewiesen: Wenn sich die Bundesregierung durchsetzen sollte, ihre Zuführung an die EU zurückzuführen, dann könnte es passieren, dass wir gezwungen wären, in höherem Maße als bisher EU-Mittel durch reine Landesmittel kozufinanzieren, was uns aber in dem von mir eben beschriebenen Trend genau in die entgegengesetzte Richtung führen würde. Deshalb kann man nur allen, die in Brüssel verhandeln, ein gutes Verhandlungsgeschick in diesen Fragen wünschen.
Die neue EU-Förderperiode wird von 2006 bis 2013 reichen. Wir wissen noch nicht genau, welche Mittel hier
für zur Verfügung stehen werden. Dieses hängt auch mit der unklaren finanziellen Vorschau zusammen; denn die Bundesregierung weigert sich bisher, mehr als 1 % des kumulierten Bruttonationaleinkommens als Obergrenze zu akzeptieren. Für die Fortführung der bisherigen Aufgaben wären 1,24 % notwendig. Hierin liegt ein großer Zwischenraum.
Die finanzielle Vorausschau ist also durchaus unsicher und wird sich irgendwo zwischen 1 % und 1,24 % bewegen. Wo wir damit letztendlich landen werden, das wird erhebliche Auswirkungen auf die Fondsausstattung für uns haben, meine Damen und Herren. Die Signale, die aus dem Europäischen Parlament zu vernehmen sind, stimmen mich aber zuversichtlich. Das Europäische Parlament wird Mitte Mai einen entsprechenden Bericht über die finanzielle Vorausschau verabschieden. Letztendlich werden aber die Regierungschefs entscheiden.
Den Sozialdemokraten aus den neuen Bundesländern kommt daher die Pflicht zu, die Bundesregierung über die Probleme der neuen Länder zu informieren und gemeinsam für eine Lösung im Sinne der neuen Bundesländer zu kämpfen. Herr Bullerjahn, wenn Sie vorhin wirklich ehrlich angemeldet haben, Sie seien bereit, die Landesregierung in ihren Bemühungen zu unterstützen, so ist das ein Schlüssel, den nur Sie in die Hand nehmen können. Sie müssen richtig vorstellig werden, damit die Belange der neuen Bundesländer auch in der SPDBundestagsfraktion gehört werden und damit auch Kanzler Schröder sie hört. Das müssen Sie machen, Herr Bullerjahn.
- Den müssen Sie beeinflussen, Herr Bullerjahn. Das ist Ihre Aufgabe. Sie haben darin auch eine Chance. Die Wählerinnen und Wähler, die auch Sie bewerten werden, werden Sie ein Stück weit danach bewerten, was Ihnen in Berlin zu bewirken gelungen ist. Hierbei liegen für Sie Chance und Risiko dicht beieinander. Ich kann Ihnen dabei nur Glück wünschen, denn wenn Sie Glück haben, dann nützt es an dieser Stelle auch dem Lande Sachsen-Anhalt.
Wir wissen noch nicht ganz genau, welche Gebiete in Sachsen-Anhalt aufgrund des statistischen Effektes eventuell aus der Kategorie der Ziel-1-Region herausfallen. Nach den Unterlagen, die ich habe, ist das noch nicht ganz klar. Ich habe vorhin gehört, es scheint bereits klar zu sein, dass der Raum Halle wohl nicht mehr dabei sein wird. Aber wie dem auch sei, wir müssen uns darauf einrichten, dass wir insgesamt mit etwas weniger Geld auskommen müssen. Aber es trifft uns auch nicht überraschend. Wir philosophieren schon mehrere Jahre darüber, wer alles in der Ziel-1-Region sein wird und wer nicht.
Meine Damen und Herren! Eines ist bereits klar: Die Programmierung der EU-Strukturfonds erfolgt jetzt. Über die Regionalkonferenzen müssen sich jetzt alle Beteiligten einmischen.
Das können auch die Parlamentarier sein. Das Parlament muss jetzt mitreden und das machen wir auch. Die Ausschüsse des Landtags, vornehmlich der Ausschuss für Bundes- und Europaangelegenheiten und der Ausschuss für Finanzen, sind jetzt gefordert, diese Fragen mit zu behandeln. Das Parlament macht die Vorschläge, die Landesregierung wird letztlich diese Vorschläge bündeln und in Brüssel anmelden.
Dann, hoffe ich, werden wir ein Verhandlungsergebnis haben, das uns in Fröhlichkeit auch in die Haushaltsberatungen der nächsten Jahre hineinführt. Dann können wir die Mittel vertiteln, aber jetzt müssen sie erst einmal vernünftig strukturiert und eingeworben werden. - Vielen Dank.
(Zustimmung bei der CDU - Frau Budde, SPD: Das ist eine exekutive Aufgabe! Das muss die Landesregierung machen!)
Vielen Dank, Herr Scharf. - Nun hören wir den Debattenbeitrag der PDS-Fraktion. Es spricht der Fraktionsvorsitzende Herr Gallert. Bitte schön.
Werter Herr Präsident! Werte Abgeordnete! Werte Gäste! Herr Böhmer, wenn man als Vorsitzender einer Oppositionsfraktion ein knappes Jahr vor der Wahl eine Regierungserklärung angekündigt bekommt unter dem Titel „Gemeinsames Gestalten von Sachsen-Anhalt“, dann ist es sicherlich nicht verwunderlich, dass man ein bisschen die Nachtigall trapsen hört. Insofern war ich tatsächlich ein Stück weit skeptisch, was denn da so kommen wird.
Ich habe gestern die Rede bekommen. Ich sage: Tatsache, ich war an vielen Stellen ausdrücklich überrascht; und zwar weil diese Rede, die Sie heute gehalten haben, aus meiner Sicht eine erstaunliche Menge an Überschneidungen zwischen dem, was Sie hier artikuliert haben, und unseren Positionen offenbart hat. Das stelle ich ausdrücklich nicht als meinen persönlichen Eindruck und den der Fraktion dar, sondern das sage ich für die gesamte Partei. Denn das, was Sie hier zu einem großen Teil ausgeführt haben, haben wir im September letzten Jahres in Leuna beschlossen.
Das muss man einmal sagen. Dabei besteht die Schwierigkeit, wie man sich dagegen stellt. Ich sage ausdrücklich: Ich werde das nicht tun, weil ich nicht das, was ich bis vor kurzem noch öffentlich vertreten habe, jetzt dementieren werde, nur weil Sie es auch vertreten.
Ich bin dem Kollegen Scharf für seine Rede an einer Stelle ausdrücklich dankbar; denn er eröffnet mir jetzt die Möglichkeit, die Differenzen klar zu machen. Die Differenzen liegen tatsächlich nicht so sehr in der Zielstellung als vielmehr in dem, was in dieser Legislaturperiode bisher politisch passiert ist. Die Differenzen liegen darin, wie man das bewertet.
In seinen einleitenden Ausführungen hat Herr Scharf gesagt, welch lichter Zukunft sich Sachsen-Anhalt zugewandt habe, welche dynamische Entwicklung in dieser Legislaturperiode bereits eingeleitet worden sei. Herr Scharf greift dabei immer die Zahlen heraus, die dies
belegen sollen. Dazu sage ich: In Ordnung, jetzt sind wir in der alten Reflexhaltung der Opposition, wir müssen nun die anderen Zahlen nehmen. Das tue ich auch ganz kurz, Herr Scharf. Sie sprachen von den positiven Dingen; daher muss ich Sie auf den Boden der Tatsachen zurückholen.
Das Jahr 2004 war für Sachsen-Anhalt im Wettbewerb der ostdeutschen Bundesländer kein gutes Jahr. Wir liegen bei der Steigerung des Bruttoinlandsproduktes mit 1,2 %, am Anfang sogar nur mit 0,9 %, hinter dem Durchschnitt der ostdeutschen Flächenländer zurück, der mit 1,5 % nun einmal besser ist.
Ich kenne inzwischen die Ausrede: Das liegt an unserem Baugewerbe. Dazu sage ich, dass daran wirklich etwas ist. Aber nehmen wir einmal das Schlachtschiff des Wirtschaftsministers Rehberger und schauen wir uns einmal die Entwicklung des produzierenden Gewerbes an. Dazu muss man ganz deutlich sagen, dass wir mit inzwischen korrigierten 7,5 % im letzten Jahr die Vorletzten unter den ostdeutschen Bundesländern gewesen sind. Diesbezüglich sind nicht nur Sachsen und Thüringen besser, sondern auch Mecklenburg-Vorpommern. Das einzige Land, das in diesem Punkt noch hinter uns liegt, ist Brandenburg.
Natürlich haben wir immer noch die höchste Arbeitsproduktivität der ostdeutschen Flächenländer. Das ist übrigens seit vielen, vielen Jahren so, aber unser Vorsprung ist im letzten Jahr gegenüber den anderen ostdeutschen Bundesländern geschmolzen. Wer das nicht glaubt, gucke sich bitte einmal die Pressemitteilung des Statistischen Landesamtes an. Dort ist das alles detailliert aufgelistet.
Ich sage aber auch: All die Differenzen, die dort stehen, berühren nicht das eigentliche Problem. All die Differenzen, die dort stehen, sind eben wirklich nur Nuancen in einer an sich sehr wohl krisenhaften Entwicklung, die insbesondere Ostdeutschland, aber auch die gesamte Bundesrepublik betrifft.
Jetzt muss man überlegen, wie man insgesamt aus dieser krisenhaften Entwicklung herauskommt. Dazu sage ich ausdrücklich auch, obwohl das zum Beispiel selbst Herr Scharf gesagt hat: Jawohl, die Ausrichtung unserer Transformationspolitik in Sachsen-Anhalt auf die Lissabon-Strategie ist der Weg, den wir einschlagen müssen. Die Umwandlung einer traditionellen Industriegesellschaft, die die Umbrüche von 1990 nicht richtig verkraftet hat, hin zur wissensbasierten Produktion, das muss das einheitliche Ziel für den Transformationsprozess des Landes Sachsen-Anhalt sein. Nur wenn wir diesen Weg einschlagen, haben wir eine Perspektive, haben wir eine Chance.
Ich komme jetzt zu einer Reihe von weiteren Übereinstimmungen mit Ihren Einschätzungen. Die Probleme haben wir an dieser Stelle in der Tat weniger mit Brüssel als mit Berlin und mit den westdeutschen Bundesländern. Das betrifft insbesondere bei der Fördermittelproblematik sowohl das quantitative als auch das qualitative Problem.
Natürlich bemerken wir jetzt auch auf der Ebene der Bundesregierung ausdrücklich das Bemühen - das ist nichts Neues, das haben wir schon seit zwei, drei Jahren
beobachtet -, die EU-Förderpolitik zu renationalisieren. Das haben Sie noch einmal völlig richtig definiert. Sie haben auch noch einmal die Gefahr völlig richtig definiert, die damit zu tun hat, nämlich die Gefahr, dass die Mittel aus dem Solidarpakt II im Endeffekt durch Gelder ersetzt werden, die man sonst der Europäischen Union zugeführt hätte und die uns dann als Fördermittel zugeflossen wären.
Unser Ziel muss es sein - das ist völlig richtig -, die Kohäsionspolitik der Europäischen Union nicht nur im eigenen Interesse, sondern auch im osteuropäischen Interesse zu stärken und vor einer Renationalisierung der Fördermittelpolitik zu schützen. An dieser Stelle, Herr Böhmer, sind wir dicht beieinander.
Wir haben ein zweites Problem. Das ist das qualitative Problem. Es ist tatsächlich so, dass wir inzwischen den Umstieg auf die wissensbasierte Produktionsgesellschaft nach der Lissabon-Strategie mit EU-Mitteln viel, viel besser realisieren können als mit den GA-Mitteln der Bundesrepublik, deren Kriterien noch viel zu stark mit traditionellen Industrieförderszenarien zusammenhängen, die uns noch viel zu viele Fesseln auferlegen und uns hindern, die wirklich wichtigen Dinge zu realisieren.
Daraus ergibt sich das Problem, dass wir auch die europäischen Mittel nicht vernünftig einsetzen können, weil wir natürlich das Kofinanzierungsproblem nicht vom Tisch wischen können. Wir brauchen nationale Mittel, um die EU-Mittel kozufinanzieren, und haben damit eine kontraproduktive Zweckbindung, die auf traditionelle Industriewachstumspolitik orientiert ist und die uns eben nicht weiterhilft, sondern nur wahnsinnig viel Geld kostet. Das muss man auch sagen und das muss auch in die nationale Diskussion einführen.
Was haben wir nun aber als Landespolitik zu realisieren? Uns muss klar sein, dass sich der Innovationsansatz radikal von der klassischen Förderpolitik trennt. Die typische Variante der Unternehmenssubvention als Ansiedlungspolitik ist definitiv vorbei.