zweitens die gemeinsame Auswertung und Analyse dieser Erkenntnisse - dies ersetzt nicht die freitägliche Lagebesprechung - mit dem Ziel, aktuelle Gefährdungs- und Lagebeurteilungen zu erstellen, Ermittlungsansätze präventiv und repressiv zu gewinnen, Maßnahmen abzustimmen und zu koordinieren und bestehende Informationssysteme effizienter zu nutzen, und
drittens Verbindungsstelle zu den Informations- und Analysestellen des Bundes und anderer Länder zu sein.
Meine Damen und Herren! In dem Erlass vom 13. Dezember 2004 wird also eindeutig auf die Beibehaltung der gesetzlichen Zuständigkeiten abgestellt. Das bedeutet insbesondere, dass die Polizei keine Aufgaben und Befugnisse des Verfassungsschutzes und der Verfassungsschutz keine Aufgaben und Exekutivbefugnisse der Polizei übernehmen oder nutzen darf.
Genau dies ist das wesentliche Ziel des so genannten Trennungsgebots. Das Trennungsgebot hinsichtlich der Organisation ergibt sich in Sachsen-Anhalt aus § 2 Abs. 1 und 2 des Verfassungsschutzgesetzes - ich zitiere -:
„Die Aufgaben des Verfassungsschutzes werden von der Verfassungsschutzbehörde wahrgenommen. Die Verfassungsschutzbehörde ist das Ministerium des Innern. Es unterhält für diese Aufgabe eine besondere Abteilung. Die für den Verfassungsschutz zuständige Abteilung im Ministerium des Innern nimmt ihre Aufgaben gesondert von der Polizeiorganisation wahr.“
Ferner ergibt sich aus den Bestimmungen des Verfassungsschutzgesetzes, dass dem Verfassungsschutz im Vergleich zur Polizei nur begrenzte Befugnisse eingeräumt werden. Gleichwohl ist der Verfassungsschutz jedoch verpflichtet, die Landesregierung und andere Stellen - also auch die Polizei - nach Maßgabe des Gesetzes über Gefahren zu unterrichten, damit die erforderlichen Maßnahmen rechtzeitig ergriffen werden können. Einzelheiten zur Informationsübermittlung an den Verfassungsschutz und vom Verfassungsschutz sind im Verfassungsschutzgesetz geregelt.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Durch die von mir genannte Zusammenarbeit der Behörden soll er
reicht werden, dass die Erkenntnisse des Verfassungsschutzes möglichst optimal dazu genutzt werden können, auch wirklich rechtzeitig gegen terroristische Bedrohungen einschreiten zu können. Um dies hinsichtlich des Netzwerkes des islamistischen Terrorismus zu ermöglichen, ist entsprechend dem Verfahren auf Bundesebene auch ein möglichst effizienter Informationsaustausch und eine gute Abstimmung, zum Beispiel verfassungsschutzrechtlicher und polizeilicher Maßnahmen, auf Landesebene erforderlich. Genau dazu dient der Erlass vom 13. Dezember 2004.
Das Verfassungsschutzgesetz steht dem in keiner Weise entgegen. Die Beamten des Verfassungsschutzes bleiben Bedienstete ihrer Behörde und unterliegen allein deren Weisungsbefugnis. Für den Austausch personenbezogener Daten sind nach wie vor die Bestimmungen des Verfassungsschutzgesetzes zu beachten.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Nun zum Erlass vom 17. Dezember 2004. Dieser Erlass regelt einige Änderungen in der Organisation des Landeskriminalamtes. Für das hier in Rede stehende Thema ist lediglich von Bedeutung, dass unter Nr. 2.2.5 des Erlasses geregelt worden ist, dass das Dezernat für Grundsatzangelegenheiten, Auswertung und Analyse eine neue Organisationseinheit mit der Bezeichnung Gemeinsames Informations- und Auswertungszentrum „Islamistischer Terrorismus“ erhält. An der Struktur der Abteilung 5 des Innenministeriums, also der des Verfassungsschutzes, ist nichts geändert worden.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich denke, es ist ausreichend deutlich geworden, dass der Antrag der SPD-Fraktion unbegründet ist und dass die Einrichtung des Gemeinsamen Informations- und Auswertungszentrums nicht nur den Vorgaben des Verfassungsschutzgesetzes entspricht, sondern auch erforderlich ist, um möglichst frühzeitig terroristische Aktivitäten zu erkennen und entsprechende Gefahren abwehren zu können. Deswegen ist ein solcher Antrag abzulehnen. - Herzlichen Dank.
Vielen Dank, Herr Minister. - Meine Damen und Herren! Wir treten nun in eine Debatte mit einer Redezeit von fünf Minuten je Fraktion ein. Als erstem Redner erteile ich für die FDP-Fraktion dem Abgeordneten Herrn Kosmehl das Wort. Bitte sehr, Herr Kosmehl.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die FDP-Fraktion geht davon aus, dass das Trennungsgebot für Verfassungsschutz und Polizei auch in dem Gemeinsamen Informations- und Auswertungszentrum eingehalten wird. Der Minister hat heute ausführlich dargelegt, wie die Organisation, aber auch die tatsächliche Arbeit in diesem GIAZ vonstatten gehen soll.
Herr Kollege Rothe, ich hätte mir gewünscht, dass Sie Ihre Fragen im Innenausschuss an den Minister gerichtet hätten, damit dort darüber hätte diskutiert werden können. Das können wir aber sicherlich noch nachholen. Dann könnten wir nämlich auf einem ganz anderen Informationstand über die Frage diskutieren, ob das Trennungsgebot eingehalten wird oder nicht.
Ich habe durchaus Verständnis für Ihre Befürchtung, das Trennungsgebot könnte durch die Zusammenarbeit von Verfassungsschützern und Polizisten aufgeweicht oder sogar verletzt werden. Das darf es nicht geben. Durch die Organisation und den Erlass vom 13. Dezember 2004 wird aber sichergestellt - so hat es der Minister gerade auch dargestellt -, dass dies nicht passieren kann.
Wir müssen aber im Innenausschuss hierzu nachfragen. Ich wäre daran interessiert, dass wir im Innenausschuss eine ausführliche Darstellung mit der Möglichkeit, Fragen zu stellen, bekommen, weil auch heute sicherlich noch einige Fragen offen bleiben werden. Wir können in der nächsten Sitzung des Innenausschusses beschließen, das Thema im Rahmen der Selbstbefassung zu behandeln, sodass wir an diesem Thema dranbleiben.
Weil wir aber davon ausgehen, dass das Trennungsgebot in Sachsen-Anhalt auch durch die Einrichtung des GIAZ nicht verletzt wird, werden wir Ihren Antrag ablehnen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte die Gelegenheit heute nochmals nutzen, meine Kritik an diesem Gemeinsamen Informations- und Auswertungszentrum vorzubringen, die ich bereits in der Debatte im Dezember des vergangenen Jahres zu dem Thema Leitbild für die Integration von Migrantinnen und Migranten geäußert habe: Herr Minister, islamistischer Terrorismus kann nicht der einzige Punkt sein, mit dem sich ein solches Informations- und Auswertungszentrum befassen sollte. Es muss sich gegen jegliche Art von Terrorismus richten. Die religiöse Eingrenzung ist meines Erachtens fehl am Platze.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich habe in der Debatte im Dezember bereits ausgeführt, dass ca. 98 % der Muslime, die sich in Deutschland aufhalten - das kann man sicherlich auch weiter fassen -, weder gewaltbereit noch strafrechtlich auffällig sind. Wir sollten sie und ihre Religion nicht ausgrenzen. Wir sollten keine Diskriminierung vornehmen. Gerade das geschieht aber in einer Diskussion, wenn man immer nur vom islamistischen Terrorismus spricht.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Religion darf nicht zur Rechtfertigung von Gewalt, Terrorismus und Extremismus missbraucht werden. Wir sollten uns darum bemühen, in allen Diskussionen - nicht nur in Bezug auf das GIAZ - in der Tagespolitik darauf zu achten, dass wir diejenigen, die eben nicht gewaltbereit und nicht straffällig sind, auf unsere Seite holen, dass wir deutlich machen: Der Islam ist eben nicht mit Terrorismus gleichzusetzen. Wenn man das deutlich machen könnte, würde es schon ein Stück weit helfen, den Terrorismus zu bekämpfen. Deshalb bitte ich auch an dieser Stelle nochmals: Herr Minister, überdenken Sie den Namenszusatz „Islamistischer Terrorismus“. Er ist auch für die Abkürzung nicht notwendig. Es bleibt weiterhin bei dem Namen Gemeinsames Informations- und Auswertungszentrum - GIAZ.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Einen Punkt möchte ich nur ganz kurz ansprechen, der mich etwas überrascht hat und den wir sicherlich in einer der nächsten Debatten vertiefen können. Herr Kollege Rothe, Ihre
Aussagen zur Einigung in der Föderalismuskommission haben mich schon verwundert. Ich frage Sie dazu aber sicherlich noch einmal im Ausschuss oder in einer der Debatten.
Ich bin der Auffassung, dass wir in der Sicherheitspolitik keinen Zentralismus brauchen. Hierbei hat sich eine dezentrale Struktur, nämlich die Erfassung und die Auswertung in den einzelnen Ländern - ob das im Bereich des Verfassungsschutz oder des LKA ist - durchaus bewährt. Wir brauchen in der Sicherheitspolitik keinen Zentralismus, wie ihn Herr Schily in Berlin immer haben will. Dieses Thema können wir aber sicherlich in einer anderen Debatte vertiefen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Was bleibt am Ende? - Wir werden diesen Antrag ablehnen, nicht weil wir das Trennungsgebot ablehnen, sondern weil wir davon ausgehen, dass dieses Trennungsgebot in Sachsen-Anhalt eingehalten wird. - Vielen Dank.
Vielen Dank, Herr Abgeordneter Kosmehl. - Die Debatte wird fortgesetzt mit dem Beitrag der PDS-Fraktion. Es spricht der Abgeordnete Herr Gärtner. Bitte sehr, Herr Gärtner.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte vorweg sagen: Die PDS-Fraktion unterstützt das Anliegen, das in dem vorliegenden Antrag artikuliert wird. Insbesondere vor dem Hintergrund der Veranstaltung am gestrigen Tag ist zu konstatieren: Das Trennungsgebot zwischen Verfassungsschutz und Polizei hinsichtlich der Organisation ist ein hohes Gut.
Aber, meine Damen und Herren von der SPD, wenn Sie hier die Landesregierung auffordern, dieses Trennungsgebot einzuhalten, dann möchte ich Ihnen sagen, dass dieses genauso für die Bundesebene gilt. Dazu sage ich später noch etwas.
Der Dezentralisierung und Ausdifferenzierung des staatlichen Machtapparates in der Bundesrepublik Deutschland liegt eine eindeutige verfassungsrechtliche Entscheidung zugrunde, die durch eine bittere historische Erfahrung veranlasst wurde: Am 14. April 1949 schrieben die Militärgouverneure der drei Westmächte einen Brief an den Parlamentarischen Rat, in dem die zukünftige Struktur der deutschen Sicherheitsbehörden festgelegt wurde. Dieser Polizeibrief enthält unter anderem die Vorgabe, dass der künftige Geheimdienst keine Polizeibefugnisse haben soll. Weiter heißt es - ich zitiere -:
Hintergrund dieser Vorgaben der Westalliierten sowie der Debatten des Parlamentarischen Rates zu dieser Frage waren die Erinnerungen an den hoch zentralisierten Macht- und Terrorapparat des Nazistaates. Im Jahr 1939 waren Gestapo, Sicherheitspolizei und SD im so genannten Reichssicherheitshauptamt zusammengefasst worden.
Das Trennungsgebot für Polizei und Geheimdienste sowie die Dezentralisierung der Polizeibehörden zielten mithin darauf ab, einer solchen Entwicklung für die Zukunft vorzubeugen. Jegliche Zentralisierung staatlicher
Exekutivgewalt, jegliche Vermengung polizeilicher und geheimdienstlicher Aufgabenfelder und Befugnisse birgt schließlich die Gefahr eines Machtmissbrauchs auf Kosten der Bürgerfreiheit. Dies gilt auch für den heutigen Rechtsstaat.
Wenn durch ungezügelten Datenaustausch zwischen den verschiedensten staatlichen Behörden den Geheimdiensten Zugriffsrechte auf die personenbezogenen Daten von Banken, von Telekommunikationsunternehmen, von Internetprovidern und so weiter eingeräumt werden, dann bleibt nicht nur der Datenschutz auf der Strecke, das Trennungsgebot gerät zur bloßen Fassade, hinter der die informationelle Einheit der Staatsgewalt und damit eine Totalerfassung der Bürgerinnen und Bürger vollzogen wird. Aus diesem Grund muss man wachsam die Entwicklung der letzten Jahre verfolgen.
Gerade die Schily-Sicherheitspakete nach den Terroranschlägen am 11. September 2001 in den Vereinigten Staaten zeigen eine Tendenz zum Unterlaufen des Trennungsgebotes auf. In der Tat stellt uns der Terrorismus, der international agiert, vor neue Herausforderungen. Ich sage aber auch: Unsere freiheitliche Grundordnung werden wir nicht dadurch schützen und erhalten, dass wir Freiheits- und Bürgerrechte einschränken.
Meine Damen und Herren! So hat Bundesinnenminister Otto Schily am 14. Dezember 2004 in Berlin das Konzept für das neue Terrorismusabwehrzentrum mit Sitz in der deutschen Hauptstadt vorgestellt. Gemeinsam mit den Präsidenten des Bundeskriminalamtes, des Bundesverfassungsschutzes und des Bundesnachrichtendienstes erläuterte er seine Vorstellungen.
Ziel sei es, den internationalen Terrorismus effektiver bekämpfen zu können. Schily sprach von einem Qualitätssprung bei der Zusammenarbeit von Behörden. Diese sollen Vertreter in das Zentrum schicken und täglich zu einer Lagebesprechung zusammenkommen. Die Gefährdungsbewertung, die nahezu täglich eingehenden Hinweise und Warnungen sowie neu gewonnene Erkenntnisse werden umgehend gemeinsam analysiert und bewertet, sagt Schily.
Nunmehr ziehen die Länder nach und richten ähnliche Zentren ein. Sachsen-Anhalt baut ein so genanntes Gemeinsames Informations- und Auswertungszentrum „Islamistischer Terrorismus“ - GIAZ - auf. Nicht nur, dass allein schon der Name - ich denke, Herr Kosmehl hat die richtigen Worte dafür gefunden - bedenklich ist - was soll die Reduzierung auf islamistischen Terror? -, viel problematischer ist, dass das Trennungsgebot durch die direkte Zusammenarbeit von Polizei und Verfassungsschutz ausgehebelt wird. Das lehnt die PDS ab.
Ich möchte Ihnen von der SPD trotzdem noch einmal sehr deutlich sagen: Wir unterstützen Ihr Anliegen. Der Anfang wurde aber in Berlin durch Otto Schily gemacht. Der Bundesinnenminister ist Mitglied Ihrer Partei. - Vielen Dank.
Vielen Dank, Herr Gärtner. - Für die CDU-Fraktion erhält nun der Abgeordnete Herr Reichert das Wort. Bitte sehr, Herr Reichert.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Jeder hat das Recht, die Landesregierung zu kritisieren, wenn es etwas zu kritisieren gibt. Dies gilt auch für die SPD-Fraktion, die hier im Landtag eine Oppositionsrolle hat und auch eine gewisse Verantwortung trägt. Doch wenn man derartige Anträge hier stellt, wird diese Verantwortung der SPD-Fraktion infrage gestellt, weil dieser Antrag unsinnig ist und vor allen Dingen weil er der Landesregierung Gesetzesbruch vorwirft.
Die Landesregierung ist nach dem Grundgesetz und nach der Verfassung des Landes Sachsen-Anhalt bei allen Maßnahmen an Gesetz und Recht gebunden. Diese Pflicht wird in keiner Weise verletzt. Der Antrag der SPD-Fraktion, die Landesregierung zur Einhaltung eines gesetzlich festgeschriebenen Gebotes aufzufordern, ist daher völlig unsinnig.
Herr Rothe, auch wenn Sie es verneinen, möchte ich sagen: Ich habe den Eindruck, dass mit dem Antrag der SPD-Fraktion der Versuch unternommen werden soll, die Bemühungen der Landesregierung in Misskredit zu bringen, mit denen sie die Menschen unseres Landes vor Mordanschlägen islamistischer Terroristen schützen will.
(Zustimmung bei der CDU - Herr Bischoff, SPD: Das ist eine Unterstellung! - Herr Reck, SPD: Ei- ne Frechheit ist das!)
Unter den Sicherheitsexperten ist völlig unstrittig, dass eine möglichst optimale Gewinnung, Zusammenführung und Analyse von Informationen über Mitglieder oder Unterstützer des Netzwerkes des islamistischen Terrorismus eine der wichtigen Maßnahmen der Gefahrenabwehr ist. Auch die Anschläge in Madrid haben dies deutlich gemacht.