So heißt es in § 2 Abs. 2 des Verfassungsschutzgesetzes des Landes Sachsen-Anhalt, dass die für den Verfassungsschutz zuständige Abteilung im Ministerium des Innern ihre Aufgaben gesondert von der Polizeiorganisation wahrnimmt.
Der Regelungsgehalt dieser Gesetzesnorm ist eindeutig. Eine Angliederung des Verfassungsschutzes oder von Teilen des Verfassungsschutzes an die Polizei ist unzulässig.
Durch Erlass des Ministeriums des Innern vom 17. Dezember 2004, der im Ministerialblatt nachzulesen ist, wird die Aufbauorganisation des Landeskriminalamtes dahin gehend geändert, dass in der für den polizeilichen Staatsschutz zuständigen Abteilung ein „Gemeinsames Informations- und Auswertungszentrum Islamistischer Terrorismus“, abgekürzt GIAZ, vorgesehen ist. Der Organisationserlass ist, wie gesagt, im Ministerialblatt veröffentlicht worden.
Das Gemeinsame Informations- und Auswertungszentrum wird in Sachsen-Anhalt organisatorisch und räumlich beim Landeskriminalamt angesiedelt. In Niedersachsen wird das Zentrum räumlich zwar auch beim Landeskriminalamt untergebracht, ist aber ansonsten selbstständig, eine eigene Organisationseinheit. Außer Sachsen-Anhalt und Niedersachsen - der Herr Innenminister möge mich berichtigen - ist mir kein Bundesland bekannt, in dem ein Gemeinsames Informations- und Auswertungszentrum eingerichtet wird.
Was in Niedersachsen geschieht, ist schon sehr bedenklich. Die Organisationsform als Bestandteil des Landeskriminalamtes, wie sie in Sachsen-Anhalt gewählt worden ist, verstößt nach meiner Überzeugung eindeutig gegen das Gesetz.
Meine Damen und Herren! Wir fordern die Landesregierung auf, das gesetzlich festgeschriebene Gebot der Trennung zwischen Verfassungsschutz und Polizeiorganisation einzuhalten. Dazu ist die Landesregierung unabhängig davon verpflichtet, ob sie das Trennungsgebot für zeitgemäß hält oder nicht. Der Gesetzesgehorsam ist ein Wert an sich. Das sagt einem auch jeder Verkehrspolizist, wenn ihm von einem Verkehrssünder entgegengehalten wird, dass an der Stelle, an der er zu schnell gefahren ist, gerade kein Unfallschwerpunkt sei.
Der Rechtsstaat ist nicht die Spielwiese des Justizministers, sondern jeder Minister sollte sich als Rechtsstaatsminister verstehen, nicht zuletzt der Minister des Innern. Wenn die Landesregierung meint, mit dem gesetzlichen Trennungsgebot nicht leben zu können, dann steht es ihr frei, im Landtag einen entsprechenden Änderungsvorschlag zu präsentieren. Wir haben in dieser Woche in einer Pressemitteilung vom Gesetzentwurf zur Änderung des Verfassungsschutzgesetzes erfahren. Dem Vernehmen nach ist darin eine Änderung des Paragrafen, der das Trennungsgebot enthält, nicht vorgesehen.
Meine Damen und Herren! Für eine Abschaffung oder Einschränkung des Trennungsgebotes gibt es im Übrigen auch kein praktisches Bedürfnis. Auf Bundesebene in Berlin werden mit Blick auf terroristische Bedrohungen zwei Lagezentren eingerichtet, eines des Bundeskriminalamtes und eines vom Verfassungsschutz. Dabei muss man wissen, dass das Bundesamt für Verfassungsschutz seinen Sitz in Köln hat. Die Staatsschutzabteilung des Bundeskriminalamtes hat ihren Sitz in Meckenheim
bei Bonn, von wo der Regierungssitz bekanntlich nach Berlin verlegt worden ist. In Berlin gibt es auch ein besonderes Informations- und Koordinationsbedürfnis.
Bei uns in Magdeburg verhält es sich so, dass das Landeskriminalamt seinen Sitz in der Lübecker Straße hat, während die Abteilung Verfassungsschutz des Innenministeriums im Zuckerbusch residiert und es wahrlich keiner Tagesreise bedarf, um sich auszutauschen.
Dieser Informationsaustausch findet im Übrigen auf allen Ebenen, von der Sachbearbeiterebene bis zur Hausspitze des Ministeriums, regelmäßig statt - zu Zeiten Manfred Püchels jeden Freitag im Ministerium in der Halberstädter Straße, das auch in der Stadt ist.
Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, welchen zusätzlichen Erkenntnisgewinn das gemeinsame Informations- und Auswertungszentrum bringen soll, dessen Einrichtung Innenminister Jeziorsky der Presse im Dezember angekündigt hat. In der „Volksstimme“ vom 15. Dezember 2004 wird die Einschätzung des Ministers wiedergegeben, der kurze Dienstweg von Schreibtisch zu Schreibtisch sei ein entscheidender Vorteil der Zentralstelle für Terrorismusbekämpfung. Es ist von rund einem Dutzend Verfassungsschützern und Staatsschutzbeamten die Rede, die Anfang 2005 vom Landeskriminalamt aus agieren sollen.
Stimmt diese Zahl aus der „Volksstimme“, Herr Minister? Wie viele der Beamten sind Polizisten? Wie viele sind Verfassungsschützer? Geht es am Ende darum, die Erkenntnisse des Verfassungsschutzes für den polizeilichen Staatsschutz nutzbar zu machen? Wie bleibt dabei die Zweckbindung gewahrt?
Wir wissen seit dem Volkszählungsurteil des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 1983, bei dem die informationelle Selbstbestimmung aus Artikel 1 und 2 des Grundgesetzes hergeleitet worden ist, dass die Zweckbindung umso stärker zu beachten ist, je tiefer - das ist in diesem Bereich sicherlich häufig der Fall - der Eingriff ist, insbesondere dann, wenn Daten von einer Behörde zur anderen zur Erfüllung von deren rechtmäßigen Aufgaben weitergegeben werden sollen.
Herr Minister, an welche Dateien sind die Polizeibeamten und an welche sind die Verfassungsschützer in diesem gemeinsamen Informations- und Auswertungszentrum angeschlossen? Gehört etwa „Nadis“ als Verfassungsschutzdatei dazu? Wird eine gemeinsame Projektdatei eingerichtet? Wie wird die Schnittmenge gebildet?
Wird die Errichtungsanordnung dem Datenschutzbeauftragten des Landes vorgelegt oder ist sie ihm vorgelegt worden?
Sollen andere Beamte des Landeskriminalamtes Zugriff auf die Dateien haben, zum Beispiel der Direktor? Immerhin ist das Zentrum eine Einrichtung des Landeskriminalamtes, wenn ich dem geänderten Organisationserlass glauben darf, der im Ministerialblatt veröffentlicht worden ist.
Wie ist diese gemeinsame Projektdatei im Übrigen verortet? Welche Kosten sind eigentlich angesichts der einzuhaltenden Sicherheitsstandards IT-technisch zu veranschlagen? Wie wird mit dem Quellenschutz umgegangen?
Im Grunde müssten doch die Polizeibeamten in dem Informations- und Auswertungszentrum das Legalitätsprinzip missachten, wenn sie mit den Verfassungsschüt
zern zusammenarbeiten sollen, falls dies möglich sein soll. Dürfen das die Polizeibeamten überhaupt? Setzen sich die Polizeibeamten in diesem Zentrum nicht dem Verdacht der Strafvereitelung im Amt aus?
Ich hätte mir gewünscht, Herr Minister, dass Sie sich nicht mit einer derartig problematischen Veranstaltung in Konkurrenz zu Herrn Schilys zwei Zentren in Szene setzen, sondern dass Sie konsequent die Bemühungen um eine bessere Zusammenarbeit von Bund und Ländern in der Sicherheitspolitik unterstützen. Diesbezüglich haben Sie sich in der Vergangenheit eher zögerlich verhalten.
Das, was dazu in der Föderalismuskommission vereinbart worden ist, sollte im gesamtstaatlichen Interesse nicht zur Geisel einer Einigung in anderen strittigen Punkten, wie zum Beispiel der Bildungspolitik, gemacht werden. Denn in der Tat ist der islamistische Terrorismus eine Bedrohung, die man im nationalen Maßstab auswerten und bekämpfen muss,
Im Übrigen setze ich auf das Entstehen eines gemeinsamen Landeskriminalamtes und einer gemeinsamen Verfassungsschutzbehörde der drei mitteldeutschen Länder statt auf eine organisatorische Verbindung von Polizei und Verfassungsschutz in Sachsen-Anhalt.
Meine Damen und Herren! Ich fordere die Landesregierung nochmals auf, das Trennungsgebot einzuhalten. Das ist auch der Tenor unseres Antrages. Wenn die Landesregierung das nicht will, dann muss sie die Novelle zum Verfassungsschutzgesetz entsprechend ergänzen. Das wäre immerhin ein Ausdruck ihrer Bereitschaft, zum Gesetzesgehorsam zurückzukehren. Dann wird man sehen, ob sich im Landtag eine Mehrheit dafür findet. - Vielen Dank.
Vielen Dank, Herr Abgeordneter Rothe. - Meine Damen und Herren! Für die Landesregierung wird jetzt der Minister des Innern Herr Klaus Jeziorsky antworten. Bitte sehr, Herr Minister.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die enge Zusammenarbeit von Polizei und Nachrichtendiensten aus Bund und Ländern ist ein wesentlicher Beitrag für eine noch schlagkräftigere Bekämpfung des internationalen Terrorismus. - Das, Herr Kollege Rothe, stammt vom Bundesinnenminister Otto Schily. Dieser Überzeugung bin auch ich.
Deshalb bedauere ich es ein bisschen - gerade auch wegen Ihrer Rede -, dass die SPD-Fraktion davon abgesehen hat, sich über die von ihr beanstandete Anordnung meines Hauses näher informieren zu lassen. Hätte sie dies getan, wäre es sicherlich nicht zu diesem Antrag gekommen.
Ich bedauere das Vorgehen der SPD-Fraktion auch deshalb, weil es der Bevölkerung den Eindruck vermitteln könnte, dass nicht alle Parteien des Landtages in glei
(Zustimmung bei der CDU - Frau Dr. Kuppe, SPD: Also! Wo nehmen Sie das denn her? - Wei- tere Zurufe von der SPD)
Bevor ich auf die hier in Rede stehende Anordnung bzw. die entsprechenden Erlasse des Innenministeriums näher eingehe, möchte ich kurz auf den Anlass der Schaffung des gemeinsamen Informations- und Auswertungszentrum eingehen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der islamistische Terrorismus hat bereits Tausende von Menschen ermordet. Die Bilder über die Mordanschläge der Terroristen sind um die Welt gegangen. Wir alle kennen diese Bilder. Wer nur hin und wieder die Nachrichten verfolgt, der weiß, dass hinter all diesen Anschlägen ein weltweit tätiges Netzwerk aus Demagogen, Hasspredigern, Anwärtern für Selbstmordattentate, Mitläufern und Unterstützern steht.
Vorbei sind die Zeiten, in denen man Deutschland nur als Ruheraum für dieses Netzwerk ansah, obwohl die Spur der Selbstmordattentäter von New York bis nach Hamburg führte. Vorbei sind die Zeiten, in denen wir uns in Deutschland vermeintlich in Sicherheit wiegen konnten.
Wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass Verbindungen des islamistischen Terrorismus nicht nur zu den sehr komplexen Kriminalitätsfeldern der organisierten Kriminalität bestehen, sondern auch zu Kriminalitätsfeldern, die eher der allgemeinen Kriminalität zuzuordnen sind.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich halte es in Übereinstimmung mit allen Innenministern für unverzichtbar, alle gesetzlich zur Verfügung stehenden Mittel zu nutzen, damit wir die hier lebenden Mitglieder oder Unterstützer des islamistischen Terrorismus ausfindig machen und die Gefahr möglicher Anschläge bereits während der ersten Planungen für solche Taten wirksam bekämpfen können.
Hierzu müssen alle terrorismusrelevanten Erkenntnisse staatlicher Stellen über Aktivitäten, Strukturen, Potenziale, Logistik, Finanzen und anderes sorgfältig beachtet werden - beachtet werden von Polizei, Ausländerbehörden, Verfassungsschutz und Staatsanwaltschaft. Dies kann jedoch nur bei einer möglichst guten Zusammenarbeit dieser Stellen und auch nur dann gelingen, wenn alle einschlägigen Informationen an zentralen Stellen in den Ländern und beim Bund zeitgerecht zusammengeführt und umfassend ausgewertet werden. Darüber sind sich alle Sicherheitsexperten einig.
Insbesondere der Anschlag in Madrid hat aller Welt deutlich gemacht, dass eine enge Kooperation von Polizei und Verfassungsschutz unverzichtbar ist.
Der Bund hat auf seiner Ebene zu Beginn dieses Jahres eine gemeinsame Auswertung und Analyse organisiert. Gemeinsames Terrorismusabwehrzentrum - so bezeichnet es Otto Schily. Daran beteiligt sind neben dem BKA und dem Bundesamt für Verfassungsschutz zum Beispiel auch der Bundesnachrichtendienst, ausländische Dienste, aber auch Verbindungsbeamte der Landeskriminalämter und Verfassungsschutzbehörden der Länder, auch aus Sachsen-Anhalt.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Nun zu der von der SPD-Fraktion kritisierten Anordnung des Innenministeriums. Von Bedeutung sind in diesem Zusam
menhang die Erlasse vom 13. und 17. Dezember 2004. Entscheidend ist aber der Erlass vom 13. Dezember 2004, auf den die SPD-Fraktion in ihrem Antrag jedoch nicht eingeht. Sie bezieht sich lediglich auf Pressemitteilungen.
Aufbauend auf positiven Erfahrungen anderer gemeinsamer Zusammenarbeitsformen sollen deshalb Polizei und Verfassungsschutz in Sachsen-Anhalt unter Beibehaltung ihrer gesetzlichen Zuständigkeiten im Gemeinsamen Informations- und Auswertungszentrum „Islamistischer Terrorismus“, kurz GIAZ, zukünftig noch enger zusammenarbeiten. Das GIAZ wird im Landeskriminalamt Sachsen-Anhalt angesiedelt und ist mit Angehörigen des LKA und der Verfassungsschutzbehörde besetzt.
erstens die Zusammenführung von Informationen und Erkenntnissen insbesondere von Polizei und Verfassungsschutz,
zweitens die gemeinsame Auswertung und Analyse dieser Erkenntnisse - dies ersetzt nicht die freitägliche Lagebesprechung - mit dem Ziel, aktuelle Gefährdungs- und Lagebeurteilungen zu erstellen, Ermittlungsansätze präventiv und repressiv zu gewinnen, Maßnahmen abzustimmen und zu koordinieren und bestehende Informationssysteme effizienter zu nutzen, und