Es geht bei dem Volksentscheid nicht um mehr Spielzeug oder mehr Computerspiele, sondern es geht um die Rechte von Kindern, die nicht zu einem Geld verschlingenden Kostenfaktor degradiert werden dürfen.
Da wundert es mich doch gar nicht, dass die Gegner des Volksentscheides argumentieren, dass ihre Steuergelder doch nicht für Kinder von Erwerbslosen ausgegeben werden sollen,
(Herr Gürth, CDU: Kein Bildungsauftrag, keine Ta- gesmütter! - Herr Tullner, CDU: Das ist Diffamie- rung!)
Doch, meine Damen und Herren, die PDS wird sich weiterhin dafür einsetzen, dass die Förderung von Kindern eben nicht als Verschwendung angesehen wird, sondern als Investition in die Zukunft verstanden wird - und das ohne Unterscheidung hinsichtlich der sozialen Herkunft der Kinder.
Es ist noch nicht lange her, dass uns die OECD-Studie zur frühkindlichen Betreuung, Bildung und Erziehung ereilte. Während die allseits bekannte und immer wieder diskutierte Pisa-Studie für all das Schelte bereit hält, was nach 1990 kritiklos vom Westen auf Ostdeutschland übertragen wurde, kommt Ostdeutschland bei der Studie sehr gut weg - allerdings nicht für das, was aus dem Westen übernommen wurde, sondern für das, was trotz aller gegenläufigen Bestrebungen erhalten blieb.
Weiter stellt der Bericht fest, dass trotz des starken Abbaus nach der Wiedervereinigung die Versorgungssituation im Osten nach wie vor deutlich besser ist als im Westen. Diesen Fakt hat die PDS und im Übrigen auch das Bündnis für ein kinder- und jugendfreundliches Sachsen-Anhalt nie infrage gestellt.
Allerdings möchte ich an dieser Stelle eine Mär ausräumen. Herr Ministerpräsident, Sie sprachen in einem Interview davon, dass Sachsen-Anhalt eine 28-mal bessere Kinderbetreuung als Bayern und Baden-Württemberg hat. Wie ich festgestellt habe, stützen Sie Ihre These darauf, dass die Versorgungsquote für Kinder im Krippenalter in Sachsen-Anhalt bei ca. 56 % und in den beiden anderen Bundesländern bei ca. 2 % liegt.
Diese These steht nicht nur auf wackligen Füßen, sondern sie bricht allein beim kurzen Betrachten zusammen. Allein von der Quantität auf die Qualität zu schließen, ist tatsächlich hanebüchen.
Im Übrigen habe ich festgestellt, dass sich die CDU auf der Bundesebene gar nicht so weit von unserer Intention entfernt befindet. Ich darf mit Ihrer Erlaubnis aus einem Beschluss des 18. Parteitages der CDU anführen: Kinder lernen spielend-situativ, aber auch durch gezielte Anleitung und wiederholende Übungen. Familienergänzende Bildung und Betreuung sind auf das gemeinsame Kindes- und Elternwohl auszurichten.
Das Bündnis für ein kinder- und jugendfreundliches Sachsen-Anhalt verfolgt mit dem Volkentscheid genau diese Dinge und unterstützt damit beispielsweise auch das von den Fraktionen der CDU und der SPD in Sachsen in ihrer Koalitionsvereinbarung festgeschriebene Ziel, Kindern eine Kinderbetreuung ohne Zugangskriterien zu ermöglichen.
Ich kann der Landesvorsitzenden der FDP Frau Pieper nur zustimmen, wenn sie fordert, dass verstärkt in frühkindliche Bildung investiert werden muss, dass Kindergärten Bildungseinrichtungen sein müssen und der Kindergartenbesuch zumindest halbtags kostenlos sein soll.
Also, liebe Kolleginnen und Kollegen von der FDP, schreiten Sie mutig voran, setzen Sie sich entsprechend der Zielsetzung Ihrer Landesvorsitzenden ein und vor allem durch.
Die Wiederherstellung des alten Rechtsanspruches bedeutet nicht, dass wir Eltern ihre Kinder wegnehmen wollen. Denn im Gegensatz zu Ihnen, meine Damen und Herren der Regierungsfraktionen, die Sie meinen, dass man Eltern und Kinder zu ihrem gemeinsamern Glück gesetzlich zwingen müsste,
(Herr Gürth, CDU: Überall dort, wo die PDS re- giert, ist die Kinderbetreuung wesentlich schlech- ter!)
geht die PDS davon aus, dass sich Eltern ihrer Verantwortung gegenüber ihren Kindern durchaus bewusst sind und ihre Kinder nicht aufgrund von Egoismus in die Kindertagesstätte abschieben.
In diesem Sinne sollten wir uns in eine faire und transparente Diskussion bis zum Zeitpunkt des Volksentscheides begeben und abwarten, wie sich die Bürgerinnen und Bürger von Sachsen-Anhalt am 23. Januar 2005 entscheiden werden. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Vielen Dank, Frau von Angern. - Sehr geehrte Frau Röder, ich begrüße Sie sehr herzlich und teile Ihnen mit, dass sich der Landtag über die Nachricht Ihrer Vermählung herzlich gefreut hat.
Meine Damen und Herren! Wir setzen die Debatte fort. An dieser Stelle hat für die Landesregierung der Herr Ministerpräsident um das Wort gebeten. Bitte sehr, Herr Ministerpräsident.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich denke, dass man über dieses Thema auch anders als ausschließlich mit billiger Polemik sprechen kann.
Ich würde das an dieser Stelle gerne mit Ihnen versuchen. Die Tatsache, dass wir im Januar einen Volksentscheid in Sachsen-Anhalt haben werden, wird mit Sicherheit eine überregionale Beachtung und Aufmerksamkeit erfahren. Das hängt auch damit zusammen, dass Volksentscheide in Deutschland ausgesprochen selten sind. Wären wir in der Schweiz, wo so etwas häufiger vorkommt, dann wäre das eine Sache, die kaum überregionale Beachtung fände.
Wir müssen schon aus diesem, aber auch aus einer Reihe anderer Gründe heraus damit rechnen, dass dieser Vorgang bundesweit beobachtet werden wird, sowohl der Inhalt des Volkentscheides und selbstverständlich auch das Ergebnis, weil wir uns bundesweit in einer Diskussion befinden, die sich mit diesen Problemen befasst. Ich muss darauf hinweisen, dass das auch mit einem Gesetzesvorschlag des Bundes zusammenhängt, der zurzeit in den westdeutschen Ländern sehr deutlich und auch kontrovers diskutiert wird.
Unsere Landesverfassung sieht in Artikel 81 vor, dass Haushaltsgesetze, Abgabengesetze und Besoldungsregelungen nicht Gegenstand eines Volksbegehrens sein können. Das vorliegende Gesetz ist auch kein Haushaltsgesetz, aber es ist gestern in der Debatte, wie mir berichtet wurde, deutlich geworden, dass es ein haushaltsrelevantes Gesetz ist und dass es in Haushaltsstrukturen hineinsteuert. Da wir uns dafür entschieden haben - obwohl es kein eigentliches Haushaltsgesetz, aber ein haushaltsrelevantes Gesetz ist -, es trotzdem einem Volksentscheid zu unterwerfen, müssen wir darüber reden.
Ich sage ausdrücklich, die Landesregierung hat nichts, aber auch gar nichts unternommen, um diesen Vorgang zu bremsen oder ihn durch eine juristische Paragrafendiskussion auszuhebeln. Als wir entscheiden mussten, was wir zulassen oder nicht, haben wir ausdrücklich gesagt: Wir machen hieraus keine juristische Diskussion. Wir lassen das ganz bewusst so laufen, und wenn es zu einem Volksentscheid kommt, müssen wir die öffentliche Debatte auch über die Haushaltsrelevanz führen, damit all diejenigen, die zu einer Entscheidung berechtigt sind, in die gleiche Situation versetzt werden, in die Sie sich selbst versetzen, wenn Sie über einen Haushalt entscheiden, nämlich zwischen den unterschiedlichen Prioritäten abwägen zu können. Dies muss nun unsere Auf
Wir müssen all diejenigen, die jetzt die Entscheidung treffen werden, in diese Prioritätensetzung und Prioritätenentscheidung einbinden.
Es ist völlig richtig, dass das eine bundesweite Debatte ist. In dieser bundesweiten Debatte geht es nicht nur um Kinderbetreuung. Zum Beispiel spielt die Diskussion über die Fortschrittsberichte jedes Jahr in den Medien eine weit größere Rolle. Darin wird uns vorgehalten, dass wir in Sachen-Anhalt nur 56 % der Bundeszuschüsse zur Beseitigung und Behebung der teilungsbedingten Lasten dem Gesetz entsprechend verwendet haben und 44 % dieser Zuschüsse gesetzwidrig.
Mit diesem Vorwurf, der sich in fast allen größeren Medien zeigt, müssen wir zurzeit leben und uns auseinander setzen. Ich halte diesen Vorwurf nicht für berechtigt, aber danach wird sich die gesamte Welt nicht richten und ich muss damit leben, dass das andere anders sehen.
Ich will an dieser Stelle nicht die ganzen Publikationen benennen, auf die ich mich beziehe, sondern nur eine einzige, die vielleicht nicht von allen gelesen wird, die aber das Problem besonders drastisch darstellt. In der „Financial Times“ hat jemand Anfang Dezember unter der Überschrift „Gesetzeswidrige Geldverwendung“ die Verwendung der Finanzmittel bei uns in Sachsen-Anhalt als einen Skandal bezeichnet, weil wir nur reichlich die Hälfte entsprechend der angeblich gesetzlich vorgeschriebenen Zweckbindung verwendet hätten und den Rest schlicht für konsumtive Zwecke und zum Stopfen von Haushaltslöchern, wie das immer so polemisch heißt, ausgeben haben.
Diese Interpretation ist verbunden mit dem Vorschlag, von den Ländern dieses Geld, das sie nicht dem Gesetz entsprechend ausgeben, zurückzufordern und es ihnen wegzunehmen und im jeweiligen Folgejahr um die Summe zu kürzen, um die sie es im vergangenen Jahr angeblich gesetzeswidrig verwandt hätten. Das hätte mich relativ uninteressiert gelassen, wenn derjenige, der das schreibt, nicht der finanzpolitische Sprecher der Bundestagsfraktion des Bündnisses 90/Die Grünen gewesen wäre, also jemand, der in den haushaltsentscheidenden Gremien des Bundestages sitzt und über den Haushalt entscheidet.
Was diese politische Gruppierung bei uns in SachsenAnhalt fordert, können Sie in der Zeitung nachlesen, das erspare ich mir. Aber hier zu sagen, ihr müsst den neuen Bundesländern das Geld wegnehmen, das sie nicht für investive Zwecke eingesetzt haben, das halte ich schon für ein ziemlich starkes Stück und damit müssen wir uns auseinander setzen.
Nun bin ich in diesem Zusammenhang der Meinung, man könnte den Begriff „investiv“ anders definieren. Im Haushaltsgrundsätzegesetz ist es ja vorgeschrieben und für die haushalts- und finanzpolitische Diskussion sehe ich keine Möglichkeit, die Definition des Begriffes zu ändern.
Aber im Fortschrittsbericht, in dem es darum geht, die Verwendung der Mittel in den neuen Bundesländern politisch zu bewerten, brauchen wir keine finanzpolitische
Diskussion zu führen, sondern darin könnten wir uns auch eine politische Definition leisten und sagen: Alles das, was wir für die Entwicklung unseres Landes - zu den teilungsbedingten Lasten gehört aus meiner Sicht auch die Beseitigung der hohen Arbeitslosigkeit - verwendet haben, zum Beispiel um Menschen von Anfang an bis in das Berufsleben hinein zu qualifizieren, gehört mit zur Beseitigung teilungsbedingter Lasten und sollte uns in diesem Bereich nicht vorgeworfen werden.