Protocol of the Session on November 12, 2004

und 2001, die jetzt vollzogen werden wird, ähnlich engagiert eingesetzt hätte, Herr Rothe.

(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP)

Damals schrieb Ministerpräsident Dr. Höppner an den Oberbürgermeister der Stadt Dessau auf dessen drängende Frage nach Anschlusslösungen wörtlich:

„Eine mögliche Nachnutzung des Standortes Dessau und eine Verlegung anderer Einheiten bzw. Stäbe obliegt allein dem Bundesminister der Verteidigung und fällt nicht in die Zuständigkeit der Landesregierung.“

(Oh! und Hört, hört! bei der CDU)

So viel zu der Frage, wie die Landesregierung ihre Verantwortung in diesem Zusammenhang wahrnimmt.

Meine Damen und Herren! Die Landesregierung anerkennt die Notwendigkeit von strategischen und strukturellen Veränderungen bei der Bundeswehr im Rahmen des Transformationsprozesses. Die veränderten geopolitischen Bedingungen und Umstände zwingen zu neuen Wegen und Ansätzen in der Sicherheits- und Verteidigungspolitik. Das erkennen wir ausdrücklich an.

Gleichwohl dürfen aber weder Aspekte des Heimatschutzes noch der Amtshilfefähigkeit der Bundeswehr sowie die wirtschafts- und strukturfördernde Rolle von militärischen Standorten in den Regionen Deutschlands außer Acht gelassen werden. Insofern sollten einige der beabsichtigten Entscheidungen gerade unter militärischfunktionalen Gesichtspunkten, etwa im Hinblick auf den Schutz der Bevölkerung in der Fläche und eine entsprechende Präsenz der Bundeswehr, einer Prüfung unterzogen werden.

Ein massiver Abbau von Einrichtungen der territorialen Wehrorganisation gefährdet die gut funktionierende zivilmilitärische Zusammenarbeit. Hierfür sind gute und durchdachte Konzepte gefordert, um auch zukünftig kompetente militärische Ansprechpartner in der Fläche zu haben. Bleibenden Eindruck - auch ich will das bei dieser Gelegenheit unterstreichen - hat in diesem Zusammenhang insbesondere die Hilfeleistung der Bundeswehr während der Hochwasserkatastrophe im Jahr 2002 hinterlassen, für die wir nachhaltig dankbar sind.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Zustim- mung bei der SPD und bei der PDS)

Insofern ist es begrüßenswert, dass wenigstens in der Landeshauptstadt Magdeburg ein - zu unserem Bedauern allerdings stark abgespecktes - Landeskommando verbleibt, das unter anderem Ansprechpartner der Landesregierung in Fragen der zivil-militärischen Zusammenarbeit sein wird.

Meine Damen und Herren! Als Erfolg unserer Bemühungen um Abmilderung der Folgen des Umbaus der Bundeswehr werten wir die Ankündigung, in Havelberg einen von vier bundesweit vorgesehenen so genannten ZMZ-Stützpunkten einzurichten. Dort werden schweres Pioniergerät, Material aus Sanitätseinrichtungen und Mittel und Gerät zum ABC-Schutz bereitgehalten werden, die bei Naturkatastrophen oder schweren Unglücksfällen im Rahmen der Amtshilfe von aktiven Truppen und Reservisten gemeinsam eingesetzt und von der Bundeswehr zur Unterstützung der zivilen Stellen bereitgestellt werden können.

An der Konkretisierung der Einzelheiten werden wir im Zusammenwirken mit dem Bund mit Beginn des nächsten Jahres mitwirken. Die Landesregierung wird sich dabei auch dafür einsetzen, dass der Bund seiner innerstaatlichen Verpflichtung zur Unterstützung der Länder im Rahmen eines Gesamtkonzepts zur inneren Sicherheit nachkommt, das die Ministerpräsidentenkonferenz schon vor geraumer Zeit angemahnt hat und das mehr als überfällig ist.

Meine Damen und Herren! Besonders bitter für das Land Sachsen-Anhalt ist die Auflösung des Standortes Hohenmölsen mit derzeit ca. 770 Soldaten und Zivilbediensteten. Die Waffengattung des Flugabwehrpanzers „Gepard“ stellt im Rahmen des Transformationsprozesses und der damit verbundenen neuen Aufgaben der Bundeswehr unstreitig kein zukunftsfähiges Mittel dar, sodass die Auflösung des einzigen in Sachsen-Anhalt noch vorhandenen gepanzerten Verbandes militärfachlich nachzuvollziehen ist. Damit gehen für die Region ein wichtiger Partner in der zivil-militärischen Zusammenarbeit und vor allem erhebliche Wirtschaftskraft verloren.

Die Landesregierung hat das Bundesverteidigungsministerium nach Bekanntwerden dieser Absichten auf die negativen Folgen einer Standortschließung hingewiesen und sich dafür eingesetzt, dass eine andere militärische Einheit am Standort Hohenmölsen stationiert wird. Dass es dafür gute Gründe gegeben hätte, haben wir soeben gehört. Diese Bemühungen sind leider nicht erfolgreich gewesen.

Angesichts der vom Bund auch in anderen Ländern verfolgten Vorgehensweise, Standorte zu konzentrieren und nicht mehr benötigte Waffengattungen ersatzlos zu streichen, müssen wir der Tatsache ins Auge sehen, dass die Chancen für den Erhalt des Standorts Hohenmölsen schlecht stehen. Wenn Sie, Herr Rothe, Alternativen sehen, sagen Sie uns, aber auch dem Bund bitte, welche. Die Beschwörung von Genscher hilft in diesem Zusammenhang weiß Gott nicht weiter.

Umso wichtiger ist es deshalb, dass der Bund seine Verantwortung für eine sozial und ökonomisch vertretbare Konversion wahrnimmt. Viele Standortgemeinden haben ihre kommunalen Planungen und Entwicklungen im Interesse der Bundesregierung betrieben, Infrastruktureinrichtungen geschaffen und insgesamt ihre Wirtschafts- und Sozialstruktur stark auf die Bundeswehr ausgerichtet. Damit steht der Bund in den anstehenden Konversionsprozessen in der Pflicht und in der Verantwortung, durch eine effiziente und finanziell ausreichend ausgestattete Strukturpolitik die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass Kompensationen möglich sind, dass die Chancen für ein Mehr an Beschäftigung und Wachstum und für eine sinnvolle Nachnutzung der Liegenschaften bestehen.

In diesem Sinne hat sich auch der Deutsche Bundestag gestern mit dem Stationierungskonzept und mit Fragen der Konversion beschäftigt. Die CDU-Bundestagsfraktion hat einen entsprechenden Antrag gestellt, was wir sehr begrüßen und unterstützen. Wir hoffen und erwarten, dass die Bundesregierung und die sie tragenden Fraktionen ihre bisherige Weigerung, irgendetwas zur Transformation beizutragen, schnellstens revidieren und hätten es natürlich gern gesehen, dass im Bundeshaushalt gestern die dafür notwendigen Voraussetzungen geschaffen worden wären. Leider ist das nicht geschehen.

Wenn der Bundesminister der Verteidigung Anfang des Jahres 2005 die Bürgermeister der betroffenen Standorte zu einer Konferenz zu sich bittet, erwarten diese auch konkrete Alternativen, konkrete Angebote vom Bund und nicht nur eine Veranstaltung zur Wiederherstellung des inneren Friedens.

(Zustimmung bei der CDU, bei der FDP und von Minister Herrn Prof. Dr. Paqué)

Meine Damen und Herren! Die Landesregierung wird sich dafür einsetzen, dass der Bund die betroffenen Kommunen nicht im Regen stehen lässt. Was in unserer Macht steht, werden auch wir dazu beitragen, dass die betroffenen Kommunen eine vernünftige Perspektive auch in der Konversionsphase haben. - Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU - Zustimmung bei der FDP und von der Regierungsbank)

Vielen Dank, Herr Staatsminister Robra. - Meine Damen und Herren! Damit ist das erste Thema der Aktuellen Debatte beraten worden. Beschlüsse zur Sache werden gemäß § 46 Abs. 6 der Geschäftsordnung nicht gefasst.

Ich rufe das zweite Thema der Aktuellen Debatte auf:

b) Zur Zukunft der KZ-Gedenkstätte Schloss Lichtenburg in Prettin, Landkreis Wittenberg

Antrag der Fraktion der PDS - Drs. 4/1888

Für die Debatte wird folgende Reihenfolge vorgeschlagen, PDS-, FDP-, SPD- und CDU-Fraktion. Zunächst erteile ich dem Antragsteller, der PDS-Fraktion, das Wort. Es spricht der Abgeordnete Herr Gärtner. Bitte sehr, Herr Gärtner.

Vielen Dank, Herr Präsident. - Meine sehr verehrten Damen und Herren! Gern hätten wir auf die heutige Debatte verzichtet,

(Zuruf von Herrn Scharf, CDU)

aber die Entwicklung der letzten Tage hat uns diesbezüglich keine andere Möglichkeit gelassen. Viele Kolleginnen und Kollegen im Einzugsbereich der „Mitteldeutschen Zeitung“ werden am Samstagmorgen genauso wie ich über die Meldung überrascht gewesen sein, dass die KZ-Gedenkstätte Schloss Lichtenburg in Prettin ab Montag geschlossen sei.

Bis zur endgültigen Bestätigung der Meldung am Montag hielt ich das Ganze für einen schlechten Scherz. Das war er aber nicht. Die Begründung des Landrates lautete offiziell, es sei eine vorübergehende Schließung, da die eine Mitarbeiterin - ich betone: eine Mitarbeiterin - für die Bearbeitung von ALG-II-Anträgen gebraucht werde. - Dafür wird die vollständige Schließung der Gedenkstätte in Kauf genommen.

Gestern nun lässt derselbe Landrat endlich die Katze aus dem Sack. In einem Gespräch mit der „Mitteldeutschen Zeitung“ teilte Landrat Dammer mit, dass die Aktion letztlich kalkuliert gewesen sei, um einmal mehr auf das Problem Lichtenburg hinzuweisen. Mit „Krokodils

tränen“ und einem „Aufschrei“ sei zu rechnen gewesen, so Dammer wörtlich. Zudem teilte er mit, dass die Gedenkstätte in der bisherigen Form nicht mehr öffnen werde. All das tat und tut er ohne die Einbindung des Kreistages oder anderer Gremien.

Meine Damen und Herren! Ich will hier ohne Wenn und Aber sagen, wer am Vorabend des 9. November, dem Tag des Gedenkens an die Reichspogromnacht im Jahr 1938 und wenige Monate vor dem 60. Jahrestag der Befreiung Deutschlands vom Hitlerfaschismus eine national bedeutsame KZ-Gedenkstätte in einem der ersten Konzentrationslager der Nazis mit dieser Begründung schließt, kann nur als geschichtsloser, skrupelloser und gedankenloser Verantwortlicher bezeichnet werden. Er hat mit seinem Handeln das Ansehen unseres Landes zudem in hohem Maße geschädigt.

(Beifall bei der PDS - Zurufe von Herrn Daldrup, CDU, und von Herrn Kosmehl, FDP)

Aber zurück zu den Fakten. Seit Jahren beschäftigt sich der Landtag mit dem Thema. Untersetzt durch Forschungsergebnisse kam der Landtag im Frühjahr 2002 einstimmig zu der Erkenntnis, dass die KZ-Gedenkstätte Schloss Lichtenburg in Prettin von überregionaler Bedeutsamkeit sei. Der Landtag sprach sich zugleich für den Erhalt und den Ausbau der Gedenkstätte aus.

Hier nochmals ein kleiner Abriss über die Geschichte des Schlosses: Das als Witwensitz sächsischer Kurfürstinnen erbaute Schloss wurde von 1812 bis 1829 als Zuchthaus genutzt. Von 1933 bis 1939 befand sich hierin eines der ersten Konzentrationslager der Nazis. Im Jahr 1933 wurde ein so genanntes Sammellager für staatsfeindliche Elemente eingerichtet, in dem bis zum Jahr 1937 Männer und danach Frauen inhaftiert wurden. Es waren überwiegend politische Häftlinge, aber auch Juden, Homosexuelle, Bibelforscher und weitere rassistisch Verfolgte. Vier Fünftel der in Preußen wegen Verstoßes gegen § 175 festgenommenen Schwulen wurden hierin interniert.

Unter den Häftlingen befanden sich unter anderem Friedrich Ebert junior, Wilhelm Leuschner, Carlo Mierendorff, Max Abraham, Alfred Kantorowicz, Wolfgang Langhof, Hans Lorbeer, Lotti Huber, Olga BenarioPrestes, Ernst Reuter und viele andere mehr. Umstritten ist unter Forschern, ob der bekannteste Sozialdemokrat der Nachkriegszeit, Kurt Schumacher, kurzzeitig in Prettin interniert war.

Die männlichen Häftlinge wurden im Jahr 1937 in die Konzentrationslager Buchenwald und Sachsenhausen verlegt. Die weiblichen Häftlinge wurden im Jahr 1939 in das Konzentrationslager Ravensbrück überführt. Danach diente das Schloss bis zum Jahr 1945 als Zeugamt der SS.

Im Jahr 1965 wurde im Bunker des ehemaligen KZ eine Mahn- und Gedenkstätte eingerichtet, in der die Zellen im Originalzustand erhalten sind. Des Weiteren sind große Teile des Schlosses zu DDR-Zeiten von der Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaft genutzt worden. Ich denke, dies geschah in unwürdiger Weise. Damit wurde mit einem ehemaligen Konzentrationslager leider nicht ordnungsgemäß und angemessen umgegangen.

Im Jahr 1974 erfolgte eine Erweiterung um drei Ausstellungsräume. Die Mahn- und Gedenkstätte befindet sich heute in Trägerschaft des Landkreises Wittenberg. Dieser hat es Anfang der 90er-Jahre versäumt, auf Landes-

und auf Bundesebene deutlich zu machen, dass dies eine Gedenkstätte mit überregionalem Charakter ist, was meines Erachtens angesichts der langen Liste der dort inhaftierten prominenten Leute unumstritten ist.

Es wurde jedoch auch bekannt und ist bekannt, dass das Schloss auf der Versteigerungsliste des Bundes steht, da es sich in Bundesbesitz befindet. Ich will seitens meiner Fraktion wiederholt klar sagen: Ein ehemaliges Konzentrationslager auf eine Versteigerungsliste zu setzen, ist in der Tat unsensibel und der Geschichte des Schlosses nicht angemessen.

(Beifall bei der PDS)

Meine Damen und Herren! Es wurde viel geredet über das Thema, aber passiert im Sinne des Erhalts und des Ausbaus der Gedenkstätte Lichtenburg ist de facto in den letzten Jahren nichts. Erinnert sei an dieser Stelle an den leidenschaftlichen Appell des Sohnes von Ernst Reuter, Edzard Reuter, hier, genau an dieser Stelle, vor nicht allzu langer Zeit, die Gedenkstätte zu erhalten und in Landesträgerschaft zu übernehmen. Ein Vor-Ort-Termin mit Ministerpräsident Böhmer im Frühjahr blieb offenbar ergebnislos.

(Herr Borgwardt, CDU: Das stimmt nicht!)

Nunmehr sind wir an dem Point-of-no-Return angekommen. Namens der PDS-Fraktion möchte ich ganz deutlich sagen, dass wir dieses nicht ohne Widerstand hinnehmen werden. Mit dem Beschluss des Landtages im Jahr 2002 zum Erhalt der Gedenkstätte hat das Parlament auch deutlich gemacht, dass es sich nicht um eine regionale Einrichtung handelt.

Es geht - das will ich wiederholen - um eines der ersten Konzentrationslager der Nazis in Deutschland. Wenige Monate vor dem 60. Jahrestag der Befreiung Deutschlands eine Gedenkstätte zur Erinnerung an das grauenhafte Handeln der Nazis zu schließen, ist ein unglaublicher Skandal.

(Beifall bei der PDS)

Die PDS-Fraktion fordert kurzfristig die unverzügliche Rücknahme der Entscheidung zur Schließung der Gedenkstätte. Das unwürdige Gezerre um die Gedenkstätte muss endlich beendet werden. Hier ist der Ministerpräsident persönlich gefordert.

(Herr Gürth, CDU: Fensterrede! - Herr Tullner, CDU: Das ist doch kein Kreistag hier!)