Protocol of the Session on July 18, 2002

Wir mussten leider, meine Damen und Herren, um bei der Haushaltswahrheit und Haushaltsklarheit zu bleiben, die bisherigen Haushaltsrisiken, die nicht aufgezeichnet waren, sauber einstellen. Deshalb kommen wir nicht darum herum, die Nettokreditaufnahme auf eine sehr hohe Zahl, nämlich auf 1,5 Milliarden €, anwachsen zu lassen.

Das ist eine ganz, ganz bittere Wahrheit. Ich will an dieser Stelle gar nicht darum herumreden. Wir überschreiten damit die nach Artikel 99 der Landesverfassung zulässige Höhe der Einnahmen aus Krediten, wenn wir uns nicht darauf berufen können, dass im Land Sachsen-Anhalt eine Sondersituation vorliegt, die diese Überschreitung rechtfertigt.

Nach umfangreichen Diskussionen im Finanzausschuss und auch nach Diskussionen mit dem Landesrechnungshof ist die CDU-Fraktion weiterhin der Auffassung, dass diese einmalige, für 2002 notwendige Überschreitung der Grenze für Einnahmen aus Krediten geboten und auch richtig ist.

Die Landesregierung hat im Finanzausschuss die näheren Begründungen im Einzelnen und für meine Begriffe auch ausreichend dargestellt. Ohne dass wir uns mit einer einmaligen Erhöhung der Nettokreditaufnahme in gewisser Weise von den Altlasten, die uns die alte Landesregierung hinterlassen hat, befreien würden, drohte das finanzielle Handeln der Landesregierung praktisch unmöglich zu werden. Damit würde zweifellos das wirtschaftliche Gleichgewicht im Land SachsenAnhalt in noch höherem Maße gestört werden, als dies jetzt schon ohnehin ablesbar ist. Wir würden in die Handlungsunfähigkeit des Landes Sachsen-Anhalt hineinschlittern.

Dies, meine Damen und Herren, kann nun wirklich niemand wollen und könnte auch niemand rechtfertigen. Deshalb ist die zulässige Erhöhung der Nettokreditaufnahme in diesem Haushalt notwendig.

Ich möchte nur noch ganz kurz darauf hinweisen, dass Sie sich vielleicht auch einmal über die Diskussionen, die im Berliner Abgeordnetenhaus geführt werden, informieren sollten. Dort befinden sich Ihre Kolleginnen und Kollegen von der SPD und der PDS gleichfalls in der misslichen Lage zu überlegen, wie man den Landeshalt aufstellt, mit dem ebenfalls die Kreditobergrenze überschritten werden muss. Allerdings besteht in Berlin die Schwierigkeit, dass sich die Partner von SPD und PDS nicht über die Begründung einig sind und sich wegen der Begründung auch öffentlich im Parlament in die Haare kommen.

Für eine Regierung ist es natürlich ein ganz misslicher Zustand, wenn sie selber nicht weiß, ob sie diese Grenze überschreiten darf oder nicht. Hier in Sachsen-Anhalt fahren CDU und FDP die gleiche klare Linie. Wir haben begründet, warum wir diesen Weg gehen müssen.

Wir werden uns, liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD-Fraktion, nicht dazu überreden lassen, weiter zu wursteln. Ein Nichteinstellen des Haushaltsfehlbetrages aus dem Jahr 2001 in Höhe von 201 Millionen € wäre fatal und nach der Landeshaushaltsordnung im Übrigen auch unzulässig. Außerdem wäre das eine schwere Vorbelastung für die Haushaltsberatungen der kommenden Jahre.

(Zustimmung bei der CDU)

Ich kann an dieser Stelle nur noch einmal ganz deutlich betonen: Die Kredite sind bereits aufgenommen! Wer bereits länger in diesem Parlament sitzt, der weiß, dass wir uns immer wieder über die Frage unterhalten haben, ob die verfassungsmäßige Grenze für die Kreditaufnahme nur für die Aufstellung des Haushaltsplanentwurfs oder aber auch für den Haushaltsvollzug gilt. Ihr Vorschlag, das Haushaltsdefizit aus dem Jahr 2001 in den kommenden Jahren weiter vor sich herzuschieben - was ja maximal für zwei Jahre möglich ist -, löst überhaupt nicht das Problem, diese Kreditgrenze im Haushaltsvollzug einzuhalten. In diesem Punkt kommen Sie nicht davon, weil nämlich die Kredite schon aufgenommen sind.

Deshalb sind wir ebenso wie der Landesrechnungshof der Auffassung, dass diese Defizite zeitnah, so schnell wie möglich einzustellen sind. Der Nachtragshaushalt ist der gebotene Anlass, bei dem diese Wahrheit auch auf dem Papier richtig vermerkt werden muss.

(Zustimmung bei der CDU)

Ich möchte an dieser Stelle nun noch kurz auf die Ausführungen von Herrn Doege eingehen. Sie haben eine namentliche Abstimmung gefordert, damit ganz klar wird, wer hier im Land Sachsen-Anhalt wie mit der Verfassung umgeht. - Ich will Ihnen ganz deutlich sagen: Wir gehen sauber mit der Verfassung um. Wir haben begründet, warum wir in diesem Jahr so handeln müssen. Ich habe in Ihrem Redebeitrag heute ein wenig die Überlegung vermisst, die Sie in den vergangenen Wochen immer wieder gegenüber der Öffentlichkeit geäußert haben, ob Sie diese Frage vom Landesverfassungsgericht prüfen lassen wollen oder nicht. Die Forderung,

hier im Landtag eine namentliche Abstimmung durchzuführen, löst dieses Problem nicht.

(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP)

Machen wir einen kleinen Exkurs in die Haushaltsberatungen. Sie waren zügig, dabei ging es aber überhaupt nicht um Durchpeitschen.

(Widerspruch bei der SPD)

Ich habe die Argumentationsunterschiede zwischen SPD und PDS sehr wohl bemerkt. Die PDS hat gesagt, sie hätte sich durchaus eine längere Beratung gewünscht. Sie hat aber nie das Wort „Durchpeitschen“ benutzt, und sie hat auch nie davon gesprochen, dass wir die Vorschriften der Geschäftsordnung verletzt und gegebenenfalls sogar Gesetze gebrochen hätten, weil wir so schnell beraten haben. Zwischen zügiger Beratung und Verletzung von Geschäftsordnungsregelungen besteht ein großer Unterscheid.

Im Übrigen will ich Ihnen auch eines noch ganz klar sagen: Es gab keinen Gedanken - zumindest gilt dies für die Beratungen im Finanzausschuss -, der nicht ausführlich bis zum Ende diskutiert werden konnte. Keine Diskussion wurde abgewürgt. Ich frage Sie jetzt - Hand aufs Herz -, was hätten wir, wenn wir drei Monat länger über den Nachtragshaushalt beraten würden, in den kommenden drei Monaten in den Ausschüssen und insbesondere im Finanzausschuss täglich beraten sollen? Es ist alles beraten worden.

(Beifall bei der CDU - Zuruf von Herrn Dr. Heyer, SPD)

Niemand ist hinsichtlich der Wahrnehmung seiner parlamentarischen Rechte zu kurz gekommen. Wir haben gezeigt, dass das Parlament, wenn dies Not tut, schnell und verantwortungsbewusst seine Aufgaben wahrnehmen kann.

Wir werden es, meine lieben Kolleginnen und Kollegen von der SPD, nicht zulassen, dass unter dem Deckmantel ausführlicher Beratung hier im Parlament versucht wird, Obstruktionspolitik zu betreiben. Wir haben großen Wert darauf gelegt, dass vor Beginn der Sommerpause noch Gesetze verabschiedet werden. Dazu gehört auch der Nachtragshaushalt.

Jetzt ist die Stunde der Wahrheit. Jetzt muss der Grundsatz der Haushaltsklarheit und Haushaltswahrheit zu seinem Recht kommen. Jetzt werden die neuen Grundlagen geschaffen.

Im Übrigen will ich an dieser Stelle noch einmal das Argument aufgreifen, das Herr Finanzminister Dr. Paqué während der ersten Beratung über den Entwurf eines Nachtragshaushaltes gesagt hat.

Ich kann mir gut vorstellen, dass es in der Außenbewertung, zum Beispiel auch durch internationale Agenturen, wenn es um das Rating des Landes Sachsen-Anhalt geht, schon von entscheidender Bedeutung ist, wie das Land selbst mit der Bilanzwahrheit umgeht. Wenn die Rating-Agenturen merken, dass wir schummeln, dass wir verdecken, dann, denke ich, werden wir auch schlecht bewertet werden, und eine schlechte Bewertung würde wahrscheinlich bereits in Kürze dazu führen, dass wir die notwendigen Kredite, die wir nun leider einmal bezahlen müssen, zu schlechteren Konditionen bekämen, als wir sie bekommen würden, wenn wir offen und ehrlich unsere Haushaltssituation darlegen.

Ich glaube, so können sich Haushaltswahrheit und Haushaltsklarheit direkt finanziell auf das Land Sachsen-Anhalt auswirken.

(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP)

Lassen Sie mich zu einigen wenigen ausgewählten Problemen in den Einzelplänen kommen.

(Zuruf von Herrn Bullerjahn, SPD)

Wir haben eine ganze Menge personelle Altlasten, mit denen wir umzugehen haben. Wenn jetzt danach gerufen wird, dass die neue Landesregierung die Konsolidierung der Personalhaushalte nicht schnell und zügig genug vorantreibt, dann muss man ganz ehrlich sagen: Wir müssen die Verkrustungen aufbrechen, die Sie in den letzten acht Jahren in diesem Bereich angelegt haben.

(Lebhafter Beifall bei der CDU - Zustimmung von der Regierungsbank - Zuruf von Herrn Dr. Pü- chel, SPD)

Und das ist schwer.

Zum Beispiel habe ich bis zu den Beratungen über den Nachtragshaushalt gar nicht gewusst, dass Sie uns mit der Art und Weise, in der Sie mit dem Altersteilzeitmodell im Land Sachsen-Anhalt umgegangen sind, ein richtiges Problem auf den Tisch gelegt haben,

(Herr Dr. Püchel, SPD: Weil Sie Leute hochbrin- gen wollen!)

nämlich wenn von Ihnen zum Beispiel Altersteilzeitmodelle für Abteilungsleiter, also in Besoldungsgruppe B 5, genehmigt worden sind und die Frage ungeklärt gewesen ist - wahrscheinlich wollten Sie zumindest in Ihrer Regierungszeit die Frage nicht abschließend klären -: Was passiert in der passiven Phase, in der Freistellungsphase? Kann wirklich in der gesamten Freistellungsphase die Tätigkeit eines Abteilungsleiters von einem Referatsleiter einfach übernommen werden? Können wir einfach Abteilungen zusammenlegen? - Ich sage: In dieser Form ist das vor dem Hintergrund des Ziels einer effizienten

(Zuruf von Herrn Dr. Püchel, SPD)

und straffen Führung des Landes Sachsen-Anhalt eine Fahrlässigkeit, die Sie personalwirtschaftlich begangen haben und die wir jetzt verändern müssen.

(Zustimmung bei der CDU - Herr Kolze, CDU: Genau so ist es!)

Das geht natürlich nur, wenn wir es der Regierung erlauben, zeitweilig bei einem unabweisbaren Bedürfnis von den Stellenplänen abweichen zu können. Die Bedingungen, die die Landesregierung dabei erfüllen muss, werden natürlich im Einzelfall geprüft und von uns als Parlament sehr kritisch beäugt.

Ich sage Ihnen: Ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass sich irgendeiner in der Ministerriege trauen würde, diese Regelung dafür zu benutzen, verdeckt für sich neue Stellen zu schaffen. Das können wir uns gar nicht leisten.

Wir müssen uns personalwirtschaftlich so viel Freiheit erwirtschaften, dass wir die von Ihnen eingeleiteten Maßnahmen so umsetzen können, dass die Landesregierung dabei nicht handlungsunfähig wird.

(Zuruf von Herrn Dr. Püchel, SPD)

Auch das muss in diesem Landeshaushalt gelöst werden, und dafür ist ein Nachtragshaushalt da.

Zu den globalen Minderausgaben: Wir mussten globale Minderausgaben einstellen. Diese haben wir auch eingestellt. Die Erwirtschaftbarkeit der globalen Minderausgaben ist von den Ministerien nach unserer Auffassung glaubhaft dargelegt worden. Die endgültige Prüfung - diesbezüglich gebe ich Ihnen natürlich Recht - werden wir erst mit der Haushaltsrechnung dieses Jahres sehen.

(Herr Gallert, PDS: Wodurch, Herr Scharf, wo- durch ist das glaubhaft dargelegt worden?)

- Durch die Argumentation der Minister. Manche Minister haben auch zum Teil sehr detailliert dargelegt, wie sie es sich vorstellen können, die globale Minderausgabe zu erwirtschaften.

(Zuruf von Herrn Gallert, PDS)

Und jetzt komme ich einmal auf das zurück, was Sie eigentlich mit Ihrer Frage provozieren wollten. Sie fragen dann: Warum stellen wir es dann nicht titelgenau ein?

(Frau Budde, SPD: Genau!)

- Ich sage Ihnen an dieser Stelle: Eine globale Minderausgabe ist ein haushaltswirtschaftliches Instrument, das immer eine gewisse Flexibilität braucht.

(Frau Budde, SPD: Ist das eine neue Erkenntnis, Herr Scharf? - Zurufe von Frau Feußner, CDU, und von Herrn Kühn, SPD)