Protocol of the Session on October 15, 2004

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren. Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich darf ergänzen: Minister für Bau, Verkehr und Raumordnung.

Lieber Kollege Polte, ich erlaube mir, vom Hefekuchen wieder zurückzukommen zum Alltag, der uns alle be

schäftigt. Ihr Engagement ist gar keine Frage. Ich darf aber, bevor ich zu meinen eigentlichen Ausführungen komme, doch erst mal folgende Frage stellen. In Ihrem Antrag schreiben Sie: Der Landtag fordert die Landesregierung auf, entweder zu erklären, dass sie das Leitbild der Landesregierung zur Kommunalreform vom Dezember 1999 übernimmt, oder unverzüglich ein eigenes Leitbild vorzulegen.

Stellen wir uns nun ganz kurz vor, wir übernehmen Ihr Leitbild. Dann muss ich heute, vier Jahre oder fünf Jahre danach, fragen: Ja, welches Leitbild hat die SPD eigentlich, meine Damen und Herren? Welches Leitbild hat die SPD?

(Zustimmung von Herrn Schröder, CDU - Zuruf von Frau Dr. Kuppe, SPD)

Einmal höre ich etwas von fünf Großkreisen. Dann höre ich bei der Landrätekonferenz, dass die SPD-Landräte und die SPD-Kreistagsvorsitzenden, nachdem ich gefragt habe, ob die Kreistage auch dahinter stehen, einstimmig erklären: Jawohl, die Kreistage stehen auch dahinter.

Ich habe die herzliche Bitte: Klärt auf eurem Parteitag in der nächsten Woche erst einmal, wohin die Reise eigentlich gehen soll. Denn Sie haben die Meinungsführerschaft verloren, meine Damen und Herren. Diese wollen Sie mit diesem Antrag zurückholen. Das gelingt Ihnen nicht. Der Kapitän ist von Bord gegangen. Er sitzt dort hinten. - Lieber Manfred Püchel, herzlichen Dank für Ihr Engagement, das Sie sicherlich immer auf den Weg gebracht haben.

Die Meinungsführerschaft ist aber jetzt nicht mehr da. Deshalb müssen Sie das erst einmal klären. Da haben Sie Ihre Schularbeiten zu machen. Ich hoffe, dass das auf den Weg gebracht wird.

(Frau Bull, PDS: Wer hat sie denn, Herr Daehre?)

In dem Leitbild 1999 gibt es keine Aussagen zur StadtUmland-Problematik, obwohl es seit 1993 einen gesetzlichen Auftrag zum Handeln gab. Zum Thema StadtUmland-Problematik sagte der damalige Innenminister Dr. Manfred Püchel - ich möchte mit Ihrem Einverständnis, Herr Präsident, zitieren -:

„Ein zwingender, grundlegender staatlicher Handlungsbedarf ist derzeit für die Stadt-Umland-Problematik nicht zu erkennen.“

Meine Damen und Herren! Das war 1999. Ich möchte das nur einmal festhalten.

(Herr Bischoff, SPD: Das Gutachten sagt doch aber etwas anderes!)

- Das war doch aber der damalige Innenminister, der dafür zuständig war. Er sagte damals, es besteht kein Handlungsbedarf.

Das wird nicht der Situation im Jahr 1999 und schon gar nicht der heutigen gerecht. Wo stehen wir heute? - Meine Damen und Herren! Das Landesverwaltungsamt wurde durch uns gebildet. Das geschah übrigens ein Jahr früher, als Sie es vorhatten. Das zeigt, wie ernsthaft und zügig wir diese Prozesse nicht nur angehen, sondern auch umsetzen. Dann wurde die gemeindliche Neuordnung begonnen, die jetzt abgeschlossen wird.

Damit sich diese Prozesse ordnen können, war es wichtig, dass auf Kreisebene erst einmal Ruhe einkehrte.

Folgerichtig wird jetzt die Stadt-Umland-Problematik angegangen und wird die Neustrukturierung der Landkreise beginnen. Unter meiner Federführung und in enger Abstimmung mit dem Innenminister wird ein Gesetzentwurf zur Stadt-Umland-Problematik erarbeitet. Darin werden wir verbindlich einheitliche Kriterien für die Betrachtung der Situation aller drei Oberzentren - Magdeburg, Halle und Dessau - festschreiben.

Meine Damen und Herren! Ich sage auch hier - ich habe es schon auf der Landrätekonferenz gesagt -: Das Land Sachsen-Anhalt wird von außen durch seine Oberzentren wahrgenommen. - Ich denke, das ist wichtig. Das muss auch deutlich werden.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Die Eröffnung in Halle gestern war wunderschön - dorthin schauen Deutschland, Europa und die Welt. Bei allen Problemen, die wir in den Landkreisen haben, müssen aber die Oberzentren unsere Leuchttürme sein. Das gilt sowohl in kultureller als auch in anderer Hinsicht.

(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP)

Deshalb brauchen wir das Stadt-Umland-Gesetz. Deshalb gehen wir es auch an.

(Zuruf von der PDS: Gut!)

Damit ist eine Lösung aus einem Guss sowohl hinsichtlich der Stadt-Umland-Problematik als auch hinsichtlich der Kreisgebietsreform, und zwar in der genannten Reihenfolge, umsetzbar.

Ich stütze mich auf die Regierungserklärung des Ministerpräsidenten vom 1. April 2004. Ich möchte Sie ausdrücklich darauf hinweisen, dass unsere Vorstellungen, die ich im Weiteren noch erläutern werde, zu 90 % mit der Positionsbestimmung des Landkreistages zur anstehenden Kreisgebietsreform vom 7. Oktober 2004 übereinstimmen.

Ein herzlicher Dank geht an den Innenminister. Der Innenminister hat es dort vorgetragen. Meine Damen und Herren! Ich habe dort kein Wort der Kritik gehört. Das ist so übernommen worden, und zwar auch das Leitbild, das vom Landkreistag vorgelegt worden ist. Das müssen Sie ganz einfach einmal zur Kenntnis nehmen.

(Herr Bullerjahn, SPD: Von wem haben Sie keine Kritik gehört?)

- Von den Landräten, von den Kreistagsvorsitzenden und damit von allen Kreistagen. So wurde es mir bestätigt.

(Zuruf von Herrn Bullerjahn, SPD)

- Von allen 21. - Wie wird der Ablauf sein? - Wir werden in enger Abstimmung mit dem Innenminister in der Landesregierung unsere Vorstellungen entwickeln. Dann wird es die Abstimmung mit den Regierungsfraktionen geben. Dann werden wir das im Kabinett beschließen und werden Anhörungen durchführen. Die Landesregierung wird den Gesetzentwurf über die Grundsätze dann in den Landtag einbringen. Meine Damen und Herren, dann können wir hier über das Grundsätzegesetz zur Stadt-Umland-Problematik gemeinsam diskutieren.

Wir nehmen für uns in Anspruch, dass wir die Probleme erkennen und dass wir diese in der richtigen Reihenfolge, mit der nötigen Sensibilität, aber auch mit der nötigen Kraft einer Lösung zuführen.

Ich möchte die Gelegenheit nutzen, Ihnen, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, meine Vorstellungen als für die Raumordnung zuständiger Minister dazu darzulegen.

Zunächst möchte ich deutlich machen, dass es einen engen Zusammenhang zwischen der Frage einer Neugliederung der Landkreise und dem Stadt-Umland-Problem der Oberzentren gibt. Dabei geht es nicht nur um die Zukunft der kreisfreien Stadt Dessau, sondern auch um mögliche Eingemeindungen von einzelnen Gemeinden in die Oberzentren.

Die einzelnen Lösungen für die Kreisgebietsreform werden davon abhängig sein, wie wir diese Frage beantworten. Die Vorentscheidungen in dieser komplizierten Gemengelage durch die Genehmigung von Verwaltungsgemeinschaften und Einheitsgemeinden im Umland der Städte müssen deshalb so lange zurückstehen.

Dieser Weg zu starken, leistungsfähigen kommunalen Strukturen sollte aus meiner Perspektive die Oberzentren des Landes spürbar aufwerten. Jede Gemeinde soll ihre Chance haben. Aber wir alle reden davon, dass wir den Aufbau Ost stärker auf die Wachstumskerne konzentrieren möchten.

Im ländlichen Raum sind es die Mittelzentren, die wir im Zuge der Kreisgebietsreform stärken werden. Übrigens wird es eine interessante Diskussion geben, wenn wir von den Oberzentren zu den Mittelzentren kommen und es um die Frage geht: Wie viele Mittelzentren kann sich das Land Sachsen-Anhalt leisten? Auch das wird eine spannende Diskussion. Dazu werden wir quer durch die Parteien unterschiedliche Auffassungen haben. Denn wer möchte dann schon auf das eine oder andere Mittelzentrum verzichten?

Meine Damen und Herren! Sachsen-Anhalt wird vor allen Dingen durch seine Oberzentren wahrgenommen. Ich sagte es schon. Deshalb müssen wir die entsprechenden Voraussetzungen dafür schaffen.

Gestatten Sie mir, dass ich dazu aus dem Landesentwicklungsplan Folgendes zitiere:

„Oberzentren sind als Standorte hochwertiger spezialisierter Einrichtungen im wirtschaftlichen, kulturellen, sozialen, wissenschaftlichen und politischen Bereich mit überregionaler, zum Teil landesweiter Bedeutung zu sichern und zu entwickeln. Mit ihren Agglomeratsvorteilen sollten sie sich auf die Entwicklung der gesamten Teilräume nachhaltig auswirken.“

So weit der Landesentwicklungsplan. - Wenn wir uns bei einem ständig schärfer werdenden globalen und europäischen Wettbewerb als kleines Bundesland behaupten wollen - das wollen wir -, dann müssen wir diesen Auftrag ernst nehmen und dann müssen wir alles tun, um Sachsen-Anhalt mit einem Netz von starken Groß- und Mittelstädten aufzustellen. Hierbei ist etwas weniger manchmal mehr.

Ich werde mich deshalb trotz aller zu erwartenden Widerstände dafür einsetzen, dass wir angesichts der demografischen Entwicklung die Zahl der zentralen Orte zurückfahren. Das ist sicherlich ein schmerzlicher Prozess. Ich sehe dazu aber keine Alternative.

Ich denke, Sie wissen alle, dass ich ein Herz für den Sport habe. Wir, das Land Sachsen-Anhalt, wollen in der

ersten Bundesliga spielen. Diesbezüglich, lieber Kollege Polte, sind wir wieder auf einer Linie.

(Zustimmung bei der CDU - Herr Dr. Polte, SPD: Jawohl!)

Dazu müssen alle Talente einer Region - so sagt man es im Sport - oder gar des ganzen Landes zu einer starken Mannschaft zusammengeführt werden. Nur so werden wir im schwierigen Standortwettbewerb bestehen.

Halle, Magdeburg und Dessau müssen in der Liga der Metropolregionen mitspielen und müssen im Rahmen der Europäischen Union wahrgenommen werden.

(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP)

Meine Damen und Herren! Die Zeit sind jetzt gekommen, dass wir in Regionen denken; denn es wird nicht mehr so sein, dass kleine Landstriche wahrgenommen werden. Vielmehr werden wir als Region wahrgenommen. Dem müssen wir Rechnung tragen.

Solche Metropolregionen sind zum Beispiel Hannover, Braunschweig und Göttingen. Es ist höchste Zeit, dass auch wir uns aufstellen. Es kann nicht dabei bleiben, dass nur Halle-Leipzig, Dresden-Chemnitz als Metropolregionen wahrgenommen werden. Wir müssen auch daran denken, dass Magdeburg und Dessau in die Reihe der Metropolregionen aufgenommen werden; denn dann wird es Fördergelder für die nächsten Jahrzehnte geben, meine Damen und Herren.

(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP)

Lassen Sie uns deshalb dieses Problem gemeinsam im Rahmen der Stadt-Umland-Debatte lösen.