Trauen Sie denn den Leuten in Sachsen-Anhalt nicht zu, dass sie lesen, hören und sich eine eigene Meinung bilden können?
Am 20. Februar übergab das Bündnis dem Landeswahlleiter fast 40 000 Unterschriftslisten mit mehr als 300 000 Unterschriften, von denen letztlich 260 588 als gültig anerkannt worden sind.
Dass nicht noch mehr Wahlberechtigte ihre Unterschrift geleistet haben, liegt Herrn Ministerpräsident Böhmer zufolge daran, dass die restlichen Einwohner des Landes Sachsen-Anhalt dieses Gesetz nicht wollten. Wenn das wirklich so ist - das sage ich gerade Ihnen -, können Sie sich ja jedes politische und taktische Geplänkel schenken und einen Gegenentwurf mit in den Volksentscheid stellen.
Folgt man der öffentlichen Debatte, dann kristallisiert sich die Wahrnehmung in den zurückliegenden Monaten fast ausschließlich auf den Punkt, ob erwerbslose Eltern
Ich sage Ihnen unumwunden, dass wir das wollen, schon allein deshalb, weil für uns diese Erwerbslosen keine Menschen zweiter Klasse sind.
Ich möchte die zur Verfügung stehende Zeit allerdings dazu nutzen, auf die aus unserer Sicht wirklich wichtigen Aspekte zur Förderung, Bildung und Betreuung der Kinder einzugehen; denn nur darum geht es in unserem Gesetzentwurf.
Meine Frau und ich tragen die Verantwortung dafür, dass sich unser sechsjähriger Sohn und unsere achtjährige Tochter zu eigenständigen Persönlichkeiten entwickeln, die sich gut in die Gemeinschaft anderer Kinder oder Erwachsener einfügen können.
- Ich sage Ihnen das, um einmal mein Familienbild klarzumachen. - Wir versuchen, ihnen Toleranz, Verantwortung gegenüber anderen, aber auch Konsequenz und Geradlinigkeit zu vermitteln. Wie in zahllosen anderen Familien auch, sind das für uns keine Pflichten, die uns zwangsläufig zugefallen sind. Wir haben uns bewusst für unsere Kinder entschieden und wollen sie liebevoll und fürsorglich auf ihrem Weg begleiten.
Ohne die Kindertagesstätten wären wir allerdings des Öfteren und nicht nur zeitlich überfordert gewesen. Unsere Kinder waren mit etwa einem Jahr in der Krippe und besuchen noch heute den Hort. Beide Kinder haben von der pädagogischen Kompetenz der Erzieherinnen genauso profitiert wie von dem vielfältigen Kontakt zu anderen Kindern.
Erziehungswissenschaftler bezeichnen wohl vieles davon als Basiskompetenzen. Meine Frau und ich, wir haben uns sicherlich darüber gefreut, dass unsere Kinder früh laufen konnten, dass sie nicht bis vier, sondern nur bis zwei die Windeln brauchten. Überrascht haben uns allerdings die Entwicklung ihrer motorischen Fähigkeiten, die schnelle Erweiterung ihres Wortschatzes sowie die Fähigkeit, frühzeitig ganze Sätze zu bilden. Die Notwendigkeit, sich im gemeinsamen Spiel mit anderen Kindern einzugliedern, aber auch mal durchzusetzen, hat ihre Umgangsformen positiv beeinflusst.
Sie sollen neben ihrer Betreuungsfunktion dem Anspruch der Kinder auf Förderung und Bildung gerecht werden.
Sie sollen mithelfen, Fundamente für die Persönlichkeitsentwicklung herauszubilden, die unsere Kinder für das ganze Leben brauchen.
Meine Damen und Herrn Abgeordneten! Das ist wie bei einem Haus: Wenn die Fundamente bröckeln, dann kommt uns die Schieflage teuer zu stehen.
Seit dem In-Kraft-Treten Ihres Kinderförderungsgesetzes fehlt in unserer Einrichtung eine Erzieherin.
(Frau Wybrands, CDU: Wenn Mütter die Kinder erziehen, holpert das Ganze, ja? Das kann nicht wahr sein!)
Den restlichen Erzieherinnen fällt es, weil ihnen auch noch die Arbeitszeit gekürzt wurde, zunehmend schwerer, die entstandenen Defizite auszugleichen,
Die Landesregierung sieht jedoch mit ihrem Kinderförderungsgesetz - anders als zahllose Betroffene - verbesserte pädagogische Standards und erweiterte Möglichkeiten der Förderung und Bildung - allerdings wohl nur am Vormittag. Vom gemeinsamen Lernen und Spielen am Nachmittag schließt sie per Gesetz jedes dritte Kind im Land seit mehr als einem Jahr aus.
(Beifall bei der SPD und bei der PDS - Herr Kos- mehl, FDP: Nein, nein! Wo steht das? Wo steht das?)
Das Gesetz schließt diese Kinder aus, weil ihre Eltern in diesem Land keine Arbeit finden, in einem Land, das seit Jahren die höchste Arbeitslosigkeit aufweist.
(Herr Scharf, CDU: Das ist falsch, einfach falsch! Das ist eine falsche Unterstellung! - Herr Kos- mehl, FDP: Wo steht das? Wo steht, dass die Kinder nicht gebracht werden können? - Frau Bull, PDS: Im Gesetz, Mensch! Gucken Sie doch mal rein!)
Ich komme später noch zu der frühkindlichen Erziehung und den Umgangsformen, die sich daraus entwickeln können.
In keinem vergleichbaren Industrieland entscheidet die soziale Herkunft so sehr über den Bildungserfolg wie in Deutschland.
Anstatt nun aber solche Nachteile auszugleichen und die Chancengleichheit der Kinder zu verbessern, macht die Landesregierung den Umfang der Förderung und Betreuung der Kinder genau an diesem Punkt fest, an der Erwerbstätigkeit der Eltern.