Meine Damen und Herren! Der Titel der Regierungserklärung lautet „Sachsen-Anhalts Chancen im erweiterten und neu verfassten Europa“. Darauf Bezug nehmend möchte ich sagen, dass den Chancen auch viele Herausforderungen Sachsen-Anhalts im erweiterten und neu verfassten Europa gegenüberstehen. Meine Vorredner haben schon auf viele Herausforderungen hingewiesen. Auch wir müssen unsere Hausaufgaben erledigen. Wir können nicht nur erwarten, dass sich die neuen Mitglieder der EU uns anpassen.
Nicht ohne Grund haben die Fraktionen der CDU und der FDP in ihren Antrag unter der Überschrift „Zukunft der EU-Strukturpolitik“ die Forderung nach Reformen des Arbeitsmarktes, nach Reformen des Steuersystems und der Verwaltungssysteme aufgenommen. Die Europapolitik der Landesregierung findet die breite Unterstüt
Herr Püchel, ich muss an dieser Stelle sagen: Auch wenn Sie es oft und noch öfter wiederholen - jetzt ist er wieder nicht da; Herr Püchel sagt immer etwas und wenn man auf ihn eingehen und mit ihm in den Diskurs treten möchte, ist er nicht da; vielleicht darf ich das allgemein sagen -, ich kann absolut nicht finden - auch nach dem, was wir heute hier gehört haben; wer sich aktiv in die Europapolitik mit einmischt, merkt dies auch -, dass diese Regierung müde ist und keine Konzepte hat. Ganz im Gegenteil: Wir haben heute sehr viel über Konzepte gehört. Dadurch, dass man es immer wiederholt, wird es auch nicht besser. Man muss sich nur die Mühe machen, hinzugucken.
Als ein Beispiel für die erfolgreiche Europapolitik möchte ich das Verhandeln der Landesregierung mit der Kommission über die Zukunft der EU-Strukturpolitik anführen. Eine verlässliche Kohäsionspolitik der EU ist notwendig, damit die Entwicklungsrückstände zwischen den Beitrittsstaaten und den alten Mitgliedern der EU rasch überwunden werden können.
Frau Dr. Klein, dazu muss ich einmal sagen: Ich weiß nicht, ob Sie die ganzen Verhandlungen verfolgt haben, die genauesten Überlegungen, die auch in der Kommission angestellt werden, um zu erreichen, dass wir eine Wertegemeinschaft, eine Solidargemeinschaft in Europa sind, dass alle in diesen Wohlstand mit hineingenommen werden. Natürlich ist das ein schwerer Weg.
Sie haben die Roma angeführt. Das ist sicherlich einer der schwächsten Punkte in unserer Europäischen Union. Genau deshalb gibt es den dritten Kohäsionsbericht, genau deshalb gibt es alle diese Versuche, Möglichkeiten zu finden, um diese Disparitäten auszugleichen.
Ich muss Ihnen aber auch noch in einem anderen Punkt widersprechen. Sie haben sich vehement und wiederholt dagegen ausgesprochen, dass die Landesregierung Sie nicht mit hineingenommen hat und den Landtag nicht mit hineingenommen hat in die Halbzeitevaluierung, und haben weitere Evaluierungen gefordert.
Nicht umsonst verlangt die Kommission eine sehr ausführliche Evaluierung der Gelder, die sie in die Länder hineingibt. Diese Evaluierung, muss man sagen, ist wirklich sehr intensiv. Wir haben die Evaluierung zur Kenntnis genommen. Wir haben dann - zum Beispiel im Europaausschuss - über die Umschichtung nachgedacht und darüber diskutiert. Es gibt einen Begleitausschuss in Sachsen-Anhalt, der dann, wenn Gelder umstrukturiert werden, zum Tragen kommt.
Im Übrigen möchte ich noch einmal sagen, dass es die SPD-Landesregierung war, die den Landtag nicht in den Begleitausschuss mit hineingenommen hat. Es war Ihre Entscheidung, meine Damen und Herren von der Oppo
sition, den Landtag über die Strukturfonds nicht entscheiden zu lassen, sondern ihn lediglich zu informieren.
Zum Zeitpunkt muss ich sagen: Selbst das Gender-Institut hat rechtzeitig bzw. frühzeitig seine Ideen in die Halbzeitevaluierung und die nachträgliche Umakzentuierung eingebracht. Wenn dies das Gender-Institut rechtzeitig kann, dann frage ich mich, warum die PDS-Fraktion das nicht kann. - Soweit diese Anmerkung.
Ich möchte noch weitere positive Dinge aufführen, die uns wichtig erscheinen. Es sind dies zum Beispiel auch die Bemühungen der Landesregierung, EU-Gelder stärker als bisher zum Ausbau der Verkehrswege zu nutzen, damit Sachsen-Anhalt als Herzregion Europas keinen Herzinfarkt - sprich: Verkehrsinfarkt - bekommt.
Bildung und Wissenschaft sind entscheidende Standortfaktoren. Unsere jungen Leute sind eine Stärke Sachsen-Anhalts. Der EU-Bericht von Kommissar Barnier macht deutlich, dass unsere jungen Leute höhere Schulabschlüsse haben als der EU-Durchschnitt. Damit, meine Damen und Herren, sind sie bestens gerüstet und vorbereitet für einen sich immer schneller entwickelnden Markt und damit auch für ein lebenslanges Lernen.
Mit zahlreichen Projekten nimmt das Land an EU-Bildungsprogrammen teil, um diesen Effekt zu vertiefen.
Ein Wort zum Thema Solidarität. Die Landesregierung unterstützt die neuen EU-Staaten mit Know-how-Transfer, wie es heute so schön heißt: mit wichtigen Informationen. Besondere Bedeutung kommt damit dem Umgang mit den EU-Strukturfondsmitteln zu. Die verantwortliche Stelle im Wirtschaftsministerium hat sich dabei zu einer wahren Schatztruhe des Wissens entwickelt, die gern von den Fondsverwaltern der neuen Beitrittsländer als unschätzbare Hilfe angenommen wird.
Meine Damen und Herren! Natürlich müssen wir auch die Ängste der Bevölkerung ernst nehmen. Ich muss dazu allerdings auch sagen: Die Feiern am 1. Mai waren mir auch teilweise etwas zu sehr auf einen positiven Aspekt ausgelegt. Natürlich müssen wir die Chancen in den Vordergrund stellen, aber wir müssen genauso die Ängste unserer Bevölkerung ernst nehmen. Es nützt dabei nichts, den Kopf in den Sand zu stecken. Man darf diese Ängste aber auch nicht verstärken.
Das eine oder andere, was ich heute hier gehört habe, schien mir doch ein bisschen in diese Richtung zu gehen, vor allem, wenn hier von der Militarisierung der Europäischen Union gesprochen wird. Dafür sehe ich keinerlei Ansätze. Natürlich muss es eine gemeinsame Sicherheits- und Außenpolitik geben. Wir haben immer wieder angemahnt, dass dies im Entwurf des Verfassungsvertrags zu wenig ausgearbeitet ist. Aber von einer Militarisierung zu sprechen, dafür gibt es meiner Ansicht nach keine Ansätze.
Zurück zu den Ängsten unserer Bürgerinnen und Bürger. Viele Menschen haben, bedingt durch die großen historischen Veränderungen der letzten Jahre, so etwas wie einen Veränderungsstress erlebt und dabei haben sie sich nicht immer auf der Gewinnerseite gesehen. Meine Gespräche mit den Bürgerinnen und Bürgern unseres Landes haben mir deutlich gemacht, dass man mit diesem Thema sehr sensibel umgehen muss. Was mich dabei besonders betroffen gemacht hat, ist, dass auch
Ich denke, in diesem Zusammenhang ist es sehr wichtig, dass im Kultusministerium und in den anderen Ministerien Begegnungen, Partnerschaften zwischen jungen Leuten weiterhin unterstützt werden, damit die Integration für unsere jungen Menschen in Sachsen-Anhalt fühlbar, erfahrbar wird. Ich habe dazu einiges läuten hören, etwa, dass hierzu neue Konzepte entstehen, zum Beispiel für den Austausch von Praktika und Sprachengruppen bzw. Schülerfirmen. Ich denke, auf dieser Strecke bleibt es spannend. Wir werden sicherlich das eine oder andere darüber hören.
Eine Möglichkeit, Ängste abzubauen, sind gute Beispiele. Die Süderweiterung ist hierzu wirklich eine Erfolgsgeschichte. Die Erweiterung um Portugal, Spanien und Griechenland hat gezeigt, dass aus armen Ländern mittlerweile bedeutende Faktoren in der großen europäischen Volkswirtschaft geworden sind, ohne die Integrationskraft der aufnehmenden Mitglieder zu überfordern.
Die Süderweiterung ist auch zu unserem Vorteil geworden, wenn man die Exporte und damit die Arbeitsplätze sieht. Diese Erfolgsgeschichte soll nun wiederholt werden, und dafür stehen die Chancen in der Tat, wie Sie auch heute schon gehört haben, recht gut.
Meine Damen und Herren! Ich möchte noch einen weiteren Punkt ansprechen. Was ist mit der Sorge der Bürgerinnen und Bürger um ihren Arbeitsplatz? Viele machen sich Sorgen um eine mögliche Konkurrenz mit osteuropäischen Arbeitnehmern. In diesem Zusammenhang begrüßt es die CDU, dass im EU-Beitrittsvertrag für die Arbeitnehmerfreizügigkeit bestimmte Übergangsregelungen vereinbart worden sind.
Zur Erinnerung: Danach können die derzeitigen EU-Mitgliedstaaten die Arbeitnehmerfreizügigkeit von Staatsangehörigen aus den Beitrittsländern bis zu sieben Jahre lang - Herr Staatsminister Robra hat bereits darauf hingewiesen - in der Weise einschränken, dass Zulassungen zur Beschäftigung auf der Grundlage des nationalen bzw. bilateralen Rechts erfolgen.
Die Notwendigkeit für Einschränkungen ist nach zwei und erneut nach drei Jahren zu überprüfen. Ausgenommen sind davon lediglich die Staatsangehörigen von Malta und Zypern, die die Arbeitnehmerfreizügigkeit ab dem Beitritt uneingeschränkt genießen.
Zumindest für die ersten beiden Jahre wird Deutschland die Übergangsfrist in Anspruch nehmen. Über eine darüber hinausgehende Inanspruchnahme der Übergangsfristen wird erneut nach zwei Jahren - abhängig von der aktuellen Lage auf dem deutschen Arbeitsmarkt - entschieden werden.
Nach dem geltenden Arbeitsgenehmigungsrecht der Bundesrepublik benötigen Staatsangehörige aus den Beitrittsländern in der Übergangszeit deshalb für die Ausübung einer Beschäftigung in Deutschland weiterhin grundsätzlich eine Arbeitsgenehmigung, die vor der Aufnahme der Beschäftigung einzuholen ist.
Spannend ist aber die Frage: Wie weit können die langen Übergangsregelungen im Bereich der Arbeitnehmerfreizügigkeit überhaupt unzumutbare Belastungen für den deutschen Arbeitsmarkt verhindern?
Den am 1. Mai geäußerten Optimismus in Ehren, aber die Wettbewerbsvorteile der neuen EU-Mitglieder werden durch die übrigen Grundfreiheiten des Binnenmarktes, insbesondere der des Warenverkehrs, sogar verstärkt und sie werden zu Veränderungen in Deutschland führen.
Der Skeptizismus ist hier in den Reden vorher auch schon deutlich geworden. Ich möchte auch an den Inhalt der Diskussion im Zusammenhang mit der Agenda 2010 des Herrn Bundeskanzlers und an die Auseinandersetzungen über die Arbeitszeit bei der Firma Siemens erinnern.
Aber, Frau Dr. Klein, es liegt an Deutschland, hierbei die Hausaufgaben zu machen. Es gibt kein Allheilmittel Europäische Union, das alle Probleme lösen kann. Wir haben uns für eine Union der Subsidiarität entschlossen und setzen uns sehr stark dafür ein. Das heißt, die Europäische Union kann bei gewissen Dingen gegensteuern. Das tut sie auch. Der Rest liegt in Berlin und teilweise bei uns in Sachsen-Anhalt.
Es sind schon Möglichkeiten aufgezeigt worden, hier entgegenzuwirken. Es sind auch schon erste Beispiele dafür genannt worden, wo sich die EU-Osterweiterung positiv ausgewirkt hat. Damit möchte ich es zu dem Thema Herausforderungen bewenden lassen.
Ich möchte noch darauf eingehen, welche Herausforderungen dem erweiterten Europa gegenüberstehen. In den nächsten Jahren wird es in zunehmendem Maße um die Verteidigung der europäischen Werte wie Freiheit, Frieden, Toleranz, Rechtsstaatlichkeit und um die universellen Menschenrechte gehen. Diese Werte müssen gegen Fremdenfeindlichkeit, Intoleranz, Fundamentalismus und Angriffe von innen und außen verteidigt werden.
Der internationale Terrorismus, die organisierte Kriminalität, ethnische Konflikte, der Zerfall von Staaten, illegale Einwanderung und die Weiterverbreitung von Massenvernichtungswaffen werden zu einer ernsthaften Bedrohung, der wir uns stellen müssen. Diese Bedrohung wird Europa dazu zwingen, seine Rolle in der Welt des 21. Jahrhunderts neu zu definieren. Dies kann nur mit einer nach innen und nach außen starken Europäischen Union gelingen.
Dazu wird es auch notwendig sein, einen gemeinsamen europäischen Verfassungsvertrag zu beschließen. Dieser Verfassungsvertrag, der sich zurzeit in der Bearbeitung befindet, ist auch unter Einbeziehung der Zivilgesellschaft, von Organisationen und Verbänden erarbeitet worden. Er beinhaltet all das, was Konsens zwischen den 25 Staaten ist. Das, meine Damen und Herren, ist eine Sache, die einmalig in der Geschichte der Menschheit ist.
Es wird für die größer werdende EU - das ist hier auch schon erwähnt worden - insbesondere auch darum gehen, sich in einer Welt, die sich auch aufgrund der demografischen Entwicklung zunehmend enteuropäisiert, Gehör zu verschaffen.
Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich am Ende meiner Rede einen weiteren Blick in die Zukunft werfen. Wie wird sich unsere EU weiter entwickeln? - Ich stelle diese Frage ganz bewusst; denn ich kann mir vorstellen, dass wir dazu in den einzelnen Fraktionen sehr unter
schiedliche Auffassungen haben. Im Moment scheint es zwei grundlegende Visionen darüber zu geben, was die EU einmal sein könnte.
Als wir vor 30 Jahren der EG beitraten, folgten wir de Gaulles Bund der Vaterländer, einer Konföderation souveräner, sich selbst verwaltender Staatsnationen, vereint in dem Willen, den allseitigen Wohlstand zu fördern. Aber ist dies das Europa, das zum Teil heimlich, still und leise geschaffen wurde? Ist dies nicht eine Union, die so stark integriert ist und in vielen Politikbereichen so zentralistisch regiert wird, dass man eigentlich schon von einer echten Bundesrepublik Europa sprechen kann? Die nächsten Jahrzehnte werden zeigen, wohin Europa steuern wird.
Meine Damen und Herren! Im Interesse unserer Souveränität fordere ich Sie auf, mit ganzer Kraft dafür einzutreten, dass durch eine konsequente Durchsetzung des Subsidiaritätsprinzips europapolitische Entscheidungen transparenter und bürgernäher gestaltet werden können. Auch das wird eine unserer Aufgaben für die Zukunft sein. Hierbei werden auch auf den Europaausschuss neue Aufgaben zukommen.
Mit Europa ist es halt wie mit einem Hausbau im richtigen Leben: Soll es keine Burgruine werden, sondern ein Haus, das lebendig ist, dann muss man es von unten aufbauen. Das heißt, die Menschen, die Staatsvölker müssen es mittragen. Es darf keine Angelegenheit von Eliten werden. Dafür müssen auch wir kämpfen. - Vielen Dank.