Die Gemeinderäte werden in Dinge und in Entscheidungen hineingetrieben, die man ihnen nicht mehr vermitteln kann. Und irgendwann sind die Menschen nicht mehr bereit, sich im Ehrenamt solche Bürden aufzuladen.
Die Streichung des Gemeindemodells Verbandsgemeinde, welches ausdrücklich nicht mein favorisiertes Modell war, für Gemeinden ab 1 000 Einwohnern aber Satzungs- und Haushaltshoheit bewahrt und damit auch die selbständige Entscheidung über alle die Gemeinde betreffenden Angelegenheiten beibehält, lässt heute schon vermuten, dass Sie diese Form der eigenen Entscheidung in Zukunft nicht mehr haben wollen.
Auch am Ortschaftsrecht haben Sie Kurskorrekturen nach rückwärts vorgenommen. Die Ausgestaltung dieses Rechts im Ersten Vorschaltgesetz und im Verbandsgemeindeeinführungsgesetz vermittelte allen beteiligten Kommunen etwas mehr Vertrauen und Sicherheit und die Garantie, zukünftig im neuen Modell ihre Mitsprache als Ortschaftsrat zu ihren Angelegenheiten gesetzlich zu sichern.
Sie realisieren die Reform auf Ihre Art und Weise - dessen bin ich mir ganz sicher -, aber erst nach der Bundestagswahl. In jedem Wahlprogramm lesen wir anspruchsvolle Sätze. Wir haben heute zigmal die Fragen gehört: Wie stärken wir die kommunale Selbstverwaltung? Wie wollen wir mehr Bürgerengagement vor Ort
erwirken? Wie wollen wir Bürgernähe durch die Verwaltung sichern? Wie wollen wir Entscheidungskompetenzen vor Ort stärken?
Zu den anspruchsvollen Sätzen zählt auch: Wir fordern eine bessere finanzielle Ausstattung. - Damit sind wir beim Reizthema. Ich habe unserem Ministerpräsidenten bei der Verlesung der Regierungserklärung sehr genau zugehört. Er garantierte den Gemeinden ab dem nächsten Jahr eine stabile und verlässliche Finanzausstattung auf Dauer.
Die neuerlich veröffentlichten Aussagen unseres Finanzministers in der „MZ“, die Landesregierung plädiere für Freiwilligkeit bei Gemeindezusammenschlüssen, wobei er jedoch gleichzeitig bekräftigt, dass die finanziellen Zwänge die Gemeinden von selbst in die Einheit drängen würden, sind ein Stück weit unredlich und unseriös gegenüber den Kommunalvertretern vor Ort.
Auch die sprachlichen Verrenkungen von Herrn Scharf - er ist jetzt leider nicht da - am gestrigen Tag auf die Frage von Herrn Gallert in Bezug auf die Neuauflage der Investitionspauschale im nächsten Jahr zerstreuen die Zweifel nicht.
Geben Sie den Gemeinden eine ordentliche Finanzausstattung. Damit werden Sie Ihren grundgesetzlich festgeschriebenen Pflichten der Daseinsvorsorge für die Menschen in diesem Land gerecht werden.
Geben Sie den Kommunen auch deshalb eine verlässliche Finanzausstattung, damit unsere einheimischen Bauunternehmen, wie wir es heute hier hörten, ihren Fortbestand vor Ort sichern können; denn die öffentliche Hand ist immer noch der sicherste Zahler.
Sie wollen auch ohne Gebietsreform eine Aufgabenverlagerung in die untere kommunale Ebene. Die kreisliche Ebene wird das noch leisten können, nicht aber die kommunale. Auch dazu gehört eine ordentliche Finanzausstattung.
Die Einsparung von Arbeitsplätzen in den genannten Ebenen ist schon lange vollzogen. Jetzt muss das Land die Hausaufgaben für seine Verwaltungseinheiten machen.
Ich kann durchaus nachvollziehen, dass die neue Landesregierung im Hinblick auf die Umsetzung der Vorschaltgesetze in Zeitnot gerät. Darüber kann und muss man reden. Sicher muss man auch darüber reden, welche Veränderungen nach Ihren Vorstellungen vorgenommen werden müssen.
Nicht nur Vertreter von SPD und PDS in unserem Land plädieren für die Fortsetzung der Reform; auch viele kommunale Mandatsträger der CDU können den von der Landesregierung eingeschlagenen Kurs nicht nachvollziehen. Herr Innenminister, diese Diskussion haben Sie
Dies alles hat den Steuerzahler schon sehr viel Geld gekostet. Von dem ehrenamtlichen Engagement will ich gar nicht reden.
Für punktuelle Veränderungen in diesen Gesetzen können Sie auf die Zustimmung der PDS setzen, sofern wir sie mittragen können; einer Abschaffung dieser Gesetze werden wir hingegen nicht zustimmen.
Die Druckerschwärze der vom Innenminister der dritten Wahlperiode Herrn Dr. Püchel ausgehändigten Gemeindeordnung ist noch nicht ganz trocken, da ist sie schon ein Stück für die Blaue Tonne.
Die PDS stellt den Antrag, das Gesetz zur federführenden Beratung in den Innenausschuss und zur Mitberatung in den Rechtsausschuss zu überweisen. - Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
Besten Dank, Frau Abgeordnete Theil. - Für die FDPFraktion erteile ich nun dem Abgeordneten Herrn Wolpert das Wort. Bitte, Herr Wolpert.
Herr Abgeordneter Wolpert verzichtet. - Damit spricht als Nächster Herr Abgeordneter Dr. Polte für die SPD-Fraktion. Herr Dr. Polte, ich erteile Ihnen das Wort.
Vielen Dank, Herr Präsident. - Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die neue Regierung hat Anspruch auf 100 Tage Schonzeit, es sei denn, es ist Gefahr im Verzuge. Ich sehe Gefahr für unser Land, wenn dieser Gesetzentwurf so beschlossen wird.
Er wird aber nicht so beschlossen; denn das, was darin steht, geht rechtlich überhaupt nicht. Aber das war nur meine Vorbemerkung.
Warum sage ich, dass hier Gefahr im Verzuge ist? Es besteht Gefahr, weil ein Reformprozess blockiert wird.
Ich kann Ihnen aus der Praxis erzählen, wie schwer es ist, auf kommunaler Ebene und auf Verwaltungsebene einen solchen Prozess in Gang zu bringen, in Gang zu halten und erfolgreich zu realisieren. Wer einen solchen Reformprozess ohne Not blockiert,
der muss sich fragen lassen, wem er nützt. Er nützt sich selbst am allerwenigsten. Sie haben doch auch Reformansprüche. Diese Blockade ist nicht in Ordnung; denn erstens hilft sie nicht, zweitens führt sie zu einer großen
Ziel der Reform ist es, die Lebenskraft der kommunalen Selbstverwaltung zu stärken, denn die Welt hat sich in sozialer, wirtschaftlicher und politischer Hinsicht verändert. Eine Stärkung der kommunalen Selbstverwaltung - darin sind wir uns einig - ist ein Wert an sich.
Meine Damen und Herren! Sie haben in der ersten Legislaturperiode eine gesetzliche Regelung für eine Kreisgebietsreform getroffen.