Protocol of the Session on May 6, 2004

Über unseren Antrag möchten wir direkt abstimmen lassen, weil er konkreter ist und letztlich einen Handlungsrahmen aufbaut. Wir sind der Meinung, dass es in der gegenwärtigen Situation nicht hingenommen werden kann, dass wir noch einmal vier Jahre lang beraten. Es müssen zunächst einmal Vorstellungen der Landesregierung dargelegt werden, damit man über konkrete Fakten beraten kann.

Vielen Dank, Herr Grünert. - Meine Damen und Herren! Damit treten wir in den Abstimmungsprozess ein. In Bezug auf den Antrag der Fraktion der SPD hat Herr Dr. Polte eine Überweisung an den Ausschuss für Inneres beantragt. Soll der Antrag ausschließlich an den Ausschuss für Inneres überwiesen werden oder auch an den Ausschuss für Finanzen?

(Herr Dr. Polte, SPD: Nur an den Ausschuss für Inneres!)

- Nur an den Ausschuss für Inneres. Mit der Überweisung an diesen Ausschuss würde gleichzeitig der Änderungsantrag überwiesen werden.

Wer einer Überweisung des Antrags der SPD-Fraktion zur federführenden Beratung an den Ausschuss für Inneres seine Zustimmung gibt, den bitte ich um das Zeichen mit der Stimmkarte. - Zustimmung bei den Fraktion der SPD, der CDU und der FDP sowie teilweise bei der PDS-Fraktion. Gegenstimmen? - Keine. Enthaltungen? - Einige Enthaltungen bei der PDS-Fraktion. Damit ist die Überweisung an den Ausschuss für Inneres beschlossen worden und der Änderungsantrag der Fraktionen der CDU und der FDP ist ebenfalls überwiesen worden.

Wir treten nun ein in die Abstimmung über den Antrag der PDS-Fraktion in der Drs. 4/1561. Wer diesem Antrag seine Zustimmung gibt, den bitte ich um das Zeichen mit der Stimmkarte. - Zustimmung bei der PDS-Fraktion und

bei der SPD-Fraktion. Gegenstimmen? - Gegenstimmen bei der CDU-Fraktion und bei der FDP-Fraktion. Enthaltungen? - Keine. Damit ist dieser Antrag mehrheitlich abgelehnt worden.

Somit, meine Damen und Herren, ist der Tagesordnungspunkt 13 abgeschlossen. Wir können nun etwas früher als geplant in die Mittagspause eintreten. Wir treffen uns, wie geplant, um 14 Uhr wieder. - Herzlichen Dank.

Unterbrechung: 12.51 Uhr.

Wiederbeginn: 14.02 Uhr.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es hat sich herausgestellt, dass auch eine leicht verlängerte Mittagspause nicht dazu führt, dass zum vereinbarten Zeitpunkt wieder alle anwesend sind. Nichtsdestotrotz setzen wir unsere Beratungen fort.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 14 auf:

Beratung

Haushaltssituation der Kommunen

Antrag der Fraktion der SPD - Drs. 4/1556

Ich bitte zunächst Herrn Doege, für die einbringende Fraktion das Wort zu nehmen. Bitte schön.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Angesichts des gut gefüllten Raumes läge es eigentlich nahe, auf den Redebeitrag zu verzichten und gleich zur Abstimmung zu kommen; aber ich denke schon, dass ein paar Worte zur Haushaltssituation der Kommunen angemessen sind.

Das Grundgesetz und die Landesverfassung garantieren die kommunale Selbstverwaltung und weisen den Kommunen die Erledigung aller Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft in eigener Verantwortung zu. Die kommunale Selbstverwaltung in Sachsen-Anhalt steht derzeit allerdings auf der Kippe, wie die landesweite Aktion „Rettet die Kommunen“ und die kürzlich veröffentlichte „Wernigeröder Denkschrift“ deutlich machen.

Seit Jahren weist der Patient, die Kommunen des Landes, ernst zu nehmende Krankheitssymptome auf. Sie, meine Damen und Herren von CDU und FDP, haben im Landtagswahlkampf 2002 mit vollmundigen Versprechen verkündet, man müsse nur Ihren ärztlichen Künsten vertrauen und der kranke Patient würde sehr schnell genesen. Viele Menschen in Sachsen-Anhalt glaubten an die Versprechungen des schwarz-gelben Ärzteteams mit ihrem Chefarzt Dr. Böhmer an der Spitze, das schließlich angetreten war, das Kind zu schaukeln.

Doch wie sieht die Realität aus? Statt im Genesungsprozess befindet sich der Patient, unsere Gemeinden, auf der Intensivstation. Das kompetente Ärzteteam entpuppt sich zunehmend als Häuflein von selbst ernannten Wunderheilern und Quacksalbern. Der Gesundheitszustand des Patienten ist Besorgnis erregend und auch die Angehörigen des Patienten fühlen sich zunehmend verschaukelt. Obwohl die Krankheitsursachen bekannt sind

und es geeignete Heilmethoden gibt, doktern CDU und FDP am schwer kranken Patienten herum, verabreichen Placebos und vermindern regelmäßig die Dosis der heilenden Medizin. Die Folge ist: Dem Patienten geht es täglich schlechter und es droht ihm ein akutes HerzKreislauf- Versagen.

Meine Damen und Herren! Wenn die gemeindliche Ebene ihre Aufgaben - hierzu zähle ich die Pflicht-, aber auch die freiwilligen Aufgaben - nicht mehr ordnungsgemäß erfüllen kann, dann steht die kommunale Selbstverwaltung insgesamt auf dem Prüfstand. Letztlich entscheidet sich auf der gemeindlichen Ebene, inwieweit die Demokratie lebensfähig ist und vom Bürger auch als nützlich empfunden wird.

Die SPD-Fraktion nimmt die Besorgnis erregende Situation der kommunalen Haushalte zum Anlass und fordert eine Berichterstattung der Landesregierung in den Ausschüssen für Inneres und für Finanzen über die gegenwärtige Haushaltssituation und über die Entwicklung in den kommenden Jahren.

Dabei gilt es, vier Fragekomplexe zu betrachten, auf die ich im Einzelnen eingehen werde. Zum Ersten: Wie stellt sich der finanzielle Status der Gemeinden und Landkreise dar, unterteilt nach Größenklassen? Wie lauten die Prognosen für die Einnahmesituation der Kommunen in den nächsten zehn Jahren?

Nach den uns vorliegenden Umfragen der kommunalen Spitzenverbände ergibt sich derzeit folgendes Bild: Im Jahr 2003 waren 75 % der Städte Sachsen-Anhalts mit mehr als 20 000 Einwohnern nicht mehr in der Lage, ihre Haushalte auszugleichen. Diese Zahl hat sich im Jahr 2004 bereits auf 90 % der Gemeinden erhöht. Unter den Gemeinden mit bis zu 5 000 Einwohnern können 36 % die Haushalte nicht mehr ausgleichen. Bei Gemeinden zwischen 5 000 und 20 000 Einwohnern sind es 63 %. Sie sehen also, dass die Verteilung in den einzelnen Größenklassen höchst unterschiedlich ist und sicherlich Anlass dazu gibt, die Gründe zu erfragen.

Bei den Landkreisen sieht es noch dramatischer aus: 20 von 21 Landkreisen - Herr Polte hat es vorhin bereits gesagt - verfügen nicht über einen ausgeglichenen Haushalt - und dies trotz zum Teil drastischer Erhöhungen der Kreisumlage, wie ich als Kreistagsmitglied bestätigen kann.

Im Jahr 1999 haben 60 Kommunen einen Antrag auf Liquiditätshilfe beim Land gestellt. Diese Zahl hat sich im Jahr 2003 bereits verdoppelt und auch im Jahr 2004 ist mit weiteren Anträgen zu rechnen. Zahlreiche Kommunen können trotz jahrelanger Konsolidierung keinen Haushaltsausgleich herstellen. Zum Teil werden den Kommunen Bundeszahlungen vorenthalten, wie am Beispiel des Grundsicherungsgesetzes hier im Hause schon diskutiert. Damit unterbleiben Investitionen auf der kommunalen Ebene. Es fehlen Impulse für die örtliche Wirtschaft und für das örtliche Handwerk.

Meine Damen und Herren! Seit der Regierungsübernahme durch CDU und FDP im Jahr 2002 hat sich die Lage der Kommunalfinanzen im Land Sachsen-Anhalt dramatisch verschlechtert. Gegenüber der vergangenen Legislaturperiode stehen den Kreisen, Städten und Gemeinden rund 400 Millionen € weniger an kommunalen Zuweisungen zur Verfügung - und dies trotz der Beibehaltung der Aufgabenfülle bzw. sogar noch einer Zunahme. Die Kommunen haben nicht genug Geld, um die

ihnen vom Land übertragenen Aufgaben zu erfüllen, kritisierte jüngst der Präsident des Städte- und Gemeindebundes, der Eisleber Bürgermeister Peter Pfützner. Das ist nicht nur das Ergebnis der unzweifelhaft schwierigen Finanzlage des Landes, sondern auch das Ergebnis politischer Fehlentscheidungen.

Mit dem Haushalt 2003 wurden die Verbundquoten zwischen Land und Kommunen im Finanzausgleichsgesetz verändert, mit dem Ergebnis, dass genau das Gegenteil von dem eingetreten ist, was Sie, meine Damen und Herren der Koalitionsfraktionen, hier immer verkünden: Es stehen damit nämlich weniger frei verfügbare Zuweisungen auf der kommunalen Ebene zur Verfügung.

Dieses Bild hat sich allerdings auch im investiven Bereich fortgesetzt. Auch hier ist ein deutlicher Rückgang der den Kommunen zur Verfügung stehenden Mittel zu verzeichnen. Das investitionsbezogene Zinshilfeprogramm Komm-Invest wurde nach nur einem Jahr beerdigt. Im Jahr 2004 werden nur noch die Altanträge der letzten Jahre abgearbeitet. Für andere Programme, die auf kommunaler Ebene wirkten, wie „Leader“ oder „Lokale“, kam ebenfalls das Aus.

Für die kommenden Jahre ist kaum Besserung in Sicht, zumal auch die vom Land initiierte Finanzstrukturkommission bisher noch nicht zu Ergebnissen gekommen ist.

Lassen Sie mich zu einem zweiten Punkt kommen. Wie sieht es mit der Genehmigungspraxis nach dem In-KraftTreten des Gesetzes zur Erleichterung der Haushaltsführung der Kommunen aus? Dieses von Ihnen, meine Damen und Herren von CDU und FDP, verabschiedete Gesetz leistet keinen Beitrag zur Verbesserung der kommunalen Haushaltssituation. Es stellen sich bei der Ausführung eher mehr Fragen, die wir auch in den beiden Ausschüssen geklärt wissen wollen.

Zum einen: Wie ist der Stand der Erarbeitung von Arbeitshilfen für die Kommunalaufsichtsbehörden, die unter anderem von den kommunalen Spitzenverbänden, aber auch vom Landesrechnungshof angemahnt worden sind? Wie sieht es aus mit der Durchsetzung der im Konsolidierungsprogramm verabschiedeten Maßnahmen und mit der Begleitung durch die Kommunalaufsichtsbehörden? Wie wird den Kommunen geholfen, die trotz Konsolidierungsbemühungen einen Haushaltsausgleich auch bis zum Jahr 2012 nicht herstellen können? Wann ist in der überwiegenden Zahl der Städte, Gemeinden und Landkreise mit dem Haushaltsausgleich zu rechnen?

In einem dritten Schwerpunkt wollen wir uns mit dem Ausgleichsstock beschäftigen. Wir konnten jüngsten Presseveröffentlichungen entnehmen, dass die Landesregierung beabsichtigt, aus dem Ausgleichsstock Mittel zur Kofinanzierung eines Landesprogramms zur Sanierung von Kreis- und Ortsstraßen zu nutzen.

Nach § 12 des Finanzausgleichsgesetzes ist allerdings der Ausgleichsstock dazu da, Bedarfszuweisungen zur Milderung oder zum Ausgleich von außergewöhnlichen Belastungen und Notlagen der Kommunen zu erbringen. Der Ausgleichsstock ist also ein Notgroschen der Kommunen und ist nicht dazu da, um fachpolitische Programme kozufinanzieren.

Wir wollen also in den Ausschüssen durch die Landesregierung darüber aufgeklärt werden, ob die in § 12 des Finanzausgleichsgesetzes genannten Kriterien zur Anwendung des Ausgleichsstocks gegeben sind. Die allgemeine finanzpolitische Notlage nach Kürzungen in

Höhe von 400 Millionen € in den vergangenen zwei Jahren kann sicherlich nicht als Begründung für die Inanspruchnahme des Ausgleichsstocks dienen.

Sollte allerdings zu viel Geld im Ausgleichsstock vorhanden sein, wie von uns im Rahmen der Haushaltsberatungen bereits angemahnt, dann muss dieses Geld in Form von allgemeinen Zuweisungen allen Kommunen bereitgestellt werden; denn letztlich muss vor Ort entschieden werden, wie die allgemeinen Zuweisungen verwendet werden. Auch aus den Reihen der Koalitionsfraktionen gab es jüngst Signale, dass man an einer transparenteren Verteilung der Mittel aus dem Ausgleichsstock interessiert ist.

Meine Damen und Herren! Ein vierter Punkt, den wir betrachtet wissen wollen, befasst sich mit der Zukunft und der Neugestaltung des Finanzausgleichs im Zuge der Funktionalreform. Die angemessene und verlässliche Finanzausstattung der Kommunen ist Auftrag des Grundgesetzes und der Landesverfassung - so auch nachlesbar in der Koalitionsvereinbarung von CDU und FDP. Allerdings sieht es in der Realität so aus, dass die Finanzpläne der Kommunen eigentlich nur noch Schall und Rauch sind. Es wird kaum eine Kommune geben, die im Rahmen der fünfjährigen Finanzplanung den Haushaltsausgleich darstellen bzw. eine vernünftige Planung realisieren kann.

Künftig muss also wieder eine langfristige Planungssicherheit geschaffen werden, sodass die Kommunen auf mehrere Jahre Sicherheit haben, was sie an Einnahmen erwarten können, und damit auch entsprechende Strukturentscheidungen treffen können.

(Herr Borgwardt, CDU, meldet sich zu einer Zwi- schenfrage)

- Am Ende bitte, Herr Borgwardt.

(Heiterkeit bei der CDU)

Künftig muss über eine stärkere Berücksichtigung der raumordnerischen Funktionen bei Grund-, Mittel-, und Oberzentren nachgedacht werden. Denn bei der höchst unterschiedlichen Situation in den verschiedenen Größenklassen der Kommunen, wie ich sie vorhin dargestellt habe, muss man schon darüber nachdenken, inwieweit man raumordnerische Funktionen künftig anders gewichtet. Der Landtag hat bereits in seiner dritten Wahlperiode eine Finanzstrukturkommission eingerichtet; allerdings liegen von dieser noch keine Ergebnisse vor. Wir erwarten also, dass von der Landesregierung dargestellt wird, wie der gegenwärtige Stand der Gespräche ist.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Wiederherstellung der Handlungsfähigkeit der Städte und Gemeinden muss wieder eines der wichtigsten Ziele der Landespolitik werden. Bundespräsident Rau sagte:

„Am Zustand der Städte lässt sich ablesen, wie es dem ganzen Land geht. Und die meisten Herausforderungen, vor denen wir insgesamt stehen, müssen vor allem in den Städten gemeistert werden.“

Meine Damen und Herren von CDU und FDP, nehmen Sie endlich Ihre Verantwortung ernst und sorgen Sie dafür, dass die Kommunen wieder handlungsfähig werden und letztlich damit auch die Herauforderungen der Zukunft meistern können. - Herzlichen Dank.

(Zustimmung bei der SPD)

Herr Doege, möchten Sie eine Frage von Herr Borgwardt beantworten? - Bitte schön.

Herr Präsident, Sie waren so beschäftigt, dass mir das der Kollege Doege bereits ohne Ihre Genehmigung zugesagt hatte. Ich bedanke mich. - Herr Doege, eines ist doch klar: Bei dem Gesetz ging um die Handhabung. Dass dadurch nicht mehr Geld fließt, war uns allen klar.