Protocol of the Session on May 6, 2004

(Zustimmung bei der SPD und bei der PDS)

Wenn wir den jungen Menschen in Sachsen-Anhalt eine Ausbildungs- und Berufsperspektive geben wollen, dann brauchen wir ein Lehrstellenangebot, das weitgehend

unabhängig von konjunkturellen Zyklen ist. Bisher hat niemand in der Debatte vorgetragen, was er dazu beitragen will, dass neue Ausbildungsplätze entstehen. Ich will dazu aus unserer Sicht einige Punkte aufführen.

Es geht darum, die Verbundausbildung auszuweiten. Ich will an dieser Stelle nicht auf die bereits bestehenden Ausbildungsverbünde eingehen, sondern lediglich darauf verweisen, dass wir in Sachsen-Anhalt im Vergleich zu anderen Bundesländern bei der Verbundausbildung noch unterbelichtet sind. Auf diesem Gebiet gibt es Potenziale für zusätzliche Ausbildungsplätze. Ausbildungsverbünde werden von der Bundesregierung nach wie vor gezielt gefördert.

Im Rahmen der Ausbildungsoffensive 2004 will der Bund darüber hinaus besondere Schwerpunkte unterstützen. Nennen will ich in diesem Zusammenhang die Konzentration auf ausgewählte Regionen mit einem überdurchschnittlichen Rückgang von Ausbildungsplätzen und die Konzentration auf neue Wachstumsbranchen, zum Beispiel die Mikrosystemtechnik, die Nanotechnik und die Biotechnologie. In diesem Zusammenhang unterstützen wir auch die Forderung des Präsidenten der Arbeitgeberverbände, Helge Fänger, nach einem Leitbild für Ausbildung. Das ist in der Tat mehr als überfällig.

(Zustimmung bei der SPD)

Des Weiteren geht es um die Fortsetzung und Ausweitung der Branchenvereinbarungen, die beispielsweise im Bereich der chemischen Industrie zwischen der IG BCE und dem VCI abgeschlossen worden sind. Die chemische Industrie sichert sich damit ihren Fachkräftenachwuchs für die nächsten Jahre. Insbesondere unter dem Gesichtspunkt der Übernahme nach der Ausbildung könnten diese erfolgreichen Regelungen auch auf andere Branchen übertragen werden.

Das Problem der zweiten Schwelle, das heißt die Übernahme nach der Ausbildung, wird in den nächsten Jahren zunehmend wichtiger werden. Insofern müssen tarifvertragliche Regelungen unterstützt werden, die eine zwischen den Tarifvertragsparteien vereinbarte Verpflichtung zur Übernahme nach der Ausbildung enthalten. So ist zum Beispiel in der Metall- und Elektroindustrie vereinbart, dass eine Übernahme für mindestens zwölf Monate nach der Ausbildung erfolgt.

Letztlich bleibt es aber dabei - Herr Minister Rehberger, das kann ich Ihnen leider nicht ersparen -: Gibt es im kommenden Ausbildungsjahr wiederum kein ausreichendes Ausbildungsplatzangebot, so wird die Bundesregierung die gesetzliche Ausbildungsplatzumlage auf den Weg bringen.

(Zustimmung bei der SPD - Herr Tullner, CDU: Na wunderbar!)

Meine Damen und Herren! Auf einer Fachtagung, die in dieser Woche vom Kinder- und Jugendring SachsenAnhalt durchgeführt worden ist, erklärte ein Wissenschaftler, dass nach vorliegenden Untersuchungen Jugendliche ganz traditionelle Lebensentwürfe haben: Sie wollen eine Ausbildung, eine Arbeit, die ihnen Spaß macht, und ein Einkommen, mit dem sie ihren Lebensunterhalt selbständig bestreiten können. Aktuell wird in Sachsen-Anhalt einer großen Zahl an Jugendlichen diese Lebensperspektive verweigert.

Lassen Sie uns gemeinsam daran arbeiten, das zu ändern. Dass Jugendlichen bereits nach ihrem Schulabschluss der Einstieg in die Arbeitswelt und in das

Arbeitsleben verwehrt wird, ist nicht nur für die jungen Menschen eine bittere Erfahrung, sondern es gefährdet auch die Zukunftsfähigkeit unseres Landes. - Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD und bei der PDS)

Herr Abgeordneter Metke, Sie wollten noch eine Frage der Abgeordneten Wybrands beantworten.

Selbstverständlich.

Danke, Herr Metke. - Herr Metke, wenn die Zahlen nicht vor mir lägen und ich dem Herrn Minister nicht gut zugehört hätte, hätte ich gedacht, Sie reden über ein anderes Land, aber nicht über Sachsen-Anhalt.

Meine konkrete Frage lautet: In den Jahren 2000/2001 war die Abwanderung junger Frauen und Männer aus Sachsen-Anhalt am allerhöchsten, zum Teil auch im Vergleich zum übrigen Europa, und das, obwohl wir das beste Kinderbetreuungsgesetz in ganz Europa haben. Warum haben Sie damals nicht eingegriffen? Warum haben Sie die Vorschläge, die Sie jetzt machen, nicht damals gemacht und sind nicht damals das Problem angegangen? Sie haben es eben so dargestellt, als sei das in den letzten zwei Jahren passiert. Das kann einfach nicht so stehen bleiben.

(Beifall bei der CDU)

Natürlich gab es auch in den vergangenen Jahren eine Abwanderung. Ich habe versucht deutlich zu machen, dass das Problem des Bevölkerungsrückgangs nicht erst seit gestern besteht. Allerdings habe ich darauf hingewiesen, dass es bei der Abwanderung eine Steigerung gibt. Das ist genau das Problem. Da muss gegengesteuert werden, damit dieser Trend erst einmal gestoppt und dann umgekehrt werden kann. Das ist das, was ich in meiner Rede deutlich machen wollte. - Schönen Dank.

(Beifall bei der SPD und bei der PDS)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Metke. - Für die CDUFraktion erteile ich nun der Abgeordneten Frau Marion Fischer das Wort. Bitte sehr, Frau Fischer.

Herr Kollege Metke, genau das Letzte stimmt nicht. Schauen Sie sich die Zahlen, die meiner Kollegin Wybrands vorliegen, noch einmal an.

Dann noch folgender Hinweis an Sie: Mit dem Zweiten sieht man besser. Sie sollten mit dem Zweiten einmal auf Ihre Bundesregierung gucken. Ich glaube, dann wären auch manch andere Dinge für Sie verständlicher.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Eigentlich hätten wir zu diesem Tagesordnungspunkt eine verbundene Debatte führen können; denn

das Frühjahrsgutachten der Wirtschaftsweisen zeigt uns deutlich auch die Ursachen der Probleme auf dem Ausbildungsmarkt auf. Deutschland befindet sich in der größten Wachstums-, Beschäftigungs- und Haushaltskrise der Nachkriegszeit. Im laufenden Bundeshaushalt fehlen ca. 18 Milliarden €.

Die Bundesregierung ist aufgrund ihrer Politik der Schönfärberei ständig dabei, Wachstumsprognosen nach unten zu korrigieren. Statt mit mutigen Reformen gegenzusteuern, wird eine elende politische Flickschusterei betrieben, die zwangsläufig zu einem Vertrauensverlust in den Ländern, Kommunen und bei jedem einzelnen Bürger führt.

(Zustimmung bei der CDU)

Nach Dosenpfand, Mautdesaster und Hartz-Pleite kommt Superminister Clement, einst der Joker in Schröders Ärmel, nun auf die Idee, die Zinsen der Spareinlagen der Bürger und Bürgerinnen und die Eigenheimzulage für die Wege aus der Krise zu benutzen. Ganz zu schweigen von den Einfällen von Finanzminister Eichel. Wenn Sie die Presse heute verfolgt haben, dann wissen Sie, dass Eichel es jetzt in den Bordellen versucht. Das ist ein durch diese Bundesregierung nicht mehr zu beherrschendes Chaos.

Deutschland steht in der wirtschaftlichen Entwicklung an der Wand; weiter zurück geht es nicht mehr. Diesem Chaos muss eine solide Politik, eine Politik ehrlicher Reformen und einschneidender Veränderungen entgegengestellt werden. Nur auf einer solchen Grundlage, liebe Kolleginnen und Kollegen, haben wir als Parlamentarier das Recht, die Unternehmen an ihre Verpflichtung zur Ausbildung zu erinnern.

Wenn ein Unternehmen in Sachsen-Anhalt nicht ausbildet - das wollte ich Ihnen, liebe Frau Dr. Hein, noch sagen -, dann liegt das in der Regel nicht an einem Mangel an Ausbildungsbereitschaft, sondern es liegt an einem Mangel an Aufträgen, an einer zu hohen finanziellen Belastung, an einem Mangel an Geld oder auch an einem Mangel an Voraussetzungen für eine Ausbildung.

Den Unternehmern und Unternehmerinnen in unserem Land ist - wenn auch erst nach 15 Jahren Marktwirtschaft - doch klar, dass das duale Ausbildungssystem die deutsche Wirtschaft stark gemacht hat und dass gut ausgebildete junge Leute eine wesentliche Grundlage des Betriebswertes sind. Dieser Betriebswert - um ein konkretes Beispiel zu nennen - wird herangezogen, wenn es um die Beurteilung der Basel-II-Kriterien geht. Das haben wir doch verstanden als Unternehmer. So beknackt sind wir, weiß Gott, nicht mehr.

Wenngleich in Sachsen-Anhalt die Vermittlungsquote für Auszubildende höher ist als im Bundesdurchschnitt - wie wir mehrfach gehört haben -, so ist das für uns nicht befriedigend.

(Minister Herr Dr. Rehberger: Richtig!)

Den Ursachen dafür müssen wir uns als Parlamentarier stellen. Bei dieser wirtschaftlichen Situation, bei diesen hohen Standards als Voraussetzung für die Ausbildung, die unbedingt kritisch zu hinterfragen sind, bei diesen komplizierten Rechtsnormen, wie zum Beispiel Berufsbildungsgesetz, Handwerksordnung, SGB III, Betriebsverfassungsgesetz, Jugendschutzgesetz usw., ist es absolut falsch, mit einer Ausbildungsplatzabgabe aufsatteln zu wollen und die jungen Leute dahin gehend für dumm

verkaufen zu wollen, dass gerade diese Abgabe ihre Probleme löst.

Meine Damen und Herren! Das ist Demagogie oder, besser gesagt, eine alte ideologische Klamotte - um an dieser Stelle meinen Kollegen Gürth zu zitieren; ich hoffe, er verzeiht es. Nicht nur die Wirtschaftsweisen, sondern auch alle Wirtschaftsminister der Länder warnen in diesem Zusammenhang vor einer solchen kontraproduktiven Zwangsabgabe.

Wenn ich mir diesen politischen Sündenfall Ausbildungsplatzabgabe vor Augen führe und näher beleuchte, so frage ich mich: Bei welcher Lehrstellenlücke soll diese Zwangsabgabe denn einsetzen? Bei 10 000, bei 20 000 oder bei 50 000? Wie hoch sind eigentlich die Kosten für den bürokratischen Aufwand bei der Erhebung dieser Umlage? Was soll mit dem eingetriebenen Geld passieren?

Meistens kommt an dieser Stelle das Totschlagargument: Bauindustrie. Diese Umlage, meine Damen und Herren, ist in der Praxis gescheitert. Bundesweit ist die Zahl der Ausbildungsverträge in der Bauindustrie in den letzten zehn Jahren um mehr als die Hälfte, nämlich von 20 000 auf etwa 9 000, zurückgegangen.

Die Versäumnisse der Bundesregierung in den letzten Jahren heilen wir nicht durch eine weitere Belastung der Unternehmen. Das ist der falsche Ansatz. Wir müssen - das ist heute schon mehrfach angedeutet worden - an die Ausbildungshemmnisse heran. Dabei macht diese Landesregierung einen wichtigen Schritt mit der Bundesratsinitiative zur Änderung des Berufsbildungsgesetzes.

Der Kostenfaktor ist ein nicht zu unterschätzender Faktor in den Ausbildungsbetrieben. Wenn es uns durch diese Initiative gelingt, außerbetriebliche Ausbildung durch betriebliche zu ersetzen, damit den Bedarf an Subventionen aus den öffentlichen Kassen zu verringern und letztlich den jungen Menschen eine größere Chance auf einen Arbeitsplatz nach der Ausbildung zu geben, dann darf die Landesregierung auf diesem Weg nicht stehen bleiben.

Die CDU-Fraktion fordert die Landesregierung auf, im Bundesrat weiter aktiv zu werden, wenn es um Themen geht wie die Modernisierung der Ausbildungsordnung, die praxisgerechte Korrektur bei den Ausbildungszeiten und beim Berufsschulunterricht oder wenn es darum geht, moderne Berufsbilder zu entwickeln sowie schlanke, weniger stark theorielastige bzw. verkürzte Berufsbilder für Jugendliche ohne Schulabschluss zur Verfügung zu stellen.

Wir sind der Ansicht, dass diese Ansätze neben vielen anderen, die schon genannt worden sind, dazu beitragen, die Ausbildungsbereitschaft, aber auch die Ausbildungsfähigkeit zu fördern. Machen wir dieser Bundesregierung Beine; denn durch ihre Versäumnisse bringt sie Tausende Jugendliche um ihre Zukunftschancen und im kommenden September um einen Ausbildungsvertrag. - Danke.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Zustim- mung von Minister Herrn Dr. Rehberger)

Vielen Dank, Frau Abgeordnete Fischer. - Meine Damen und Herren! Damit ist die Beratung zum ersten Thema im Rahmen der Aktuellen Debatte abgeschlossen. Wie

Sie wissen, werden Beschlüsse in der Sache nicht gefasst.

Ich rufe damit das zweite Thema der Aktuellen Debatte auf:

Schlussfolgerungen aus der Wachstumsprognose führender Wirtschaftsforschungsinstitute für die Wirtschafts- und Finanzpolitik Sachsen-Anhalts

Antrag der Fraktion der CDU - Drs. 4/1573

Für die Debatte wird folgende Reihenfolge vorgeschlagen: CDU-, SPD-, FDP- und PDS-Fraktion.