Protocol of the Session on April 2, 2004

Nun bitte Herr Minister Olbertz.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir befinden uns heute am Ende eines intensiven Diskussionsprozesses über das neue Hochschulgesetz. Diese Diskussion wurde von Anfang an mit einer teilweise großen Schärfe geführt. Ich freue mich deshalb, dass insbesondere in den Ausschusssitzungen ein konstruktives Klima herrschte. Ich möchte mich dafür nicht nur bei den Mitgliedern der eigenen Fraktionen, sondern auch bei den Kolleginnen und Kollegen der Opposition ausdrücklich bedanken. Auch den Rektoren gilt Dank, mit denen man sich bei schwierigen Sachfragen immer schnell und problemlos austauschen konnte.

Ich glaube, wir haben hierbei Transparenz und Beteiligung in guter Weise und in einem guten Kommunikationsstil geübt. Das Gesetz kann den Anspruch erheben, eines der modernsten in Deutschland zu sein, auch wenn ich mir gewünscht hätte, dass wir an einigen Stellen noch mutiger gewesen wären.

In ganz Europa ist inzwischen eine umfassende Diskussion über den Weg der Hochschulen in die Zukunft ausgebrochen, der in vielem offen ist, sodass wir in der nächsten Zeit noch mit weiteren Entwicklungen rechnen müssen. Zum Beispiel wird das Hochschulrahmengesetz nicht nur durch die Länder, sondern inzwischen sogar durch den Bund infrage gestellt. Der Gesetzentwurf, der

Ihnen jetzt vorliegt, ist daher so konzipiert worden, dass er auch nach einem Wegfall von vielen Hochschulrahmenregelungen für einen längeren Zeitraum unseren Hochschulen die nötigen Handlungsoptionen eröffnen wird.

Auf jeden Fall bildet das Hochschulgesetz schon jetzt eine Handlungsgrundlage für die Aufnahme neuer Entwicklungen im Hochschulsektor und bei der Durchsetzung internationaler Ansprüche. Auf dieser Plattform können die Hochschulen den Reformprozess sehr weitgehend selbst mitgestalten und in Ausübung eines hohen Grades an Autonomie ihre Entwicklungsrichtung mitbestimmen. Dies wird der Vielfalt der Reformansätze zugute kommen und sie zugleich zu gemeinsamen Maßstäben verpflichten.

Der von der Landesregierung eingebrachte Gesetzentwurf ist auf der Grundlage der Diskussionen im Ausschuss und der beiden Anhörungen in einer Reihe von Punkten verändert worden. Vor allem handelt es sich nunmehr um ein einheitliches Gesetzeswerk, in dem die Normen, die für die Strukturänderung der Hochschullandschaft des Landes unerlässlich sind, eingegliedert wurden.

Lassen Sie mich auf einige Aspekte, die zugleich Schwerpunkte der Diskussionen im Ausschuss und in den Anhörungen waren, kurz eingehen. Stärker als zu Beginn der Befassung mit dem Hochschulgesetz ist der aus der Wissenschaft und dem Freiheitsgrundsatz von Forschung und Lehre hergeleitete Anspruch der Universitäten und Hochschulen auf institutionelle Autonomie in das öffentliche Bewusstsein gedrungen. Damit geht es um eine moderne Interpretation und Praxis von Hochschulautonomie, die den individuellen Anspruch des einzelnen Forschers bzw. Lehrers ebenso aufnimmt wie die Rechte und Verpflichtungen der Organisation.

Die Schaffung und Gewährleistung wissenschaftsgerechter Rahmenbedingungen, also die Autonomiegarantie, ist Sache des Staates, die Wissenschaft hingegen Sache der Hochschulen. Schon die Steuerung des Reformgeschehens verlangt daher wichtige Klärungen; denn es ist ein Unterschied, ob Reformimpulse als staatliche Vorgabe, also top-down, verlaufen, oder ob der Staat den Hochschulen die nötigen Spielräume gewährt, von sich aus Veränderungen zu initiieren, also bottom-up.

Die Diskussion darüber verläuft durchaus kontrovers. Die einen wollen eine Stärkung der akademischen Selbstverwaltung, die anderen eine Professionalisierung der Steuerungsprozesse und wieder andere setzen auf deregulierte Marktförmigkeit.

Welcher Ansatz wird mit dem Gesetz verfolgt? - Soll das seinem Wesen nach staatsferne Autonomieprinzip der Wissenschaft in einem System staatlicher Hochschulen gewahrt und beschützt blieben, so können Hochschule und Staat nichts anderes tun, als eine gleichberechtigte Partnerschaft einzugehen. Beide müssen Staatlichkeit und öffentliche Finanzierung mit dem Autonomiegebot der Wissenschaft in Übereinstimmung bringen. Das bedeutet, sie haben sich hinsichtlich ihrer gegenseitigen Erwartungen aneinander Gewissheit zu verschaffen und Ziele ihrer Kooperation fest zu vereinbaren. Nur dann ist ein vernünftiger - man müsste es an dieser Stelle so sagen -, wissenschaftsadäquater Ausgleich zwischen den Interessen, Funktionen und Aufgaben beider möglich.

Es kommt noch etwas hinzu: Je weniger der Staat die Hochschulen zu alimentieren in der Lage ist, desto mehr liegt es in seiner Verantwortung, sie mit Handlungsspielräumen auszustatten, die es ihnen ermöglichen, sich selbst um die Einwerbung bzw. Erwirtschaftung von Mitteln zu kümmern.

Meine Damen und Herren! Eine Streitfrage war, ob sich die Hochschulautonomie auch auf Belange jenseits der eigenen Hochschule erstreckt, wenn zum Beispiel im Rahmen der Hochschulstrukturplanung Entscheidungen über ein standortübergreifendes Angebotsprofil getroffen werden müssen. Das sind wissenschafts- bzw. hochschulpolitische Fragestellungen, also Landesangelegenheiten, die nicht ohne weiteres Gegenstand allein der Hochschulautonomie, schon gar nicht der Autonomie der einzelnen Hochschule sein können.

Dies gilt insbesondere für den Bereich der anstehenden Strukturentscheidungen. Ich halte daher die Lösung in dem Gesetzentwurf, bei einem Scheitern von Zielvereinbarungen in diesem Bereich - die nach wie vor der Hauptweg für solche Strukturentscheidungen sind - den zuständigen Landtagsausschuss über die Gründe zu unterrichten und das weitere Verfahren im Benehmen mit dem Ausschuss zu regeln, für ein demokratisches Verfahren, bei dem die Handlungsfähigkeit der Exekutive aufrechterhalten wird und die Rechte der Legislative, auch das Budgetrecht, gewahrt bleiben.

Ergänzungsvereinbarungen gemäß § 57 wurden eingeführt, um die gegenwärtigen Zielvereinbarungen durch die Neuplanung der Hochschulstrukturen des Landes nicht zu gefährden. Das halte ich für ganz wichtig; denn die jetzt gültigen Zielvereinbarungen sichern den Hochschulen einen ausgesprochen privilegierten Status. Sie sind frei von Bewirtschaftungsmaßnahmen, Einstellungsstopps, Haushaltssperren und dergleichen mehr. Kein anderer öffentlicher Bereich genießt derzeit diese Freizügigkeit unter einer im Moment außerordentlich schwierigen Rahmenkonstellation.

(Zustimmung von Frau Feußner, CDU, und von Herrn Schomburg, CDU)

Wir haben Ergänzungsvereinbarungen eingeführt, um künftig vielleicht zu längeren Laufzeiten zu kommen. Ich sage ganz offen - vielleicht gehen Sie als Parlamentarierinnen und Parlamentarier diesen Weg mit -: Mir schweben fünf Jahre vor. Aber dann brauchen wir Momente der Flexibilisierung für neu aufkommende Akzente, Entwicklungen oder Vorhaben, die jedoch die Substanz der jeweils gültigen Zielvereinbarungen nicht irritieren dürfen. Daher der Begriff „Ergänzungsvereinbarungen“.

(Zustimmung von Frau Feußner, CDU, und von Herrn Schomburg, CDU)

Das Gebot der Wissenschaftsautonomie ist so gleichsam normative Konstante aller Entwicklungs- und Modernisierungsprozesse von Hochschulen. Unter den Bedingungen der Pluralität von Angebotsstrukturen, Forschungsprofilen, Finanzierungsmodalitäten, Mitbestimmungs- und Verwaltungsformen usw. gehört es zu den Grundvoraussetzungen des ganzen Reformgeschehens in diesem Bereich.

Wichtige Neuerungen enthält das Gesetz auch in Bezug auf die Juniorprofessuren - siehe § 40. Ich denke, wir haben einen gangbaren Weg gefunden, ihnen bei Erfolg verlässliche Perspektiven zu eröffnen, ohne durch einen voraussetzungslosen Tenure-Track - also eine voraus

setzungslose Übernahme - ihre Mitbewerber - also die jungen Leute mit Habilitation - zu benachteiligen.

(Zustimmung von Herrn Schomburg, CDU)

Dies ist auch im Interesse des Nachwuchses aus den außeruniversitären Forschungsinstituten.

Ein weiterer Gesichtspunkt ist die Qualitätssicherung und das Evaluationsgeschehen an den Hochschulen - das sind die §§ 3 und 7 -, wobei insbesondere die Studierenden einzubeziehen sind. Entsprechende Verfahren sollen zu einer höheren Leistungstransparenz und zur Schaffung von mehr Öffentlichkeit führen. Gleichzeitig werden solche Verfahren den Wettbewerb innerhalb der Hochschule und zwischen den Hochschulen erhöhen.

Die Eigenverantwortung der Hochschulen wird gemäß den §§ 67 ff. künftig durch eine Straffung der Leitungsstrukturen deutlich erhöht. Man darf nicht vergessen, dass das Verfahren der horizontalen Beratung von allem und jedem oft viel Zeit und Energie gekostet und nicht selten zu einer Aufblähung verwaltungsbezogener Anteile zulasten der Forschung und der Lehre geführt hat.

Bei der Stärkung der Rektorate hätten wir weiter gehen können, zum Beispiel im Sinne handlungsfähiger Vorstände, die von einem Kuratorium mit der Funktion eines Aufsichtsrates kontrolliert werden. Aber diesbezüglich hätte es derzeit keinen hinreichenden Konsens gegeben.

Klarer geregelt allerdings ist nunmehr die Aufgabenverteilung zwischen Rektoraten und Senaten. Zum einen wurde die eigenverantwortliche Entscheidungskompetenz der Rektoren und Dekane gestärkt, zum anderen eine klare Trennung von Verwaltungsaufgaben und wissenschaftlichen Sachentscheidungen vorgenommen. Um es direkt zu sagen: Ein Rektor, der keine Entscheidungen treffen kann, ist weder in der Lage, Verantwortung zu tragen, noch könnte man ihn in die Pflicht nehmen, wenn die Dinge an der Hochschule nicht funktionieren.

(Zustimmung von Frau Feußner, CDU, und von Herrn Schomburg, CDU - Herr Borgwardt, CDU: So ist es!)

Meine Damen und Herren! Ob die Gremien öffentlich oder nichtöffentlich tagen, wird nach § 64 künftig im Einzelfall oder generell von ihnen selbst entschieden. Das ist meiner Auffassung nach die höchste Form der lokalen Demokratie; denn wer Demokratie von oben verordnen will, muss sich erst einmal selbst außerhalb der Demokratie stellen. Das ist etwas, bei dem wir nicht mitgehen sollten.

Zum Stichwort Studiengebühren, § 12, möchte ich noch einmal grundsätzlich festhalten, dass in unserem Gesetzentwurf keine allgemeinen Studiengebühren für grundständige Studiengänge bis zum ersten berufsqualifizierenden Abschluss erhoben werden. Die Möglichkeiten für die Hochschulen, darüber hinaus Gebühren zu erheben, zum Beispiel für Weiterbildungsangebote, hält sich weitgehend im Rahmen des schon in anderen Ländern Möglichen und Üblichen. Die Diskussion darüber geht allerdings weiter.

Von Langzeitstudierenden, die die Regelstudienzeit um mehr als vier Semester überschreiten - man bedenke: das ist fast eine halbe Regelstudienzeit! -, können künf

tig Gebühren erhoben werden. - Das ist die Regelung in § 112.

Grundsätzlich geht es darum, den Studierenden zu vermitteln, dass es notwendig ist, auf öffentliche Ressourcen zu achten, die Ausgaben, für die immerhin alle aufkommen, durch Effizienz und sorgsamen Umgang zu legitimieren. Es gibt auch für Studierende keinen unlimitierten Zugriff auf ein öffentliches Gut. Bei den Ressourcen der Hochschulen handelt es sich nun einmal um ein solches Gut. Daher denke ich, dass es durchaus sozial gerecht ist, bei erheblicher Überschreitung der Regelstudienzeit und dadurch auch erheblicher Inanspruchnahme von Ressourcen auf Kosten der jüngeren Studienjahrgänge Gebühren zu erheben, also eine Beteiligung geltend zu machen.

Vor allem stellt das Gesetz sicher - das ist, glaube ich, das Ausschlaggebende -, dass sämtliche Gebühreneinnahmen unmittelbar der Hochschule zugute kommen. Das ist zum Beispiel bei den Studienkontenmodellen anderer Länder gerade nicht so.

Schließlich eröffnet der Gesetzentwurf in § 114 auch neue Möglichkeiten der Eigenerwirtschaftung von Mitteln, zum Beispiel durch die Beteiligung an Unternehmen, durch eigene Gründungen oder durch den Verkauf von Dienstleistungen.

Ein letztes Stichwort, das ich hier aufwerfen möchte, ist das Studienkolleg nach § 28. Was ändert sich in Bezug auf das Kolleg? - Angeblich nichts - so war immer wieder aus Halle zu hören. Dem möchte ich widersprechen:

Erstens wird dem Studienkolleg als Landeskolleg ein singulärer Status zugesprochen.

Zweitens soll die Einheitlichkeit der Abschlüsse unterstrichen werden. - Bis heute gibt es die Assoziation, in Köthen werde auf ein Fachhochschulstudium vorbereitet und in Halle auf ein Universitätsstudium. Dies ist für die Studienvorbereitung von ausländischen Studierenden eine absolut nicht nachvollziehbare Differenzierung.

Drittens geht es durchaus auch um ein Signal, übersichtliche und klare Strukturen mit entsprechenden Zuständigkeiten zu schaffen, anstatt Besitzstände oder formale Statusfragen über die eigentliche Aufgabe zu stellen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bin froh, dass wir nicht der Versuchung erlegen sind, uns angesichts der zum Teil schwierigen Diskussion über diese Punkte erst einmal zu vertagen, um den nötigen Entscheidungen auszuweichen, sondern intensiv und konzentriert gearbeitet haben. Wir dürfen und können mit wichtigen Umgestaltungsprozessen nicht warten. Die Hochschulstrukturdebatte ist zügig abzuschließen, damit an den Hochschulen schnell wieder Planungs- und Handlungssicherheit einkehrt. Die Gesellschaft erwartet einen Beitrag der Hochschulen bei der Suche nach nachhaltigen Wegen für die Wissenschaft und für die Bildung bei der Zukunftsgestaltung. Gleichzeitig müssen die Hochschulen in einem nationalen und internationalen Wettbewerb bestehen können.

Wir sind zuversichtlich, durch diesen Gesetzentwurf gute Voraussetzungen für die Hochschulen des Landes geschaffen zu haben, um diese Erwartungen zu erfüllen. Deshalb bitte ich Sie alle, diesem Gesetzentwurf Ihre Zustimmung zu geben. - Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU, bei der FDP und von der Regierungsbank)

Vielen Dank, Herr Minister Olbertz. - Wir treten nun in die Debatte ein.

Ich darf anmerken, Herr Minister Olbertz hat die Redezeit um drei Minuten überzogen. Ich kann ihn nicht hindern weiterzureden. Das bedeutet, dass auch die Rednerinnen und Redner der Fraktionen diese Zeit zugeschlagen bekommen. Das hat Folgen für die nächste Debatte.

Ich erteile zunächst Frau Dr. Kuppe für die SPD-Fraktion das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Herren, sehr geehrte Damen! Auch die SPD-Fraktion hat es als notwendig erachtet, das Hochschulgesetz des Landes neu zu fassen, um damit verbesserte Grundlagen für die Attraktivität und für die Wettbewerbsfähigkeit unserer Hochschulen im nationalen, internationalen und vor allem im europäischen Rahmen zu schaffen. Deswegen haben wir uns als Oppositionsfraktion mit einem eigenen Gesetzentwurf in die Debatte eingemischt. Wie sieht nun das Ergebnis der Beratungen aus?

Nach der vernichtenden Kritik zum Regierungsentwurf, die in der Januar-Anhörung zum Ausdruck kam, haben wir im Ausschuss insgesamt über mehr als 250 Änderungsanträge beraten. Man höre und staune, weit mehr als ein Drittel davon, nämlich 98 Änderungsanträge, kamen aus den Reihen der Koalitionsfraktionen.

(Herr Dr. Püchel, SPD: Das ist ja interessant!)

Das wirft ein bezeichnendes Licht auf die schwierige Kommunikation zwischen der Landesregierung und der sie tragenden Koalition.

(Widerspruch bei der CDU - Zuruf von Herrn Dr. Püchel, SPD)

250 Änderungsanträge, meine Damen und Herren, das war schon heftig.