Protocol of the Session on April 2, 2004

(Herr Oleikiewitz, SPD, und Frau Grimm-Benne, SPD: Das ist überholt!)

Ich darf ein Zitat des Bundesumweltministers Trittin vortragen:

(Herr Dr. Püchel, SPD: Aktueller geht es doch auch!)

„Auf der Basis Ihrer Position ist eine Verständigung zum Allokationsplan ausgeschlossen.“

(Herr Dr. Püchel, SPD: Das ist doch alt!)

Dies schrieb der Bundesumweltminister Jürgen Trittin am 29. März 2004 an den Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Clement.

(Herr Dr. Püchel, SPD: Das, was Sie sagen, ist überlagert!)

- Das ist nicht überlagert. Das ist leider immer noch aktuell, Herr Kollege Püchel. Ich bedauere, dass Sie nicht so richtig auf dem Laufenden sind.

(Zustimmung bei der CDU - Zurufe von der SPD)

Die SPD-Politiker sollen zu konstruktiven Gesprächen zurückkehren. - Mit diesen scharfen Worten wies der grüne Umweltminister Trittin Clements Forderung zurück, bei der Verteilung der Abgasrechte an Unternehmen

(Herr Dr. Püchel, SPD: Was soll das jetzt?)

vor allem in bestimmten Bereichen der Kohle- und Stahlindustrie und des verarbeitenden Gewerbes mehr die deutschen Arbeitsplätze und die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Unternehmen im Blick zu haben. Das führte zu einem Eklat. Wiederholt musste der Bundeskanzler versuchen, zwischen streitenden Ministern der rot-grünen Bundesregierung zu schlichten.

Doch das Ergebnis ist enttäuschend. Wer erwartet, dass der Bundeskanzler Fulminantes vollbracht hat und das Emissionshandelsrecht bis zuletzt durchdrungen hat oder gar eine Lösung hat, die Arbeitsplätze sichert, wird enttäuscht. Großartig wird zwar angekündigt, man habe sich im Streit um den Emissionsrechtehandel in wesentlichen Fragen geeinigt. Aber was ist wirklich passiert?

Der CO2-Ausstoß von Industrie und Energiewirtschaft wurde von derzeit 505 Millionen t CO2 auf 503 Millionen t bis zum Jahr 2007 und auf 495 Millionen t bis 2012 gesenkt. Bis 2012 muss Deutschland insgesamt 17 Millionen t an CO2 einsparen, um das in Kyoto festgelegte Klimaschutzziel zu erreichen.

Man muss dies aber in Relation zu den erbrachten Leistungen und zu dem, was rings um uns in Europa passiert, sehen. Die Industrie kann zwar dem Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Clement dankbar sein, der versucht hat, sich dafür stark zu machen. Er ist vielleicht der einzige noch etwas marktwirtschaftlich denkende Mensch in der Bundesregierung

(Oh! bei der SPD)

Auch die Bundesagentur für Arbeit kann vielleicht etwas aufatmen; denn wenn die trittinschen Pläne eins zu eins umgesetzt worden wären, wäre es noch schlimmer gekommen.

Aber wie sieht es konkret aus? Wie sieht es konkret mit den Standorten in den neuen Bundesländern aus? Welche Folgen hat der Kompromiss für uns in SachsenAnhalt, wo wir so sehr an dem Ziel, Arbeitsplätze zu schaffen, arbeiten?

Bei den Vorleistungen der Industrie beim Klimaschutz bis 1996 - bei den so genannten Early Actions - sind Ausnahmen bei der Verpflichtung zur Reduzierung vorgesehen. Für manche mag dieser Kompromiss eine Erleichterung sein. Aber wie sieht es für unsere Standorte in den neuen Bundesländern aus? Das Datum 1996 verrät, dass dies eine unfaire Regelung zulasten der neuen Bundesländer ist.

(Zustimmung bei der CDU)

Es ist eiskalt ausgeblendet worden, dass der Verlust von mehr als 150 000 Arbeitsplätzen bei uns allein mit null zu Buche schlägt bei dem, was jetzt verkauft wird. Der Bundesumweltminister Trittin lässt sich auf grünen Konventen für die bereits erbrachten Reduzierungen beim CO2-Ausstoß feiern. Wer hat die erbracht? - Die Stilllegungen in den neuen Bundesländern, neue Investitionen in den neuen Bundesländern.

(Herr Dr. Eckert, PDS: Wann war das noch ein- mal?)

Viele tausend Arbeitsplätze sind dabei auf der Strecke geblieben. Es gab dazu kaum Alternativen. Aber dann darf man doch mindestens erwarten, dass man dies bei der Einführung des Emissionsrechtehandel angemessen berücksichtigt.

Die Vorstellungen und Ziele des Bundesumweltministers Trittin sind unfair, schaden Deutschland und benachteiligen insbesondere die neuen Bundesländer. Nicht nur, dass bei uns bereits jetzt die Energiepreise auf dem höchsten Niveau in Europa liegen und einen Durchschnittshaushalt mit 421 € pro Jahr belasten und derselbe Haushalt auch noch die Ökosteuer zu verkraften hat - nein, auch beim Abgashandel tut sich Unglaubliches.

Schauen wir mal, was in den Nachbarländern passiert. Dort wird ganz offen mit der Wirtschaft verhandelt, zur Sicherung der Arbeitsplätze in den Industrien unserer europäischen Nachbarstaaten Zuschläge bei den Emissionsrechten zu gewähren. Doch die deutsche Wirtschaft soll mit Abschlägen abgespeist werden. So kann mit der deutschen Wirtschaft nicht umgegangen werden, und wir können nicht dulden, dass so die Arbeitsplätze, die wir bei uns haben, weiter gefährdet werden.

Sehen wir uns ganz konkret einmal eines der größten Unternehmen in Sachsen-Anhalt an. Allein Dow Chemical hat ab 1990 ca. 3 Millionen t - so genannte Early Actions - an CO2-Ausstoß eingespart. Diese Einsparungen erfolgten größtenteils unmittelbar nach 1990, also in

dem Zeitraum, der jetzt gar nicht mehr berücksichtigt werden soll. Die Festlegung des Basisjahres auf 1996 führt nunmehr dazu, dass ein Großteil der Reduktionen für dieses Unternehmen nicht angerechnet wird. Das trifft die anderen genauso.

Ich fordere die Bundesregierung auf, eine Regelung zu finden, die es den Unternehmen erlaubt, diese Einsparung anderweitig zu vergüten, und sie vor neuen Reduktionsverpflichtungen schützt. Das muss in eine verbindliche Form gefasst werden und darf nicht in vagen Absprachen münden, wie das in dieser Woche passiert ist.

Schön wäre auch, wenn unter dem Begriff „Planungssicherheit“ - das ist eines der Schlüsselwörter - endlich allgemein verbindlich geklärt werden würde, wie genau sich das Zuteilungsverfahren ab dem Jahr 2008 gestalten wird. Es kann nicht erwartet werden, dass der Unternehmer positiv gestimmt investiert - genauso wie der Bürger hält er sich zurück und sein Geld in der Tasche -, wenn er nicht weiß, was die Zukunft bringt. Diese Ungewissheit, diese Unprofessionalität, in der man nicht regelt, was geregelt werden muss, führt dazu, dass die Investitionsbremse weiterhin angezogen bleibt. Das verhindert Investitionen, das verhindert neue Arbeitsplätze, das gefährdet vorhandene Arbeitsplätze.

Bemerkenswert ist, dass die Vorleistungen zwar in größerem Umfang berücksichtigt worden sind. Zu den jetzt angedachten 80 Millionen t CO2 ist jedoch aus der bisherigen Diskussion bekannt, dass allein Vattenfall schon jetzt 60 Millionen t für sich beanspruchen will. Daher ist davon auszugehen, dass dieser Sondertopf ruck zuck überbucht sein wird.

Folge: Jetzt erfolgt das Gekungel; es läuft bereits. Ein erbitterter Kampf um den Emissionsrechtekuchen, um Sonderkonditionen erfolgt bereits hinter den Kulissen. Gerüchte machen die Runde. Je größer die Unternehmen, die bereits die besten Marktchancen, auch durch erhöhte Abschreibungen und Steuervorteile ihres globalen Handels, haben, desto größer die Möglichkeit, ein fettes Stück vom Kuchen abzuschneiden.

Doch wie sieht es mit unseren Unternehmen in Sachsen-Anhalt aus, zum Beispiel mit den beiden Zementwerken - welches andere Bundesland ist in dieser Branche so weit vertreten? -, mit den Kalkwerken im Harz, der Raffinerie Total, den vielen mittelständischen Unternehmen, die energieintensiv und ausstoßintensiv arbeiten? Obwohl sie neueste Technologien, umweltfreundlichste Technologien haben, sind sie benachteiligt.

Mit welchen geringen Mengen die Vorleistungen der heimischen Wirtschaft - auch nach diesem so genannten Kompromiss - anerkannt werden sollen, ist nicht zu akzeptieren. Ostdeutsche Interessen und die enormen Einsparungen unserer Industrie - sage und schreibe eine absolute Menge von 136 Millionen t bis 1995 - hat sich Herr Trittin auf die Fahne geschrieben. Berücksichtigt werden sie nicht.

Für den hiesigen Zementhersteller Lafarge ist der gebliebene Referenzzeitraum 2000/2002 in höchstem Maße bedrohlich. Denn das bedeutet für dieses Unternehmen eine viel zu knappe Erstausstattung mit Zertifikaten, da in diesem Zeitraum die Produktion - wegen der Marktlage - 25 % unter der heutigen lag. Damals waren es 1,45 Millionen t, im Jahr 2003 waren es 1,85 Millionen t Zement. Ein Kauf von weiteren Zertifikaten für diese Mehrmenge, wenn sich der Markt belebt und das Unternehmen erfolgreicher wird, ist jedoch finanziell nicht

mehr möglich. Das bedeutet schlichtweg: Diese rotgrüne Politik führt dazu, dass der Sack Zement sich um 40 % verteuert. Das bedeutet keinerlei Marktchancen gegenüber Importen aus Tschechien; das bedeutet die Schließung dieser Werke, wenn Rot-Grün nicht nachsteuert.

(Zustimmung bei der CDU)

Ich spreche das mit vollem Ernst an, weil es hierbei um viele Arbeitsplätze geht.

(Frau Feußner, CDU: Ja, genau so ist es!)

Fakt ist auch: Hätte das Unternehmen eine bessere Auslastung, würde es mehr Gewinn erwirtschaften, könnte es investieren, könnte es Jobs sichern, neue Jobs schaffen und Arbeitsplätze festigen. Mit diesem so genannten Kompromiss wird ihm diese Möglichkeit aber genommen. Das Unternehmen muss das Geld in Zertifikate stecken anstatt in den Ausbau und in die Erweiterung seiner Anlagen. Rot-Grün vernichtet mit seiner Politik Arbeitsplätze und gefährdet Arbeitsplätze.

(Zuruf von Herrn Doege, SPD - Frau Mittendorf, SPD: Was soll denn das?)

Ich möchte die Härtefallklausel ansprechen. Eine ins Spiel gebrachte Härtefallklausel, eine Ergänzung des Referenzzeitraums, wurde bisher nicht konkretisiert, obwohl seit langem gefordert. Wichtig ist daher, dass eine bedarfsgerechte Ausstattung mit Zertifikaten für unsere Unternehmen und damit zur Sicherung unserer Arbeitsplätze erfolgt.

Formulierungen innerhalb des Allokationsplanes, die künftig noch Wachstum zulassen, sind offensichtlich nur schwach in den Kompromiss eingebracht worden. Wir haben jedoch die Industrie auch mit vielen Subventionen aufgebaut. Die Unternehmen kämpfen jetzt in einem harten Wettbewerb um eine Mehrauslastung ihrer hochmodernen Anlagen. Wenn sie diese mehr auslasten, werden sie effizienter und können mehr beschäftigen. Mit der jetzigen Regelung ist ihnen genau dieses Instrument verwehrt. Wenn sie jetzt ihre Anlagen weiter auslasten, müssen sie Emissionsrechtezertifikate zukaufen. Sie werden es nicht tun.

Abschließend: Denken Sie mal an eine der größten Schlüsselinvestitionen, über die in den letzten Monaten gesprochen worden ist und die für weitere tausende Arbeitsplätze in Deutschland mit von Bedeutung sein kann, den Cracker in Böhlen. Glauben Sie selbst, dass sich diese Investition am Standort Deutschland, gerade hier in Mitteldeutschland, rechnet, wenn das, was jetzt ausgehandelt wurde, Wirklichkeit wird? Damit vertun wir eine Chance, die Wertschöpfungskette im Chemiedreieck zu verdichten und tausende neue Arbeitsplätze zu schaffen. Ohne diesen Cracker haben wir dort kaum eine faire Chance, das in einem angemessenen Zeitraum zu schaffen.

(Zustimmung von Frau Feußner, CDU, und von Herrn Dr. Volk, FDP)

Ich appelliere an Sie insbesondere in der SPD-Fraktion, sich angesichts dessen, was weltweit im internationalen Wettbewerb passiert, dafür einzusetzen, dass sich die Bundesregierung stärker um die Interessen und den wirtschaftlichen Aufbau in den neuen Ländern kümmert, dass die Bundesregierung fair mit den neuen Bundesländern umgeht und dass die Bundesregierung zu einem vernünftigen markwirtschaftlichen Handeln zurückfindet,

das Umweltschutzpolitik und Wirtschaftspolitik gemeinsam möglich macht und Beschäftigung auf- anstatt abbaut.

Bitte, ziehen Sie mit uns und mit der Landesregierung gemeinsam an einem Strang in dieselbe Richtung und unterstützen Sie all diejenigen, die sich um Beschäftigung sorgen.

(Zuruf von Herrn Oleikiewitz, SPD)

Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Vielen Dank, Herr Gürth. - Nun erteile ich Minister Herrn Rehberger das Wort.