Unsere Aufgabe als Politiker ist es, das Notwendige, das Wünschenswerte und das Machbare miteinander in Einklang zu bringen. Die Förderung der Bibliotheken wird dabei immer eine staatliche Aufgabe bleiben und von einem seriösen Kulturpolitiker sicherlich nicht ernsthaft infrage gestellt werden. Trotzdem muss man dabei die finanziellen Möglichkeiten der einzelnen Träger im Auge haben, auf gesellschaftliche Entwicklungen reagieren und die Chancen technischer Entwicklungen nutzen.
Der Erneuerungs- und Aufholbedarf, der in allen Bibliotheken nach der Vereinigung bestand, ist weitgehend gedeckt. Massive Veränderungen im Zugang zur Information über das Internet werden Berücksichtigung finden müssen. Die Vernetzung, die im Bereich der wissenschaftlichen Bibliotheken, also der Bibliotheken der Funktionsstufe 2, weit fortgeschritten ist, muss auch in den öffentlichen Bibliotheken Einzug halten. Damit kann gerade bei selten genutzter oder sehr teurer Literatur die mehrfache Beschaffung zugunsten eines breiten Angebotes vermieden werden.
Des Weiteren können die Aufgaben, die eine Bibliothek im jeweiligen Ort zu erfüllen hat, zum Anlass genommen werden, über eine stärkere Verzahnung mit anderen Kultur- und Bildungseinrichtungen nachzudenken. So sind Kooperationen zwischen Stadt- und Schulbibliotheken denkbar, die den Bildungsauftrag der öffentlichen Biblio
theken stärker in den Vordergrund rücken. Die Kooperation mit kommunalen Museen bietet weitere Möglichkeiten.
Insgesamt sollten wir die heutige Debatte zum Anlass nehmen, zuversichtlich in die Zukunft zu schauen. Es ist richtig, dass gerade die Bildungs- und die Kommunalpolitiker die Entwicklung der einzelnen Einrichtungen mit wohlwollender Wachsamkeit verfolgen sollten, da eine Kultureinrichtung oft erst über Jahre dahinsiecht, bis sie an innerer Auszehrung und Leere gänzlich stirbt.
Dies berechtigt uns aber nicht, Herr Reck, per se zu einer negativen Grundhaltung. Deshalb beantragen wir als FPD-Fraktion die Überweisung des nachfolgenden Antrages, über den ja verbunden diskutiert wird, in den Ausschuss für Kultur und Medien.
Sicherlich ist eine Bibliothekskonferenz eine sinnvolle Initiative. Sie fußt ja auch auf einer gemeinsamen Anregung von Kultusministerium und Bibliotheksverband. Ob es aber eine ständige, ja quasi institutionalisierte Einrichtung sein muss, wage ich zu hinterfragen. Wir sollten uns diesem Thema in gewohnter Art und Weise im Kulturausschuss widmen und darüber diskutieren. - Ich bedanke mich.
Vielen Dank, Herr Dr. Volk. - Ich erteile nun Herrn Gebhardt das Wort, für die PDS-Fraktion zu sprechen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Bibliotheken in Sachsen-Anhalt befinden sich in einer schwierigen Situation. Das wird aber nicht erst durch die Antwort der Landesregierung auf die Große Anfrage der SPDFraktion deutlich. Deutlich wird es vor allem, wenn man die Entwicklung der Bibliotheken in den letzten Jahren vor Ort verfolgt, und fast jeder Nutzer bzw. jede Nutzerin einer solchen Einrichtung bekommt die Situation deutlich zu spüren. Schließungen von Bibliotheken und das Einführen von Gebühren sind nun einmal an der Tagesordnung, und das auch nicht erst seit heute.
Die Ursachen hierfür sind zwar vielschichtig, aber grundsätzlich liegt die Hauptursache fast immer im Geldmangel. Die Haushaltssituation der Kommunen hat sich in der Vergangenheit drastisch verschärft und die Landeszuweisungen für die Bibliotheken im Land Sachsen-Anhalt sind sehr stark gesunken. Bis 1993 gelang es noch, Mittel vom Bund für die Bibliotheksförderung aus dem Programm zum Erhalt der kulturellen Substanz und aus dem Infrastrukturprogramm des Bundes einzusetzen. Dieser Zeitraum war jedoch ein Ausnahmezeitraum.
Seitdem wurden die Bibliotheken hauptsächlich durch die jeweilige Kommune gefördert, sie wurden aber auch mit einer ordentlichen Landesförderung unterstützt. Heute, im Haushaltsjahr 2004, ist eine Förderung durch das Land kaum noch vorhanden. Die grundsätzliche Wertschätzung der Arbeit der Bibliotheken, die in der Antwort der Landesregierung auf die Große Anfrage der Fraktion der SPD zum Ausdruck kommt, wird konsequent begleitet von deutlich geringeren Fördermitteln und von sinkenden Zuweisungen an die Kommunen.
Der in der Antwort der Landesregierung ständig angebrachte Verweis darauf, dass die Kommunen für ihre
öffentlichen Bibliotheken selbst zuständig sind, ist zwar vom Grundsatz her nicht falsch, löst aber kein einziges Problem. Wenn ein dichtes Bibliotheksnetz im Interesse unseres Landes ist und wenn die kommunalen Bibliotheken so wichtig sind, dann muss man den Kommunen auch die entsprechenden Mittel zur Verfügung stellen. Auch hierfür gilt, wie im Kulturbereich im Allgemeinen: Die wichtigste Voraussetzung für eine gute Kulturpolitik und Bibliotheksförderung ist eine solide Finanzausstattung der Kommunen.
Meine Damen und Herren! Wie fast überall, merkt man auch bei diesem Thema, dass das Geld die zentrale Angelegenheit ist, insbesondere dann, wenn keines mehr vorhanden ist oder keines vorhanden zu sein scheint.
Die Antwort der Landesregierung zu Abschnitt 5 der Anfrage zum Thema Fördermittel berechtigt zu der Hoffnung - uns zumindest -, dass das Land sich künftig wieder stärker in die Bibliotheksförderung einbringen möchte.
Wir stimmen Ihnen auch zu, wenn Sie antworten, dass der Umfang der Förderung keine statische Größe darstellen kann, sondern flexibel auf bestimmte Dynamiken der kulturellen Entwicklung reagieren muss. Die Aussage allerdings, mit möglichst geringem Mitteleinsatz ein bestmögliches Resultat zu erzielen, klingt irgendwie nach der Quadratur des Kreises; denn irgendwann sind bestimmte Grenzen nun einmal erreicht bzw. haben wir sie schon überschritten.
Deutlich wird dies auch an einem Beispiel, das Kollege Reck vorhin angeführt hat. Von fachlicher Seite wird eine jährliche Erneuerungsquote von 12 % angeregt; 12 % werden hinsichtlich der jährlichen Bestandserneuerung für notwendig befunden. Im Land Sachsen-Anhalt werden aber nur 4,7 % erreicht. Damit wird deutlich, dass die Einrichtungen gar nicht in der Lage sind, sich konsequent zu erneuern und zu modernisieren. Neue und moderne Literatur, die für die Bildung notwendig ist, kann also zum Teil gar nicht vorgehalten werden.
Bibliotheksförderung ist nun einmal auch Förderung von Bildung und Bildung liegt in der Hoheit des Landes. Die Mitwirkung von Bibliotheken hierbei sollte für das Land ein Ansporn sein, sich aus der Förderung nicht gänzlich zu verabschieden.
Um das Thema Geld abzuschließen, noch eine Nachbemerkung: Nicht nur in der praktischen und alltäglichen Politik, sondern auch bei der Beantwortung bzw. bei der Fragestellung der Großen Anfrage wird ein Unterschied zwischen Regieren und Opponieren recht deutlich. Als die CDU in der Opposition war, gab es stets Protest gegen die Kürzung der Landesmittel bei den öffentlichen Bibliotheken. Heute hat sie als Regierungspartei die Kürzung nicht nur fortgeschrieben, sondern noch wesentlich verschärft.
Ich unterstelle der SPD-Fraktion, dass sie in ihrer Fragestellung bewusst darauf verzichtet hat, zu hinterfragen, wie sich die Landesförderung und die Bibliotheken in den letzten Jahren entwickelt haben. Man hätte dann nämlich lesen können und müssen, dass die Einschnitte während der Zeit der SPD-Regierung ähnlich groß waren. Den größten Einschnitt gab es übrigens beim Übergang vom Jahr 1998 zum Jahr 1999 von 5 Millionen DM auf 3 Millionen DM. Wer war denn damals Kultusminister im Land
Ich will doch bloß deutlich machen, dass die Tendenz schon vor langer Zeit eingesetzt hat und dass wir vielleicht schon früher über dieses Thema hätten nachdenken müssen, insbesondere dann, wenn man in der Exekutive gewesen ist.
Noch zu einigen inhaltlichen Punkten im Zusammenhang mit der Bibliotheksentwicklung, die in der Antwort der Landesregierung deutlich werden. Zum einen begrüßen wir als PDS ausdrücklich, dass Sie Einzelprobleme im Zusammenhang mit der Erstellung eines Landeskulturkonzeptes angehen wollen; denn als ein solches Gesamtkonzept war es auch angedacht. Bei der Diskussion über das Kulturkonzept wird die Entwicklung der Bibliotheksstruktur betrachtet werden.
Auch die Position zur Leseförderung und im Besonderen zur Zusammenarbeit von Schule und Bibliotheken teilen wir. Aber auch hierbei geht es irgendwann wieder ums Geld. Die Antwort der Landesregierung - Kollege Reck hat es angesprochen -, dass Maßnahmen wie Gebühren, Sanktionen, lange Wartezeiten, schlechtere Öffnungszeiten und Ähnliches eine Angelegenheit der Kommune sind, kann wirklich nicht befriedigen. Denn - wie bereits erwähnt - es stimmt zwar, löst aber kein einziges Problem.
Gerade beim Thema Zusammenarbeit von Schule und Bibliotheken sollte uns doch bewusst werden, dass es sich hierbei um Bildungschancen der jungen Generation in unserem Land handelt, noch dazu, wenn man weiß, dass ein Drittel aller Bibliotheksnutzerinnen jünger als 14 Jahre ist.
Diese Chancen müssen wir ausbauen und nicht behindern; denn schließlich geht es hierbei um nicht mehr und nicht weniger als um die Zukunftsfähigkeit unseres Landes.
Ein weiteres Problem will ich kurz ansprechen: Es gibt keine Standards für die Ausstattung von öffentlichen Bibliotheken. Das hat zur Folge, dass allerorten die jeweils Verantwortlichen nach ihrem Geschmack und ihrem Verständnis bestimmen können, in welchem Umfang und mit welchem Zweck Haushaltsmittel für ihre Bibliothek bereitgestellt werden. Das gilt sowohl für die Bestandserneuerung als auch für Vernetzungsfragen. Das ist ein schwieriger Zustand, der aus unserer Sicht einer Korrektur bedarf.
Kurz etwas zum Antrag der SPD-Fraktion „Einrichtung einer Bibliothekskonferenz für das Land Sachsen-Anhalt“, der nachher - allerdings ohne Debatte - beraten wird. Die Bibliothekskonferenz soll sich mit den Perspektiven sowie der Finanzierung öffentlicher Bibliotheken, insbesondere mit Lösungsvorschlägen zur Sicherung einer flächendeckenden Bibliotheksversorgung in Sachsen-Anhalt, beschäftigen - so steht es geschrieben. Das klingt erst einmal zweckmäßig.
Ich muss allerdings eingestehen: Beim ersten Lesen dachte ich - wir haben erst vor kurzem parteiübergreifend einen Kultursenat beschlossen, der sich mit genau solchen Dingen perspektivisch beschäftigen soll -, es macht wenig Sinn, wenn wir jetzt einzelne Kultursparten herausziehen und dafür einen Extrasenat oder eine Extrakonferenz einberufen, zumal ständig betont wird, dass
es eigentlich eine kommunale Aufgabe ist, und wir jetzt dafür sorgen, dass sich das Land dies als hoheitliche Aufgabe auf den Tisch zieht.
Aber ich habe einige Dinge angesprochen, bei denen das Land durchaus eine aktive Rolle spielen sollte, Dinge, die nach wie vor inhaltlich noch ungeklärt sind. Ich denke, wir sollten die Möglichkeit nutzen - wie mein Vorredner Kollege Dr. Volk betont hat -, in bewährter Art und Weise im Ausschuss darüber zu beraten, wie eine solche Bibliothekskonferenz funktionieren könnte, welchen Sinn diese Einrichtung aus unserer Sicht haben sollte und vor allem, welche Rolle das Land dabei spielen sollte.
Ich bitte deshalb auch um eine Überweisung des Antrages in den für Ausschuss für Kultur und Medien. - Vielen Dank.
„Als öffentliche Bibliotheken werden die allgemein zugänglichen, nach fachlichen Grundsätzen verwalteten Bibliotheken in Trägerschaft der Kommunen oder anderer Körperschaften des öffentlichen Rechts sowie freier Träger, soweit sie nicht überwiegend für wissenschaftliche Zwecke vorgehalten werden, bezeichnet.“
Mit diesen Worten definiert der Bibliotheksentwicklungsplan des Landes, den der damalige Kultusminister Reck im März 1998 der Öffentlichkeit übergab, die Einrichtung, zu der die Landesregierung eine Große Anfrage der SPD-Fraktion zu beantworten hatte, über die wir heute zu debattieren haben.
Unstrittig ist, dass die Bibliotheken den Bürgern dieses Landes für ihre schulische und berufliche Aus-, Fort- und Weiterbildung, für ihre kreative Freizeitgestaltung und für ihre Unterhaltung dienen. Sie unterstützen durch ihre Medien die politische Willensbildung im demokratischen Gemeinwesen, helfen bei der Sinnorientierung und Wertebildung, dienen der Leseförderung und der Herausbildung von Medienkompetenz und haben als kulturelle Einrichtungen auch eine Fülle sozialer Integrationsaufgaben zu erfüllen.
Die öffentlichen Bibliotheken leisten einen wesentlichen Beitrag zur Verwirklichung des Grundrechts des Bürgers, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern, zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. So weit der Anspruch des Grundgesetzes.
Ein Anteil von 90 % der Bibliotheksnutzung fällt in den Bereich des öffentlichen Bibliothekswesens. Keine andere Kultureinrichtung oder außerschulische Bildungseinrichtung erreicht einen so hohen Anteil aller Alters-, Sozial- und Bildungsschichten der Bevölkerung wie die öffentlichen Bibliotheken.
Das Vorhalten von öffentlich zugänglichen Bibliotheken gehört zu den freiwilligen Selbstverwaltungsaufgaben
„Das Land und die Kommunen fördern im Rahmen ihrer finanziellen Möglichkeiten die kulturelle Betätigung aller Bürger insbesondere dadurch, dass sie öffentlich zugängliche... Büchereien... und weitere Einrichtungen unterhalten.“
Nach Artikel 3 Abs. 3 der Landesverfassung verpflichten die Staatsziele das Land, sie nach Kräften anzustreben und sein Handeln danach auszurichten.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir erleben derzeit einen der gravierendsten Wandlungsprozesse, die Deutschland in seiner jüngeren Geschichte durchmachen musste. Ich meine damit die katastrophale demografische Entwicklung insbesondere auch in Sachsen-Anhalt, die durch Abwanderung, aber auch durch die geringe Geburtenzahl, die die Zahl der Sterbefälle unterschreitet, gekennzeichnet ist. Dies stellt die gesamte Infrastruktur unseres Landes vor ganz neue Herausforderungen, auch die Bibliothekslandschaft in SachsenAnhalt.
Der Status quo zu Beginn der 90er-Jahre kann in allen Bereichen nicht gehalten werden. Die Bibliothekslandschaft bildet dabei keine Ausnahme. Das Zusammenlegen von Verwaltungsgemeinschaften, später auch von Landkreisen, und die Ausdünnung der Schullandschaft durch die vollzogene Schulentwicklungsplanung werden für das gesamte gesellschaftliche Leben, insbesondere in der Fläche, gravierende Auswirkungen haben.
Die finanzielle Notlage der Städte und Gemeinden wird sich auch in den nächsten Jahren nicht gravierend ändern. Insbesondere in der Fläche werden die Gemeinden den Bevölkerungsabbau zu spüren bekommen, da ein Teil der Zuweisungen vom Land, aber auch die Steuereinnahmen maßgeblich von der Kopfzahl der Bevölkerung, insbesondere der arbeitenden Bevölkerung, abhängen.