Vielen Dank, Frau Dr. Kuppe. - Damit ist die Aussprache zur ersten Großen Anfrage beendet. Ich rufe die zweite Große Anfrage auf:
Das Thema wird in der gleichen Redezeitstruktur abgehandelt. Ich erteile zunächst der Fraktion der SPD das Wort. Es spricht Herr Reck. Bitte schön.
„Mehr als das Gold hat das Blei die Welt verändert und mehr als das Blei in der Flinte das im Setzkasten.“
Diese Worte von Lichtenberg, dem Philosophen und Mathematiker, will ich an den Anfang meiner Ausführungen stellen und sie mit den Luther-Worten ergänzen:
Beides gilt auch heute noch, auch wenn das Blei und der Setzkasten durch andere Technologien ersetzt worden sind. Es war, ist und bleibt unverzichtbar, ein Buch aus Papier in die Hand zu nehmen und zu lesen. Der Computer und das Internet - so schätzt die Stiftung Lesen ein; ich bin von der Richtigkeit dieser Einschätzung überzeugt - werden das Lesen vom Papier nicht ersetzen können.
Lesen können ist sogar eine notwendige Bedingung für die Nutzung dieser Medien. Das heißt, wer kein Leser ist, so schreibt Hans-J. Hippler in „Tummelplatz Internet oder ist Lesen eine veraltete Technologie?“, wird auch keinen Zugang zu den Technologien des 21. Jahrhunderts haben. Der Computer wird genauso wenig wie das Fernsehen zum Fressfeind des Buches werden.
Deshalb ist lesen Lernen und Lesen im lutherischen Sinne wichtig für die Bildung, die Persönlichkeitsentwicklung und wichtig für die Entwicklung von Wissenschaft und Fortschritt. Das Lesen ist so wie die gesamte Bildung ein wichtiges Fundament für die Zukunftssicherung unserer Gesellschaft, unseres Landes, und deshalb ist es auch unsere Pflicht im Parlament, uns darum zu kümmern.
Öffentliche Bibliotheken sind Orte, an denen dieses Lernen, dieses lesen Lernen ein Zuhause hat. Bibliotheken sind Orte, an denen jeder Mann und jede Frau und vor allem jedes Kind an ein Buch kommt. Bibliotheken sind Orte, wo man darüber beraten wird, was ein gutes Buch ist und dass man lieber Harry Potter statt Daniel Küblböck lesen sollte. Bibliotheken sind Orte, wo man gesagt bekommt, was man von Erwin Strittmatter, Christa Wolf oder Birgitte Reimann lesen muss, wo neben Günter Grass und Hemingway auch ein Krimi von Henning Mankell zu finden ist.
Ich kann den neuen Krimi von Henning Mankell nur empfehlen. Er heißt: „Vor dem Frost“. Ich bekenne mich ganz deutlich dazu, dass ich ein ausgesprochener Fan von Harry Potter bin.
Ich habe vorhin scherzhaft gesagt, dass dieses Abzeichen derjenige erhält, der alle fünf Bände gelesen hat. Das war gelogen. Das Abzeichen erhält derjenige in manchen Läden, der den fünften Band gekauft hat. Ich
Bibliotheken sind Kulturzentren und Agenturen des Wissens und leisten gleichzeitig einen wichtigen Beitrag zur Erziehung von Kindern und Jugendlichen; sie sind mit anderen Worten unverzichtbar.
Meine Damen und Herren! Weil wir in Sorge um die Entwicklung der öffentlichen Bibliotheken sind, haben wir die Große Anfrage formuliert und waren gespannt auf die Antworten der Landesregierung. Die Antworten liegen jetzt vor, die Sorgen sind nicht geringer geworden.
Meine Damen und Herren! Man muss der Landesregierung und dem Kulturministerium bescheinigen, dass es auch bei dieser Antwort gelungen ist, mit vielen Worten möglichst wenig zu sagen. Die Antwort der Landesregierung umfasst zwar 23 Seiten, fundierte Auskünfte, ganz zu schweigen von konzeptionellen Vorschlägen, sind allerdings nur spärlich zu finden. Ich gebe aber zu, dass wir das auch nicht ernsthaft erwartet haben.
Herr Kultusminister, für eines bin ich allerdings dankbar: Klarer hätten Sie es nicht ausdrücken können. Ihre Antwort auf unsere Große Anfrage ist ein einziges Plädoyer des Rückzuges aus der Bibliotheksförderung, des Rückzugs besonders aus der Fläche und der Delegierung der Verantwortung für die Bibliotheksversorgung im Land ausschließlich an die Kommunen und den Bibliotheksverband.
Meine Damen und Herren! Eigentlich haben die öffentlichen Bibliotheken im Land Sachsen-Anhalt in den letzten Jahren eine mehr als erfreuliche Entwicklung genommen. Die Anzahl der Besucher von Bibliotheken stieg in den letzten sechs Jahren um fast 20 % auf 3,2 Millionen im Jahr 2003. Das ist der beste Beweis für die Bedeutung der Bibliotheken als Lernorte und als Orte der Literatur- und Informationsversorgung. Im Gegensatz dazu verschlechterten sich die Rahmenbedingungen zum Erhalt dieser so wichtigen und allseits anerkannten Informationspunkte zusehends.
So wurden im Landeshaushalt 2003 die Mittel zur Förderung der Bibliotheken drastisch reduziert. Während im Jahr 2002 noch insgesamt 1,3 Millionen € zur Verfügung standen, waren es im Jahr 2003 nur noch 597 000 €. Zieht man die Bibliothekstantieme ab, so verblieben für die Gemeinden für das Jahr 2003 nur noch 180 000 €. Die Förderung reduzierte sich um mehr als die Hälfte. Auch für das Jahr 2004 waren CDU und FDP nicht bereit, diesen geringen Ansatz zu erhöhen. Der Anlage 1 der Antwort ist zu entnehmen, dass von diesen 597 000 € nur 91 000 € vom Land kamen, der Rest waren Eigenmittel der Träger und EU-Mittel.
Meine Damen und Herren! Es reicht aus unserer Sicht eben nicht, den Antworttext mit wortschweren Bekundungen zur Bedeutung der Bibliotheken anzureichern, ihnen aber keine Taten folgen zu lassen.
Ohne die EU-Strukturfondsförderung sähe es in Sachsen-Anhalt ganz düster aus. Der Förderzyklus endet aber im Jahr 2006. Was passiert dann?
Wie stellt sich das Land nun die Entwicklung der Bibliotheksstrukturen vor? Die Aussagen der Landesregierung dazu sind ziemlich deprimierend. So ist im Antworttext zur Frage 1.7 zu lesen:
„Sollte sich herausstellen, dass die Strukturen für das konventionelle Modell auf Dauer nicht finanzierbar sind, so müssen auch alternative Bibliotheksangebote weiterentwickelt werden, unter anderem Fernleihe, Kreisleihverkehr, Ausleihe in Bürgerbüros.
Das Land wird sich im Rahmen seiner Möglichkeiten daher zukünftig auf die Unterstützung der Bibliotheken des gehobenen Bedarfs in den Oberzentren Magdeburg, Halle und Dessau konzentrieren und die Bibliotheken des erweiterten Grundbedarfs mit überörtlichem Wirkungskreis unterstützen. Die Bibliotheken des Grundbedarfs können durch das Land keine gesonderte Förderung mehr erhalten.“
In Anbetracht der ohnehin geringen Fördersumme des Landes brechen vor diesem Hintergrund sehr schwere Zeiten für die Bibliotheken im Land an, besonders für die Bibliotheken, die sich nicht in den Oberzentren befinden.
Die Delegierung der Verantwortung und die Finanzierung durch die Träger hat aber auch noch einen anderen Haken: In den Jahren 2003 und 2004 hat die Landesregierung allgemeinen Zuweisungen an die Kommunen dramatisch reduziert. Viele Kommunen haben keinen ausgeglichenen Haushalt und Probleme bei der Genehmigung ihrer Haushalte.
Sehr geehrter Herr Minister, es klingt wie eine Verhöhnung der Kommunen, wenn man in diesem Zusammenhang die Antwort auf die Frage 2.7 liest. Dort wird gefragt, wie die Landesregierung verhindern will, dass die Sparmaßnahmen der Kommunen aufgrund ihrer aktuellen Haushaltslage, wie die Erhöhung der Lesegebühren, die Verkürzung der Öffnungszeiten, das Schließen von Bibliotheken und Zweigstellen, gerade junge Benutzer vom Bibliotheksbesuch abschrecken. Die Landesregierung - hier das Kultusministerium - antwortet - ich zitiere -:
„Die genannten Maßnahmen liegen in der Verantwortung der Kommunen als Bibliotheksträger. Eine unmittelbare Einflussnahme des Landes ist somit nicht gegeben.“
- Das ist eben das starke Stück. Ich sage es ganz einfach: Der eine Minister der Landesregierung nimmt den Kommunen das Geld weg und der andere Minister schreibt Briefe, weil der Haushalt nicht ausgeglichen ist, in denen steht: Schließt Eure Bibliotheken! Sie, Herr Kultusminister, sagen, es gebe keine Einflussnahme des Landes.