Wo stehen wir denn? - Wir haben generell in den neuen Bundesländern eine durchschnittliche Unterbeschäftigungsquote von 25 %. Solange wir diese Unterbeschäftigungsquote bis auf wenige Wachstumsinseln in sämtlichen neuen Bundesländern feststellen müssen, ist es für alle Länder eine verfassungsgemäße Aufgabe, den Aufbau in den neuen Bundesländern nachhaltig zu unterstützen.
Es ist zu kurzfristig gedacht, wenn man dies durch kurzzeitig bestehende Vorteile, durch die Reduzierung der Höhe der Mittel in geringem Umfang und durch Umschichtungen von Mitteln wieder aus den Augen verlieren möchte.
Das größte Problem ist die Unterbeschäftigung; diese hat viele Ursachen. Sehen wir uns einmal die genauen Zahlen im Bereich der Forschung und der Entwicklung an. Herr Dr. Thiel hat zu Recht die Frage nach den Kriterien für Wachstumszentren und Wachstumspotenziale aufgeworfen, die wir definieren müssen, um die Schwerpunkte der Wirtschaftsförderung, die wir im Land Sachsen-Anhalt betreiben wollen, eindeutig zu festzulegen.
Das ist ein Punkt, der noch nicht abgeschlossen ist. Ich freue mich, dass wir nach dem gemeinsamen Antrag dieses Thema im Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit noch näher erörtern werden.
Wenn wir uns anschauen, wie das Verhältnis Ost-West aussieht, müssen wir feststellen, dass im Jahr 2001 in den Forschungsstätten der Wirtschaft der neuen Bundesländer ca. 25 000 Beschäftigte in so genannten Hightech-Laboren und auf Hightech-Arbeitsplätzen tätig wa
ren. Das sind fast so viele Beschäftigte wie in den Vorjahren, das heißt, es hat keinen wesentlichen Zuwachs gegeben, obwohl wir viel Geld investiert haben.
Der Anteil Ostdeutschlands am F- und E-Potenzial in der Wirtschaft beträgt aber nach wie vor gerade einmal 8 %. Davon arbeitet der größte Teil, ca. 70 %, in kleinen und mittleren Unternehmen. Das macht ein nächstes Problem deutlich: dass die Wirtschaftsstrukturen sehr kleinteilig sind und dass wir diese Strukturen überwinden müssen.
Wer dem zustimmt, kommt klar zu der Aussage, dass das nicht ohne eine nachhaltige Förderung funktionieren kann. Wir brauchen mehr Unternehmen, wir brauchen mehr Selbständigkeit.
Nehmen wir die Exportquote. Deutschland lebt bei der derzeit bestehenden Konjunktur, die ein Nullwachstum verzeichnet, im Wesentlichen vom Export. In den neuen Bundesländern beträgt die Exportquote gerade einmal 24,7 %. Das Land Sachsen-Anhalt hat bis zum Jahr 1992 eine Exportquote von bis zu 37 % gehabt. Verglichen mit dem Durchschnitt der alten Bundesländer haben wir dort heute eine Exportquote von 39,2 %, das Land Sachsen-Anhalt hat eine Exportquote von 20,1 %. Das macht deutlich, in welchen Bereichen noch investiert werden muss.
Man kann das mit der Selbständigenquote, mit anderen volkswirtschaftlichen Kennziffern weiter untermauern, aber diese würden eine These klar bekräftigen: Die neuen Bundesländer brauchen nach wie vor die Unterstützung der gesamten Republik, um schnell aufzuschließen.
Ich möchte an dieser Stelle an ein weiteres Argument erinnern, das in den letzten Monaten und Jahren in Vergessenheit geraten ist. Bei dem jetzigen Kampf um die Verteilung der knapper werdenden Mittel wird völlig vergessen, was sich nach der Wende, Anfang der 90erJahre, in Deutschland abgespielt hat. Wir haben in den Jahren 1988/1989 in Westeuropa bereits eine beginnende Rezession gehabt, die nur deshalb nicht ganz Deutschland, vor allem die westdeutsche Wirtschaft, ergriffen hat, weil wir die Binnenkonjunktur durch den Fall der Mauer angekurbelt haben.
Durch die Konsumnachfrage in den neuen Bundesländern über einen Zeitraum von mindestens fünf Jahren wurden tausende und abertausende von Arbeitsplätzen im gesamten Deutschland gesichert. Das darf nicht in Vergessenheit geraten. Deshalb sollten wir an dieser Stelle bei den Verteilungskämpfen daran erinnern, dass wir eine gesamtdeutsche Aufgabe beim Aufbau unserer Wirtschaft haben und dass wir nicht in den Streit um die Kürzung um einige hundert Millionen einsteigen sollten, ohne das Gesamtpaket aus den Augen zu verlieren.
Ich appelliere an die Landesregierungen aller Bundesländer, egal, wer sie regiert, dass wir der Gesamtverantwortung gerecht werden müssen; sonst wird niemand gewinnen in diesem Verteilungskampf. Kein Land der Erde und keine Ökonomie können dauerhaft stabil funktionieren, wenn wir solche großen Disparitäten über einen langen Zeitraum fortschreiben.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich glaube, es ist uns gelungen, mit diesem Antrag ein Signal zu setzen; denn er zeigt, dass wir uns in den Kernfragen der wirtschaftlichen Entwicklung einig sind, auch wenn wir
im Detail um die richtige Lösung streiten. Deswegen nochmals ein herzlicher Dank an alle, die an diesem Antrag mitgewirkt haben. Ich freue mich auf eine interessante Debatte zu dieser wirklich wichtigen Thematik.
Vielen Dank, Herr Gürth. - Zum Abschluss hat noch einmal Frau Budde das Wort. - Sie verzichtet. Dann ist die Debatte abgeschlossen.
Wir stimmen über die Drs. 4/1201 neu ab. Wer stimmt zu? - Das sind hoffentlich alle Fraktionen. Stimmt jemand dagegen? - Stimmenthaltungen? - Beides ist nicht der Fall. Damit ist dieser Antrag vom Landtag einstimmig angenommen worden.
Meine Damen und Herren! Ich mache Sie darauf aufmerksam, dass wir vor der Mittagspause noch den Tagesordnungspunkt 7 behandeln werden. Ich bitte die Fraktionen sicherzustellen, dass die Redner zu diesem Tagesordnungspunkt anwesend sind. Die Mittagspause selbst wird sicherlich kurz vor 13 Uhr beginnen. Ich bin gebeten worden, darauf hinzuweisen, dass sich der Ausschuss für Wohnungswesen, Städtebau und Verkehr in der Mittagspause trifft.
Nun bitte ich um Ihre Aufmerksamkeit für eine Erklärung außerhalb der Tagesordnung. Das Wort hat der Abgeordnete Herr Dr. Jürgen Heyer. Bitte schön.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben gerade etwas erlebt, was in diesem Hause Seltenheitswert hat: Alle Fraktionen sind sich einig und haben einem Antrag zugestimmt. Das ist eine schöne Sache.
Für mich ist es gerade nach dieser Debatte ein schöner Anlass, Ihnen Lebewohl zu sagen. Ich bin als Abgeordneter und als Minister neuneinhalb Jahre im Landtag gewesen. Das war eine umwerfende Zeit, eine tolle Zeit, in der ich viele Freunde gewonnen habe, in der ich unglaublich viel lernen konnte und in der wir alle gemeinsam vielleicht einiges hinbekommen haben. Dafür möchte ich Ihnen ganz herzlich danke sagen.
Ich habe vor der Situation gestanden, etwas Neues zu beginnen oder hier zu bleiben. Ich habe mich für das Neue entschieden. Ich habe dazu einige E-Mails bekommen, in denen stand: „Du bist ein Verräter“, „Du hättest hier nicht weggehen dürfen“, „Du bist schließlich Abgeordneter im Landtag“, „Das gehört sich nicht“. Ich werde diese E-Mails beantworten und schreiben: Einerseits habt ihr Recht, aber andererseits nehme ich für mich in Anspruch, gesagt zu haben, Politik sei eine Sache auf Zeit, jedenfalls für mich. Ich möchte auch einmal sehr egoistisch sagen: Jetzt will ich etwas anderes tun und das macht mir Spaß und Freude, da muss man auch einmal loslassen können.
Es wird vielleicht nicht bei allen auf Zustimmung stoßen, aber ich kann es nicht ändern. Ich blicke jedenfalls auf diese Zeit, die ich im Landtag mit Ihnen allen verbringen durfte, mit großer Dankbarkeit zurück. Ich sage Ihnen
deshalb danke für alles, was wir miteinander diskutiert haben und auskämpfen konnten. Sie wissen, dass ich nicht immer derjenige war, der die leisen Töne geliebt hat,
sondern ich bin jemand, der gelegentlich auch deutlich seine Meinung gesagt hat. Ich werde mich aber deshalb nicht entschuldigen, denn das würde viel zu lange dauern.
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich wünsche Ihnen allen - unabhängig welcher Fraktion und Funktion -, dass Sie immer eine gute und glückliche Hand für die Geschicke unseres Landes haben. Ich würde mich außerordentlich glücklich schätzen, wenn Sie in der Mittagspause - ich hörte, dass sich der Ausschuss für Kultur und Medien und der Verkehrsausschuss ebenfalls zusammensetzen wollen - vielleicht noch Zeit haben, in den Fraktionssaal der SPD zu kommen, um einen Abschiedsschluck mit mir zu trinken. Das wäre eine gewisse Abrundung meiner bisherigen Tätigkeit.
Vielen Dank, Herr Dr. Heyer. Ich glaube, dass ich im Namen des Hauses sprechen kann, wenn ich sage, dass auch wir Ihnen alles Gute für die kommenden Jahre und Jahrzehnte wünschen.
Wir kommen zur Frage 1. Sie betrifft die potenziellen Auswirkungen einer Privatisierung der zu bildenden Fernwasser-GmbH. Dazu rufe ich den Fragesteller Herrn Peter Oleikiewitz auf.
Wir kommen zur Frage 2. Es geht um den Vertrag der Landesmarketinggesellschaft mit WMP EUROCOM AG. Die Frage wird von der Abgeordneten Frau Ute Fischer gestellt. Bitte schön.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Zwischen der Landesmarketinggesellschaft Sachsen-Anhalt GmbH und der Firma WMP EUROCOM AG wurde ein Beratervertrag über Kommunikationsaktivitäten mit einer Laufzeit vom 1. Februar 2003 bis zum 31. Dezember 2003 und einem Honorar von 200 000 € plus 16 % Mehrwertsteuer geschlossen. Der Vertrag
1. Hätte der Vertrag seinerzeit von der Landesmarketinggesellschaft öffentlich ausgeschrieben werden müssen?
2. Sind dem Land bzw. der Landesmarketinggesellschaft Kosten durch den Beratervertrag entstanden - wenn ja, in welcher Höhe und für welche Leistungen?
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich darf die Kleine Anfrage der Landtagsabgeordneten Frau Ute Fischer wie folgt beantworten.
Zu 1: Nein. Es bedurfte keiner Ausschreibung durch die LMG. Im Übrigen hatte das Ministerium für Wirtschaft und Arbeit im September 2002 einen Agenturwettbewerb für Werbedienstleistungen und Standortmarketing öffentlich ausgeschrieben. Das Ergebnis entsprach nicht annähernd den mit der Ausschreibung verbundenen Erwartungen. Eine erneute Ausschreibung durch die LMG wäre unter diesem Aspekt nicht zielführend gewesen.