Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Angesichts der fortgeschrittenen Zeit und der langen Pause, die aus den bereits beschriebenen Gründen eingelegt worden ist, werde ich mich bemühen, zu den „Niederungen“ der Finanzpolitik zurückzukehren, die Sicht der CDU-Fraktion darzulegen und die Ergebnisse der Beratungen des Finanzausschusses über den diesjährigen Etat ein Stück weit zu beleuchten.
„Du kannst einen Fürsten lieben, du kannst einen König lieben, aber der Mann, den du fürchten musst, ist der Steuereinnehmer.“
Die Erkenntnis, die uns diese Keilschrift aus dem Jahr 3000 vor Christus vermittelt, ist offenbar zeitlos. Haushalts- und Finanzpolitik sind höchst selten in den Kategorien der Popularität abbildbar.
Doch bevor ich zu meinen Ausführungen komme, möchte ich die Gelegenheit - wie schon meine Vorredner - ergreifen und mich bei der Ausschussvorsitzenden Frau Dr. Weiher sowie bei ihrer zeitweiligen Vertretung, Frau Weiß, für die außerordentlich fachkundige und sachorientierte Verhandlungsführung bedanken.
Mein besonderer Dank gilt des Weiteren der Ausschusssekretärin Frau Kahl, den Mitarbeitern des Stenografischen Dienstes sowie dem Gesetzgebungs- und Beratungsdienst. Die Unterstützung, die unsere Arbeit durch den Landesrechnungshof erfahren hat, möchte ich ebenso in meinen Dank einschließen wie die Arbeit des Finanzministeriums.
Meine Damen und Herren! Haushalts- und Finanzpolitik in diesen so schwierigen Zeiten zu gestalten, heißt für uns als CDU-Fraktion, uns nicht nur zu der Verantwortung für das Land Sachsen-Anhalt zu bekennen, sondern diese Verantwortung auch in konkretes Handeln umzusetzen. Wir tun das in dem Sinne von Hans Jonas, der das Prinzip „Verantwortung“ als die Möglichkeit definiert, verantwortliches Handeln auch künftig zu gewährleisten. Was heißt das?
Die Haushalts- und Finanzpolitik dieser Regierung ist in erster Linie darauf orientiert, die Handlungsfähigkeit unseres Landes zu bewahren und für kommende Generationen zu gewährleisten. Die ungeschönte Wahrheit ist, dass wir Gefahr laufen, unsere Handlungsfähigkeit, die sich in großen Teilen eben auch finanzpolitisch begründet, zu gefährden.
Der Föderalismus in Deutschland, zu dem wir uns unmissverständlich bekennen, weist den Ländern Aufgaben zu, für deren Bewältigung finanzielle Ressourcen zwingend erforderlich sind. Das Land Sachsen-Anhalt ist dabei auf die solidarisch angelegten Transfersysteme angewiesen. Die Steuerdeckungsquote von 43,7 % belegt dies deutlich.
War es zunächst der Fonds „Deutsche Einheit“, so sind es nunmehr der Länderfinanzausgleich, der Solidarpakt und die EU-Zuweisungen, die uns ein Maß an Einnahmen sichern, das für die Entwicklung unseres Landes existenziell ist.
Meine Damen und Herren! Das Ihnen heute zur Beschlussfassung vorliegende Gesetzespaket umfasst drei Teile: das Haushaltsbegleitgesetz, das Gesetz zur Änderung des Finanzausgleichs und das eigentliche Haushaltsgesetz. Wir haben in den vergangenen Wochen sehr intensiv und detailliert über dieses „in Zahlen gegossene Politikkonzept“ beraten. Ich habe erfahren, dass Herr Fikentscher für dieses Zitat in Haftung genommen wird.
Wir sind - das ist die feste Überzeugung der CDU-Fraktion - zu einem akzeptablen Ergebnis gekommen. Es ist gelungen, die Steuermindereinnahmen von 110 Millionen € in den Haushalt einzuarbeiten, ohne die Verfassungsgrenze zu reißen. Das ist heute schon mehrmals betont worden.
Der Haushalt weist nunmehr bei einem Gesamtvolumen von mehr als 10 Milliarden € eine Nettoneuverschuldung in Höhe von 970 Millionen € auf. Ich möchte klar und offen bekennen: Das Unterschreiten der Verfassungsgrenze um knapp 21 Millionen € kann nur als relativer Erfolg betrachtet werden.
Angesichts der bedrohlichen Rahmenentwicklung im Bund, der wir als kleines Land in Deutschland nun einmal ausgesetzt sind, waren andere Ergebnisse nicht erreichbar, zumal wir mit der Auszahlung der Lehrerarbeitszeitkonten eine klassische Altlast der vergangenen Regierung abzuarbeiten hatten.
Meine Damen und Herren! Ich will nicht in billige Rhetorik verfallen. Aber einen Betrag von 250 Millionen €, also fast ein Viertel der Neuverschuldung, haben Sie, meine Damen und Herren von den Oppositionsfraktionen, zu verantworten. Herr Dr. Püchel, damit meine ich auch Sie.
Ihre Politik, die darin bestand, Haushaltsrisiken in die Zukunft zu verschieben, zeitigt heute, im Haushalt 2004 ihre Wirkung.
Wir mussten unser Ziel, die Nettoneuverschuldung bis zum Jahr 2006 auf Null zu fahren, um zwei Jahre verschieben. Das ist eine bittere Revision, die angesichts der bundespolitischen Realitäten alternativlos ist. Das Ziel, die Nettoneuverschuldung zu beseitigen, wird jedoch in unserer Finanzpolitik oberste Priorität genießen. Das ist im Sinne der Nachhaltigkeit, der Generationengerechtigkeit und der Zukunftsfähigkeit in Deutschland.
Wir haben allzu lange alle miteinander geglaubt, die großen Probleme, die Sicherung der Sozialsysteme, des Wohlstandes schlechthin, ließen sich durch kurzfristige Maßnahmen steuern bzw. beseitigen. Das demografische Desaster, vor dem wir stehen, war hinlänglich bekannt und absehbar. Es ist originär hausgemacht und letztlich Ausdruck dieses Irrtums.
In Deutschland wurde jahrelang über die Nachhaltigkeit im Zusammenhang mit Käfern und Fledermäusen gestritten. Dass dabei die Frage der Nachhaltigkeit bezogen auf die Bevölkerung in Deutschland, auf die Anzahl der Kinder als Fundament unserer Gesellschaft außen vor blieb, ist in der Rückschau vorsichtig als unverantwortlich zu bezeichnen.
Deutschland ist auf den 160. Platz von 181 gezählten Staaten dieser Welt herabgesunken, was die Zahl der geborenen Kinder angeht. Meine Damen und Herren! Die Zukunftsfähigkeit unseres Landes kann nur dann dauerhaft gesichert werden, wenn wir hierbei eine andere Entwicklung erreichen.
„Veränderung beginnt mit dem Wahrnehmen dessen, was ist“, so hat August Bebel einmal gesagt. Umso dringender sind nunmehr in Ableitung von dieser Aussage die Reformen, über die in diesen Tagen diskutiert wird und die den demografischen und ökonomischen Problemen Rechnung tragen.
Dass sie viel früher hätten kommen müssen, ist mittlerweile unstrittig. Doch es war eben diese Bundesregierung, die im Jahr 1998 den bescheidenen demografischen Faktor in der Rente, die Minijobs und alle Reformen in der Arbeitsmarktpolitik mit einem Federstrich beseitigt hat
und fünf Jahre später mit derselben Sprunghaftigkeit wieder einführt. Fünf verlorene Jahre für Deutschland, eine völlig falsche Wirtschafts-, Arbeitsmarkt- und Finanzpolitik haben den Handlungsdruck nunmehr so verstärkt, dass nur ein radikales Umsteuern noch dabei helfen kann, aus der Wachstums- und Beschäftigungskrise herauszukommen. Wir als CDU sind bereit, diesen Weg mitzugehen. Er muss aber konzeptionell sauber und systematisch gegangen werden, meine Damen und Herren.
Die Kaskade des Steuerverfalls, die wir in den letzten Jahren zu verzeichnen hatten, kann nur durch grundlegende Reformen in der Wirtschafts- und Finanzpolitik gestoppt werden. Die CDU hat hierzu mit den Vorschlägen von Merz und Herzog - darauf wurde bereits rekurriert - beachtliche Reformkonzepte vorgelegt.
Neben diesen langfristig angelegten Maßnahmen wird in diesen Stunden über kurzfristig wirkende Reformen verhandelt. Der Ministerpräsident ist extra deswegen nach Berlin gefahren.
Dass das Vorziehen einer Stufe der Steuerreform die Wirkung entfalten wird, die mancher propagiert, ist höchst zweifelhaft. Dies ausschließlich über neue Schulden zu finanzieren, ist für uns völlig inakzeptabel. Der Ministerpräsident hat unsere volle Unterstützung, darüber hart zu verhandeln.
Natürlich werden wir angesichts der Mehrheitsverhältnisse und der differenzierten Interessenlagen im Bundesrat konkret abzuwägen haben. Aber unabhängig davon, ob es um die Hartz-Gesetze oder um die Frage des Subventionsabbaus geht, müssen wir alle gemeinsam über unsere bundespolitischen Akteure versuchen, den finanzpolitischen Schaden für unsere Länder - in diesem Fall für Sachsen-Anhalt - abzuwenden oder zumindest zu begrenzen.
Es kann nicht angehen, dass wir in den mitteldeutschen Ländern in die Mühlen der Verteilungskämpfe zwischen alten und neuen Ländern geraten. Dass sich in dieser Phase ausgerechnet der parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion Küster - immerhin gewählter Abgeordneter aus Magdeburg - öffentlich über eine angebliche Zweckentfremdungen von Solidarpaktmitteln auslässt, ist sehr befremdlich.
Meine Damen und Herren! Wir brauchen in Berlin keine Parteisoldaten, sondern wir brauchen Interessenvertreter unseres Landes, die unsere Probleme ernst nehmen, in Berlin artikulieren und unsere Interessen durchsetzen. Herr Dr. Püchel, Sie sollten einmal ein ernstes Wort mit Herrn Küster reden.
Wo ist denn die viel beschworene Chefsache „Aufbau Ost“, die Kanzler Schröder so gern propagiert hat? - Außer großen Worten ist nicht viel geblieben. Stattdessen drohen angesichts des Mautdesasters Kürzungen im Bereich des Bundesverkehrswegebaus und die Kulturprogramme für den Osten werden gestrichen. Aber wir dürfen uns wieder darüber freuen, dass die Hauptstadt kulturell prächtig bedacht wird. Meine Damen und Herren! So wiederholt sich die Geschichte.
Enorme Bedeutung für die weitere Entwicklung in Sachsen-Anhalt hat auch die Europäische Union. Die Osterweiterung im nächsten Jahr birgt mittel- und langfristig große Chancen für Sachsen-Anhalt. Sie ist zugleich ein historischer Meilenstein, weil die großen Nationen des Ostens, weil auch historische Landschaften endgültig wieder einen würdigen Platz in Europa finden.
Trotz aller Euphorie angesichts dessen, dass die Visionen von Willy Brandt und Helmut Kohl Realität werden, erwachsen uns kurzfristig erhebliche Risiken. Das Ringen um die Ziel-1-Förderung muss weitergehen. Es kann nicht sein, dass durch rein statistische Effekte für unser Land Einnahmen verloren gehen. Auch hier müssen wir alle miteinander darum kämpfen, dass wir eine
Umso katastrophaler ist das Bild, dass die Bundesregierung derzeit in Brüssel abliefert. Der Skandal um die Demontage des Stabilitätspaktes ist einfach unfassbar. Es war Deutschland, das um der Zukunft und der Stabilität der gemeinsamen Währung willen den anderen Staaten der Eurozone diesen Pakt abgerungen hat. Die rot-grüne Bundesregierung verstößt nicht nur permanent gegen die Stabilitätskriterien von Maastricht, sie stellt darüber hinaus die Sanktionsmaßnahmen der EU-Kommission infrage und betreibt deren Verhinderung durch entsprechende Entscheidungen im Ecofin-Rat.
Es ist offensichtlich, dass die EU-Kommission als Hüterin der europäischen Verträge beschädigt wird. Welche Folgewirkungen daraus erwachsen, ist klar: Auch andere Länder werden diese Regeln nunmehr als nicht bindend betrachten. Dadurch droht das gemeinsame Fundament europäischer Wirtschafts- und Finanzpolitik Schaden zu nehmen.
Solange der Bund nicht in der Lage ist, seine Hausaufgaben zu machen, wird sich an der desolaten Lage in Deutschland nichts ändern. Nur zur Erinnerung: Zum dritten Mal nacheinander wird Deutschland die MaastrichtKriterien verletzen, erstmals in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland ist der Bundeshaushalt schon zum Zeitpunkt seines In-Kraft-Tretens verfassungswidrig und mit 29 Milliarden € haben wir derzeit die höchste Neuverschuldung seit dem Jahr 1945.
Meine Damen und Herren! Zurück zum Landeshaushalt. Einen der zentralen Schlüssel zur Konsolidierung des Landeshaushalts stellen die Personalkosten dar. Wir alle wissen um die Brisanz dieser Thematik. Der Abbau von Stellen läuft entgegen allen Unkenrufen der Opposition planmäßig und erfolgreich. Allein in den diesjährigen Haushaltsberatungen ist es uns gelungen, nochmals 515 Stellen zu streichen.
Verbunden mit den Wirkungen der Tarifverträge und des Beamtenrechtlichen Sonderzahlungsgesetzes konnte der Bereich der Personalkosten partiell konsolidiert werden, auch wenn dies durch die Auszahlung der Lehrerarbeitszeitkonten, wie schon erwähnt wurde, noch keinen Niederschlag in der Statistik finden kann.
Insgesamt sind wir, was die Zielsetzung des Personalabbaus bis zum Jahr 2006 angeht - also die Absenkung des Stellenbestandes auf 55 000 im Bereich des Planpersonals -, auf einem guten Weg. Im Verlauf des nächsten Haushaltsjahres müssen wir die verbleibenden 745 Stellen in die Titelgruppe 96 überführen. Die Begleitung dieses Prozesses durch das Parlament ist durch unseren Antrag auf Berichterstattung im Finanzausschuss gewährleistet.
Herr Dr. Püchel, ich konnte Ihre Ausführungen über die Sinnhaftigkeit der Titelgruppe 96 ehrlich gesagt nicht ganz nachvollziehen, weil damit ein Instrumentarium von uns geschaffen wurde, an dem wir ganz klar erkennen können, wie Personalabbau strukturiert ablaufen kann.