Protocol of the Session on November 21, 2003

Die Landesarbeitsämter haben dann diese Maßnahmen in entsprechenden Größenordnungen, also für 1 500 bis 2 000 Teilnehmerinnen, ausgeschrieben, die in drei Arbeitsamtsbezirken gesucht werden müssen und wobei der Träger 15 Standorte in beiden Ländern haben soll.

Diese Anforderungen können von kleinen oder mittleren Bildungsträgern überhaupt nicht erfüllt werden. Nur noch bundesweit agierende Branchenriesen - so die Befürchtungen des VDP, des Verbandes der Privatschulen in Sachsen-Anhalt - werden in Zukunft Überlebenschancen haben.

Die Bundesanstalt erhofft sich davon eine Optimierung der Einkaufsprozesse. Das ist also eine reine Sparmaßnahmen, allerdings auf Kosten der Interessen der Länder. Regionale Arbeitsämter befürchten, dass aufgrund einer derartigen Standardisierung, die auch im Hinblick auf andere Arbeitsmarktinstrumente angestrebt wird, kurzfristige und individuelle Bedarfe von Unternehmen vor Ort nicht mehr qualitätsgerecht abgedeckt werden können.

Gleiches dürfte auf die unterschiedlichen regionalen Gegebenheiten und Bedarfe im Bereich der Arbeitsmarktpolitik zutreffen, die mit Instrumenten des zweiten Arbeitsmarktes gestaltet werden soll. Nicht Zentralisierung, sondern Vereinfachung, Entbürokratisierung und Regionalisierung sind das Gebot der Stunde.

Es geht drittens um die Erhöhung des pauschalierten Zuschusses für ABM und die Einbeziehung der an ABM Teilnehmenden in die Arbeitslosenversicherung. Aufgrund der vorgesehenen Höhe der pauschalierten Lohnkostenzuschüsse für die geplanten ABM neu wird eine Eigenbeteiligung der Träger von mindestens 20 bis 30 % notwendig werden. Das kann von kleinen Trägern sowie von Trägern von Projekten im sozialen Bereich bzw. von Kommunen nicht geleistet werden.

Wenn jetzt die zunächst für Sachkosten vorgesehenen Mittel auch für die Beiträge der Arbeitgeberinnenseite genutzt werden können - wogegen ich zunächst nichts habe -, dann ändert das an der Schwierigkeit der Gesamtfinanzierung nichts. Mit diesem Problem wird sich die Landesregierung allerdings auch im Hinblick auf ihre Beteiligung an diesen Maßnahmen beschäftigen müssen. Sie könnte, wenn sie dieses Anliegen im Bund vorträgt, sich selbst ein Stück weit entlasten.

Die Ausgrenzung von Teilnehmerinnen an Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen aus der Arbeitslosenversicherung wird den ohnehin diskriminierten zweiten Arbeitsmarkt weiter beschädigen. Es wird endgültig ein Arbeitsmarkt zweiter Klasse etabliert.

(Zustimmung bei der PDS)

Viertens. Wir fordern eine Verkürzung der Rahmenfrist für den Erwerb eines Anspruchs auf Arbeitslosengeld. Wir lehnen die Verschärfung von Zumutbarkeits- und Sperrzeitenregelungen ab. Die Frist, innerhalb deren ein Anspruch auf Arbeitslosengeld erworben werden kann, soll von drei auf zwei Jahre verkürzt werden. Das ist nicht nur für Saisonarbeitnehmerinnen ein großes Problem, sondern auch für pflegende Angehörige, die für die Pflege ihrer Angehörigen ihre Arbeit aufgeben müssen. Die daraus entstehenden Nachteile sind vor dem Hintergrund der sehr wohl aufopferungsvollen Tätigkeit, die solche Personen leisten wollen, nicht zu rechtfertigen.

Darüber, was die Verschärfung von Zumutbarkeits- und Sperrzeitenregelungen für viele Betroffene bedeutet, haben wir im Zusammenhang mit unserer Großen Anfrage zur Arbeitsmarktpolitik bereits diskutiert. Vor dem Hintergrund der Entwicklung und der Situation auf dem Arbeitsmarkt, insbesondere in Ostdeutschland, sind das reine Sparmaßnahmen, die nicht zu rechtfertigen sind. Zudem bedeutet die so genannte neue Zumutbarkeit, dass eine Spirale der Dequalifizierung in Gang gesetzt wird, anstatt auf die hohe Qualifikation der Menschen in diesem Land zu setzen. Das schädigt den Standort Deutschland.

(Beifall bei der PDS)

Die Folgen der Zusammenlegung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe auf dem Niveau der Sozialhilfe, die wir unter Punkt 5 ansprechen, haben wir in diesem Hause mehrfach diskutiert. Es ist nicht nur sozialpolitisch nicht hinnehmbar, sondern auch ökonomischer Unsinn, weil die Kürzungen in diesem Bereich unmittelbar auf die Kaufkraft durchschlagen. Die Landesregierung - das hat sie schwören müssen - hat Schaden vom Land Sachsen-Anhalt abzuwenden. Sie sollte also unbedingt eine deutliche Anhebung dieser neuen Leistung einfordern.

Die PDS-Fraktion will unter Punkt 6 bei der Einführung der Job-Center die Aufgabenverteilung zwischen Arbeitsamt und Kommune konkret regeln und der für die Betreuung und Vermittlung dieses Personenkreises zuständigen Stelle eine ausreichende Finanzausstattung sichern.

Ich sage es offen: Eine Entscheidung in dem Streit darum, wer für die Betreuung dieses Personenkreises zuständig sein soll, fällt in der Tat schwer. Es sprechen für beide Varianten genauso viele Punkte wie dagegen.

Eines ist aber Fakt: Allein und ohne die Einbeziehung der Kompetenz des jeweils anderen wird keine Seite diese Aufgabe bewältigen können. Deshalb muss die Aufgabenverteilung zwischen dem Arbeitsamt und den Kommunen konkret geregelt werden. Sie muss vor allem so geregelt werden, dass so genannte Verschiebebahnhöfe vermieden werden und dass die Betroffenen optimal betreut werden können. Es darf vor allem nicht zu einer zusätzlichen Belastung der Kommunen oder der Arbeitslosenversicherung kommen. Der Kompromiss, der sich zurzeit andeutet, weist ein Stück weit in diese Richtung.

Am Rande soll angemerkt werden, dass es sinnvoller wäre, die Mittel für die Umbenennung der Bundesanstalt für Arbeit in Agentur für die Förderung der aktiven Arbeitsmarktpolitik einzusetzen.

Meine Damen und Herren! Unser Antrag trägt die Überschrift: „Moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt“. Das meinen wir tatsächlich ernst. Wir sagen: Sparen auf Kosten sozial Schwacher ist nicht modern.

(Beifall bei der PDS)

Die Bekämpfung der Arbeitslosen anstelle der Arbeitslosigkeit ist nicht modern. Die Beseitigung des zweiten Arbeitsmarktes ist nicht modern. - Ich danke.

(Beifall bei der PDS)

Vielen Dank, Frau Dirlich. - Zunächst hat Minister Rehberger um das Wort gebeten. Bitte schön.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Gestatten Sie mir, dass ich vorab, losgelöst von der Problematik der Gesetze für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt, auf Folgendes hinweise: Aus meiner Sicht haben wir im Bereich der Kompetenzen zwischen Bundestag und Bundesrat in den letzten Jahrzehnten eine dramatische Fehlentwicklung erleben müssen. Anfang der 50er-Jahre sind rund 10 % aller Gesetze im Bundesrat zustimmungspflichtig gewesen, inzwischen sind es mehr als 60 %.

In der Praxis bedeutet das, dass die von den Bürgerinnen und Bürgern getroffenen Wahlentscheidungen zum Bundestag durch Wahlentscheidungen in den Ländern relativ rasch ausgehebelt werden. Wir geraten damit in eine Situation, in der nur noch regiert werden kann, wenn ein Kompromiss gefunden wird,

(Herr Dr. Heyer, SPD: Das kennen wir doch!)

in den praktisch alle politischen Parteien einbezogen sind: die SPD, die CDU, die CSU, die FDP, die Grünen. Alle müssen letztlich auf einen Nenner kommen. Ob das Sinn macht, wage ich zu bezweifeln. Es wird so insbesondere das ausgehebelt, was durch die Entscheidung für das nationale Parlament geklärt sein sollte. Ich gebe zu,

(Herr Dr. Püchel, SPD: Dann lassen Sie es doch laufen!)

- ja, Herr Püchel, ich gebe es gern zu - dass das einer der entscheidenden Aspekte ist, die man im Zusammenhang mit der Föderalismusreform klären muss, und zwar in dem Sinne, dass die Entscheidung für das nationale Parlament einerseits und die Entscheidungen für die Landtage andererseits nicht in dieser gravierenden Weise verquickt werden.

(Herr Dr. Püchel, SPD: Das dauert zu lange!)

Wir haben diese Problematik insbesondere in der Schlussphase der Regierung Kohl gehabt, als unter dem Einfluss von Lafontaine die sozialdemokratische Mehrheit im Bundesrat die Steuerreform blockiert hat. Wir haben heute die Problematik unter einem anderen Vorzeichen ohne jeden Zweifel auch.

(Herr Dr. Püchel, SPD: Anfang der 80er-Jahre, glaube ich, auch!)

- Natürlich. - Ich sage nur, das ist ein Problem, das nach meiner Überzeugung die Handlungsfähigkeit der Bundesrepublik - losgelöst von der Frage, wo sind die Mehrheiten und wo die Minderheiten - nicht gerade befördert.

(Zuruf von Herrn Dr. Heyer, SPD)

Ich komme zum zweiten Punkt.

(Herr Dr. Heyer, SPD: Sie haben jetzt die Mög- lichkeit, im Bundesrat das alles richtig zu ma- chen, Herr Rehberger! - Widerspruch bei der CDU)

- Nein, sehen Sie, Herr Heyer, meine Damen und Herren, das ist eben das Problem. Ich habe eben darauf hingewiesen: Es kommt nur noch etwas zustande, wenn alle Parteien - fast alle, die PDS ist in dem Fall, na ja - -

(Frau Dr. Sitte, PDS: Ganz vorsichtig!)

Sie ist aber auch nicht ganz ausgeschlossen, weil sie in Mecklenburg-Vorpommern an der Regierung beteiligt ist. Im Grunde - -

(Frau Dr. Sitte, PDS: In zwei Parlamenten! In Berlin auch!)

- Und in Berlin, okay.

(Herr Dr. Püchel, SPD: Die Stadt Berlin!)

- In der Hauptstadt.

(Zustimmung bei der CDU)

Meine Damen und Herren! Das bedeutet in der Tat, man braucht einen Kompromiss aller Parteien. Ich kann nur sagen, eine solche Situation ist alles andere als vernünftig.

(Frau Dr. Kuppe, SPD: Aber wir reden immer noch über den Arbeitsmarkt!)

- Dieses Thema muss man ganz klar hier ansprechen dürfen.

Nun geht es - das ist unstreitig - in den nächsten Wochen in Berlin um sehr viel. Das betrifft nicht nur den Bereich Arbeitsmarkt, sondern auch den Bereich der Steuerpolitik. Im Grunde genommen geht es um Weichenstellungen für die wirtschaftliche Entwicklung und damit für die Arbeitsmarktentwicklung der Bundesrepublik Deutschland.

Wir sind als Land mit in der Pflicht. Das lässt sich nicht bestreiten. Der Bundesrat kann doch nicht einfach gegen die Überzeugung der Mehrheit der Länder alles Mögliche durchwinken. Das würde mit der Verantwortung, die wir in diesem System übernommen haben, nicht vereinbar sein.

Wenn zu diesem enorm schwierigen Aufgabenfeld, nämlich einen einigermaßen vernünftigen Kompromiss zu finden, jetzt noch 16 Landtage die jeweilige Landesregierung binden - sie können das rein rechtlich natürlich nicht - oder ihr alle möglichen Aufträge mitgeben, dann birgt das ein zusätzliches Problem. Man kann nicht auf der einen Seite versuchen, irgendwo einen Kompromiss zu finden, und auf der anderen Seite bringen die regionalen Parlamente alle möglichen Wünsche in die Kompromissverhandlungen ein.

Wer in Berlin - ich glaube, dass das ganz wichtig ist - versuchen möchte, Kompromisse zu finden, der darf diejenigen, die kraft Verfassung diese Kompromisse finden wollen und sollen, nicht durch zusätzliche Parlamentsbeschlüsse weiter an die Leine legen.

(Zuruf von der SPD: Das war der Punkt!)

Deswegen glaube ich, dass es in diesem Fall nicht hilfreich ist, wenn ein Landtag, in unserem Fall der Landtag von Sachsen-Anhalt, der Landesregierung, zwar nicht rechtlich verbindlich - das ist klar, das geht nach unserer Verfassung nicht -, aber doch von der Tendenz her sehr nachhaltig sagt: Das und das und das sollt ihr alles machen oder erreichen. Wir werden auf diese Weise die Handlungsfähigkeit des Vermittlungsausschusses nicht steigern, sondern weiter einschränken.