Ich selbst kenne Herrn Hartz seit Jahrzehnten. Ich bin mir ganz sicher, dass die von ihm geleitete Kommission so manches, was man bei der Förderung des zweiten Arbeitsmarktes gewohnt ist, zur Seite schieben wird und stattdessen - wie ich das eben vorgetragen habe - Ansätze und Vorschläge finden wird, die viel stärker in die Richtung des ersten Arbeitsmarktes führen.
Ich finde, meine Damen und Herren, in dem Zusammenhang wird man in der Tat ganz nüchtern und sachlich zu prüfen haben, ob die Förderprogramme, die im Moment gelten, alle weiterhin Sinn machen oder ob man nicht bestimmte Kurskorrekturen vornimmt.
Ich freue mich darauf, dass wir im zuständigen Ausschuss des Landtages in Kürze die Gelegenheit bekommen werden, die verschiedenen Aspekte der Arbeitsmarktpolitik zu erörtern, und dass wir insbesondere auch die Gelegenheit bekommen werden, das, was die Hartz-Kommission auf den Tisch legen wird, mit Blick auf unser Land zu prüfen und hoffentlich auch vernünftig umzusetzen. In diesem Sinne bitte ich um die Unterstützung des Hauses. - Danke schön.
Vielen Dank, Herr Minister Rehberger. Möchten Sie eine Frage der Abgeordneten Frau Dr. Kuppe beantworten?
Herr Minister, Sie werden, wenn Sie sich mit den Haushalten der letzten Jahre befasst haben, sicher festge
stellt haben, dass wir bereits in der zweiten Legislaturperiode begonnen haben, den Schwerpunkt vom öffentlich geförderten Arbeitsmarkt zu Förderprogrammen zu verlagern, die in den ersten Arbeitsmarkt zielen - also eine richtige Umsteuerung in der Arbeitsmarktpolitik des Landes -, und dass in den letzten drei Jahren rund zwei Drittel bis sogar drei Viertel des Arbeitsmarktetats in den ersten Arbeitsmarkt zielten. Die Mittel dienten zur Förderung der Ausbildung, wie Sie es eben darstellten, zur Förderung der Qualifizierung von Beschäftigten in Unternehmen, zur Förderung von Existenzgründerinnen und Existenzgründern, zur Förderung der Jobrotation als neuere Programme, zur Förderung der Personal- und Organisationsentwicklung in Unternehmen.
Meine Frage lautet: Welche Umsteuerung schwebt Ihnen jetzt vor? Was wollen Sie von diesem Block, der in den ersten Arbeitsmarkt zielt, verstärken oder abschwächen und wie sehen Sie den öffentlich geförderten Arbeitsmarkt, der knapp ein Drittel der Arbeitsmarktförderung des Landes ausmacht, also wesentlich weniger als die Bundesanstalt für Arbeit insgesamt für diesen Sektor ausgibt? Wo soll das Land seinen Schwerpunkt im Sektor des öffentlich geförderten Arbeitsmarktes setzen?
Verehrte Frau Kollegin Kuppe, zunächst danke ich Ihnen, dass Sie darauf hingewiesen haben, dass in der Tat in den letzten Jahren bereits Umsteuerungen in Richtung des ersten Arbeitsmarktes stattgefunden haben. Das gibt mir Gelegenheit, die alte Landesregierung auch einmal in diesem Punkt zu loben.
Meine Damen und Herren! Wir sind nicht angetreten, um alles negativ zu finden. Die Schwarzweißmaler sitzen woanders, nicht bei uns.
Frau Kuppe, ich glaube, wir sind uns aber darin einig, dass das, was uns der neue Präsident der Bundesanstalt für Arbeit an Denkanstößen gegeben hat, und dass das, was die Hartz-Kommission jetzt erarbeitet hat, mit Sicherheit auch für uns im Sinne einer weiteren Umsteuerung Konsequenzen haben wird.
In diese Richtung wollen wir gemeinsam marschieren. Wenn die Sozialdemokraten und auch andere oppositionelle Politikerinnen und Politiker dieses unterstützen, dann ist es wunderbar, in dieser Angelegenheit eine Politik zu machen, die vom ganzen Hause unterstützt wird. Das würde mir großen Spaß machen.
Frau Fischer, den Eindruck, dass der Antrag überflüssig gewesen wäre, habe ich von dieser Debatte heute nicht mitgenommen. Das muss ich offen sagen.
Ihre Auffassung, Herr Minister, dass bei Vollbeschäftigung keine Arbeitsmarktpolitik notwendig ist, ist ja nun eine Binsenwahrheit,
und das wird auch getragen von der Tatsache, dass dieses Arbeitsförderungsgesetz überhaupt erst Ende der 60er-Jahre in der Bundesrepublik entstanden ist.
Herr Minister, Sie haben heute nicht von Arbeitsmarktpolitik gesprochen. Sie haben von Beschäftigungspolitik gesprochen, und ich habe deutlich gemacht, dass zur Beschäftigungspolitik auch für uns wesentlich mehr gehört als nur Arbeitsmarktpolitik. Dass sie natürlich ein Bestandteil dieser Beschäftigungspolitik ist, darüber sind wir uns zumindest erst einmal einig und das ist doch auch schön.
Ich komme zu dem Thema der ABM-Karrieren. Frau Fischer, ich kenne Menschen, die solche ABM-Karrieren gemacht haben. Sie würden Ihnen inhaltlich wirklich voll zustimmen, wenn sie denn irgendwann endlich eine Arbeit bekämen, und zwar völlig egal, wo es ist. Es nützt nichts, man muss es sich eingestehen.
Ich möchte jetzt nur einmal von dem wirklich optimistischsten Szenario sprechen, das im Rahmen einer Machbarkeitsstudie, die im Zusammenhang mit unserer Diskussion zum öffentlich geförderten Beschäftigungssektor von einen Büro für Strukturforschung in Rostock für die Region Rostock gemacht worden ist, aufgezeigt worden ist.
Selbst bei dem optimistischsten Szenario, für das das Büro hervorragende Wirtschaftsdaten kalkuliert hat und eine gesteigerte Arbeitsmarktpolitik - gesteigerte Maßnahmen in der Arbeitsförderung - voraussetzte, bleibt trotzdem eine Arbeitsplatzlücke. Darüber müssen wir uns auch unterhalten.
Da können Sie wirtschaftspolitiken so viel Sie wollen, diese Arbeitsplatzlücke wird bleiben. Deshalb bleibt eben auch eine soziale und auch eine sozialpolitische Verantwortung von Arbeitsmarktpolitik - von mir aus auch von Beschäftigungspolitik - bestehen. Darum kommen wir nicht herum.
Wenn zusätzliche Arbeitsplätze tatsächlich entstehen sollen, dann muss das Wirtschaftswachstum stärker sein als die Entwicklung der Arbeitsproduktivität. Sie müssen mir erst einmal beweisen, ob das in den neuen Bundesländern jemals bzw. in der letzten Zeit so gewesen ist und ob es auch in den alten Bundesländern noch so ist.
Ich sage Ihnen: Ich habe jetzt die Zahlen nicht parat. Wir können es uns aber doch einmal genau anschauen, wann genau diese Daten zuletzt übereingestimmt haben. Das ist doch eine spannende Diskussion.
Mit Verlaub, es gibt auch Arbeit, die sich eben niemals rechnen und die der Markt deshalb auch niemals anbieten wird und die deshalb im Moment - - Ich sage Ihnen: Wir hätten dies auch gern alles auf dem ersten Arbeitsmarkt. Alle sozialpolitischen Projekte könnten natürlich Arbeitsplätze für den ersten Arbeitsmarkt bieten, wenn
der Staat in der Lage wäre, sie aus anderen Mitteln als aus den Mitteln für den zweiten Arbeitsmarkt zu finanzieren. Dann bitte gern. Aber wo bleibt das Geld denn?
Deshalb haben wir eben - das ist der Grund, aus dem wir auf diesen ersten Punkt auch ein wenig Wert legen - die Befürchtung, dass die soziale Bedeutung von Arbeitsmarktpolitik mit dem Übergang in das Wirtschaftsressort geringer wird und die sozialen Projekte etwas hinten runterfallen. Deshalb - das muss ich Ihnen sagen - bin ich nicht sehr glücklich darüber, dass Sie sich mit diesem ersten Punkt überhaupt nicht anfreunden können. Ich würde es wirklich schade finden, wenn wir die Diskussion über diesen Punkt an dieser Stelle beenden würden.
Ich sage nicht: Stimmen Sie mir heute bitte zu! So vermessen möchte ich nicht sein. Ich bitte Sie nur darum, dass wir diese Diskussion heute in diesem Haus nicht beenden, weil ich wirklich den Eindruck habe, dass noch eine ganze Menge Nachholbedarf auch in dieser Diskussion besteht. Ich würde sie gern weiterführen. Sie selbst haben auch gesagt, Frau Fischer, dass fünf Minuten Redezeit für eine Diskussion zu dem Thema nun wirklich nicht ausreichen.
Einen Satz möchte ich noch sagen, den mir meine Kollegin Frau Ferchland aufgegeben hat: Herr Minister, dass jeder Jugendliche in Sachsen-Anhalt einen Ausbildungsplatz erhalten hat, hatte fast nichts
oder auch gar nichts mit Wirtschaftspolitik zu tun. Vielmehr hatte es etwas mit der Arbeitsmarktpolitik des Landes Sachsen-Anhalt zu tun.
Deshalb sollten wir uns wirklich Zeit für dieses Thema nehmen. Ich bitte Sie, ganz einfach alle drei Anträge zu nehmen und sie in den Ausschuss zu überweisen. Was dann am Ende aus dem Ausschuss wieder hier im Parlament landet, das ist eine ganz andere Frage.
Lassen Sie uns diese Frage der sozialen Bedeutung von Arbeitsmarktpolitik nicht am heutigen Tag und nicht mit der heutigen Debatte beenden. - Ich danke Ihnen.
Vielen Dank, Frau Dirlich. - Wünscht noch jemand von den anderen Fraktionen das Wort? Das wäre jetzt möglich, nachdem von der Regierung gesprochen wurde. - Das ist offensichtlich nicht der Fall. Wir kommen zum Abstimmungsverfahren.
Beantragt wurde die Überweisung des Antrages der PDS-Fraktion und der beiden Änderungsanträge in den Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit. Wer stimmt diesem Überweisungsantrag zu?
- Abgestimmt wird zunächst über den Antrag auf Überweisung; das ist schon einmal klar. Dann kommen wir zu den Anträgen selbst. Wer also nicht möchte, dass der Antrag in den Ausschuss überwiesen wird, der muss jetzt mit Nein stimmen.
Wer stimmt dem Überweisungsantrag zu? In diesem Fall werden alle drei Anträge überwiesen. - Wer stimmt dagegen? - Das ist die Mehrheit. Damit ist die Überweisung des Antrages abgelehnt worden.
Jetzt müssten wir normalerweise über den Änderungsantrag der SPD-Fraktion abstimmen, weil er weitreichender ist. Ich habe allerdings vorhin mitgeteilt bekommen, dass die SPD-Fraktion ihren Änderungsantrag zurückziehen würde unter der Bedingung, dass die Fraktionen der CDU und der FDP den Punkt 3 aus dem Antrag der SPD-Fraktion in ihren Antrag übernehmen.