Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Erstens verwundern die beiden Anträge der SPD und der PDS natürlich nicht, da nicht nur bei Ihnen ein berechtigtes Interesse besteht, wie die künftige Beschäftigung unserer Lehrkräfte gestaltet wird. Zweitens haben Sie natürlich mit dem Regierungswechsel Bedenken, dass der aus Ihrer Sicht erfolgreiche Tarifvertrag gekippt werden könnte bzw. mit anderen von Ihnen nicht gewollten Parametern fortgeführt wird. Drittens ist es legitim, als Oppositionspartei die Regierung in ihrer Arbeit zu kontrollieren.
Aus diesen Gründen können wir natürlich Ihrem Anliegen folgen. Aber angesichts der Tatsache, dass zwischen den Tarifparteien - dazu gehören ausdrücklich wir Fraktionen des Parlaments nun einmal nicht - Vertraulichkeit über die Inhalte der Gespräche vereinbart wurde, lässt es sich zum gegenwärtigen Zeitpunkt wohl kaum realisieren, dass konkrete Inhalte im Ausschuss diskutiert werden.
Da auch Sie daran interessiert sind - das haben Sie eben gesagt -, dass eine Anschlussregelung getroffen wird, liegt es mit Sicherheit auch in Ihrem Interesse, dass Teilergebnisse bzw. auch etwaige Verhandlungsergebnisse nicht konterkariert werden. Vielmehr - dies geht auch aus dem PDS-Antrag hervor - sollten wir dafür Sorge tragen, dass die Tarifparteien im Interesse unserer Lehrkräfte im Land zügig vorankommen, ein schnelles Ergebnis finden und die bisherige Verhandlungsführung nicht gefährdet wird.
Andererseits - auch dort finden Sie unsere Zustimmung - kann dies nicht zu jedem Preis erfolgen. Bestimmte Parameter sind Ihnen und auch uns, den regierungstragenden Fraktionen, außerordentlich wichtig. An erster Stelle steht für uns die Unterrichtsversorgung, welche fachgerecht abgesichert werden sollte. Des Weiteren ist der Lehrkräftebestand an dem entsprechenden Bedarf auszurichten. Dies kann nicht ohne eine entsprechende Anpassung an die strukturellen und auch an die schulprogrammatischen Vorgaben geschehen. Selbst regionale Besonderheiten sollten hierbei Berücksichtigung finden. Ebenfalls außer Frage steht die Notwendigkeit eines angemessenen Einstellungskorridors für junge Lehrkräfte.
Im Wesentlichen können wir Ihre Forderungen also mittragen. Auch wir haben in der Vergangenheit ähnliche Forderungen gestellt. Andererseits wundert es mich schon, dass Sie bisher den auslaufenden Tarifvertrag in den höchsten Tönen gelobt haben bzw. weiterhin loben, bei dem alle diese Fragen, die ich eben genannt habe, keinerlei Berücksichtigung fanden.
Die flächendeckende Solidarität der Lehrkräfte untereinander ist nämlich zum Reizthema vor Ort geworden. Aufgesparte Arbeitszeitkonten in Höhe von mehr als 300 Millionen €, die nicht einmal haushaltstechnisch berücksichtigt wurden - der Ministerpräsident hat heute von Kredit gesprochen -, lassen bei den Lehrkräften nicht nur viel Unmut aufkommen, sondern die Frage, die sie sich ständig stellen, ist: Was wird denn nun mit unseren absolvierten Arbeitszeiten bei Auslaufen des Tarifvertrages geschehen? Allein dieses Beispiel zeigt, dass der derzeitige Tarifvertrag keine Lobeshymne verdient. Die Versprechen damals waren ganz andere.
Unsere Lehrerinnen und Lehrer sind demotiviert und das muss sich ändern. Da nun ein Regierungswechsel stattgefunden hat, wird es nun die Aufgabe der neuen Landesregierung sein, dieses Problem zu lösen. Ich bin mir sicher, dass hierzu von den Ministerien vernünftige und auch annehmbare Lösungen gefunden werden. Der Vorschlag, die Arbeitszeitkonten in Raten auszuzahlen, wird unter den Lehrkräften als akzeptable Lösung angesehen und sehr positiv aufgenommen.
Verehrte Anwesende! Sicherlich ist die Arbeitsplatzgarantie ein Grund, von dem andere Bereiche des Arbeitsmarktes nur träumen. Aber zu welchem Preis ist das mit dem Abschluss des bisherigen Tarifvertrages geschehen? Die Unterrichtsversorgung hat sich drastisch verschlechtert. Unterrichtsausfall steht an den Schulen auf der Tagesordnung.
Durch dieses starre Gebilde war keinerlei Flexibilität in den einzelnen Schulformen und auch keine fachgerechte Unterrichtsversorgung möglich.
Im Gegenteil: Durch schulprogrammatische Veränderungen, zum Beispiel bei der Einführung der Förderstufe, ist es zusätzlich zu einer Vielzahl von Versetzungen gekommen. Meist waren es Grundschullehrer, die in die Sekundarschule versetzt worden sind, wodurch sich die Anzahl der nicht fachgerecht erteilten Unterrichtsstunden weiter erhöht hat.
Des Weiteren: Das Problem der Absicherung der Lehrkräfte in den Mangelfächern hat sich dadurch nur noch verschärft, da sich hier die Unterrichtsversorgung immer schwieriger gestaltet. Von der daraus resultierenden Demotivation, deren Ursachen sich mit aus dem derzeitigen Tarifvertrag schließen lassen, habe ich bereits gesprochen.
Als Letztes möchte ich noch eines nennen: Es war auch keine ausreichende Rechtssicherheit vorhanden. Immerhin klagen noch 13 Lehrer, mittlerweile beim Bundesarbeitsgericht, gegen diesen Tarifvertrag.
Verehrte Anwesende! Nach der Konstituierung hat die neue Landesregierung umgehend die Verhandlungen aufgenommen, wie es die alte Landesregierung noch mit den Tarifparteien vereinbart hatte. Die damalige Aus
sage der Tarifpartner, dass die Verhandlungen zum Stillstand gekommen seien, war sicherlich eher wahltaktisch oder auch einem vielleicht nicht gewollten öffentlichen Eingestehen der vorhandenen Misere geschuldet.
Am 23. und auch am 29. Mai wurden nun die Verhandlungen wieder aufgenommen. Am 22. August wird die nächste Beratung stattfinden. Angesichts der schon beschriebenen Absicht, die Verhandlungen nicht konterkarieren zu wollen - im Übrigen hat es selbst Herr Harms zu Beginn der Neuaufnahme der Verhandlungen zum Anschlusstarifvertrag abgelehnt, detailliert im Ausschuss darüber zu berichten, und zwar genau mit der gleichen Begründung, nämlich um mögliche Gefährdungen der Gespräche zu vermeiden -, sollten wir im Interesse aller unserer Lehrkräfte das auch der neuen Landesregierung zugestehen. Andererseits möchten wir uns, wie ich bereits ausführte, einer Diskussion um veränderte Parameter bzw. Rahmenbedingungen nicht verschließen, sodass wir vorschlagen, beide Anträge in den Ausschuss zu überweisen und dort über das weitere Verfahren zu beraten. - Vielen Dank.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Vielen Dank, dass ich noch einmal die Möglichkeit bekomme zu reagieren. Ich hatte ursprünglich nicht vor, noch einmal längere Ausführungen zu machen. Aber nach einigen Äußerungen, die von meinen Vorrednerinnen bzw. Vorrednern gemacht worden sind, muss ich das schon tun.
Meine Damen und Herren! Es geht hier überhaupt nicht darum, irgendwelche Lobeshymnen zu verbreiten. Das habe ich nicht gemacht, das hat, glaube ich, auch Frau Hein nicht gemacht.
- Genügend, aha. Das habe ich falsch verstanden. - Wir haben nichts mit Lobeshymnen und diesen Dingen zu tun. Wir wollen klären, wie wir mit einem Problem umgehen, das sicherlich vom ersten Tag an bis heute ein Problem war und auch zukünftig ein Problem bleiben wird, weil die Welt nicht so einfach ist, wie man sie darzustellen versucht.
Wir haben einen Tarifvertrag in einer Situation im öffentlichen Dienst geschlossen - - Eine Maßnahme, die es so überhaupt nirgendwo gegeben hat. In anderen Ländern, in Thüringen, Sachsen, Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg, hat man andere Modelle gewählt, angefangen von Entlassungen über Floating-Modelle bis zu 50%-puls-X-Gehältern, und dann sagt man uns, hier gebe es die am schlechtesten bezahlten Lehrer.
Meine Damen und Herren! Ich muss dazu einmal Folgendes sagen: Unsere Lehrkräfte in Sachsen-Anhalt sind
- Darf ich bitte einmal ausreden, Herr Gürth? Wenn Sie reden, unterbreche ich Sie doch auch nicht. Das hat etwas mit politischer Kultur zu tun.
Also, unsere Kolleginnen und Kollegen sind von der Grundeingruppierung genau dort, wo andere auch sind. Natürlich gibt es durch den Arbeitsplatzsicherungstarifvertrag - auf „Arbeitsplatzsicherheit“ liegt die Betonung - Abzüge.
Sagen Sie mir bitte - das geht an den Redner von der FDP -: Was wäre zum Tag X, als wir diesen Vertrag geschlossen haben, eine akzeptable Alternative gewesen in einem Land, das schon eine hohe Arbeitslosigkeit hatte,
in einer Zeit, in der sichtbar und klar war, dass die Schülerzahlen um mehr als die Hälfte zurückgehen werden? Natürlich können Sie mir sagen: Man hätte betriebsbedingt kündigen können. - Genau das haben wir nicht getan. Wir haben versucht, das zu begründen.
Zweiter Punkt: Es zeigen sich natürlich aufgrund der Einmaligkeit dieses Tarifvertrages und der schwierigen Problematik auch Probleme. Daran ist stets gearbeitet worden, nachdrücklich auch vonseiten der Gewerkschaften. Ein Problem ist zum Beispiel, wie man mit tatsächlich geleisteter Mehrarbeit über die Festlegung hinaus umgeht. Diesbezüglich hätte eine Problemlösung erfolgen müssen - vielleicht bekommt man das ja jetzt hin -, das ist uns bewusst.
Dritter Punkt: Es geht mir auch um die Fragen der Rechtssicherheit. Wir haben in den neuen Ländern häufig Probleme im Umgang mit Verträgen, mit Rechtslagen, mit Rechtssicherheiten. Über den Arbeitsplatzsicherungstarifvertrag hatte jeder Kollege, jede Kollegin ein doppeltes Recht: Der Arbeitsplatz ist gesichert und das erworbene Anrecht auf den Arbeitszeitkonten ist nach dem Arbeitsvertrag und nach dem Tarifvertrag gesichert. Eine doppelte Sicherung!
Ich muss natürlich auch eines sagen: Es wirkt natürlich wunderbar, wenn man die Kollegen immer wieder auch zielgerichtet verunsichert, dass das alles nicht funktionieren könne.
- Natürlich! - Damit es funktioniert, sind genau diese Schritte notwendig, die jetzt anzuschließen sind.
Frau Hein hat es sehr deutlich gesagt: Die Gewerkschaften hatten sich eine andere Laufzeit des Tarifvertrages vorgestellt. Keine Landesregierung, weder die damalige noch die heutige, behaupte ich, würde sich über einen derart langen Zeitraum von zehn oder zwölf Jahren bin
den. Deshalb sind wir in der Situation, in der wir sind. Das hat aber nichts damit zu tun, dass in SachsenAnhalt hinsichtlich der rechtlichen Ansprüche nun eine allgemeine Unsicherheit ausbrechen muss.
Letzte Bemerkung, dann höre ich auf: Im Bildungsausschuss geht es uns darum, nicht der Spielball bei den Tarifpartnern zu sein. Vielmehr spreche ich hier primär als Bildungspolitikerin; das haben die anderen auch getan, zumindest in großen Teilen. Wir wollen unseren Einfluss geltend machen zu diskutieren, der Landesregierung Hilfestellung zu geben hinsichtlich der Parameter, was wir uns als Land leisten können müssen, damit Schule besser als bisher funktioniert. - Vielen Dank.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Volk, Sie können es vielleicht nicht wissen, aber Herr Gürth müsste wissen, welche Diskussion es damals - 1996 - um die Einführung dieses Tarifvertrages gegeben hat. Wenn Herr Volk sagt, dass es über die Köpfe der Lehrer hinweg entschieden worden sei, muss ich sagen: Es haben alle Lehrerverbände am Tisch gesessen, alle. Der Tarifvertrag wäre nicht zustande gekommen, hätten sie nicht am Ende zugestimmt.
Es gibt ein Problem damit - Frau Mittendorf hat versucht, es jetzt noch einmal zu sagen -: Die Konzipierung dieses Solidarmodells hat einen deutlich längeren Zeitraum zum Inhalt gehabt, zehn bis zwölf Jahre, nämlich genau so lange, wie der Schülerrückgang bis zu einer Stabilisierung der Schülerzahl vonstatten geht.